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MELDUNG/400: Neue Studie analysiert Spielarten von Schönheit (idw)


Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik - 12.07.2019

Schön? Elegant? Sexy? Anmutig?

Neue Studie analysiert Spielarten von Schönheit


Ästhetisch gefallende Objekte und Performances aus verschiedenen Domänen und von verschiedenster Art werden gern als "schön" bezeichnet. Diese extrem breite Anwendung hat einen Nachteil: obwohl das Attribut "schön" fraglos eine Auszeichnung signalisiert, ist schwer zu erkennen, was allen diesen Fällen als die Eigenschaft "schön" gemeinsam ist.

Um dem Begriff des Schönen klarere Konturen abzugewinnen, wählten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik die Methode des Vergleichs. Sie untersuchten zusätzlich zu "schön" drei weitere ästhetisch wertende Kategorien, die im Sprachgebrauch nicht als Antithesen zum Schönen, sondern eher als besondere Spielarten des Schönen verwendet werden: "elegant", "anmutig" und "sexy". Alle diese Begriffe sind weltweit in vielen Sprachen lexikalisiert, Eleganz und Sexyness sogar in den meisten Fällen unter Verwendung des gleichen lateinischen Wortstamms. Mit dem Ziel, die vier Kategorien zu vergleichen, ließ eine Forschergruppe um Winfried Menninghaus Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer etliche Fragebögen ausfüllen; diese schlossen auch freie und gelenkte Assoziationsaufgaben ein.

Eleganz/Anmut und Sexyness sind Antipoden im Gebiet der Schönheit

Anmut und Eleganz auf der einen Seite, Sexyness auf der anderen stellten sich als Pole des Schönheitsspektrums heraus. Sexyness ist extrovertierter, erregender, heißer, bunter insbesondere als Eleganz und Anmut und nicht immer geschmackvoll; Anmut und Eleganz dagegen bestechen durch Fließen und Leichtigkeit, Harmonie, eine gewisse Zurückhaltung, Feinheit und eine Prise Exquisitheit, die mit Schlichtheit (Einfachheit) kombiniert ist. Eleganz und Anmut unterscheiden sich nur geringfügig: Eleganz wird als etwas nüchterner, strenger, geschmackvoller, kulturell hochstehender und auch kostspieliger als Anmut empfunden.

Menschen wirken erst ab einem Alter von 30 Jahren elegant

Der Faktor Alter ist bei der Zuschreibung von Schönheit, Eleganz und Sexyness an Personen von erheblicher Bedeutung. Wiederum stellten sich Eleganz und Sexyness als Antipoden heraus. Sexyness-Attributionen erreichen Höchstwerte im Alter von 16 bis 30 Jahren und fallen danach relativ deutlich ab; Eleganz-Attributionen dagegen beginnen erst ab dem Alter von 30 Jahren höhere Werte zu erreichen, erreichen ihre Peaks in der vierten und fünften Lebensdekade und sind darüber hinaus auch mit sehr hohem Alter kompatibel. Die altersbedingte Kurve der Schönheitsattributionen liegt etwa in der Mitte der Kurven für Sexyness und Eleganz.

Über alle diese Unterschiede hinweg zeigen Eleganz und Anmut auf der einen Seite, Sexyness auf der anderen auf vielen Maßen annähernd gleich große Überschneidungen mit der Zuschreibung von Schönheit.

Für eine Ästhetik der feinen Unterschiede

Das Ergebnis dieser Studie legt es nahe, künftig auch gezielt besondere Spielarten des Schönen zu erforschen, statt nur nach "Schönheit" überhaupt zu fragen. Die Kategorie "Eleganz" verdient dabei besondere Aufmerksamkeit. Sie datiert bis in die lateinische Antike zurück, hat eine lange mittelalterliche, neuzeitliche und auch moderne Tradition (z.B. in der Bauhaus-Ästhetik). Wenn heute in den Computer Sciences vielfach von "eleganten" Lösungen für schwierige Programmierungen gesprochen wird, ist dies eine direkte Fortsetzung des langen Lobs kognitiver Eleganz, d.h. überraschend "einfacher" Lösungen für schwierige kognitive Aufgaben. Auch in heutigen Mode- und Design-Kontexten wird der Begriff "Eleganz" vielfach verwendet. Umso erstaunlicher ist, dass es bislang noch keine wissenschaftliche Studie zu diesem Thema gegeben hat. Die vorliegende Studie macht den Anfang auch für die Suche nach einer bislang fehlenden Theorie der Eleganz.


Originalpublikation:
Winfried Menninghaus, Valentin Wagner, Vanessa Kegel, Christine A. Knoop, Wolff Schlotz (2019):
Beauty, elegance, grace, and sexiness compared,
PLos ONE 14(6): e0218728.
http://doi.org/10.1371/journal.pone0218728

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, 12.07.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2019

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