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TIERE/149: Fische - Fressgenuss ... (SB)



Vermutlich kennen nur wenige den Stör vom Ansehen her, schließlich lebt er nahe am Grund von Flüssen und ist dort ebenso wenig zu sehen, wie im Meer, wo er gleichfalls zu Hause ist. Im Folgenden betrachten wir, wie und wo er lebt und warum gerade dieser Fisch vom Menschen so gnadenlos gejagt wird.


Ein Urzeitfisch zwischen Süß- und Salzwasser

Seit ungefähr 200 Millionen Jahren leben Störe auf der Welt. Sie gab es schon zu Zeiten, als auch Dinosaurier den Planeten bevölkerten. Sie erlebten Vulkanausbrüche, Kontinentalverschiebungen und Eiszeiten, die sie aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit an ständig veränderte Umweltbedingungen als Art bis heute überlebten.

Der Lebensraum dieser Fische befindet sich ausschließlich auf der Nordhalbkugel, wo sie in den höheren Breitengraden in den Meeren und Flüssen anzutreffen sind. (zum Beispiel: Schwarzes Meer, Asowsches Meer oder im Kaspische Meer sowie in Zuflüssen wie der Lena samt Nebenflüssen oder des Amur, sowie in der Nord- und Ostsee).


Auf der Zeichnung sind deutlich die Zacken auf dem Rücken des langgestreckten Fisches zu sehen - Grafik: 1795/97, by Krüger, Public domain, via Wikimedia Commons

Europäischer Stör, ein Urzeitfisch
Grafik: 1795/97, by Krüger, Public domain, via Wikimedia Commons


Störe gehören zur Familie großer bis sehr großer urzeitlicher Knochenfische, von denen einige zwischen drei bis fünf Meter lang werden können. Von den Größten ihrer Art, den Beluga-Stören, wird sogar eine Körperlänge von bis zu acht Metern genannt. Die meisten Störe gehören zu den anadromen Wanderfischen. Das bedeutet, dass sie zum Laichen vom Meer die Flüsse hinauf schwimmen, also einen Wechsel vom Salz- ins Süßwasser vornehmen. Für die Entwicklung ihres Laichs (Rogen, Eier) ist das Süßwasser unbedingt erforderlich. Ungefähr 2,5 Millionen dunkelgraue, klebrige Eier kann ein Weibchen auf den sandigen Uferbänken ablegen, doch kann die Zahl je nach Größe und Art der Fische verschieden hoch sein. Die jungen Störe wachsen dort auf und bleiben oft ein bis zwei Jahre in diesen Gewässern, bis sie dann den Weg ins Meer antreten.

Störe können mit über 100 Jahren sehr alt werden, entwickeln sich aber langsam. Erst zwischen zwei und fünf Jahren werden sie geschlechtsreif. Ausgeglichen wird die lange Entwicklungszeit dieser Fische durch die sehr große Zahl an Eiern, wodurch eine hohe Vermehrungsrate gewährleistet werden soll. Sie leben auf dem Grund von Gewässern, wo sie sich von kleinen bodenbewohnenden Lebewesen ernähren. (Würmer, Krebstiere, Weichtiere). Einige Arten sind auch räuberisch unterwegs und jagen große oder kleine Fische. Sie sind Dauerschwimmer; ob, wann und wie sie schlafen, ist nicht hinreichend erforscht.


Warum ist der Stör ein so begehrter Fisch

Einst bevölkerten Störe fast alle nördlichen europäischen Gewässer. Damals lebten noch so ungeheuer viele ihrer Art, dass dieser Fisch als Arme-Leute-Essen galt. Für die Fischer war der Stör samt Rogen ein nahrhaftes, jederzeit leicht zu fangendes Essen. Es gibt mehrere Erzählungen darüber, wie es dazu kam, dass der Stör immer interessanter für Zaren, Kaiser, Könige und Fürsten wurde, den Herrschern und den sehr reichen Menschen. Dem wollen wir hier nicht weiter nachgehen. Sicher ist, dass ungefähr seit Ende des 19. Jahrhunderts die massenweise und rücksichtslose Jagd auf den Stör begann und zu einer grenzenlosen Überfischung führte. Der Stör stand kurz vor seiner Ausrottung.

Eigentlich geht es in erster Linie gar nicht um den Stör als Speisefisch, sondern das vorrangige Interesse gilt dem Rogen, das sind die Eier des weiblichen Fisches. Aus ihm wird Kaviar hergestellt, der als sehr teure Delikatesse verkauft wird. Um Kaviar aus dem Rogen herstellen zu können, werden die unbefruchteten Eier benötigt. Wenn die Weibchen den Fluss aufwärts schwimmen, um ihre Eier abzulegen (das wird Ablaichen genannt), werden sie, bevor das geschehen kann, gefangen und getötet. Ihr Rogen wird entnommen und zur Herstellung in entsprechende Verarbeitungsstätten gebracht.

Allerdings sind mittlerweile Methoden entwickelt worden, bei denen die Weibchen nicht geschlachtet werden müssen. Was aber ist eigentlich so besonders am Kaviar?

Beim Kaviar handelt es sich zwar um ein Nahrungsmittel mit vielen guten Inhaltsstoffen, doch findet man diese auch in anderen Lebensmitteln. Um sich gesund zu ernähren, müsste niemand unbedingt Kaviar essen.


Kaviar als Statussymbol?

Kaviar kaufen und essen, das kann sich nicht jeder erlauben. Ein Kilogramm Kaviar kann zwischen 15.000 und 30.000 Dollar kosten. Da sei die Frage erlaubt, warum oder wodurch derart hohe Preise erzielt werden können?

Ein Grund ist die langsame Entwicklung zur Geschlechtsreife und daher auch die erst späte Ausbildung des Rogens. Beim Beluga-Stör beispielsweise können ca. 18 Jahre vergehen, bevor ein Weibchen wieder Rogen in sich trägt. Kaviar kann also nicht "am laufenden Band" produziert werden. Des Weiteren zählt der Stör zu den vom Aussterben bedrohten Tieren und darf normalerweise nicht wild gefangen werden, was aber dennoch geschieht. Wilderer verlangen viel Geld für ihre verbrecherische Handlung. Hinzu kommt, dass der Kaviar nicht lange gelagert werden kann, er muss über die gesamte Lieferkette eine konstante Temperatur von -2° Celsius behalten. Man kann also sagen, dass Kaviar nur unter schwierigen Bedingungen herzustellen ist. Viele sehr wohlhabende Leute bezahlen viel Geld für den Kaviar, und so ist es eher ein Statussymbol als ein Nahrungsmittel. Erschreckend ist, dass dafür eine Fischart beinahe gänzlich ausgerottet wurde!


Kaviar aus Aquakulturen - das Leid der Fische endet nicht

Um das Geschäft mit dem Kaviar auf legalem Wege aufrechtzuerhalten, werden Störe heute in vielen Ländern in sogenannten Aquakulturen gezüchtet. Doch ihre Aufzucht in Gefangenschaft erweist sich als schwierig. Die meisten Störe fühlen sich im kühlen frischen Wasser wohl und lieben es als Dauerschwimmer weite Strecken zu schwimmen.


In viel zu kleinen Kästen sind die Fische eingesperrt - Vitaly Schamchikov, 2018, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Störkäfige in dem Fluss Suda
Vitaly Schamchikov, 2018, eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
[https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons


Wie in allen sogenannten Aquakulturen wird die Fütterung wie auch die Säuberung bei der Haltung von sehr vielen Tieren auf begrenztem Raum zum Problem. Die Herausbildung von Infektionskrankheiten, die sich schnell ausbreiten und dann mit Antibiotika behandelt werden müssen, ist hier sehr wahrscheinlich. Bei Wanderfischen, die den Wechsel von Süß- in Salzwasser bevorzugen, ist eine artgerechte Haltung schwer möglich.


Was noch zum Aussterben vieler Störarten geführt hat

Wie oben erwähnt, handelt es sich bei Stören um Meeresfische, die aber als Wanderfische zum Laichen in Flussgewässer, also ins Süßwasser schwimmen. Durch den Bau von Wehren und Staudämmen wird ihnen der Weg versperrt. Sie können nicht mehr flussaufwärts schwimmen oder das Meer erreichen. Damit wird ihr Fortpflanzungsrhythmus unterbrochen, was zur Folge hat, dass sich ihre Population nicht erholen kann. Außerdem sind nahezu alle nennenswerten Zuflüsse zum Meer mittlerweile begradigt worden, beispielsweise um den Schiffsverkehr zu ermöglichen. Dazu wurden die Uferbänke beseitigt, das heißt, sie wurden ausgebaggert, aber gerade diese Ufersande, die steinigen Kiesbänke, dienen den Stören als gut geeignete Laichplätze. Hinzu kommt die starke Gewässerverschmutzung durch Abfälle und Chemikalien. Schlimm wirkt sich für die Störe auch die Erhöhung der Wassertemperatur aus, die durch den Klimawandel verursacht wird. All dies führt zu enormen Verlusten in den Störbeständen.


Die Rettung der Störe

Um ein Verschwinden des Störs zu verhindern, werden Zuchtfarmen angelegt, mit der Absicht, die jungen heranwachsenden Störe in geeigneten Flussläufen auszuwildern.

Das ist nicht ganz einfach, da das Aussetzen der Fische gut vorbereitet sein will. Denn damit die jungen Störe sich in den Flüssen entwickeln können, müssen die angemessenen Umweltbedingungen wiederhergestellt sein: kühles, sauberes Wasser, weite Ufersande mit genügend Kiesbänken, eine möglichst abwechslungsreiche Flussbettstruktur und der freie Weg ohne Hindernisse ins Meer oder in den Fluss.

Erfreulicherweise gibt es viele Menschen, die sich in Organisationen zur Rettung des Störs zusammengefunden haben, um genau diese Aufgaben zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass möglichst viele Fische Nachwuchs bekommen können und sich die Populationen der Störarten wieder vergrößern.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.sturgeon.de/

https://www.rnd.de/wissen/stoere-vom-aussterben-bedroht-so-soll-der-fisch-in-deutschland-wieder-angesiedelt-werden-H44LMJ7C4VCYNB4MYLVXG6WLG4.html

https://www.attiluskaviar.de/pages/a-history-of-desire


8. Dezember 2022

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 178 vom 24. Dezember 2022


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