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AUFBAU/228: Banken verstaatlichen? Eine Augenwischerei


aufbau Nr. 58, September/Oktober 2009
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Banken verstaatlichen? Eine Augenwischerei

REAKTIONÄR - Die Forderung nach Verstaatlichung der Banken dient einzig der Rettung der kapitalistischen Ordnung. Sie ist, bei näherem Hinsehen, nur reaktionär. Der Kampf gegen Privatisierung kann hingegen sehr wohl richtig sein.



(az) Als das Finanzsystem einstürzte und die kapitalistische Produktionsweise mit in den Abgrund zu reissen drohte, widerhallten die Hilferufe der Banken, Versicherungs- und Autokonzerne über den ganzen Erdball. Wer anders als der Staat konnte da noch weiter helfen, wo der so genannte freie Markt die Renditen und Vermögenswerte fast vollends vernichtet hatte, keine Mittel mehr vorhanden waren, um den Erhalt des Geldkreislaufs auch nur ansatzweise zu sichern und keine Bank mehr der anderen traute? Der Staat verfügt über Druckerpressen, um Papiergeld zu drucken, sich also in Milliardenhöhe zu verschulden, und so konnte der Geldkreislauf zumindest vorübergehend aufrecht erhalten werden.


Konsequent

Der Ruf nach dem Staat von denen, welche bis vor kurzem nicht müde wurden, diesen verbal zu verschmähen, war und ist durchaus konsequent. Das Hilfspaket in Form von Steuermilliarden kommt den Aktionären und der Shareholder Value zu gut und hält das System zumindest für eine gewisse Zeit weiter am Leben. Die Regierungen der Industrienationen kommen ihrerseits ihrem Ruf, Handlanger der verschiedenen kapitalistischen Fraktionen zu sein, mehr als gerecht. Allein in der Schweiz hat der Bundesrat in einer Nacht- und Nebel Aktion per Notrecht einer einzigen Bank, der UBS, über satte 66 Milliarden Schweizerfranken nachgeworfen, mit dem Hinweis, eine Pleite dieser Bank würde die ganze Schweiz in den Abgrund treiben. Auch in den anderen europäischen Staaten und in den USA flossen Milliarden in die Banken, Versicherungs- und Autokonzerne.


Die Schulden bezahlen die anderen

Nun kann der Staat tagein und tagaus Geldscheine drucken. Das wirkt sich freilich rasch auf den Staatshaushalt aus - u.a. steigen die Staatsdefizite ins Uferlose und müssen bald einmal mit Sparübungen und Mehreinnahmen ausgeglichen werden. Beides geht auf Kosten der Bevölkerung. Erfahrungsgemäss wird im bürgerlichen Staat zuerst bei den Sozialwerken gespart, und Sparübungen bei den Sozialwerken treffen das Proletariat und nicht die Bonzen. Der Bedarf nach Mehreinnahmen wird meistens über die indirekten Steuern wie beispielsweise die Mehrwertsteuer abgewickelt. Eine Erhöhung trifft die Schlechtverdienenden viel härter als die Gutverdienenden. Die Rechnung wird also von der Bevölkerung beglichen, und das sind mehrheitlich keine Shareholder! Bezahlen müssen also nicht diejenigen, welche die Schose angerichtet und von ihr nicht zu knapp profitiert haben, sondern die, welche nichts davon hatten und ohne jegliche Einflussmöglichkeit blieben - die Massen.

Da sollte wohl beruhigend wirken, dass ausgerechnet die Ultra-Liberalisierer plötzlich nach Verstaatlichung riefen. EU-Industriekommissar Günter Verheugen riet, einzelne Bankinstitute zu verstaatlichen und der frühere Chef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, meinte in der ARD Tagesschau vom 8. Oktober 2008, der Staat solle den angeschlagenen Banken keine Garantien geben, sondern sie verstaatlichen, sanieren und dann (wieder) privatisieren. Die Forderung nach Verstaatlichung tönte nett, diente aber einzig der Rettung der kapitalistischen Ordnung.

Eifrig bemüht, die herrschenden Verhältnisse zu retten, sind auch die Sozialdemokraten. In Deutschland forderten sie eine Privatisierung der Banken mit der Begründung, einzig eine Verstaatlichung gebe den Banken ihre Kreditwürdigkeit zurück, und eine solche sichere den SteuerzahlerInnen auch mittelbar Einfluss auf die Geschäftspolitik der Banken, nach dem Motto. "Warum Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren".


Wer ist eigentlich der Staat?

Natürlich kommt der Slogan "warum Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren" verlockend daher. Aus dem Munde von Sozialdemokraten ist es freilich kaum mehr als das übliche Geklapper, das zum politischen Geschäft gehört wie das Wettern über die hohen Managerlöhne und Boni, die heute wieder ganz salonfähig sind.

Nun vertritt der Staat keineswegs gleichwertig die Interessen der verschiedenen Klassen. Wenn Bundespräsident Hans-Rudolf Merz nach Libyen reist und dort Muammar Ghadafi um den Bart streichelt, macht er das zur Hauptsache als Vertreter der hiesigen Kapitalfraktionen, die ein immenses Interesse an den Handelsbeziehungen mit Libyen haben. Der Staat ist der "offizielle Repräsentant der kapitalistischen Gesellschaft" (Karl Marx, MEW 19 S. 221/222), der immer dann eingreifen muss, wenn die Krisen die Unfähigkeit der Bourgeoise zur Verwaltung der Produktivkräfte aufdecken. Die Forderungen vom EU-Industriekommissar und dem ehemaligen Chef der Deutschen Bank illustrieren dies und zeigen auf, dass die Bourgeoise in Krisenmomenten sich daran erinnert, dass der Staat ihre Interessen vertritt. Der Staat ist eine "wesentlich kapitalistische Maschine ..., der ideelle Gesamtkapitalist" (Marx, ebenda), der seine StaatsbürgerInnen genauso so ausbeutet wie der Unternehmer. Die Arbeiterinnen bleiben LohnarbeiterInnen, ob sie in einer staatseigenen Fabrik oder in einer privaten arbeiten. Die Forderung nach Verstaatlichung ist somit alles andere als revolutionär.


Die andere Seite der Medaille

Auch wenn die Forderung nach Verstaatlichung in die falsche Richtung weist, der Kampf gegen die Privatisierung kann durchaus richtig sein. Werden staatseigene Betriebe für die Privatisierung vorbereitet bzw. privatisiert, führt dies oft zur Vernichtung von Arbeitsplätzen und zur Erhöhung vom Arbeitsstress. Die versuchte Schliessung des SBB-Cargo-Werks in Bellinzona, die Officine, ist ein Beispiel hierfür (aufbau 55, S. 4). Die Mobilisierung gegen die Schliessung zeigte freilich auch, dass ein Arbeitskampf für den Erhalt der Arbeitsplätze sich lohnen kann. Privatisierungen zu bekämpfen, ist also politisch durchaus wichtig und richtig.


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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Kulturredaktion (kur)


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Quelle:
aufbau Nr. 58, September/Oktober 2009, Seite
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2009