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ARBEITERSTIMME/387: Der Konflikt USA-Iran - Kriegsgefahr am Persischen Golf?


Arbeiterstimme Nr. 205 - Herbst 2019
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Der Konflikt USA-Iran
Kriegsgefahr am Persischen Golf?


Die Zunahme der Spannungen am Persischen Golf begann mit der Ankündigung von Präsident Trump, sich in Zukunft nicht mehr an die Bestimmungen des Atomabkommen zu halten. Im Anschluss daran verhängte er einseitig und gegen den Willen der anderen Partner des Abkommens wirtschaftliche Sanktionen gegen den Iran. Die Sanktionen wurden nicht sofort nach Verhängung voll wirksam. Die USA gewährten zuerst noch diverse Übergangsregelungen und Ausnahmen, die aber inzwischen nach und nach ausgelaufen sind. Damit verschärften sich die praktischen Auswirkungen der Sanktionen ebenfalls nach und nach. Die Lage spitzte sich gefährlich zu.

Die USA demonstrierten ihre militärische Macht durch die Verlegung von Einheiten an den Persischen Golf. Seit Mai wurden ein Flugzeugträger, eine Einheit von Bomberflugzeugen und 2500 Soldaten zusätzlich in die Region verlegt.

Im Gegenzug erklärte der Iran, dass er sich an Teilen des Atomabkommens nicht mehr halten wird und seine diesbezüglichen Aktivitäten schrittweise wieder hochfahren wird.

In der der Nähe der Straße von Hormus, der Engstelle für den Öltransport aus dem Persischen Golf, kam es mehrmals zu etwas rätselhaften Beschädigungen von Schiffen.

Die USA meldeten den Abschuss einer iranischen Drohne, der Iran erklärte, dass er keine seiner Drohnen vermisse.

Die Spannungen gipfelten im Abschuss einer US Aufklärungsdrohne, die nach iranischer Darstellung den Luftraum des Landes verletzt hat. Ein bereits von ihm bewilligter Vergeltungsschlag der Amerikaner ist anscheinend in letzter Minute von Präsident Trump wieder abgebrochen worden.

Es bestand offensichtlich die Gefahr eines sich Aufschaukeln von Provokation und Gegenprovokation zu einer wirklich großen kriegerischen Auseinandersetzung bzw. es stellte sich die Frage ob die USA nicht bewusst auf einen Krieg hinsteuerten. Das Absagen des Vergeltungsschlags hat gezeigt, dass zumindest Präsident Trump nicht gezielt die große Konfrontation, also einen offenen Krieg, mit dem Iran sucht.

Mit der Abwendung vom Atomabkommen hat die US-Politik eine markante Änderung im Vergleich zu der von Obama verfolgten Politik im Nahen Osten vollzogen. Teil dieser Umorientierung ist auch ein (noch engerer) Schulterschluss mit Israel und mit Saudi-Arabien. Die USA vollzogen diesen Schritt, obwohl der Iran sich, nach dem übereinstimmenden Urteil von IAEO und anderer Institutionen, exakt an die Bestimmungen des Abkommens gehalten hat. Das Abkommen hat also so funktioniert wie vereinbart. Der Konfrontationskurs ist damit allein durch die USA zu verantworten.

Die USA, der Iran und sein Atomprogramm

Der Iran gehört zu den Ländern, die zwar formal nie Kolonien waren, aber trotzdem lange unter imperialistischer Kontrolle standen und entsprechende Einmischungen hinnehmen mussten. Zuerst war es vor allem der britische Imperialismus, in Konkurrenz zum zaristischen Russland, der den größten Einfluss im Iran hatte. Spätestens aber nach dem Sturz des damaligen Ministerpräsidenten Mossadegh 1953 und der Etablierung des jungen Mohammed Reza Pahlavi als neuen Schah, waren die USA die führenden imperialistische Kraft. Der Iran unter dem Schah war lange Jahre ein fester Bestandteil des US-Bündnissystems in der Region.

Nach dem Sturz des Schahs und der sich darauf etablierenden "islamischen Republik" kam es zu einem radikalen Kurswechsel. Die Politik des neuen Iran zeigte einen klaren anti-imperialistischen Zug mit einer eindeutigen Frontstellung gegen die frühere Hegemonialmacht USA (USA als "großer Satan", Affäre der Besetzung der US-Botschaft in Teheran vom November 1979 bis Januar 1981). Im Gegenzug schwenkten die USA zu einer Politik der Destabilisierung und Bekämpfung des neuen Regimes, das jetzt als feindliche Macht eingestuft wurde. Materialisiert hat sich dies z.B. durch die Unterstützung, die die USA Saddam Hussein im Hintergrund gewährten, bei seinem Krieg gegen den Iran ( erster Golfkrieg 1980 bis 1988, allerdings war Saddam Hussein bekanntlich nicht erfolgreich, der Iran konnte sich, wenn auch nur unter großen Verlusten, behaupten und seine territoriale Integrität verteidigen). Auch wenn dann einige Zeit später Saddam Hussein zum noch größeren Schurken erklärt wurde, der Iran verblieb für die USA auf der Liste der Schurkenstaaten.

Einer der Hauptvorwürfe, die dem Iran in der Folgezeit von westlich, imperialistischer Seite gemacht wurden, bezog sich auf sein Atomprogramm. Die Vorwürfe gipfelten in der Anschuldigung nach Atomwaffen zu streben.

Das Atomprogramm des Iran begann bereits 1959 (also unter dem Schah). Damals selbstverständlich mit Unterstützung der Amerikaner. Unter Präsident Eisenhower schenkten die USA der Universität Teheran einen Forschungsreaktor. 1967 lieferten die USA einen weiteren Forschungsreaktor. 1968 trat der Iran dem Atomwaffensperrvertrag bei. In den 70ger Jahren wurden weitreichende Pläne zur Nutzung der Atomkraft für die Stromerzeugung entwickelt (bis 1992 sollten 15% des Stromes aus Atomkraftwerken stammen). Dabei war die Etablierung des vollen Brennstoffzyklus (Urananreicherung, Produktion der Brennelemente, Wiederaufbereitung) angedacht. Neben den USA kooperierten auch andere Länder bei diesen Plänen, insbesondere Frankreich und Deutschland. 1974 wurde ein Vertrag mit der Kraftwerk-Union AG (Siemens) über den Bau des Atomkraftwerks Buschehr abgeschlossen.

Durch den Sturz des Schah 1979 und den ersten Golfkrieg wurden diese Arbeiten und Pläne unterbrochen. Erst ab 1990 begann der Iran wieder sich verstärkt mit der Atomtechnologie zu beschäftigen. Er musste sich dabei neue Partner suchen, denn die westlichen Staaten waren aus der Zusammenarbeit ausgestiegen. So wurde 1995 ein Vertrag mit Russland zur Fertigstellung des Atomkraftwerks von Buschehr geschlossen. 2010 wurde der Bau offiziell abgeschlossen und das Kraftwerk liefert seit 2011 Strom.

Nach und nach errichtete der Iran eine Reihe von atomtechnischen Anlagen. Nach offiziellen Angaben dienen diese ausschließlich zivilen Zwecken. Der Iran verweist dabei immer auf den Umstand, dass Atomwaffen laut einer Fatwa des religiösen Oberhaupt Ali Chamenei verboten seien (auch von Ayatollah Chomeini gebe es entsprechende Aussagen). Atomwaffen seien der "islamischen Republik" also aus ganz grundsätzlichen religiösen Gründen nicht erlaubt. Außerdem wird die Mitgliedschaft im Atomwaffensperrvertrag betont und auf die traditionelle Befürwortung einer Atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten durch den Iran verwiesen.

Der Iran hat aber immer auf sein Recht bestanden, gemäß Atomwaffensperrvertrag die Atomkraft zu friedlichen Zwecken zu nützen und seine Absicht betont, das auch im größeren Umfang wahrzunehmen. Das schließt mit ein. die dazu notwendige Technologie zu entwickeln und selbstständig darüber zu verfügen. Jede Sonderbehandlung wird entschieden abgelehnt, da dafür im Atomwaffensperrvertrag keine rechtliche Basis besteht.

Demgegenüber wurde von westlicher Seite immer wieder der Verdacht vorgebracht, der Iran arbeite an der Atombombe. Ein entsprechender Verdacht wurde z.B. auch von dem angesehenen amerikanischen Journalisten Seymour Hersh geäußert, der gestützt auf Geheimdienstmaterial 2002 berichtete, dass der Iran Atomanlagen unterhalte die er vor der Kontrolle der IAEO verberge. 2003 unterzeichnete der Iran das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das der IAEO erweiterte Kontrollrechte einräumt. Die Tatsache, dass die Ratifikation des Zusatzprotokoll nicht kurz nach der Unterzeichnung erfolgte, sondern anscheinend verschleppt wurde, führte zu weiteren Verdächtigungen der Iran unterhalte geheime Atomprogramme.

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Will oder wollte der Iran die Atombombe

Der Iran hat immer mit Nachdruck erklärt, dass er keine Atomwaffen anstrebt. Offizielle Erklärungen sind die eine Seite, decken sich aber nicht immer mit der Realität. Man kann also schon die Frage stellen, ob der Iran beabsichtigte oder vielleicht immer noch beabsichtigt eine eigene Atombombe zu bauen.

Wie immer bei solchen Fragen, die sich auf verborgenes Handeln beziehen, ist es fast unmöglich eine eindeutige und in jeder Beziehung klare Antwort zu bekommen. Beide Seiten arbeiten mit gezielten Informationen und Desinformationen und in diesem Gestrüpp sind die Fakten schwer zu erkennen.

Bei aller Vorsicht lässt sich trotzdem festhalten. Der Iran hat keine Atomwaffen und hatte nie Atomwaffen. Er hatte mit großer Wahrscheinlichkeit auch nie eine ausreichende Menge an hoch angereicherten Uran bzw. Plutonium, um damit Bomben zu bauen. Spätestens mit der Einwilligung in JCPOA ist auch klar geworden, dass die oberste Führung im Iran für absehbare Zeit die Entwicklung von Atomwaffen nicht anstrebt.

Das schließt nicht aus, dass es im Iran Fraktionen gab (und vielleicht immer noch gibt) die für eine andere Entscheidung stehen.

Es ist denkbar, dass das Atomprogramm auch dazu dienen sollte bzw. soll, die einschlägige Technologie soweit zu entwickeln, dass ein relativ schneller Einstieg in die Atomwaffenproduktion möglich wäre, falls die entsprechende politische Entscheidung fällt (was aber bisher nicht der Fall war).

Wenn das Atomabkommen endgültig scheitert und der Druck auf den Iran weiter und dauerhaft zunimmt, ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung gegen eine Atombewaffnung wieder in Frage gestellt wird.

Bei der Einschätzung des iranischen Atomprogramms darf man folgendes nicht vergessen. Die zunehmend kritische Einschätzung und Ablehnung jeder Art von Atomtechnologie, wie sie sich bei uns in Deutschland seit Jahrzehnten entwickelt hat, gibt es nicht überall. Es gibt auch Länder und Kulturen in denen Atomkraftwerke und Atomtechnologie mit Fortschritt und einer besseren Zukunft in Verbindung gebracht werden. Diese Länder reagieren deshalb entsprechend allergisch auf allen echten oder vermeintlichen Einmischungsversuchen, die sie von dieser Technologie fernhalten wollen, und lehnen das als Bevormundung und Diskriminierung heftig ab. Mit solchen Überlegungen lässt sich auch die relative Popularität des Atomprogramms in der iranischen Bevölkerung erklären.

08.09.2019
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Nach der Wahl von Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten (2005) kam es zu einer Verhärtung der iranischen Position. Der damalige Unterhändler in Atomfragen Rohani (der jetzigen Präsident) wurde abberufen. Die Verhandlungen stockten, aus westlicher Sicht gab es provokante und zweideutige Äußerungen von Ahmadinedschad und anderen Vertretungen des Regimes. Die westliche Propaganda gegen den Iran gewann an Schärfe.

In dieser Situation konnten die westlichen Länder, aus ihrer Sicht, einen Erfolg verbuchen. Es gelang ihnen eine breitere internationale Unterstützung für ihre Positionen zu gewinnen. Im Februar 2006 wurde auf Betreiben der westlichen Staaten im Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) mit einer deutlichen Mehrheit, 27 von insgesamt 35 Stimmen, eine Resolution verabschiedet, die forderte, dass der Iran:

1. die "vollständige und anhaltende Aussetzung aller Aktivitäten auf dem Gebiet der Anreicherung und der Wiederaufarbeitung inklusive der Forschung und Entwicklung hierzu" zusichert und dies von der IAEO kontrollieren lässt,

2. "den Bau eines mittels Schweren Wassers moderierten Reaktors überdenkt",

3. "das Zusatzprotokoll [zum Atomwaffensperrvertrag] unverzüglich ratifiziert und voll umsetzt" und

4. "bis zur Ratifikation fortfährt, in Übereinstimmung mit den Vorgaben des vom Iran am 18. Dezember 2003 unterzeichneten Zusatzprotokolls zu handeln".

Ferner wird der Generaldirektor der IAEO in der Resolution angewiesen über die Umsetzung dieser Resolution Bericht zu erstatten und diesen Bericht dem UN-Sicherheitsrat zuzuleiten.

Da der Iran diese Resolution zurückwies und stattdessen ankündigte mit der industriellen Urananreicherung zu beginnen, beschloss der Sicherheitsrat im März 2006 mit der Resolution 1696 dem Iran die Erfüllung der IAEO Resolution vorzuschreiben (rechtlich verbindlich in seiner Interpretation) und da der Iran dem nicht nachkam, im Dezember 2006 mit der Resolution 1737 erste wirtschaftliche Sanktionen gegen den Iran. Die Sanktionen des UN-Sicherheitsrat wurden im weiteren Verlauf bis 2010 durch drei weitere Beschlüsse mehrmals verschärft. Die USA, die EU und andere Länder implementierten gemäß der UN-Beschlüsse eigene Sanktionsmaßnahmen.

Das bemerkenswerte an dieser Entwicklung war, dass die westlichen Staaten Russland und China, als ständige Mitglieder des Sicherheitsrats, zur Zustimmung gewinnen konnten und die beiden Länder in den Verhandlungen mit den Iran (Konzept 5 + 1, die 5 ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats + Deutschland) mit einbinden konnten. Der Iran war also in dieser Frage weitgehend isoliert.

In den Jahren nach 2006 fanden zwar immer wieder Gespräche zwischen den 5 + 1 und dem Iran statt, aber ohne wesentliche Annäherung der Positionen oder gar greifbaren Ergebnissen. Die Gespräche wurden dabei mehrmals für gescheitert erklärt, dann doch wieder aufgenommen und wieder unterbrochen.

Inzwischen baute der Iran sein Atomprogramm weiter aus, errichtete neue Anlagen und nahm immer mehr Zentrifugen zur Urananreicherung in Betrieb. Andererseits gab es Sabotageversuche, z.B. das Computervirus Stuxnet, das iranische Anlagen lahmlegen sollte (2010). Des weiteren kam es zu Mordanschlägen gegen mindesten 5 iranische Wissenschaftler, die am Atomprogramm beteiligt waren (2010, 2011 und 2012). Auch wenn diese Anschläge nicht vollständig aufgeklärt sind, die iranischen Beschuldigungen an israelischen und anderen westlichen Geheimdienste dafür verantwortlich zu sein, sind nicht ganz unglaubwürdig. Auch in früheren Jahren hatte es schon einige mysteriöse Todesfälle bei iranischen Atomwissenschaftler gegeben.

Im April 2012 wurden wieder Verhandlungen im 5 + 1 Format aufgenommen. Nach der Wahl von Hassan Rohani zum Präsidenten zeichneten sich in Verhandlungen ab 2013 größere Fortschritte ab und am 14.7.2015 wurde dann in Lausanne ein Ergebnis erzielt.

Das Atomabkommen

Das Ergebnis nennt sich "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA, etwa: gemeinsamer umfassender Plan für das Vorgehen). Der "gemeinsame Plan" bezieht sich auf die Kontrolle des iranischen Atomprogramms bis 2025 und auf die Gegenleistungen dafür, die wichtigsten Bestimmungen sind:

• Reduzierung der etwa 19.000 Zentrifugen auf 6104

• Uran für mindestens 15 Jahre nicht über 3,67 % anzureichern

• den Bestand von niedrig angereicherten Uran von 10.000 kg auf 300 zu reduzieren

• in der Anlage Forbo (die unterirdisch ist) bis 2030 keine Anreicherung vorzunehmen und 2 Drittel der Zentrifugen abzubauen

• Umbau des mit schweren Wasser moderierten Reaktor in Arak, so dass dort kein Plutonium produziert werden kann,

• der Iran verpflichtet sich, seine Atomanlagen und alle damit im Zusammenhang stehenden oder auch nur vermutlich für sein Atomprogramm benutzten Anlagen kontrollieren zu lassen, was insbesondere auch einschließt, internationalen Inspektoren Zugang zu militärischen Objekten zu gewähren.

Im Gegenzug werden die gegen Iran praktizierten Sanktionen schrittweise aufgehoben, deren Rechtsgrund das vom UN Sicherheitsrat verurteilte Atomprogramm ist. Das heißt, Sanktionen die aus anderen Gründen verhängt worden sind, werden nicht zwingend aufgehoben.

Der JCPOA ist kein "normaler" völkerrechtlicher Vertrag. Er bedurfte deshalb auch nicht der Ratifizierung durch den amerikanischen Senat. Seine völkerrechtliche Verbindlichkeit erhielt der Plan durch den Beschluss des UN Sicherheitsrat vom 20.7.2015 (Resolution 2231) in der das vereinbarte gemeinsam Vorgehen rechtsverbindlich festgestellt wurde, die UN Sanktionen gegen den Iran aufgehoben wurden und die alle Staaten aufgefordert wurden, eigene Maßnahmen und Sanktionen ebenfalls aufzuheben.

Der Sicherheitsrat kommt damit auf seinen Beschluss von 2006 (Resolution 1996) zurück, der jetzt, da sich der Iran an die in der IAEO Resolution gemachten Vorgaben halten will, praktisch wieder aufgehoben wird.

Ein weitere Grund für diese Konstruktion war aber auch der anhaltende Widerstand der Republikaner im US Senat gegen das Verhandlungsergebnis, der eine Ratifizierung mit großer Wahrscheinlichkeit unmöglich gemacht hätte. Andererseits hatten die Republikaner aber auch keine ausreichende Mehrheit, um Präsident Obama das gewählte Vorgehen über die UNO zu verbieten. Dazu hätten sie ein Veto des Präsidenten überstimmen müssen.

Genaugenommen konnte Trump deshalb auch gar nichts aufkündigen, weil JCPOA kein Abkommen mit einer Kündigungsmöglichkeit ist. Mit der einseitigen und wegen der Vertragstreue des Iran grundlosen Verhängung von neuen Sanktionen verstoßen die USA aber gegen die Resolution des Sicherheitsrat, die sie selbst mit herbeigeführt haben.

Unter Obama wurde eine Neujustierung der Politik gegenüber dem Iran (und damit indirekt auch gegen Saudi Arabien) versucht. Es gab den Ansatz, die Konfrontation mit dem Iran allmählich abzuschwächen und vielleicht langfristig eine Normalisierung der Beziehungen anzustreben.

Auch wenn die wirklichen Absichten der Obama Administration nicht direkt offengelegt wurden, kann man aber davon ausgehen, dass folgende Punkte dabei eine Rolle gespielt haben:

• Die bisherige Politik der Feindschaft und der Isolierung hat nicht verhindert, dass sich das islamistische Regime an der Macht behauptete und der Iran seinen Einfluss in der Region stetig ausbauen konnte. Ironischerweise haben die USA durch den Sturz Saddam Husseins und der dadurch ausgelösten Veränderungen im Irak, selber zu diesem Einflussgewinn des Iran beigetragen.

• Durch die Ablösung von Präsident Ahmadinedschad und der Stärkung des pragmatischen Flügels um Rohani, gab es im Iran einen Ansprechpartner, der zu Vereinbarungen bereit war. Sicher gab es bei der US Regierung auch die Absicht bzw. die Hoffnung, durch das Abkommen diesen pragmatischen Flügel zu stärken und damit die Basis für etwaige weitere Übereinkommen in der Zukunft zu schaffen.

• Vielleicht hat auch eine kritische Einschätzung der zukünftigen Entwicklung in Saudi Arabiens eine gewisse Rolle gespielt. Sollte dieses Land wegen der inneren Widersprüche in eine politische Krise geraten, wäre ein Ausfall als zuverlässiger Verbündeter der USA denkbar. Die USA hatten ja eine solche Erfahrung bereits mit den Sturz des Schah gemacht.

Wie dem auch sei, unter Trump wurden diese vorsichtigen Ansätze nicht weiterverfolgt. Die Front der Gegner des Atomabkommen hat sich durchgesetzt. Zu Ablehnungsfron gehören neben vielen republikanischen Abgeordneten und Senatoren, auch Israel (genauer die Regierung Netanjahu) und Saudi Arabien. Während unter Obama gelegentlich eine gewisse Distanz zu den Positionen dieser beiden Verbündeten sichtbar wurde, ist eine solche unter Trump nicht mehr erkennbar (nicht nur was das Verhältnis zum Iran betrifft).

Dank Erdöl eine regionale Macht: Saudi-Arabien

Die arabischen Golfmonarchien und speziell Saudi-Arabien sind traditionell Verbündete der USA. Hier treffen sich die gemeinsamen Interessen an der Ausbeutung der Öl-Vorkommen und geopolitisch an der Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft auf Seiten der arabischen Staaten und des Einflusses ja der Dominanz in der Region auf Seiten der USA. Die arabischen Golfstaaten kann man als kapitalistische Länder einstufen. Allerdings ist es ein spezieller Kapitalismus, der im wesentlichen auf den Renten-Einkommen aus der Erdölförderung basiert und weniger auf der Produktion von (sonstigen) Waren. Diese ökonomische Basis steht im Widerspruch zum traditionell gebliebenen Überbau. Deutlich ist dies in Saudi-Arabien. Der Überbau besteht eigentlich noch auf Stammesstrukturen einer Beduinen-Gesellschaft, kombiniert mit einer besonders konservativen Auslegung des Islams (Wahabismus). Seit langem besteht ein enges Bündnis mit den USA. Ein Bündnis mit der führenden kapitalistischen Macht ist für die saudische herrschende Klasse sinnvoll, weil erhebliche Teile ihres aus den Öleinnahmen angehäuften Vermögens in den USA und ganz allgemein in der kapitalistischen Welt investiert sind. Die herrschende Klasse in Saudi Arabien ist, ungeachtet ihrer Herkunft (Beduinen, konservativer Islam) und der ursprünglichen Quelle ihres Reichtums (Rentenbezüge auf Erdöl) ein Teil der international agierende Kapitalistenklasse geworden.

Natürlich ist ein Teil des Kapitals auch im Lande selbst investiert, allerdings besteht ökonomisch und sozial eine spezielle Situation. Denn die arbeitenden Schichten sind zu einem erheblichen Teil keine Saudis und als Ausländer von diskriminierenden Gesetzen und Regeln betroffen. Bei qualifizierten Tätigkeiten haben die Ausländer eher den Status von Bürgern zweiter Klasse, unqualifizierte Arbeiter sind oft einer brutalen Ausbeutung ausgesetzt bis hin zu sklavenähnlichen Zuständen.

Der Widerspruch zwischen kapitalistischer, in den Weltmarkt integrierter Basis und diesen Überbau (Absolute Monarchie, diskriminierende Rechtsstellung der Frauen, Benachteiligung der Ausländer, die den Großteil der produktiven Arbeit leisten) verursacht eine latente Instabilität dieser Länder. Denn das Ziel der Herrschenden ist ja nicht einfach eine Weiterentwicklung des Staates Saudi-Arabien, sie wollen vor allem ihre (absolute) Herrschaft erhalten. Noch kann vieles durch Geldzahlungen kaschiert werden, was aber, wenn die Geldquellen nicht mehr so reichlich fließen? Das Wissen bzw. das Gefühl dieser Instabilität provoziert bei den Herrschenden die Gegnerschaft und das brutale Vorgehen gegen alles, was als echte oder vermeintliche Gefährdung des Status quo wahrgenommen wird. Dabei ist es letztlich egal aus welcher Richtung die Kritik kommt, wie die Ermordung des liberalen Kritikers Khashoggi gezeigt hat.

Auch wenn manche davon mehr Flexibilität zeigen, im Prinzip trifft diese Beschreibung mehr oder weniger auch auf die anderen arabischen Golfstaaten zu. Speziell in Saudi Arabien scheint man aber auf politischen Gebiet nur Unterwerfung oder brutale Repression zu kennen.

Wegen seiner Größe und seines Reichtums erhebt Saudi Arabien den Anspruch eine regionale Führungsmacht zu sein. Mit seinen Geldmitteln nimmt es auf vielfältige Weise Einfluss. In den letzten Jahren kommen auch vermehrt militärische Mittel zum Einsatz. Feindbilder sind besonders der Iran und die Muslimbrüder, die beide "revolutionärer" Umtriebe beschuldigt werden. Nur die wichtigsten Aktionen bzw. Einmischungen der letzten Jahre:

• Finanzierung (im Detail ziemlich undurchsichtig) von diversen islamistischen Gruppen im syrischen Krieg,

• Unterdrückung der Opposition im Bahrain (auch mit militärischen Mitteln),

• massive Unterstützung von Al-Sisi in Ägypten (nach der putschartigen Absetzung des gewählten Muslimbruder Mohammed Mursi)

• Boykott und Isolierung von Katar, dem Unterstützung der Muslimbrüder vorgeworfen wird,

• und insbesondere die Militärintervention im Jemen, wo angeblich gegen iranische Umtriebe gekämpft wird. Dabei sind die Huthis offensichtlich eine weit in die Geschichte zurückreichende lokale gesellschaftliche (und militärische) Kraft, deren Existenz nichts mit dem Iran zu tun hat. Was nicht ausschließt, dass die Huthis nach dem Prinzip "meines Feindes Feind ist mein Freund" vom Iran bzw. dessen Verbündeten wie der libanesischen Hisbollah eine gewisse Unterstützung erhalten, auch wenn der Iran es dementiert. Der Jemen Krieg wird von der UNO als die zur Zeit "größte humanitäre Katastrophe der Welt" bezeichnet.

Der Versuch von Saudi-Arabien durch mehr oder weniger weltweite finanzielle Unterstützung von konservativen bis extrem konservativen islamischen Kräften stabilisierende Strukturen aufzubauen ist bereits mehrmals gescheitert. Viele der geförderte Gruppen ließen sich auf Dauer nicht kontrollieren, sondern entwickelten ihre eigene Agenda. Am spektakulärsten war das vielleicht beim sogenannten "Islamischen Staat" zu sehen.

Der regionale Konkurrent: Iran

Der Iran war nie eine Beduinen-Gesellschaft, Städte mit Handwerkern und Kleinbetrieben waren auch in der länger zurückliegenden Vergangenheit typisch für den Iran. Auch nach dem Sturz des Schah war es das Ziel, darauf aufbauend, eine eigenständige und auf breiterer Basis ruhenden wirtschaftlichen Entwicklung zu erreichen. Natürlich nimmt dabei die Erdölwirtschaft eine führende und dominierende Position ein. Aber in viel stärkeren Ausmaß als in den arabischen Golfstaaten konnten die mit der Erdölförderung verdienten Mittel zum Aufbau einer eigenen Industrie eingesetzt werden. In den vergangenen Jahrzehnten hat im Iran eine Industrialisierung stattgefunden. Außer der Erdölindustrie gibt es auch andere Industriezweige von erheblicher Bedeutung z.B. Stahlerzeugung (Anstieg der Stahlproduktion von 0,55 Millionen Tonnen 1980 auf 14,5 Millionen Tonnen 2012), Aluminiumherstellung, Produktion von Baustoffen wie Zement (der Iran ist der viertgrößte Zementhersteller weltweit) und eine Automobilindustrie (auf Lizenzbasis, mit 2010 rund 500.000 Beschäftigten und der Produktion von 848.000 PKW und 141.000 Nutzfahrzeugen). Neben der Großindustrie, die meist staatlich ist oder zumindest staatlich beeinflusst, gibt es vielfältige private Klein- und Mittelbetriebe, die meist Konsumgüter herstellen z.B. Textilien. Die Landbevölkerung bildet dabei das Arbeitskräfte Reservoir für Industrie und Gewerbe. Im Iran ist durchaus eine zahlenmäßig nennenswerte Arbeiterklasse entstanden, 25% der Beschäftigten sind in der Industrie tätig. Natürlich wurde die wirtschaftliche Entwicklung durch die diversen Sanktionen ständig behindert. Die Konfrontation mit den USA und ihren Verbündeten erzwang dabei oft eine wirklich eigenständige und unabhängige Entwicklung, was durchaus auch den Willen der Staatsführung entsprach.

Die "islamische Republik" Iran nimmt eine Zwischenstellung ein. Einerseits ist sie aus einem Kampf gegen den inländischen Vertreter und Verbündeten des Imperialismus entstanden und hat seine Politik mit einer Stoßrichtung gegen den Imperialismus versehen, andererseits bleibt sie ideologisch durch ihren starken Bezug auf den (schiitischen) Islam und durch die prominente Präsenz der Geistlichkeit in Politik und Staatsführung auch konservativen bis reaktionären Vorstellungen verhaftet. Es geht schon um die Befreiung von imperialistischer Bevormundung, um eine eigenständige Entwicklung des Landes, der anti-Imperialismus ist keinesfalls nur Rhetorik. Aber der Islamismus (als Islamismus werden in diesen Artikel Ideologien bezeichnet, die postulieren, dass Staat und Gesellschaft sich nach den Regeln des Islam auszurichten haben und die verbindliche Interpretation der Regeln Religionsgelehrten vorbehalten ist) stellt auch ein Korsett für die gesellschaftliche Entwicklung dar, was vielfältige Widersprüche produzieren kann und produziert.

Die Interpretation des Islams ist im Iran eine andere als in Saudi Arabien. Was weniger mit der bei uns vorherrschenden Einteilung in konservative oder liberalere Kräfte bzw. Reformer zu erklären ist. Die Unterschiede gehen letztlich auf die unterschiedliche gesellschaftliche Situation in den beiden Ländern zurück. Die iranische Gesellschaft hat in ihrer Geschichte (schon seit dem 19. Jahrhundert) eine viel größere Ähnlichkeiten mit einer bürgerlichen Gesellschaft entwickelt. Auch unter der Dominanz des Islam gibt es im Iran deutliche Parallelen zu einer typischen bürgerlichen Gesellschaft. Die iranische Geistlichkeit ist nicht einfach und schon gar nicht ausschließlich als reaktionär einzuschätzen. Auch die Mullahs wollen den Iran modernisieren.

Der Islamismus im Iran ist in gewisser Hinsicht eine Ideologie des Klassenkompromisses. Durch den Rückgriff auf die inländischen und ureigenen Elemente des Islams kann eine anti-westliche und anti-imperialistische Richtung ausgedrückt werden. Er legitimiert die Vorherrschaft der führenden Schichten (Geistlichkeit, traditionelle Bourgeoisie und neue sich entwickelnde industrielle Bourgeoisie). Die traditionellen Elemente des Islams binden, die von einem sozialen Umbruch betroffene Landbevölkerung ein. Für die Schichten der Lohnabhängigen hat er das Angebot eines sozialen Ausgleichs gemäß den islamischen Gerechtigkeitsvorstellungen zu bieten, ohne aber die führende Stellung der besitzenden Klassen infrage zu stellen. Die islamischen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit schließen bekanntlich Gewinnstreben nicht aus und sind deshalb keine Schranke für eine kapitalistische Entwicklung. Es gibt Wohltätigkeit und eine gewisse soziale Absicherung. Aber so etwas wie konsequente Interessenvertretung durch Gewerkschaften oder gar Klassenkampf ist in der islamischen Republik nicht vorgesehen. Dementsprechend wurden und werden linke und sozialistische Gruppen auf das Härteste bekämpft, bis zu physischen Vernichtung.

Die "islamische Republik" hat sich eine Verfassung gegeben, die durchaus die Legitimierung der Staatsorgane durch Wahlen kennt. Der Spielraum ist zwar eng gezogen, es werden nur "islamische" Kandidaten zugelassen. Der sogenannte Wächterrat hat die Aufgabe das zu überwachen und schließt alle Kandidaten von Wahlen aus, die als nicht Regime tragend eingestuft werden. Aber innerhalb des Regimes gibt es eine demokratische Konkurrenz mit Wahlentscheidungen, die vermutlich normalerweise nicht gefälscht sind.

In das Modell der "Islamischen Republik" lässt sich auch der iranische Nationalismus integrieren. Spannungen und Konkurrenz zwischen den Ideologien Islamismus und Nationalismus sind damit nicht ausgeschlossen. Nationalistische Bestrebungen haben im Iran schon eine längere Tradition. Typisch ist die Berufung auf die sehr lange, auch die vorislamische, Geschichte dieses Landes und auf die persische Sprache und Kultur. Der Nationalismus unterstützt die angestrebte eigenständige und selbstständige Entwicklung. Gemäß den historischen Erfahrungen sieht man dabei einen Gegensatz zu äußeren Feinden und Gegnern und weniger zwischen inneren Klassen. Ein nationalistisches Ziel ist auch, das auch Anstreben einer regionalen Führungsposition. Der persische Nationalismus ist dabei nicht frei von chauvinistischen Elementen (z.B. gegen Arabern).

Nicht leicht zu beurteilen ist, wieweit der oben beschriebene Klassenkompromiss noch trägt und für die Gesellschaft zukunftsfähig ist. Widersprüche und Probleme sind leicht zu erkennen. Z.B. gibt es gebildete Schichten und ein großstädtische Bürgertum in beachtlicher Größe, das seine Schwierigkeiten mit den religiösen Vorschriften hat. Das Kopftuchgebot für Frauen, die strikte Geschlechtertrennung bei Veranstaltungen, wie etwa Fußball, sind nur zwei davon, die ständig Reibereien verursachen, weil sich die Menschen eingeengt und bevormundet fühlen. Im privaten Kreis oder im geheimen werden solche Gebote, auch das Alkoholverbot, sehr oft übertreten. Die Behörden schwanken willkürlich zwischen faktischer Duldung durch nicht so genaues Hinschauen, gelegentlich etwas großzügigere Auslegung der Vorschriften und wiederholten Kampagnen zu deren strengen Durchsetzung.

Großer Unmut herrscht über die anscheinend weitverbreitete Korruption und die Günstlingswirtschaft, beides widerspricht natürlich den propagierten islamischen Gerechtigkeitsidealen. Eine Folge dieser Missstände ist die Spaltung in eine sehr kleine Schicht sehr Reicher und der großen Zahl der Normalverdiener, oder besser gesagt Geringverdiener, und Armen, die der ständigen Inflation voll ausgesetzt sind. Laut Befragungen denkt bis zu ein Drittel der Iraner gelegentlich an Auswanderung. Wahrscheinlich würde diese in viel größeren Ausmaß stattfinden, wenn die Iraner in den gewünschten Zielländern ein Visum bekämen.

Eine Schwierigkeit bei der Beurteilung der Lage liegt darin, dass viele vorliegende Berichte sich vor allem auf die großen Städte beziehen und auf Bevölkerungsschichten, die (europäische) Fremdsprachen beherrschen. Was davon auf das ganze Land und auf die anderen Schichten übertragen werden kann, bleibt meistens unklar.

Im Internet finden sich etliche Berichte über (wilde) Streiks und andere Aktionen von Arbeitern. Deren Forderungen beziehen sich meistens auf die Kaufkraftsicherung im Zeichen der Inflation und auf eine Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Allerdings ist aus der Ferne eine realistische Einschätzung dieser Kämpfe nicht möglich.

Seit dem Sturz des Schah wird dem Iran eine aggressive Politik vorgeworfen. Ohne Zweifel hat es nach dem Umsturz ein überaus gewaltsames Vorgehen, mit sehr vielen Todesurteilen, gegen Vertreter der alten Ordnung und potentiellen Konkurrenten um die Dominanz in der neuen Ordnung gegeben (auch gegen Linken und Kommunisten). Aber nach Außen gab es eigentlich keine Aggressivität. Im Gegenteil, der Iran sah sich bald einer kriegerischen Aggression durch den Irak Saddam Husseins ausgesetzt und konnte nur mit großen Opfern seine Integrität verteidigen. Sein Einsatz in Syrien, wie immer man diesen im Einzelnen beurteilt, erfolgt mit Zustimmung der dortigen Regierung und kann deshalb nach den geltenden Regeln nicht als Aggression eingestuft werden. (Das Bündnis Syrien Iran geht auf den 1. Golfkrieg zurück, das Syrien Assads war der einzige arabische Staat, der sich dabei klar auf die Seite Irans stellte). Auch sein zunehmender Einfluss im Irak beruht nicht auf aggressiven Akten, sondern kann sich auf lokale Kräfte (Schiiten) stützen, die im Iran einen Nachbarn und den natürlichen Verbündeten sehen. Man kann davon ausgehen, dass der Iran so etwas wie eine regionale Vormacht werden will. Dabei nimmt er die Möglichkeiten war, die sich aus den bestehenden Konflikten und Widersprüchen ergeben, um seinen Einfluss zu vergrößern. Es geht nicht darum den Iran als Muster der Friedfertigkeit hinzustellen, eventuell hat er sich gelegentlich auch terroristischer Methoden bedient um Gegner auszuschalten. Es gibt im Iran einen Pluralismus an verschiedenen Richtungen und Gruppierungen, die sich in ihren Zielen und den zu ihrer Erreichung akzeptierten Mitteln unterscheiden, darunter auch diverse "Hardliner". Von außen ist es schwer, diese verschiedenen Interessensgruppen genau zu differenzieren und die Entscheidungsfindung zu verfolgen. Noch eine kurze Bemerkung zum häufig vorgebrachten Vorwurf, der Iran plane den Export der "islamischen Revolution", wie im Iran der Sturz des Schah und die nachfolgenden Veränderungen genannt werden. Vielleicht gab oder gibt es Gruppen, die einen (schiitischen) Revolutionsexport beabsichtigen, in der Realität hat ein solcher aber nicht stattgefunden.

Nüchtern betrachtet kann man feststellen, durch die Kombination von anti-Imperialismus, Islam und demokratischen Elementen der Legitimierung stellt die "islamische Republik" bereits allein durch ihre Existenz eine Herausforderung von reaktionären mit dem Imperialismus verbündeten Staaten der Region, insbesondere von Saudi Arabien, dar. Der Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten ist dabei eine Facette, die unter Umständen als Hebel benutzt werden kann, ist aber nicht der Kern der Konflikte.

Ein weiterer Mitspieler: Israel

Im folgenden sollen nur einige Hinweise auf die Rolle Israels gegeben werden, eine Analyse, die alle Zusammenhänge, auch die mit der Palästina-Frage etc., darstellt, kann hier nicht stattfinden.

Israel ist ein wichtiger und eigenständiger Akteur in Sachen Iran, und zwar aus mehreren Gründen:

• Einmal behauptet die israelische Regierung, es bestehe eine besondere Bedrohung für seine Sicherheit und sogar für seine Existenz durch die aggressive Politik des Irans. Der Vorwurf der Atomrüstung ist dabei nur ein Aspekt der Anklagen, obwohl öfters suggeriert wird, der Iran entwickle Atomwaffen speziell um Israel zu zerstören (siehe dazu auch die Nebenartikel). Daneben werden die iranischen Aktivitäten in Syrien, die Unterstützung für Hisbollah, Hamas und Islamischer Jihad im Gazastreifen angeprangert. Diese Israelische Argumentation hat in vielen westlichen Ländern großen Einfluss auf Medien und öffentliche Meinung.

• Israel hat die militärischen Kapazitäten, um gegebenenfalls direkt im Iran einzugreifen (und behält sich das auch vor).

• In Syrien wird Israel bereits ständig militärisch aktiv. Es wird von hunderten von Einsätzen der Luftwaffe berichtet. Angeblich richten sich diese Einsätze immer gegen Teile der iranische Revolutionsgarden, die zur Unterstützung Assads in Syrien tätig sind, oder gegen die libanesische Hisbollah und besonders gegen Waffendepots von, oder (iranische)Waffenlieferung für diese.

• In den letzten Wochen gab es auch Berichte über mehrere gewaltige Explosionen im Irak, die dort Munitions- und Waffenlager von schiitischen (dem Iran nahestehenden) Milizen in die Luft fliegen ließen. Vermutlich handelt es sich dabei um israelische Sabotage.

Bemerkenswert ist, dass bisher die Angriffe in Syrien offensichtlich von Russland toleriert wurden und bisher auch keine größere iranische Reaktion ausgelöst haben. Solche Aktionen geben Israel die Möglichkeit an der Eskalationsschraube zu drehen, falls ihnen das wünschenswert erscheint.

Israel hat auch immer das Atomabkommen heftig abgelehnt und dagegen lobbyiert. Netanjahu rühmt sich seiner Freundschaft zu und seines Einflusses auf Trump. Sein Rat wird sicher darauf hinauslaufen, eine harte Linie gegen den Iran einzuschlagen und eine Politik des Regimewechsels zu betreiben.Wie groß der Einfluss wirklich ist, ist eine andere Frage.

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Will der Iran Israel vernichten, oder wer bedroht wen?

Losungen wie "Tod den USA" und "Tod für Israel" werden im Iran bei vielen regimenahen Demonstrationen gerufen. Will aber deswegen der Iran ernsthaft die USA und oder Israel zerstören? Ohne Zweifel begreift sich die islamische Republik als Feind des zionistischen Israels. Die anti-Israel Rhetorik wird bewusst eingesetzt, auch um Einfluss bei arabischen Bevölkerungen zu gewinnen. Israel wurde als "zionistisches Gebilde" bezeichnet und als "ein Krebsgeschwür" im Nahen Osten, "das entfernt werden muss und entfernt werden wird". Solche Aussagen gibt es in verschiedenen Variationen und auch von führenden Vertretern des Iran. Aber steckt deshalb wirklich eine reale Politik dahinter und eine reale Absicht, die mehr oder weniger planmäßig darauf hinarbeitet und nur auf ihre Chance wartet das Ziel zu erreichen.

Das ist eher zu bezweifeln. Das zeigt eine Analyse der realen Politik. Denn wenn man der iranischen Führung vielleicht einiges vorwerfen kann, sicher nicht, dass sie Hasardeure sind, die ohne Einschätzung der Kräfteverhältnisse handeln. Und das Kräfteverhältnis ist eindeutig. Sicher ist, dass Israel selbst Atomwaffen besitzt. Sicher ist auch die konventionelle Stärke des israelischen Militärapparats. Dazu kommt die Unterstützung durch die Supermacht USA, die Garantien für Israel abgegeben hat. Der Versuch Israel zu zerstören wäre für den Iran klar selbstmörderisch.

Umgekehrt ist es anders. Niemand bezweifelt, dass die USA und vermutlich auch Israel das militärische Potential haben, um dem Iran z.B. durch Bombardierungen großen Schaden zuzufügen. Offensichtlich ist auch, dass sich die USA und Israel ständig das "Recht" herausnehmen dem Iran mit Militärschlägen zu drohen, falls er ihren Forderungen nicht nachkommt.

Anscheinend ist es die Strategie des Iran, diesen Bedrohungen durch militärisch überlegene Gegner eine asymmetrische Antwort entgegenzusetzen, um damit eine Abschreckungswirkung mit dem ihn zur Verfügung stehenden Mitteln zu erzielen. Wozu der Iran in der Lage ist, ist nicht ganz klar, aber es könnte sich z.B. um eine Störung des Öltransport in der Straße von Hormus handeln oder eventuell auch um Raketenbeschuss von Israel. Es gibt also eine Vergeltungsdrohung. Damit ist klar, dass hier nicht behauptet wird, vom Iran gehe für Israel keinerlei Bedrohung aus. Es geht nicht darum in naiver Weise dem Iran jegliche aggressiven Züge abzusprechen, gegen Israel und gegen andere. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass irgendwelche Hardliner wirklich der Vorstellung von der Auslöschung Israels anhängen. Entscheidend ist aber die real und konkret praktizierte Politik.

Die eigentliche "Bedrohung", die vom Iran ausgeht, liegt aber darin dass sich der Iran den imperialistischen Vorgaben widersetzt. Seine Existenz als eigenständiger und unangepasster Akteur in der Region ist den imperialistischen Mächten Bedrohung genug, die nur mit scharfen Sanktionen, wenn nicht schlimmeren, begegnet werden kann.

In gewisser Weise braucht Israel die Bedrohung aus dem Iran, um seine eigene Politik zu rechtfertigen, die iranische Bedrohung wird also instrumentalisiert.

Umgekehrt ist es ähnlich, der Iran baut den Popanz Zionismus auf, um einen einigenden Feind präsentieren zu können.

08.09.2019
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Die Politik der neuen Sanktionen unter Trump

Wie bereits kurz erwähnt, haben die USA sich einseitig vom Atomabkommen abgewandt. Sie haben das gemacht, ohne dass der Iran in irgendeiner Form gegen die vereinbarten Auflagen verstoßen hätte, und ohne auf die Einschätzung und Interessen der anderen am Abkommen Beteiligten (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China) Rücksicht zu nehmen.

Das Wesentliche an den neuen Sanktionen ist, dass die USA diese extraterritorial durchsetzen wollen. Das heißt, die USA verbieten nicht nur ihren eigenen Bürgern und Unternehmen mit dem Iran Geschäfte zu machen, sondern sie wollen es auch den Bürgern und Unternehmen aller anderen Staaten verbieten. Insbesondere ist es das erklärte Ziel, den Ölexport des Iran, seine Haupteinnahmequelle, soweit wie nur möglich zu unterbinden. Die USA beabsichtigen, alle zu bestrafen, die Geschäfte mit dem Iran machen. Der Hebel für Strafmaßnahmen gegen nicht US-amerikanische "Sanktionsbrecher" ist deren wirtschaftliche Tätigkeit in den USA oder deren dortigen wirtschaftlichen Interessen. Es drohen massive Strafzahlungen und maximal ein völliger Ausschluss aus dem US-Markt. Individuen müssen mit Verhaftung rechnen, wenn sie in die USA reisen (oder in ein Land, das deswegen an die USA ausliefert). Durch den beherrschenden Einfluss der USA auf die Institutionen des internationalen Zahlungsverkehr, der meistens in Dollar erfolgt, kann die Abwicklung des Zahlungsverkehrs bei Geschäften mit dem Iran erheblich erschwert bis fast verunmöglicht werden.

Wenn die Sanktionen, so wie zur Zeit von den USA angekündigt, konsequent umgesetzt werden, würde das in der Realität eine erhebliche Verschärfung des Sanktionsregimes bedeuten, auch im Vergleich zu den Zuständen vor der Einigung auf das Atomabkommen. Obwohl damals die Sanktionen auf viel breiterer Basis beschlossen wurden (UN Sicherheitsrat, USA, EU und andere Länder).

Die europäischen Staaten haben wiederholt erklärt, sich dem Kurs der USA nicht anschließen zu wollen, stehen dem Geschehen aber weitgehend machtlos gegenüber. Es ist fraglich ob die Institution Instex (eine Art Tauschbörse, die Waren ohne Zahlungsflüsse gegenseitig verrechnet) wirklich etwas wesentliches bewirken kann. Die Politik der USA ist damit auch eine Demonstration der realen Machtlosigkeit der Europäer. Da kann der wissenschaftliche Dienst des Bundestags darauf hinweisen, dass solche extraterritorialen Sanktionen gegen das Völkerrecht verstoßen, die Regierungen trauen sich das schon nicht mehr so klar zu sagen. Wahrscheinlich gibt es bei den betroffenen europäischen Regierungen eine starke Verärgerung über das amerikanische Vorgehen. Aber den USA wirklich Paroli bieten und auf Konfrontationskurs gehen, können und wollen sie auch nicht.

Viele Republikaner und Iran-Falken haben das Atomabkommen, immer grundsätzlich abgelehnt. Ihre Kritik richtete sich dagegen, dass der Iran weiterhin nukleare Kapazitäten unterhalten kann, dass militärische Projekte wie das Raketenprogramm, die dem Iran gewissen militärischen Spielraum eröffnen, nicht im Abkommen einbezogen sind und damit nicht verboten wurden und dass der Iran auch keine Zugeständnisse bei seiner Regional- und Außenpolitik gemacht hat (z.B. Unterstützung des Assad-Regimes). Kurz sie nehmen daran Anstoß, dass der Iran sich nicht der imperialistischen Linie unterworfen hat. Die jetzt eingeschlagene Weg des maximalen Drucks auf den Iran, kann eigentlich nur zwei Ziele verfolgen: Entweder die Unterwerfung, oder einen Regimewechsel. Ein auch für den Iran akzeptabler und gesichtswahrender Kompromiss scheint nicht vorgesehen zu sein. Politikvarianten wie der Versuch die pragmatischen Kräfte um Rohani zu stärken, wurden offensichtlich verworfen. Die Strategie ist jetzt harte Konfrontation. Da es unwahrscheinlich ist, dass der Iran unter seinem jetzigen Regime sich jemals solchen Maximalforderungen unterwerfen wird, kann das eigentliche Ziel deshalb nur ein Regimewechsel im Iran sein.

Trump hat bereits im Wahlkampf gegen das Atomabkommen agitiert und dann als Präsident auch die Rückkehr zur ausgesprochen feindlichen Politik gegenüber dem Iran vollzogen. Wenn auch erst nach Austausch von Außenminister, Sicherheitsberater und Verteidigungsminister, die, wie zu vernehmen ist, von einem Ausstieg aus dem Atomabkommen abgeraten haben sollen. Dabei scheint aber weniger die feindselige Politik gegen den Iran, als die negativen Wirkungen auf das Verhältnis zu den europäischen Verbündeten und ähnliches die entscheidende Rolle gespielt zu haben. Mit John Bolten wurde inzwischen der absolute Iran-Falke als Sicherheitsberater installiert.

Wie bei vielen anderen Themen der Trumpschen Politik ist auch hier nicht so ohne weiteres erkennbar, was letztlich für Trump selber ausschlaggebend ist. Wieweit er sich wirklich eine langfristige Strategie zu eigen gemacht hat und verfolgt, oder sich mehr an kurzfristigen Vorteilen (etwa die großen Waffenkäufe der Saudis) orientiert, was sich aus dem Entgegenkommen an innenpolitische Gefolgsleute erklärt (z.B. Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels als Geschenk für die fundamentalen Christen in den USA) bis hin zu der Frage welche Bedeutung der Selbstüberschätzung seiner Fähigkeiten als "Dealmaker" zukommt. Überragende Bedeutung hat für Trump sicher die Wirkung auf seine Kampagne zur Wiederwahl. Überraschende Änderungen bei außenpolitischen Prioritäten sind deshalb, bei allem was bisher über die interne Abläufe und Entscheidungsprozesse in der Trump Administration bekannt geworden ist, nicht völlig ausgeschlossen. Denn Trump hat sich mit der eingeschlagenen Strategie auch ein Problem eingehandelt. Es ist davon auszugehen, dass er wirklich keinen Krieg will, insbesondere wenn damit langfristige militärische Verwicklungen mit großen Kosten und Verlusten von eigenen Soldaten verbunden sind. Was Trump eigentlich will und braucht wäre ein "großartiger" und schnell erreichter Erfolg, oder etwas, was er zumindest so darstellen kann, egal ob militärisch oder durch einen "Deal" erreicht. Nur der Kurs der Konfrontation führt nicht zu einen einfachen und schnellen Erfolg.

Die Gegenstrategie des Iran

Die offizielle Gegenmaßnahme, mit der der Irans auf die Sanktionen antwortet, ist die Ankündigung in Zukunft nicht mehr alle Teile des Atomabkommens einzuhalten. Mit jeden Ausstiegsschritt nähert sich die Lage der Situation vor dem Atomabkommen an. Genauso wie die neuen Sanktionen einen Zustand ähnlich dem vor dem Abkommen hergestellt haben. Dadurch gewinnt der Iran Faustpfänder, die gegebenenfalls bei einer neuen Einigung eingetauscht werden könnten. Bisher erfolgte der Teilausstieg in 3 Schritten. Der Iran hat erklärt die vereinbarte Obergrenze für Vorräte an schwach angereichter Uran nicht mehr einhalten zu wollen, dann dass er Uran über die erlaubten 3,67 % hinaus (auf 4,5 %) anreichern will und Forschung und Entwicklung in der Atomtechnologie, hauptsächlich auf dem Gebiet der Zentrifugen, wieder aufzunehmen. Der Iran betont dabei, dass er weiterhin an der Aufrechterhaltung des Atomabkommens interessiert ist. Alle diese Schritte können wieder zurückgenommen werden, wenn auch die anderen Partner wieder ihre Verpflichtungen erfüllen, sprich die Sanktionen aufheben oder - zumindest die europäischen Partner - Maßnahmen ergreifen, die dem Iran einen ausreichenden Ölexport und andere wirtschaftliche Aktivitäten ermöglichen. Bei den Schritten wurde darauf geachtet, dass eine Rückkehr zum Ausgangspunkt möglich ist, wenn der Teilausstieg wieder aufgehoben wird. Der Iran hat bereits angekündigt noch weitere Schritte weg von den Auflagen des Atomabkommens zu unternehmen, sollte innerhalb bestimmter Fristen keine Lösung gefunden werden. Aus der Sicht des Iran stellt sein Teilausstieg auch keinerlei Verstoß gegen das Abkommen dar. Denn solche Maßnahmen seien genau der im Abkommen selbst vorgesehene Weg, um auf Verstöße gegen das Abkommen (durch die USA) zu reagieren.

Der Iran ist anscheinend noch unschlüssig was für ihn die beste Gegenstrategie ist. Offensichtlich wird er von den Sanktionen hart getroffen. Die Perspektiven für seine Wirtschaft sind nicht gut. Der Bevölkerung drohen harte Einschnitte wegen zunehmender Arbeitslosigkeit und starken Preissteigerungen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten scheint es immer schwieriger zu werden genügend Wege zu finden, um die Sanktionen zu umgehen. Die Möglichkeiten der USA solche Wege zu identifizieren und dagegen vorzugehen sind stark gestiegen.

Es ist anzunehmen, dass innerhalb des Iran heftig um die einzuschlagende Strategie gerungen wird. Bisher haben die vorsichtigen Kräfte die Oberhand. Die Nadelstiche gegen den Schiffsverkehr in der Straße von Hormus wurden anscheinend wieder eingestellt. Der Iran hat zwar die Anschuldigungen, die Beschädigungen der Schiffe wären Aktionen der Revolutionsgarden gewesen, heftig zurückgewiesen, realistisch betrachtet muss man aber davon ausgehen, dass er dafür verantwortlich war, auch wenn ein eindeutiger Beweis fehlt.

Mit der Initiative des französischen Präsidenten Macron im Zusammenhang mit dem G7 Gipfel in Biarritz scheint eine Phase des Ausloten der noch verbleibenden Möglichkeiten begonnen zu haben. Als eine Art Modus vivendi für den Iran, der zumindest Zeitgewinn bringt, scheint das Zugeständnis für den Export einer Mindestmenge Erdöl oder ein Milliardenkredit im Gespräch zu sein. Es ist nicht erkennbar, wie ein Arrangement ohne die, zumindest stillschweigende, Zustimmung der USA funktionieren könnte. Und die scheint es nicht zu geben, trotz der verkündeten Verhandlungsbereitschaft Trumps. Fast täglich gibt es Meldungen, dass die USA ihre Sanktionen schärfen, indem sie konkret Firmen, Geschäfte und Pläne für Geschäfte benennen und Maßnahmen dagegen verhängen.

Der Ausgang dieser Gespräche im Hintergrund ist noch offen, aber zu den Erfolgsaussichten ist Skepsis angebracht.

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Boltons Absetzung

Trump ist immer für eine Überraschung gut. Am 10. September teilte er, wie immer über Twitter, der Öffentlichkeit mit, dass das Engagement von Sicherheitsberater John Bolton beendet ist. Damit hat der Ober-Falke Bolton seinen Job verloren. Aber ändert sich damit auch die Politik der USA ?

Auf das Thema USA Iran bezogen wurde durch die Personalie noch etwas deutlicher, es ist nicht das Ziel direkt auf einen Krieg mit den Iran zuzusteuern und nur nach einen passenden Vorwand zu suchen oder einen solchen zu provozieren. Trump will eigentlich keinen Krieg (was bei Bolton anders war). An der Strategie des maximalen Drucks auf den Iran hat sich aber nichts geändert. Aber was bedeutet in diesen Fall Strategie? Wird das außenpolitische Agieren Trumps wirklich von einer durchdachten Strategie angeleitet? Zweifel daran sind berechtigt, zumindest wenn man unter Strategie das versteht, was im Allgemeinen darunter verstanden wird. Wie gesagt Trump ist immer für eine Überraschung gut.

08.09.2019
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Perspektiven

Strategisch setzen die USA auf einen Regimewechsel im Iran. Sie wollen ihn in die Enge treiben und destabilisieren. Vermutlich gibt es aber keinen detaillierten und realistischen Plan, wie und wann ein solcher Regimewechsel konkret ablaufen könnte und was danach kommt. Man begnügt sich damit, den Iran durch die Sanktionen und die militärischen Drohgebärden in Bedrängnis zu bringen, seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu verschärfen und wartet ab was dann passiert. Dieser Zustand könnte ziemlich lange andauern. Aus Sicht der US-Strategen besteht keine Eile, solange der Iran unter Druck steht und mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Wie gesagt, Trump selbst will vermutlich keinen Krieg, aber seine Politik erhöht das Risiko dazu beträchtlich. Es ist davon auszugehen, dass zumindest Teilen seiner Administration (z.B. Bolton) und eventuell auch Israel eine Eskalation hin zu einer militärischen Auseinandersetzung willkommen sein könnte. Wieweit diese Kräfte Willens und in der Lage sind den Ablauf der Dinge so zu beeinflussen, dass Trump, ohne es eigentlich zu wollen, die militärische Option wahrnehmen wird, ist schwer zu beurteilen. Auszuschließen ist es aber keinesfalls, so wenig wie eine wieder einsetzende und nicht mehr beherrschbare Eskalationsdynamik.

08.09.2019

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 205 - Herbst 2019, Seite 1, 3 - 12
E-Mail: redaktion@arbeiterstimme.org
Internet: www.arbeiterstimme.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2020

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