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WISSENSDURST/026: Himmelsleiter Wissenschaft - Keine Gewinne ohne Verluste ... (SB)


Himmelsleiter Wissenschaft - Keine Gewinne ohne Verluste ...


Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grafik: © 2012 by Schattenblick

Stefan und Ben hatten sich vorgenommen, die alternativen Energien erst einmal nicht weiter zu untersuchen. Durch das, was sie bisher herausgefunden hatten, waren sie von den sauberen erneuerbaren Energien enttäuscht. Wind-, Sonnen,- oder Bioenergie hatten Vor- aber auch viele Nachteile für die Umwelt. Für den Abend hatte sich Bens Onkel zu Besuch angekündigt und ausnahmsweise durfte Ben bis spät dabei sitzen und zuhören. Doch was sein Onkel mit seinem Vater besprach, hatte ihn so aufgewühlt, dass er noch nachts bei Stefan angerufen hat.

Ben: "Stefan?"

Stefan: "Uuaaooh, mmmh, wie spät ist es?"

Ben: "Keine Ahnung, irgendwas um Mitternacht. Ich muss dir unbedingt etwas erzählen. Es ist noch viel schlimmer als wir gedacht haben!"

Stefan: "Hey, warte mal, ich werde nur mal kurz wach. So, also noch mal, wovon sprichst du?"

Ben: "Mein Onkel war zu Besuch, du weißt schon, der so begeistert von der Biogasanlage ist, also der hat über Wind- und Sonnenenergie total irre Sachen erzählt, auch über Elektroautos, Energiesparlampen, über all das, womit wir uns in der letzten Zeit befasst haben. Um all diese Geräte herstellen zu können, braucht man Seltene Erden."

Stefan: "Entschuldigung, aber ich habe keinen Schimmer, wovon du sprichst. Seltene Erden, den Begriff habe ich noch nie gehört."

Ben: "Ich auch nicht. Aber soweit ich das verstanden habe, sind das Metalle, die total schwer abzubauen sind. Sie sind auch nicht leicht zu finden, jedenfalls nicht in großen Mengen und sie lassen sich nur mit großem Aufwand gewinnen. Und 'großer Aufwand' bedeutet, dass dabei die Umwelt stark geschädigt wird. Mein Onkel jedenfalls hatte die Vermutung, dass es überhaupt keinen Sinn macht, ein Windrad zu bauen, um damit sauberen Strom zu produzieren, wenn man bei der Herstellung der Windanlage schon so viel Energie verbraucht hat und dabei auch noch die Umwelt verschmutzt beziehungsweise zerstört."

Stefan: "Ich glaube, das sollten wir uns genauer ansehen, denn ehrlich gesagt, verstehe ich die Zusammenhänge nicht. Wir wollten uns doch sowieso von den alternativen Energien abwenden, vielleicht macht uns das den Abschied leichter."

Ben: "So kann man es auch sehen. Das sieht alles gar nicht gut aus, denn Kohle- und Atomstrom, nein, das kommt absolut nicht in Frage. Also, morgen nach der Schule bei mir, okay?"

Stefan: "Klar, bis dann Ben. Gute Nacht."


Am Nachmittag trafen die beiden sich und waren ziemlich aufgeregt. Sie hatten ihre Chemiebücher hervorgekramt, die aufgeschlagen auf dem Bett lagen. Beide hockten davor und schauten sich das Periodensystem an.

Ben: "Und welche von diesen Elementen sind nun die 'Seltenen Erden'? Das steht hier nirgends dran."

Stefan: "Lass uns einfach mal den Computer fragen. 'Seltene Erden Elemente' oder sowas eingeben, mal sehen was wir da erhalten. Oh, ich lese mal vor: 'Cer, Dysprosium, Erbium, Europium, Gadolinium, Holmium, Lanthan, Lutetium, Neodym, Praseodym, Promethium, Samarium, Scandium, Terbium, Thulium, Ytterbium, Yttrium!' So, jetzt alles klar?"

Ben: "Du meine Güte, die Namen sind aber ganz schön kompliziert. Jetzt lass uns mal nachsehen, wozu diese Metalle gebraucht werden und dann, wie man sie gewinnt."

Stefan: "Ich hab hier etwas. Um Elektroautos, Hybridautos, Energiesparlampen, Windkraft- und Solaranlagen zu bauen, benötigt man unterschiedlich große Mengen von einigen dieser Stoffe. Also zum Beispiel für alle Geräte, die mit starken Magneten funktionieren, wird Neodym verwendet, Lanthan erhöht die Leistungsstärke von Batterien für Elektroautos. Dysprosium sorgt für große Hitzebeständigkeit der Motoren, es wird auch für Windturbinen gebraucht. Windkraftanlagen - nee, das ist ja gruselig."

Ben: "Was denn, erzähl mal!"

Stefan: "Um ein Windrad zu bauen, das 5 Megawatt (MW) leisten soll, werden 800 kg Neodym und ca. 200 kg Dysprosium verwendet, also ungefähr eine Tonne (1000 kg) Seltene Erden. Mann, das ist ja viel, das hätte ich nicht gedacht."

Ben: "Ich schnapp mir mal den Laptop und suche schon mal nach den Abbaumethoden."

Stefan: "Ja, ist gut. Hier, hör mal, dieses Cer wurde schon 1803 entdeckt und ab ungefähr 1903 für Zündsteine, Feuersteine oder für Glühstrümpfe in Gaslampen verwendet. Glühstrümpfe? Vielleicht so etwas wie Glühfäden? Na, ja. Und hier noch etwas, ganz wichtig: Das Lanthan wird für die Herstellung von Erdöl und Benzin benutzt. Ohne diesen Stoff wäre unser Benzin noch viel, viel teurer. Oh nein, so ein Mist, diese Selten Erden werden auch in Flachbildschirme, Handys, Tablets eingebaut. Das Yttrium zum Beispiel macht die Farben auf den Bildschirmen kräftig leuchtend."

Ben: "Oh, mmh, das wusste ich nicht, also auch der Bildschirm, vor dem wir gerade sitzen."

Stefan: "Ja, und unsere Handys, verflucht, wer denkt denn an so etwas? Hast du schon etwas gefunden über die Abbaumethoden?"

Ben: "Warte, also, moment mal, hier habe ich etwas. In Amerika gibt es eine Mine, in der Seltene Erden gewonnen werden. 'Mountain Pass' wird sie genannt und ist lange Zeit das wichtigste Seltenerdvorkommen der Welt gewesen. Zunächst waren diese Stoffe nicht von wirtschaftlich großem Interesse. Aber 1949 hat man in dieser eher zufällig das große Vorkommen an Seltenen Erden entdeckt. Eigentlich waren zwei Arbeiter unterwegs mit einem Geigerzähler auf der Suche nach radioaktivem Uran. Als die Funde dann untersucht wurden, fand man einen hohen Anteil an diesen Stoffen. Sie sind aber leider fest mit den radioaktiven Elementen, die auch in dem Gestein sind, verbunden. Und nun kommt es: um die Seltenen Erden da heraus zu lösen, wurden Salzsäure, Salpetersäure und Schwefelsäure eingesetzt. Dabei entstanden große Mengen radioaktiv belasteter Säure! 1998 kam es zu einer Katastrophe, denn aus undichten Auffangbecken flossen 1 Milliarde Liter Wasser, das mit radioaktivem Säuregemisch belastet war, in ein Naturschutzgebiet und verseuchte dort Boden und Grundwasser."

Stefan: "Und, wurde die Mine dann geschlossen?"

Ben: "Hier steht nur, dass sie strenge Umweltauflagen einhalten mussten, die so teuer waren, dass sich der Betrieb der Mine zu der Zeit nicht mehr lohnte. So kam es dann, dass sie 2002 geschlossen wurde. Aber 2010 wurde sie wieder eröffnet, weil der Bedarf an Seltene Erden so stark angestiegen war.

Stefan: "Und in der Zeit dazwischen gab es keine Seltenen Erden mehr, obwohl die doch überall gebraucht werden?

Ben: "Warte mal. Es heißt, dass erst 2002 der technische Boom mit Smartphones, Tablets und Flachbildschirmen los ging, wie auch die Produktion von Energiesparlampen. Es gab aber noch mehr Lagerstätten. In China wurden diese Metalle auch abgebaut und zwar in unvorstellbar großen Mengen. Die Mine "Baotou" hat ca. 97 % des weltweiten Bedarfs beliefert. Aber die Bedingungen unter denen das dort abgebaut wurde, belasteten die Umwelt stark. Wie das heutzutage ist, steht hier nicht. Hier ist ein Bild - ein gigantisches Loch in der Erde und riesige Laster, die dort auf Serpentinen Straßen fahren und das Gestein transportieren, in dem die Stoffe enthalten sind."

Stefan: "Also, darf ich mal kurz zusammenfassen. Um saubere erneuerbare Energie mit Sonne und Wind zu gewinnen, oder Energiesparlampen und Elektroautos zu bauen, braucht man Seltene Erden. Deren Gewinnung aber hat starke Umweltbelastungen zur Folge und erzeugt große Mengen radioaktiven Abwassers?!"

Ben: "Sieht ganz so aus. Allerdings soll es bereits Forscher geben, die herausfinden wollen, ob diese Seltenen Erden durch einen Recycling-Vorgang wieder zu gewinnen sind."

Stefan: "Also, die alten Smartphones und Flachbildschirme einschmelzen oder so etwa in der Richtung?"

Ben: "Ich weiß es nicht so genau, hier wird von "Urban Mining" gesprochen. Das heißt eigentlich "Städtischer Bergbau", was aber soviel bedeuten soll, wie das herauslösen wertvoller Stoffe aus alten Geräten."

Stefan: "Na, da kann man ja nur hoffen, dass das funktioniert. Doch wird das sicherlich auch viel Strom verbrauchen ?"

Ben: "Okay, Stefan, lass uns lieber aufhören. Vielleicht können wir uns später noch einmal mit Recycling beschäftigen. Jedenfalls finde ich unsere Idee, uns mit den angeblich zwingend steigenden Energieverbrauch zu befassen gut. Damit sollten wir auf jeden Fall anfangen."

Stefan: "Ja, und vor dem was wir heute herausgefunden haben, erscheint mir das auch viel sinnvoller."

Fortsetzung folgt ...


Quellen:

http://www.selteneerden.de/

http://www.selteneerden.de/index.php?option=com_content&view=article&id=50&Itemid=56

http://www.rohstoff-welt.de/basiswissen/seltene-erden_rare-earth-elements.php

TV-Dokumentation:
"Seltene Erden"
Die dunkle Seite der High-tech-Metalle
Dokumentation Deutschland, 2013
Regie: Christian Schidlowski
52 Min.


10. Dezember 2015


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