Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → NATURKUNDE


VORSICHT/024: Viren - und ihre Entdeckung ... (SB)



Mit der Erfindung des Lichtmikroskops von Zacharias Janssen, der seine Konstruktion 1609 auf der Frankfurter Messe vorgeführt hat und Antoni van Leeuwenhoek, dem es gelang ein weitaus besseres Mikroskop zu bauen, mit dem er in der Lage war, eine 270fache Vergrößerung zu erzielen, begann die Erforschung der Mikroorganismen. Wann genau Leeuwenhoek das erste Gerät dieser Art gebaut hat, ist nicht sicher, jedenfalls stammt das erste dokumentierte Ergebnis seiner mikroskopischen Betrachtung aus dem Jahr 1668, in dem ihm das Sichtbarmachen von roten Blutkörperchen im Kapillarsystem von Tieren (Kaninchen, Frosch) gelang.

Es folgten eine Reihe weiterer Untersuchungen und Entdeckungen, beispielsweise 1675 die Beobachtung und Beschreibung von Bakterien, die Leeuwenhoek in Bazillen, Kokken und Spirillen unterteilte. Damit war ein Einblick in eine völlig neue Welt ermöglicht worden, die Welt der Mikroorganismen. Es dauerte Jahrhunderte der Erforschung, immer neue Proben wurden von den verschiedensten Stoffen untersucht, von Blut, Zahnbelag, Wasser, Milch, Haut und unzähligen anderen Materialien. Mit der Zeit wurden die beobachteten Mikroorganismen geordnet und immer genauer beschrieben. In den 1800er Jahren vermutete man dann einen direkten Zusammenhang zwischen dem Ausbruch von Krankheiten und Seuchen und bestimmten Bakterien.


Ein langer Weg zur Entdeckung der Viren

Zu dieser Zeit befassten sich Wissenschaftler in vielen Ländern der Welt mit den winzigen Wesen, die unter dem Mikroskop sichtbar wurden. Dafür gab es einen schwerwiegenden Grund: Krankheiten wie Pest, Cholera, Milzbrand, Maul- und Klauenseuche, Tollwut und Tuberkulose breiteten sich aus und forderten abertausende Todesopfer. Sie waren hoch ansteckend, doch war damals noch nicht sicher, auf welchem Wege eine Infektion erfolgt oder gar durch welche Bakterien sie ausgelöst wird.


In jungen Jahren mit zurückgekämmtem Haar und Oberlippenbart - Fotografie: J. & L . Allgeyer, Karlsruhe/Rastatt / Public domain, via Wikimedia Commons

Porträtfoto von Adold Mayer von 1875
Fotografie: J. & L . Allgeyer, Karlsruhe/Rastatt / Public domain, via Wikimedia Commons


In Deutschland versuchte der Wissenschaftler Adolf Mayer (1843-1942) herauszufinden, ob die Tabakmosaikkrankheit durch bestimmte Erreger übertragen wird. Diese Erkrankung betrifft hauptsächlich Tabakpflanzen, Tomaten, auch Kürbispflanzen, nicht aber den Menschen. Doch warum untersuchte man damals ausgerechnet Tabak? Es war die Zeit, in der viele europäische Länder Kolonien in Afrika, Indien oder Amerika in Besitz nahmen und dort unter anderem auch Tabakplantagen aufbauten, auf denen Sklaven hart arbeiten mussten. Der Ausbruch dieser Krankheit war für die Kolonialherren ein herber Verlust und sollte möglichst eingedämmt beziehungsweise verhindert werden. Bei einer erkrankten Tabakpflanze zeigen sich auf den Blättern mosaikartige helle Flecken, die nicht mehr versorgt werden, was dann schließlich zum Absterben der Pflanze führt. A. Mayer zerrieb befallene Blätter und strich den dabei abgesonderten Pflanzensaft auf gesunde Pflanzen, die kurz darauf ebenfalls die Tabakmosaikkrankheit (TMK) erlitten. Damit war klar, dass der Pflanzensaft etwas mit der Übertragung der Krankheit zu tun haben muss.


Dem Viren-Rätsel einen Schritt näher gekommen

In Russland forschte zu dieser Zeit Dimitri Iwanowski (1864-1920) an dem gleichen Problem. Er benutzte einen besonderen Filter aus unglasiertem Porzellan, der Bakterien zurückhält, den sogenannten Chamberlandfilter. Durch ihn filterte er den ausgepressten Saft der Tabakpflanze. Das Filtrat müsste dann bakteriologisch steril sein, da sämtliche Bakterien im Filter verblieben sind. Doch wurde das angeblich sterile Filtrat auf ein gesundes Pflanzenblatt gerieben, so erkrankte auch diese Tabakpflanze. Die Bakterien konnten also nicht die gesuchten Erreger sein. Die Vermutung war, dass entweder ganz winzige, noch unbekannte Bakterien den Filter doch passieren konnten, oder dass Bakterien Toxine (Gifte) absondern, die durch den Filter gelangen konnten.


Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt den Wissenschaftler Iwanowski mit Vollbart - Foto: ca. 1910, Public domain, via Wikimedia Commons Beijerinck sitzt an einem Labortisch, neben ihm Schalen und ein Mikroskop und an der Wand ein Regal mit vielen kleinen Fläschchen - Foto: 1921, Public domain, via Wikimedia Commons

Links: Dimitri Iwanowski
Foto: ca. 1910, Public domain, via Wikimedia Commons
Rechts: Martinus Beijerinck in seinem Labor
Foto: 1921, Public domain, via Wikimedia Commons

Der Niederländer Martinus Beijerinck (1851-1931) beschäftigte sich ebenfalls mit dieser Pflanzenkrankheit und konnte ausschließen, dass es sich bei dem Pflanzensaftfiltrat um einen Giftstoff handelt. Er verdünnte es weiter und weiter und doch löste auch das hochverdünnte Filtrat weiterhin die Tabakmosaikkrankheit aus. Martinus Beijerinck stellte noch eine Reihe weiterer Untersuchungen an, durch die er ausschließen konnte, dass es sich um einen pilzlichen oder bakteriellen Erreger handelt. Seine wichtigste Beobachtung war jedoch, dass die Vermehrung dieses noch unbekannten Erregers nur in dem lebenden Pflanzengewebe stattfand und nicht außerhalb der Pflanze möglich war. Für die weiteren Forschungen war diese Beobachtung von großer Bedeutung. Heute ist bekannt, dass Viren sich nur in lebenden Körperzellen vermehren können, damals hatte man davon noch keine Kenntnis.


Die Unbekannten nehmen Gestalt an

Ende des 19. Jahrhunderts brach in Deutschland eine schlimme Krankheit aus, die Maul- und Klauenseuche (MKS), an der Rinder und Schweine zu Hunderttausenden verendeten. Der Infektionsforscher Friedrich Loeffler (1852-1915) erhielt 1896 den Auftrag, den Erreger dieser Seuche zu ermitteln und nach Möglichkeit ein Gegenmittel herzustellen. Er war kein unbekannter Wissenschaftler, sondern ein Schüler des berühmten Robert Koch, der den Tuberkelbazillus entdeckte.


Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt den Wissenschaftler mit Brille und kräftigem Vollbart - Foto: ca. 1900, Public domain, via Wikimedia Commons Ein rötlich-braunes Foto zeigt Paul Frosch mit Fahrrad stehend und mit einem Hut in der Hand - Foto: 1910, Public domain, via Wikimedia Commons

Links: Friedrich Loeffler
Foto: ca. 1900, Public domain, via Wikimedia Commons
Rechts: Paul Frosch
Foto: 1910, Public domain, via Wikimedia Commons


Friedrich Loeffler gelang es in den 1880er Jahren die Erreger von Rotz, Rotlauf und Diphterie zu erkennen. Gemeinsam mit dem Wissenschaftler Paul Frosch (1860-1928) arbeitete er an der Erforschung des Erregers der Maul- und Klauenseuche. Zur Hilfe kam ihnen ein weiterer Schüler von Robert Koch, der Japaner Shibasaburo Kitasato (1853-1931). Er hatte einen noch feineren Filter als den Chamberland-Filter konstruiert, dessen Poren selbst die allerkleinsten Partikel abfingen. Durch diesen sogenannten Kitasato-Filter ließen Loeffler und Frosch Lymphflüssigkeit von erkrankten Tieren fließen. Nach zweimaligem Filtern war die Flüssigkeit steril. Daraus zogen sie den Schluss, dass die Erreger kleiner als ein Bakterium sein müssten, dass es sich dabei aber schon um eine Art Partikel handelte, die im Filter zurückgeblieben waren. Mit ihren Forschungen waren Loeffler und Frosch dem Erkennen von Viren einen gewaltigen Schritt nähergekommen. Die beiden Forscher vermuteten, dass diese noch unbekannten Erreger vielleicht auch Krankheiten wie Pocken, Kuhpocken, Masern oder Rinderpest auslösen.


Erste Versuche auf der Insel Riems

Auf der Insel Riems startete Friedrich Loeffler weitere Untersuchungen an der Lymphflüssigkeit von Tieren, die an der Maul- und Klauenseuche erkrankt waren. Er wollte verhindern, dass sich der gesuchte Erreger weit verbreiten konnte, sondern auf dem abgegrenzten Gebiet der Insel verblieb. 1910 begann er seine Forschungen begonnen und diese wurden ohne ihn dort fortgeführt, da er mittlerweile zum Direktor des Robert Koch Instituts ernannt wurde. Doch erst lange nach seinem Tod im Jahr 1938 gelang es den dortigen Wissenschaftlern, einen Impfstoff gegen diese Tierseuche zu entwickeln.


Neue Mikroskope lassen mehr erkennen

Dann, 1935, gelang es dem amerikanischen Wissenschaftler Wendell M. Stanley, die Annahme seines russischen Kollegen Dimitri Iwanowski zu bestätigen, der vermutete, dass es sich bei dem Erreger um noch viel winzigere Mikroorganismen handeln müsse als Bakterien. W. M. Stanley entdeckte nach mehr als 50 Jahren aufwendiger Suche sehr, sehr kleine Partikel, die er aus dem Extrakt von Tabakpflanzen isolieren konnte.


Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt das runde, glatte Gesicht eines Mannes mittleren Alters mit randloser Brille - Foto: 1946, Public domain, via Wikimedia Commons

Wendell M. Stanley
Foto: 1946, Public domain, via Wikimedia Commons


Dabei handelte es sich um winzige Kristallnadeln, die eben gerade noch unter dem Lichtmikroskop erkennbar waren. Das Auffallende daran: sie vermehrten sich nicht, blieben aber hochinfektiös. Vermutlich nannte W. M. Stanley sie deswegen "virus", das lateinische Wort für "Gift". Damals konnte er noch nicht erkennen, dass diese Kristallnadeln aus vielen einzelnen Viren bestehen.


Das Bild zeigt eine große Zahl länglicher Gebilde, die sich zu kleineren Haufen zusammenfügen - Foto: 2006, by T. Moravec / Public domain, via Wikimedia Commons

Winzige Kristallnadeln unter dem Mikroskop erkennbar
Foto: 2006, by T. Moravec / Public domain, via Wikimedia Commons


Die Entwicklung des Mikroskops schritt voran. 1940 wurde das erste Elektronenmikroskop gebaut, mit dem Viren zu erkennen sind. In den nächsten Jahren ließen sich hiermit weitere dieser Winzlinge nachweisen. Bis heute wurden die Erkenntnisse über die Viren und ihre Vermehrung vertieft, was auch dank immer neuer und weiter entwickelter Mikroskope (Rasterelektronenmikroskop, Rastertunnelmikroskop, Röntgenmikroskop etc.) möglich wurde.

Bedenkt man, dass die Forscher und Wissenschaftler der vergangenen Jahrhunderte, die alle gemeinsam auf diesem Forschungsgebiet arbeiteten, ihr Wissen nur mittels Briefwechsel oder Veröffentlichungen in Fachjournalen bekanntmachen konnten, kann man sich vorstellen, wie engagiert und interessiert sie gewesen sein müssen, um die Anregungen und Ergebnisse der anderen weiter zu denken, zu bestätigen oder zu widerlegen. Weder Telefon oder Internet sorgten für einen schnellen Informationsaustausch, der den Wissenschaftlern in unserer Zeit die Arbeit erleichtert. Sollte es also jetzt nicht noch viel besser möglich sein, dass Wissenschaftler weltweit gemeinsam an der Erforschung der Viruserkrankungen arbeiten?

Die Forschung auf diesem Gebiet ist noch lange nicht beendet, immer wieder werden neue Viren oder Veränderungen von bekannten Viren entdeckt. Jede neue Viruserkrankung stellt Mediziner und Wissenschaftler vor die Aufgabe, Impfstoffe zu entwickeln, um den Ausbruch und die Ausbreitung dieser Krankheiten zu verhindern.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.rki.de/DE/Content/Institut/Geschichte/Bildband_Salon/1921-1930.html

https://www.lichtmikroskop.net/geschichte/antoni-van-leeuwenhoek.php

https://www.lichtmikroskop.net/geschichte/zacharias-janssen.php

https://www.planet-wissen.de/natur/mikroorganismen/viren/pwiedieentdeckungderviren100.html


7. Mai 2020


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang