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AUFBAU/375: Sie sprechen, doch ohne Worte


aufbau Nr. 75, dezember / januar 2013-14
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Sie sprechen, doch ohne Worte



COMIC - Dass Menschen sprechen, aber keine Worte benutzen, ist schwer vorstellbar. Der Comic-Künstler Ivan Brun setzt es um. Er zeichnet den Alltag im Kapitalismus, seine Figuren sind nicht "gut", sie sind Symbole der Zeit.


(az) Es heisst, Bilder sagen mehr als tausend Worte. Das mag wahr sein, doch ist es bestimmt nur bei einigen Bildern der Fall und ausserdem nur für einzelne Sachverhalte. Wenn aber eine Geschichte erzählt werden soll, möglicherweise sogar eine komplizierte, dann wählt der/die ErzählerIn das Wort, um sich verständlich zu machen. Nicht so Ivan Brun, er lässt seine Comic-Figuren in Bildern sprechen und entwickelt damit eine Kommunikation, die das Potential hat, Sprachgrenzen zu sprengen. Ein Esperanto in Bildern oder gezeichneter Internationalismus.

Das ist natürlich nicht einfach, der Leser und die Leserin muss ziemlich viel Denkarbeit leisten, um die gezeichneten Sprechblasen zu dechiffrieren. Aber das könnte durchaus einer der Gründe sein, weshalb Ivan Brun diese Methode gewählt hat: Seine Comics sehen nur im ersten Moment wie einfache Kost aus, im zweiten Moment merkt man, dass man sehr viel mehr Zeit darauf verwendet, sich in den Kopf der Figuren hineinzudenken und ihre Aussagen nachzuvollziehen.


Er kommuniziert nur über seine Figuren

Wieso er diesen Weg geht, können wir nicht mit Sicherheit sagen, auf dem Internet finden sich wenige Informationen zur Person Ivan Brun. Er ist irgendwann geboren, hat Kunst studiert und spielt auch noch in einer Band Musik. Er ist ein Independent-Künstler, der thematisch Kapitalismus, Krieg, Zerstörung, Armut und Kommerz behandelt, seine Geschichten spielen entweder in einem unbestimmten Land oder in der Pariser Banlieu und man kann sie online gratis anschauen (http://ivanbrun.tanibis.net/#/accueil/).

Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass er mit seiner Arbeit keine kommerziellen Ziele verfolgt, sondern aufklären will. Insofern ist die Person Ivan Brun eine Unbekannte und seine Werke müssen für ihn sprechen.


Doppelt independent

Der Independent-Comic kennt theoretisch keine Normen, tatsächlich gibt es aber sehr wohl ungeschriebene Regeln. Auch damit bricht Ivan Brun, er hat sich sozusagen unabhängig vom Independent gemacht.

In seinen alten Werken ist der Stil noch sehr klassisch independent, wild, punkig und schwarz-weiss. Jetzt lehnt er sich hingegen stark an den japanischen Manga an. Das gefällt dem typischen Independent-Publikum nicht, den Secondos der Pariser Banlieu ist der Stil jedoch bestimmt zugänglicher. Es ist wahrscheinlich, dass ihn dieses Publikum mehr interessiert und möglicherweise gelingt es ihm damit tatsächlich, ein anderes Publikum anzusprechen, breitenwirksamer zu sein. Ivan Brun hat sich mit diesen aufklärerischen Comics eine schwierige Aufgabe gestellt, die er auch nicht immer zu erfüllen vermag. Doch die Anstrengungen und Überlegungen, die man in seiner Arbeit erkennt, sind beachtlich und beachtenswert. Deshalb portraitieren wir sie ja auch.

Auf dieser Seite [siehe Printausgabe] zu sehen sind Auszüge aus der Geschichte "Tabula Rasa" aus dem Band "War Songs" von 2010. Sie ist 14 Seiten lang und erzählt die Geschichte eines jungen arabischen Mannes in Paris auf Arbeitssuche. Gleichzeitig spielt die Geschichte im besetzten Irak und zeigt einen irakischen Mann auf Arbeitssuche. An beiden Orten werden grosse Versprechungen gemacht, die dann enttäuscht werden. In Frankreich findet der arabische Mann keine qualifizierte Stelle, obwohl er fleissig zur Schule geht und alles "richtig" macht, bekommt er trotzdem höchstens einen Putzjob. Die irakische Figur hingegen muss als Polizist arbeiten, da den irakischen Menschen alle anderen Arbeitsstellen verwehrt bleiben. Die Versprechungen des Kapitalismus beglücken in dieser Geschichte nur die Wenigen, so wie im richtigen Leben halt.

Ivan Bruns Geschichten sind häufig nicht so melancholisch wie diese, oft sind sie brutal und schrill. Oder auch ganz einfach, wie der Einkaufswagen auf der Titelseite. Für die Vermittlung mancher Sachverhalte, braucht man eben doch nur ein Bild und nicht 1.000 Worte.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 75, dezember / januar 2013-14, Seite 16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2014