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ARCHITEKTUR/040: Architekt Hans Gericke wird 100 - Nachlass wird archiviert (idw)


Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) - 24.07.2012

Architekt Hans Gericke wird 100 - Wissenschaftliche Sammlungen des IRS archivieren seinen Nachlass



Am 27. Juli 2012 feiert Hans Gericke, einer der einflussreichsten Architekten der DDR, seinen 100. Geburtstag. Der ehemalige Chefarchitekt von Berlin plante den Wiederaufbau des Forum Fridericianum und das Stadtzentrum von Berlin. Am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) wird sein Nachlass nach wissenschaftlichen Kriterien archiviert und bietet Anknüpfungspunkte für bau- und zeitgeschichtliche Forschungen.

Foto: © IRS, Jan Zwilling

Hans Gericke kurz vor seinem 100. Geburtstag
Foto: © IRS, Jan Zwilling

Im klimatisierten Archiv der Wissenschaftlichen Sammlungen des IRS werden die Nachlässe von einigen der bedeutendsten Architekten der DDR aufbewahrt und systematisch erschlossen. In den letzten Jahren konnte das Institut sukzessive die persönlichen Arbeitsmaterialien von Hans Gericke übernehmen - Wortmeldungen, Aufsätze, Fotografien, Pläne und Urkunden. "Die Unterlagen haben uns gezeigt, dass Gericke einer der wenigen Architekten war, die das Baugeschehen in der gesamten DDR-Zeit maßgeblich beeinflussten", sagt der Leiter des Archivs, Alexander Obeth. So war Gericke bis 1986 Vizepräsident des Bundes Deutscher Architekten der DDR (BdA). Zugleich war er bereits in den 1950er Jahren als Baustadtrat von Berlin maßgeblich an der Gestaltung des historischen Zentrums beteiligt, indem er einen Magistratsbeschluss zum weitgehend originalgetreuen Wiederaufbau des Forum Fridericianum erwirkte. Von 1958 bis 1961 arbeitete er - nun als Chefarchitekt Berlins - an einem Gesamtplan für das Stadtzentrum der Hauptstadt. Insbesondere im Bereich zwischen heutigem Alexanderplatz und Spree trägt Berlin noch immer Gerickes Handschrift.

Dass in nachfolgenden Epochen, etwa durch das Nikolaiviertel in den 1980er Jahren oder die Neuplanungen nach der Wiedervereinigung, Teile seiner Pläne revidiert wurden, sieht er heute als natürliche Entwicklung an. "Gericke reflektiert mit seinen 100 Jahren noch immer sehr genau, dass Bau- und Planungsprozesse nicht außerhalb der Zeit gesehen werden können, in denen sie entstanden sind", berichtet Obeth, der mit dem Architekten in engem Kontakt steht.

Von großer wissenschaftlicher Relevanz sind auch die unzähligen Manuskripte und Schriftstücke in Gerickes Nachlass. Sowohl in der Tagespresse als auch in Fachzeitschriften veröffentlichte der Architekt kritische Beiträge zu aktuellen Fragen von Städtebau und Architektur. So schrieb er 1960 einen Kommentar zu einem Ideenwettbewerb zum Marx-Engels-Platz: "Das Leben selbst schreibt uns Stadtplanern vor, den Städtebau als humanistische Aufgabe zu begreifen, die mehr ist als nur die Mechanisierung der vielfältigen Funktionen der Stadt. Noch ist neben der unzulänglichen Behandlung der Einkaufsfunktion und Wohnfunktion um das Zentrum der Marx-Engels-Platz als das eigentliche Forum zu stark als Repräsentativplatz ausgebildet und zu isoliert behandelt." Eine im Detail kritische Auseinandersetzung mit den Bauten der Stalinallee für die Bauakademie wurde 1955 nicht veröffentlicht.

Foto: © Wissenschaftliche Sammlungen des IRS

Bebauungsvorschlag des Kollektivs Kaiser, Gericke, Tscheschner, Schweizer für die Neugestaltung des Stadtzentrums von Berlin, der die Grundlage für den 1961 unter Leitung von Hans Gericke ausgearbeiteten Bebauungsplan darstellte.
Foto: © Wissenschaftliche Sammlungen des IRS


Biographie Hans Gericke

Hans Gericke wurde am 27. Juli 1912 in Magdeburg geboren und studierte von 1931 bis 1937 Architektur an der TH Hannover. Während des Krieges arbeitete er als Architekt auf Sylt, in Brüssel und in Italien. Nach 1945 war er zunächst freiberuflich in Naumburg/Saale tätig und für das Land Sachsen-Anhalt als "Vertrauensarchitekt" für die Bodenreform verantwortlich. Zum 1. Januar 1951 wurde Gericke in Berlin persönlicher Referent des Ministers für Aufbau Lothar Bolz und kurze Zeit später Stadtrat für Aufbau im Magistrat von Ost-Berlin. Während dieser Zeit war er mit der Koordinierung der wichtigsten Bauvorhaben in der DDR beschäftigt und auch weiterhin als Architekt tätig. So plante er gemeinsam mit Erich Kuhnert das Parteihaus der NDPD in der Berliner Mohrenstraße.

Gericke beeinflusste die Entwicklung des Bauwesens der 50er und 60er Jahre jedoch vor allem durch seine theoretischen Arbeiten. Nachdem er von 1953 bis 1958 als stellvertretender Direktor dem Institut für Theorie und Geschichte der Baukunst der Deutschen Bauakademie vorgestanden hatte, war er von 1958 bis 1965 Chefarchitekt von Berlin. Gericke war auch maßgeblich am Aufbau des BdA (seit 1974 BdA der DDR) beteiligt und von der Gründung 1952 bis 1986 dessen Vizepräsident. In dieser Eigenschaft vertrat er die DDR auf vielen internationalen Tagungen, beispielsweise als langjähriger Delegierter des BdA für die Vertretung der DDR im Internationalen Architektenverband. Für die Berliner Zentrumsplanung erhielt er 1961 gemeinsam mit Dorothea Tscheschner und Peter Schweizer den Goethepreis der Stadt Berlin, außerdem wurden ihm der Vaterländische Verdienstorden der DDR und die Schinkelmedaille verliehen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1729

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS),
Jan Zwilling, 24.07.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2012