Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → NATURKUNDE


TIERE/150: Die Seekuh - das Aussterben eines urzeitlichen Wesens ... (SB)



Eine Tierart, die kaum natürliche Feinde hat, steht jetzt auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Seekühe, auch Manatis genannt, halten sich gern in flachen, ufernahen Gewässern auf, wo sie das dort wachsende Seegras fressen - eine ihrer Lieblingsspeisen. Doch ist das auch der Meeresbereich, den Menschen für sich beanspruchen, um mit Motorbooten ihre Bahnen zu ziehen. Es sind die Schiffsschrauben dieser Boote, durch die den Manatis leider oft schwere Verletzungen zugefügt werden, die bei vielen Tieren zum Tod führen. Die Population der Seekühe hat sich drastisch verringert. Die zunehmende Verschmutzung des Wassers durch Plastikmüll und Abwasser macht diesen Meeressäugetieren zu schaffen. Dabei fördern in Fluss oder Meer gelangte Düngemittel, die unter anderem Nitrate und Phosphor enthalten, das Algenwachstum. Die Algen wachsen dadurch in kurzer Zeit, nehmen eine große Fläche ein und verbrauchen Sauerstoff, was zum Absterben des Seegrases führt. Das kann gebietsweise soweit gehen, dass die Manatis nicht mehr genug fressen können und verhungern. Hinzu kommen klimatische Veränderungen, die den Seekühen das Überleben schwermachen.


Seekühe - eine Millionen Jahre alte Spezies

Sie haben ein freundliches Gesicht und eine eigentümliche Körperform, die an eine längliche Birne erinnert. Ihre ältesten heute noch lebenden Verwandten sind nicht etwa Kühe, sondern Elefanten. Vor rund 60 Millionen Jahren lebten sie als Landsäugetiere in flachen Sumpfgebieten in Gewässernähe. Im Verlauf einer langen Entwicklungszeit passten sie sich schließlich an das Leben im Wasser an. Ihre Vorderbeine wurden zu Flossen, die großen Paddeln gleichen. An den abgerundeten Enden dieser Vorderflossen sind noch Fingerverhornungen zu erkennen, die durchaus als Fingernägel bezeichnet werden können. Ebensolche Fingernägel befinden sich an Elefantenfüßen - ein Hinweis auf ihre Verwandtschaft. Die einstigen Beine der Seekühe haben sich ganz zurückgebildet, so dass dort keine Flossen entstanden sind. Auf ihrem Rücken befindet sich keine Rückenflosse. Der Körper der Seekuh endet in einer großen, flachen, waagerecht verlaufenden und abgerundeten Schwanzflosse, der Fluke. Durch Auf- und Abbewegungen der Flosse kann sich die Seekuh fortbewegen. Sie sind allerdings keine Schnellschwimmer, sie lassen sich oft treiben und steuern mit ihren Flossen. Normalerweise bewegen sie sich mit 3 bis 7 km/h durch Wasser, droht aber Gefahr, können sie eine Geschwindigkeit von 25 km/h erreichen.



Im blaudunklen Wasser schwimmt eine Seekuh, dabei zeichnet sich deutlich ihre rundliche, nach hinten hin schmaler werdende Körperform ab, keine Rückenflosse, keine Seitenflossen, nur die beiden Vorderflossen sind zu erkennen - Foto: NASA, Public domain, via Wikimedia Commons

Eine Rundschwanzseekuh
Foto: NASA, Public domain, via Wikimedia Commons


Heute gibt es zwei Seekuhfamilien. Die Gabelschwanzseekuh (Dugongs), die nur an den Meeresküsten des Indischen Ozeans, einschließlich des Roten Meeres und des süd-westlichen Pazifischen Ozeans leben und die Rundschwanzseekuh (Manatis/Manatee). Letztere ist in drei Arten unterteilt, zwei leben im Meerwasser (Karibik-Manati und Westafrikanischer Manati) und nur der Amazonas-Manati hält sich ausschließlich im Süßwasser auf, doch sind alle drei Arten in der Lage sowohl in Süß- als auch in Salzwasser zu leben. Gemeinsam ist allen, dass sie sich am liebsten in warmen Gewässern aufhalten, das 19 bis 20°C haben sollte.

Seekühe haben keine Fettschicht unter ihrer Haut, die sie vor Kälte schützt und können sich leicht eine Lungenentzündung zuziehen. Sie atmen durch ihre Nasenlöcher, die oberhalb der Schnauze liegen. Alle paar Minuten schwimmen sie an die Wasseroberfläche zum Luftholen. Seekühe können ca. 4 Minuten lang tauchen, doch wenn es notwendig ist, sind sie in der Lage bis zu 16 Minuten unter Wasser zu bleiben. Die Schwanzflosse ist es, anhand der die beiden noch lebenden Familien in Gabelschwanzseekühe und Rundschwanzseekühe eingeteilt werden. Seekühe können zwischen 2,5 Meter und 4,5 Meter lang werden. Im 18. Jahrhundert wurde die sogenannte Steller Seekuh entdeckt. Als einzige Seekuh bevorzugte sie das kalte Meerwasser der Beringsee zwischen Russland (Sibirien) und den USA (Alaska). Sie wies eine Länge von beeindruckenden 8 Metern, alte Überlieferungen sprechen sogar von 10 Metern, auf. Doch schaffte es der Mensch, sie bereits 27 Jahre nach ihrer Entdeckung gänzlich auszurotten. Im Vergleich zu den Arten, die heute noch leben, war die Qualität und Beschaffenheit ihrer Haut, ihrer Speckschicht und ihres Fettes für den menschlichen Genuss und Verbrauch von großem Vorteil. Die Steller Seekuh wurde aus eben diesen Gründen erbarmungslos getötet. Alten Berichten zufolge fand eine regelrechte Metzelei dieser Tiere statt, bis im Jahr 1768 keines mehr übrig blieb und sie als ausgestorben, wohl eher ausgerottet, galten.


Jagd auf Manatis

Die Manatis waren leicht zu töten, denn die Jäger brauchten nur zu warten, bis die Tiere zum Luftholen auftauchten, um sie dann mit Pfeilen oder später auch mit Harpunen zu erschießen. Damals gab es wirklich noch sehr viele Seekühe und man tötete sie vorzugsweise, wenn sie sich in flachen Gewässern sammelten. Obwohl ihr Fleisch nach damaligen Wissen als ungesund galt und sogar fiebererzeugend sein sollte, wurde es aufgrund seines Wohlgeschmackes verzehrt. Das Fett der Seekühe wurde in jenen Zeiten in Kirchenlampen verbrannt oder zum Kochen verwendet. Es roch weit angenehmer als Walfischtran, der ebenfalls zu solchen Zwecken Verwendung fand. Die dicke Haut der Tiere wurde in Streifen geschnitten, um daraus Peitschen und Seile anzufertigen. So wurden im 18. und 19. Jahrhundert massenweise Manatis getötet.


Seekühe vermehren sich nur langsam

Wenn Seekühe vor Hunger sterben, weil nicht mehr genügend Seegras zu finden ist, wenn sie wegen ihres Fleisches gejagt oder von Schiffsschrauben verletzt werden und später verenden oder sie in verschmutzten Gewässern Giftstoffe aufnehmen und Plastikmüll fressen - all dies führt zu einer ständigen Verringerung ihrer Population, denn die Anzahl der gestorbenen und getöteten Tiere bleibt immer weitaus höher als die Anzahl der Neugeborenen. Das hat folgenden Grund:



Das Kalb sieht schon genauso aus wie die Mutter, es säugt Milch unter der Vorderflosse der Seekuh - Foto: Galen Rathbun, Public domain, via Wikimedia Commons

Karibik-Manati mit Kalb

Foto: Galen Rathbun, Public domain, via Wikimedia Commons


Manatis werden nämlich erst mit 6 bis 10 Jahren geschlechtsreif, auch dauert ihre Tragezeit zwischen 12 und 14 Monaten und dann gebären sie nur ein einziges Kalb. Zwischen dem Muttertier und ihrem Baby entwickelt sich eine enge Bindung, die auch noch besteht, wenn das Junge nach ungefähr 2 Jahren seine eigenen Wege schwimmt. Bis eine Seekuh wieder trächtig werden kann, vergehen 4 bis 5 Jahre. Das erklärt das schlechte Verhältnis zwischen Todesfällen und Geburten. Alle heute lebenden Seekuharten sind vom Aussterben bedroht.


Hilfe für verletzte und verwaiste Seekühe

Mittlerweile engagieren sich viele Menschen, Wissenschaftler, Studenten und Tierfreunde, um diesen Meeressäugern zu helfen: Zum Beispiel in Florida im "Save The Manatee Club" und in der "Florida Fish and Wildlife Conservation Commission" (FWC) oder in Puerto Rico, wo ein Krankenhaus für Seekühe eingerichtet wurde. Verletzte Tiere werden aufgenommen und gesundgepflegt, um wieder ausgewildert zu werden. Einige Seekühe sind so schwer verletzt, dass sie nicht mehr in Freiheit überleben könnten, andere werden als verwaistes Kalb in die Klinik gebracht und dort mit der Flasche großgezogen. Wenn diese Seekühe genesen und kräftig genug sind, werden sie in Meer, Fluss oder See entlassen. Leider sind die Gefahren, die dort auf sie lauern, nicht beseitigt, so dass sie weiterhin bedroht sind. Um sie wirklich gut zu schützen, müssten die schlechten Umweltbedingungen verändert und noch viele andere Dinge geregelt werden. Vorerst werden in einigen Regionen Schutzgebiete für die Seekühe eingerichtet.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.youtube.com/watch?v=XC6YI1o_eUw

https://www.youtube.com/watch?v=B2ODRBt1BTI

https://www.arte.tv/de/videos/092983-021-A/geo-reportage/

Brehms Tierleben - Säugertiere Zwölfter Band,
Bibliographisches Institut in Leipzig, 1922


9. Juni 2023

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 179 vom 22. Juli 2023


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang