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ARBEITERSTIMME/392: Digitalisierung - Fluch oder Segen?


Arbeiterstimme Nr. 206 - Winter 2019
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein!

Strukturwandel in der Industrie
Digitalisierung - Fluch oder Segen?


Im Frühjahr des Jahres sind wir bereits auf den im Oktober stattgefundenen Gewerkschaftstag der IG Metall eingegangen. Damals lagen die Entschließungen, Leitanträge und Anträge noch nicht vor. Inzwischen sind sie verabschiedet. Zwar ist uns im Moment nicht bekannt, welche Änderungen der Gewerkschaftstag beschlossen hat, doch ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass grundsätzliche Veränderungen der Entschließungen und Leitanträgen nicht erfolgt sind.

Wie das bereits in dem Debattenpapier, der Diskussionsgrundlage für die Mitgliedschaft, angekündigt war, sollte das beherrschende Thema des Gewerkschaftstages die tiefgreifende Umgestaltung der industriellen Produktion und Dienstleistungen durch neue Technologien und Mobilitätskonzepte sein.

Die OECD geht in ihrem Ausblick für dieses Jahr davon aus, dass durch die Digitalisierung der Industrie rund 18 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen könnten und rund 36 Prozent der Arbeitsplätze sich stark verändern können. In diesem Jahr gab es in der BRD laut Statistischem Bundesamt rund 35 Millionen sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige. Sollten wirklich 18 Prozent der Arbeitsplätze der Rationalisierung zum Opfer fallen, wären davon rund 6,3 Millionen Beschäftigte betroffen. Eine Zahl, die zweifellos zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen würde.

Die Metall- und Elektroindustrie ist die dominierende Industriebranche in Deutschland und deshalb von diesem Transformationsprozess besonders stark betroffen. Von daher ist es nur selbstverständlich, dass der Gewerkschaftstag der IG Metall sich intensiv mit dem Thema beschäftigte; geht es doch für die Gewerkschaft bei diesem Strukturwandel ums Eingemachte.

Ein dramatisches Szenario

In der Vorstandsentschließung Nummer I werden zwei Szenarien entwickelt. Ein positives Szenarium und ein negatives. Das will man allerdings verhindern. Grundsätzlich wird in dem Papier der Anspruch erhoben, "dass technischer Fortschritt auch sozialer Fortschritt werden muss. Dies verlangt, dass Rationalisierungsgewinne der Transformation in gute Arbeit investiert werden. Es geht um Verteilungs- und Gestaltungsfragen". Und damit letztlich um Durchsetzungskraft und -macht. Diese wäre nicht vorhanden, würde das negative Szenarium Realität. Die Grundprämisse ist hier, dass der Organisationsgrad sinkt und "wir in der Breite der Betriebe noch nicht handlungsfähig (sind), um den Transformationsprozess so zu gestalten, dass der technische Fortschritt zugleich sozialer Fortschritt ist. Wenn wir diese Entwicklung nicht verändern, können wir im Jahr 2030 aufgrund fehlender Gestaltungsmacht, damit konfrontiert werden, dass notwendige technologische Innovationen aufgrund kurzfristiger Profitinteressen versäumt wurden".

Die Folge wäre eine drastische Abstiegsspirale. So würde die deutsche Industrie die Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Die Steuereinnahmen sänken und Investitionen im sozialen Bereich würden eingeschränkt. Zeitgleich kommt es zu weitreichender Deregulierung der Industriearbeit, verbunden mit dem Sinken der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste um rund 10 Prozent im Vergleich zu 2019 inflationsbereinigt. Und schließlich stellt die Entschließung fest: "Durch die Schwäche der Industrie, einhergehend mit der Digitalisierung, hat sich die Anzahl der Arbeitsplätze in der Industrie halbiert".

Die Folgen für die IG Metall wäre beim Eintreten dieses Szenarios dramatisch. Sie würde gleichermaßen von diesem Abwärtsstrudel erfasst. Die Verfasser des Antrags rechnen damit, dass die Gewerkschaft in diesen 10 Jahren mehr als 800.000 Mitglieder verliert, dass sie ihre Handlungs- und Gestaltungsmacht verliert und nur noch in einzelnen Berufsgruppen die Arbeitsbedingungen regeln kann. Dass sie somit zu einer Art "Lokführergewerkschaft" wird.

Den Transformationsprozess gestalten

Aufgehoben wird das düstere Zukunftsbild durch das positive Szenarium, in dem es der IG Metall gelingt, massiv Einfluss auf den Transformationsprozess zu bekommen.

In der Entschließung heißt es deshalb:

"Wenn wir es unmittelbar schaffen, unsere Arbeit so weiterzuentwickeln und zu verändern, dass wir unsere Gestaltungsmacht in Betrieben und Gesellschaft behalten, kann es uns gelingen, die Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft im Sinne eines sozialen Fortschritts zu gestalten, der mit dem technologischen Fortschritt einhergeht".

Den Schlüssel zu mehr Einfluss auf den Transformationsprozess sieht die Gewerkschaft in der Tarifpolitik, insbesondere in der Arbeitszeitpolitik. So sollen weiterhin Arbeitszeiten durchgesetzt werden, die den Bedürfnissen der Mitglieder gerecht werden. Das heißt, es soll wie beim letzten Tarifabschluss, Wahloptionen und weitergehende Arbeitszeitmodelle geben. Diese könnten auch einfließen in eine von der IG Metall initiierte Bildungsoffensive. Durch Tarifverträge sollen Qualifizierungsmöglichkeiten während der Arbeitszeit geschaffen werden um die Mitglieder und Belegschaften auf die Herausforderungen der Transformation vorzubereiten. Zusätzlich will man auch mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte und Belegschaften.

Sozialpartnerschaft und Verantwortung

Und schließlich stellt die Entschließung fest:

"Die deutsche Industrie konnte sich im globalen Wettbewerb erfolgreich positionieren und in mehreren Schlüsseltechnologien Marktführer bleiben, bzw. werden - auch dank eines guten staatlichen Bildungssystems und motivierter Beschäftigter".

Hier haben wir einmal mehr, das Angebot zur Sozialpartnerschaft. Offensichtlich geht man davon aus, dass die Probleme durch die Digitalisierung der Arbeitswelt und des ökologischen Umbaus der Wirtschaft so groß sind, dass sie nur durch die Kooperation von Kapital und Arbeit bewältigt werden können. In der Entschließung II zur Gesellschaftspolitik heißt es deshalb: "Wenn die Konsequenzen (der Transformation durch die Digitalisierung) nicht in den Blick genommen werden, wird die Transformation zu einer gesellschaftlichen Zerreißprobe. Die IG Metall ist davon überzeugt, dass eine erfolgreiche Transformation gelingen kann, wenn alle gesellschaftlichen Akteure ihrer Verantwortung nachkommen. Wir haben klare Forderungen an die Arbeitgeber und konkrete Erwartungen an den Gesetzgeber. Wir wollen das demokratische Miteinander stärken, den Beschäftigten Sicherheit geben, wir wollen wirtschaftliche Perspektiven schaffen und jedem Selbstbestimmung ermöglichen".

Die gesellschaftlichen Akteure sollen also ihrer Verantwortung nachkommen. Nur, was ist das denn - die gesellschaftliche Verantwortung, beispielsweise der Unternehmer, oder die der Regierenden? In einem weiteren Absatz derselben Entschließung stellen die Verfasser fest:

"Unsere Gesellschaft ist heute so gespalten und polarisiert wie lange nicht. Die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte hat eine verfestigte, soziale Ungleichheit geschaffen".

Richtig! Doch wer ist für diese Entwicklung verantwortlichen. Es waren doch die Regierenden, welche die Hartz IV-Gesetze geschaffen haben, die dafür gesorgt haben, dass massenhaft Leiharbeit möglich wurde und Belegschaften in Stamm- und Randbelegschaften gespalten wurden. Und es waren die Unternehmer, die das von den Regierenden gefordert haben und es anschließend willig, im Interesse des Profites, umgesetzt haben.

Es ist deshalb eine Illusion zu erwarten, dass das Kapital und seine Regierung von sich aus irgendwo eine gesellschaftliche Verantwortung sieht und Maßnahmen einleitet, die dem Wollen der IG Metall entsprechen. Wenn sich die Unternehmer in Richtung der IG Metall-Forderungen bewegen, dann tun sie das weil sie das müssen, weil sie dazu gezwungen werden. Und das geschieht nicht mit Hilfe der Sozialpartnerschaft, sondern mit ihrem Gegenteil.

Der Transformationsprozess hat begonnen

Doch betrachten wir zuerst einmal den Stand der Digitalisierung in den Betrieben. Die IG Metall hat im Vorfeld des Gewerkschaftstages eine Betriebsrätebefragung durchgeführt, also eine Art Bestandsaufnahme gemacht. Und es zeigt sich eindeutig - die Digitalisierung hat in vielen Betrieben Einzug gehalten. Sie steht zwar erst am Anfang, doch ist klar, die Transformation der industriellen Produktion hat begonnen.

Die Beschäftigungsentwicklung in den nächsten vier Jahren wird von den Betriebsräten unterschiedlich eingeschätzt. Ein Drittel der Betriebsräte rechnet damit, dass die Belegschaftszahl sinkt. Dabei ist ein eventueller Arbeitsplatzabbau durch die Konjunkturentwicklung nicht berücksichtigt. Von Personalabbau betroffen sind die Bereiche Fertigung, Montage, Administration, der technische Kundendienst und die betriebliche Logistik. Hier bestehen die größten Möglichkeiten Arbeitsplätze durch die neue Technologie wegzurationalisieren. Im Bereich von Forschung und Entwicklung, IT und Software-Entwicklung dagegen rechnen die Betriebsräte mit einem Personalaufbau.

Besonders kritisch wird die Lage von den Betriebsräten in der Auto- und Zulieferindustrie eingeschätzt. Deutlich mehr als die Hälfte geht von einem Arbeitsplatzabbau aus und lediglich 8 Prozent der Betriebsräte erwarten in dieser Branche zusätzliche Arbeitsplätze. In diesem Produktionssegment gibt es viel kleine und mittelständische Betriebe, häufig auch kapitalschwache. Sie produzieren Komponenten für Verbrennungsmotoren. Diese Betriebe könnten im Verlaufe der Umstellung auf Elektromotoren, so die Befürchtung der Betriebsräte, auch ganz auf der Strecke bleiben. So schreibt die FAZ (19.8.2019):

"Eins zu zehn, so kalkuliert beispielsweise Bosch, der umsatzstärkste Automobilzulieferer der Welt. Soll heißen: Wofür in der Welt der Verbrennungsmotoren bis zu zehn Mitarbeiter benötigt werden, braucht es künftig einen einzigen."

Gleichfalls negativ eingeschätzt wird die Situation in der Stahl- und Aluminiumindustrie, ebenso in Gießereien und Schmieden. Im Industriebereich Maschinenbau und Elektrotechnik halten sich dagegen positive und negative Erwartungen die Waage.

Oft fehlt eine Unternehmensplanung

Es ist schwierig die Einschätzung der Betriebsrätebefragung zu bewerten. Denn offensichtlich stützten sich die Betriebsräte nicht unbedingt auf konkrete Informationen und Zahlen der entsprechenden Unternehmensleitungen. Auf der anderen Seite liegen die Einschätzungen von Betriebsräten oft näher an der Realität, als die ihrer Geschäftsführungen. Die IG Metall-Untersuchung zeigte nämlich, dass in viele Chefetagen eine langfristige Unternehmensplanung unbekannt ist.

Vielmehr ist Kurzfristdenken und -handeln angesagt. So berichten die Betriebsräte in nur 18 Prozent der Betriebe, dass es im Unternehmen eine Strategie zur anstehenden Digitalisierung der innerbetrieblichen Abläufe gibt. In 19 Prozent der Betriebe gibt es Überlegungen für Teilbereiche des Unternehmens. Im Rest der Betriebe wird offensichtlich vor sich hin gewurstelt. Das ist eine Haltung von Unternehmensführungen, mit der Betriebsräte häufig konfrontiert werden. Sind genügend Aufträge vorhanden, läuft der Betrieb rund. Dann scheint alles zu stimmen, denn die Profite sprudeln. Brechen die Aufträge weg, aufgrund konjunktureller oder struktureller Ursachen, dann reibt man sich verwundert die Augen und versucht sich auf Kosten der Belegschaften zu sanieren oder geht sogar in die Insolvenz.

Schließlich, berichten die Betriebsräte in 72 Prozent der Fälle, dass die Beschäftigten über die möglichen zukünftigen Änderungen ihrer Arbeitsplätze nicht informiert werden und informiert sind. Die Betriebsräte selbst wissen aber auch nicht wesentlich mehr. Nur in 52 Prozent der Betriebe findet die rechtzeitige Information zur betrieblichen Planung statt. Nach dem BetrVG muss eine solche zwingend bereits im Planungsstadium seitens des Unternehmers stattfinden. Klar ist natürlich, wenn es keine Planung gibt, kann es auch keine Informationen geben. Aber dieser Zustand ist auch dort an der Tagesordnung, wo der Unternehmer konkret plant, wie das die Befragung zeigt. Und die Betriebsräte lassen sich das oft gefallen. Dabei könnten sie diese Information erzwingen. Dafür müssten sie allerdings zum Konflikt bereit sein. Aber in vielen Fällen will man es sich nicht mit der Geschäftsführung verderben. Soviel zur konsequenten Interessenvertretung durch manche Betriebsräte.

Mehr Mitbestimmung

Die IG Metall hat also den Anspruch, wie schon angeführt, den digitalen Transformationsprozess mitzugestalten, denn der technische Fortschritt soll ja auch sozialer Fortschritt werden.

Erfolgen soll das mit Hilfe der Tarifpolitik, durch das aktive Eingreifen der Betriebsräte und Vertrauensleute und durch flankierende Maßnahmen der Bundesregierung. Konkret heißt das, dass man mehr Einfluss auf die jeweilige Politik der Unternehmen durchsetzen will. So werden Vereinbarungen angestrebt, die Standortsicherung und Kündigungsschutz beinhalten. Auch sollen Vereinbarungen getroffen werden, über mittel- und langfristige Investitionen in neue Produkte. Von der Bundesregierung wird gefordert, den Wandel mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu unterstützen. So wird beispielsweise ein Transformations-Kurzarbeitergeld gefordert. Außerdem sollen Leiharbeit, Werkverträge und Befristungen eingedämmt werden.

Wachsende Aggressivität der Unternehmer

Die IG Metall begibt sich mit diesen Plänen auf ein schwieriges Terrain. Nicht nur, dass sie in ihrer Betriebspolitik erhebliche Defizite hat, sie hat auch einen Gegner, der zunehmend aggressiver wird. Die Flächentarifverträge in allen Branchen geraten immer mehr unter Druck. Waren 1996 noch 70 Prozent der Beschäftigten im Westen und 56 Prozent im Osten durch Tarifverträge geschützt, so sind es heute (laut IAB) nur noch 49 bzw. 35 Prozent. Mit dieser Politik zeigen die Unternehmer ihr wahres Gesicht. Und sie zeigen unmissverständlich was sie ihrerseits wirklich von der Sozialpartnerschaft halten. Nämlich nichts! Hier sind nicht nur einige "wildgewordene Elemente" am Werk, sondern es handelt sich beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall wohl um Überlegungen grundsätzlicher Art. Deren Präsident Rainer Dulger droht offen mit "dem Ende des Flächentarifvertrages", sollten die Lohnansprüche nicht zurückgeschraubt und Arbeitszeitverkürzung weiter vorangetrieben werden. Selbst den gesetzlichen 8-Stunden-Tag will man "reformieren". Die Arbeitgeberverbände fordern hier eine uneingeschränkte Öffnung und flexible Wochenarbeitszeit-Modelle. Und selbstverständlich wird die Ausweitung der Mitbestimmung durch Betriebsräte und Gewerkschaft strikt abgelehnt. Selbst vor der Forderung nach der Einschränkung des Streikrechts scheut man bei Gesamtmetall nicht zurück. So sollen zukünftig ganztägige Streiks nur noch nach einer gescheiterten Schlichtung zulässig sein.

Der Wind scheint sich gedreht zu haben. Den Eindruck erhält man auch, wenn man die Anfang Oktober gescheiterten Verhandlungen zur Angleichung der Arbeitszeiten Ost, an die des Westens betrachtet. Für Sachsen und Brandenburg sollte nach Aussage beider Tarifvertragsparteien bis Ende Juni ein "Fahrplan" zum Erreichen der 35-Stunden-Woche stehen. Darauf hatte man sich nach sechs Verhandlungsrunden geeinigt. Das passte aber offensichtlich Gesamtmetall nicht. Das Eckpunktepapier mit Lösungsansätzen wurde von dem Verband gekippt. Seitens der IG Metall wurden darauf die Gespräche für beendet erklärt und man will nun in den "Häuserkampf" ziehen und in Betrieb für Betrieb die Arbeitszeitverkürzung angehen. Das wird wahrlich kein leichtes Unterfangen. So hat die Branche alleine in Sachsen 1700 Unternehmen. In lediglich 140 davon gelten Flächen- Haus- und Anerkennungstarifverträge. Aber selbst diese kleine Zahl wird den IG Metall Bezirk bei einem "Häuserkampf" überfordern.

Es gibt noch viel zu tun

Es ist eine schwierige Zukunft vor der die IG Metall und auch alle anderen Gewerkschaften stehen. Die DGB-Gewerkschaften haben in den vergangenen Jahren große Mitgliederverluste hinnehmen müssen. Auch die IG Metall. Doch in den letzten zwei Tarifrunden, mit von der Mitgliedschaft akzeptierten Abschlüssen, ist es der Gewerkschaft gelungen, die Mitgliederzahl zu stabilisieren und neue Mitglieder dazu zu gewinnen. So ist die IG Metall seit der letzten Tarifbewegung um rund 85.000 Mitglieder gewachsen. Aber dieser Erfolg verdeckt die Schwachstellen innerhalb der Organisation nicht. Die gibt es in besonderem Maße in den ostdeutschen Bundesländern. Hier ist die Gewerkschaft im Grunde nur noch in den Großbetrieben der Automobilindustrie vorhanden. In den anderen Bereichen ist es den Unternehmern gelungen gewerkschafts- und betriebsratsfreie Räume zu schaffen. Und das oft mit regelrechtem Terror und Mobbing gegen KollegInnen von Betriebsratswahl-Initiativen. Aber nicht nur im Osten ist die IG Metall in den Betrieben schwächer geworden. Alleine die rückläufige Tarifbindung der Unternehmen zeigt, dass in den Betrieben, in denen der Unternehmer Tarifflucht begeht, keine gewerkschaftliche Kraft vorhanden ist, die sich dem entgegenstellt. Um den vor uns liegenden Transformationsprozess positiv zu beeinflussen muss noch sehr viel getan werden.

Auf der anderen Seite kann bei einer entsprechenden Gemengelage eine Bewegung der Werktätigen entstehen, welche das Kapital in ernsthafte Bedrängnis bringt und zu weitgehenden Zugeständnissen zwingt. Erinnert sei an die Streikbewegung der KollegInnen bei Krupp Rheinhausen Mitte der 80er Jahre.

Voraussetzung dazu ist allerdings, dass die Beschäftigten über das was auf sie zukommt umfassend informiert sind. Hier ist die IG Metall auf dem richtigen Wege. Das Thema Digitalisierung der Industrie, wird wohl jetzt nach dem Gewerkschaftstag massiv in die Betriebe getragen werden und muss seinen Niederschlag in der Tarifrunde im kommenden Jahr finden. Das ist die einzige Möglichkeit die Unternehmerverbände zu beeindrucken. Die IG Metall muss zeigen, dass sie auch in ökonomischen Krisenzeiten mobilisierungs- und handlungsfähig ist.

Wir dürfen gespannt sein.

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Quelle:
Arbeiterstimme Nr. 206 - Winter 2019, Seite 1 bis 6
E-Mail: redaktion@arbeiterstimme.org
Internet: www.arbeiterstimme.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2020

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