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AUFBAU/454: Kaum ein Durchatmen für Schwedens ANTIFA


aufbau Nr. 84, märz/april 2016
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Kaum ein Durchatmen für Schwedens ANTIFA!


ANTIFASCHISMUS Die schwedische Antifa, in Schweden AFA genannt, ist seit den frühen 1990ern als halbklandestines Netzwerk organisiert. Darin organisiert sind revolutionär-antikapitalistische Organisationen und Einzelpersonen unterschiedlicher sozialistischer Prägung. Gegenwärtig macht der AFA aber nicht nur das notorisch hohe Konfrontationsniveau mit Nazis das Leben schwer.


(agafz) Im September 2014 veranstaltete die heute nicht mehr existente neonazistische Partei Svenskarnas Parti in der Stockholmer City eine Demonstration. Die AFA stellte sich dem braunen Demotross erfolgreich entgegen und unterband so das Ansinnen der Nazis. Die daraus resultierende physische Auseinandersetzung mit der Polizei hatte aber ein übles Nachspiel. 14 Personen der AFA wurden im Anschluss verhaftet. Nebst den damit einhergehenden Hausdurchsuchungen und Untersuchungshaft für die meisten Betroffenen winken für 13 der Verhafteten 4 bis 18 Monate Knast. Dass der schwedische Staat so resolut durchgriff, sorgte für ein gewisses Aufsehen. Die meisten schwedischen GenossInnen vertreten die Einschätzung, dass es sich im vorliegenden Fall um eine vom schwedischen Innenministerium, respektive dessen Inlandsgeheimdienst Säpo, gezielte Kampagne gegen die AFA und die gesamte revolutionäre Linke handelt. Das äusserst entschlossene Vorgehen der AFA gegen neonazistische und nationalistische Strukturen, unzählige Internetvideos zeugen davon, hatte die bürgerlichen Medien und die Politik in den letzten Jahren zunehmend aufgescheucht.


Angriff ist die beste Verteidigung

Die von der AFA offen kommunizierte Devise lautet, Nazis und andere reaktionäre Kräfte immer und überall anzugreifen, wo man ihnen begegnet. Getreu diesem Motto mussten am 30. Januar einige Teilnehmer einer PEGIDA-ähnlichen Kundgebung in der Stockholmer City von AFA-Aktivisten Prügel einstecken. Die gegenwärtigen Wahlerfolge der Schwedendemokraten, inzwischen drittstärkste Partei im schwedischen Reichstag und mit Wurzeln im neonazistischen Milieu der 1980/90er Jahre, haben ihre Entschlossenheit zum energischen Handeln nur noch verstärkt. Allen Repressalien zum Trotz. Zudem fällt die Rekrutierung neuer GenossInnen recht leicht. Sehr kurzfristige Mobilisierungen gegen Nazi-Ansammlungen scheinen zumindest in den grösseren Städten Schwedens nie an personeller Schwäche zu scheitern. Auch deshalb fällt es den Nazis so schwer, sich in den schwedischen Ballungszentren fest zu installieren. Ihre Kneipen oder Szeneläden sind oft schon vor der Eröffnung demoliert. Die entsprechende Informationsbeschaffung gewährleistet eine landesweit organisierte, AFA-eigene Recherchegruppe.

Treten die Nazis nicht in der Öffentlichkeit in Erscheinung, so werden sie oft gezielt zuhause aufgesucht. Nichtsdestotrotz haben sich in Schweden viele Neonazis in urbanen Milieus angesiedelt, was in Schweden dem allgemeinen, sehr starken demografischen Trend entspricht. Man redet von Landflucht. Diese hat offenbar wundersamerweise auch die Blut-und-Boden-Elemente der schwedischen Gesellschaft erfasst und treibt diese zahlreich in die zumeist relativ liberalen und multikulturellen Städte.

Entsprechend der dadurch entstehenden räumlichen Nähe kommt es auch häufig zu spontanen Konfrontationen. Gerade in Stockholm kann es in sämtlichen Stadtteilen in den unterschiedlichsten Bars, Discos, Pärken etc. jederzeit zu unliebsamen Begegnungen kommen. Das Niveau der Gewalt hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Messer sind eher der Standard als die Ausnahme. An entsprechende Verletzungen oder juristische Konsequenzen haben sich die Leute gewöhnt. Als entscheidend wird erachtet, dass man möglichst nie auch nur einen Schritt zurückweicht. Diese Haltung hat sich inzwischen tief in der Mentalität vieler AntifaschistInnen verankert.


Militante Neonazis

Die schwedische Naziszene hat sich über die Jahre und Jahrzehnte stetig gewandelt. Nebst den Schwedendemokraten, welche sich seit den 1990ern ein moderates Image verpassten und sich zunehmend als massentaugliche, rechtspopulistische Kraft positionieren, gibt es auch die genuin neonazistischen Strukturen ausserhalb des parlamentarischen Spektrums. Diese versuchen, ihren Einfluss auf die schwedische Gesellschaft primär über Social Medias und den Kampf auf der Strasse geltend zu machen. Die zurzeit stärkste all dieser neonazistischen Strukturen ist die Schwedische Widerstandsbewegung SMR, welche militärisch-hierarchisch organisiert ist und auch in Norwegen über Ableger verfügt. Auch wenn diese Organisation demnächst an Lokalwahlen teilzunehmen gedenkt, ist sie als überwiegend nationalsozialistische Organisation zu betrachten, welche eine gewaltsame Machtübernahme anstrebt. Mitglieder der SMR verüben immer wieder Messer- und andere Attacken auf TeilnehmerInnen linker Kundgebungen oder einzelne MigrantInnen.

Die AFA sieht diese nicht sonderlich grosse, aber straff organisierte und gewalttätige Organisation als ihren Hauptfeind auf der Strasse, während von den Schwedendemokraten gegenwärtig die politisch grösste Bedrohung ausgeht. Nebst diesen zwei feindlichen Hauptakteuren gibt es noch zahlreiche kleinere, mehr informelle Gruppen, welche das faschistische Milieu Schwedens komplementieren. Zu nennen ist zum Beispiel die identitär geprägte Organisation Nordisk Ungdom, welche in ganz Skandinavien über Ableger verfügt. Diese steht aber eher den Schwedendemokraten nahe und ist bisher trotz grosser Aktivität auf der Strasse weniger durch gewaltsame Aktionen aufgefallen. Auch gibt es in Schweden wie überall in Skandinavien eine beträchtliche Anzahl faschistoider Individuen in unterschiedlichen subkulturellen Milieus wie der Hooligan- oder Metalszene. Interessanterweise tummeln sich aber in mehreren bekannten Hooligangruppen auch zahlreiche Antifaschisten, weshalb die Gleichung Hooligans gleich rechts in Schweden sicherlich nicht über pauschale Gültigkeit verfügt.

Die ersten betroffenen Militanten der AFA haben ihre Haft unterdessen angetreten. Doch die mutmasslich als Warnung und Einschüchterung gedachte Repressionswelle hat die Handlungsfähigkeit und den Aktivismus der AFA in keiner Weise eingeschränkt.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 84, märz/april 2016, Seite 13
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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Internet: www.aufbau.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2016

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