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ATOMWAFFENFREI/003: Informationen der "Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen" - Februar 2014


atomwaffenfrei - Ausgabe 01 / Februar 2014
informationen der gewaltfreien aktion atomwaffen abschaffen



Aus dem Inhalt:
  • Editorial
  • Gute Nachrichten!
  • Internationale Konferenz in Israel: "Für eine Atomwaffen- und Massenvernichtungswaffen (WMD)
    Freie Zone im Nahen und Mittleren Osten"
  • Tornadoabsturz in Atomwaffennähe
  • "Atomwaffen für eine Billion Dollar"
  • Gerichtsverhandlungen: Über 30 Soli-Selbstanzeigen

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Kommt zum Ostermarsch!

Für eine atombombenfreie Welt - Stoppt das Bombengeschäft!

Die vollständige, weltweite Abrüstung von Atombomben ist seit Herbst 2013 auf der Agenda mehrerer großer Organisationen: Die UN hat eine spezielle Arbeitsgruppe und den 26. September als Internationalen Tag für eine atomwaffenfreie Welt eingerichtet.

Das Internationale Rote Kreuz hat einen 4-Jahresplan zur nuklearen Abrüstung entwickelt. Die Gemeinschaft der Nobelpreisträger hat bei ihrer Jahrestagung noch einmal festgestellt, dass Atombomben eine existenzielle Verletzung von Menschenrechten darstellen und ihre Abschaffung eine wichtige Voraussetzung zum Überleben der Menschheit ist. Dagegen hat die neue Bundesregierung den Abzug der letzten in Deutschland verbliebenen US-Atomwaffen nicht mehr in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Stattdessen wird die Bündnisverpflichtung innerhalb der NATO bekräftigt und damit an der nuklearen Abschreckung willentlich festgehalten, was eine teure "Modernisierung" der US-Atombomben einschließt und eine Lebensverlängerung der alten Tornados, so sie denn nicht abstürzen. Mit dieser fragwürdigen Sicherheitspolitik hat ein neues Wettrüsten begonnen und die Gefahr eines neuen Kalten Krieges wird heraufbeschworen. Wer nach dem Warum fragt, muss sich auch die Aktivitäten einiger Großbanken anschauen wie der Deutschen Bank, der Commerzbank oder der Allianzversicherung, die alle im Atombombengeschäft kräftig mitmischen.

Haltet sie auf - Stoppt das Bombengeschäft !

Ostermontag, den 21. April 2014

Beginn: 14:00 Uhr im Gewerbegebiet Büchel

Kundgebung: 15:00 Uhr in der Nähe des Haupttores am Fliegerhorst Büchel mit Alyn Ware (PNND, alternativer Friedensnobelpreis), Bernd Hahnfeld (IALANA), Frederik Holz (IPPNW), Anne Solbach-Freise (Stiftung Zivilcourage), Sängerin Blue Flower u.a.

Internationaler Versöhnungsbund, Regionalgruppe Cochem-Zell c/o Dr. Elke Koller 56759 Leienkaul Tel: 02653-3220

UnterstützerInnen: AG-FriedenTrier, Bike for Peace and New Energie e.V., Bündnis 90/Die Grünen RLP, DFG-VK Rheinland-Pfalz, Frauen wagen Frieden RLP, Friedensgruppe Daun, Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen, Nils Wichmann MdL Grüne, Piratenpartei Rheinland-Pfalz

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Editorial

Liebe FriedensfreundInnen,

der Atomwaffenstandort Büchel machte im Januar aufgrund eines weiteren Tornado-Absturzes bundesweit Schlagzeilen. Etwas makaber vor dem Hintergrund, dass Roland Blach (u.a. Koordinator für die Kampagne atomwaffenfrei.jetzt) erst in der letzten ZivilCourage zum Thema "Atomwaffen im neuen Koalitionsvertrag" schrieb: "... läßt die Bundeswehr die alten Tornados anscheinend so lange fliegen, bis die Schrauben rausfallen, damit sie weiterhin Atomwaffen einsetzen kann."

Die letztjährige 24-stündige Musikblockade aller neun Bücheler Zufahrtstore erhielt viel positiven Nachklang, sodass wir - gerade wegen des jetzigen Rückfalls durch Schwarz-Rot in der Atomwaffenfrage - unsere Proteste weiter intensivieren wollen. Diese Ausgabe überschneidet sich mit unserer GAAA-Jahrestagung am 15./16. Februar in Köln, weshalb ihr euch schon auf das nächste atomwaffenfrei und darin auf unsere neuen Aktions-Planungen freuen könnt. Auch überschneidet sie sich mit einem weiteren Termin: Es hat sich zwischen der Kampagne atomwaffenfrei.jetzt und ICAN Germany eine neue Arbeitsgruppe gebildet, die das Thema "Atomwaffen-Finanzierung durch Banken und Versicherungen" aufgreift und für den Herbst 2014 eine Bankenaktionswoche plant. Wir nutzen daher diese Ausgabe, um die neuesten positiven und sehr spannenden Entwicklungen gegen einen Atomkrieg im Nahen und Mittleren Osten aufzuzeigen. Auch hoffen wir, dass ihr euch gegen den Versuch "Einzelne von uns exemplarisch für alle zu kriminalisieren" (Verfahren gegen Hermann Theisen) solidarisch zeigt.

Viel Spaß beim Lesen und hoffentlich bis zum Ostermarsch in Büchel!

Für die GAAA,
Marion Küpker

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Israelische Friedensinitiative:
"Wenn Israel nicht nach Helsinki kommt, kommt Helsinki nach Israel"!

Am 5./6. Dezember hielt eine beispiellose Koalition aus früheren und jetzigen israelischen (Knesset-)Abgeordneten gemeinsam mit israelischen Friedens- und Menschenrechts-Organisationen eine historische internationale Konferenz in Haifa ab: "Für eine Atomwaffen- und Massenvernichtungswaffen (WMD) Freie Zone im Nahen und Mittleren Osten" und mit dem Slogan: "Wenn Israel nicht nach Helsinki kommt, kommt Helsinki nach Israel".

Erstmalig wurden 2010 Israels Atomwaffen von Präsident Obama bei der UN-NPT Konferenz öffentlich benannt, und es wurde im offiziellen Abschlussdokument festgehalten, 2012 eine Konferenz zur Umsetzung eines atomwaffenfreien Nahen und Mittleren Ostens abzuhalten. Hierfür sollten der Iran und Israel an den Verhandlungstisch gebracht werden, um eine mögliche atomare Eskalation mit globalen Folgen zu verhindern. Diese Forderung rettete den Atomwaffensperrvertrag, dessen Scheitern von vielen befürchtet wurde. Leider weigerte sich Israel, an der UN-mandatierten Konferenz in Helsinki teilzunehmen, sodass sie nicht stattfinden konnte. Nach wie vor ist eine Atomkriegsgefahr nicht gebannt und es war nur wenig von einer israelischen Opposition gegen die eigenen Atomwaffen zu hören, was sich mit der Haifa-Konferenz überraschenderweise änderte. Ihre Deklaration (vom 13. Jan. 2014) fordert die sofortige Einberufung der ausgesetzten Helsinki-Konferenz und eine dauerhafte Lösung bezüglich der fortlaufenden Bedrohung eines katastrophalen Atomkrieges im Nahen und Mittleren Osten. Der frühere Abgeordnete Issam Makhoul, der im Jahr 2000 als Erster in der Knesset Fragen über die israelischen Atomwaffen erhob, erklärte in Haifa: "Die Sicherheit von Israel wird nicht abgesichert durch zerstörerische Kriegsdrohungen, sondern durch das Erreichen von politischen Lösungen im Rahmenwerk einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen im Nahen und Mittleren Osten." Dieser neue Wind bläst aus Genf, ein neuer Wind - entstanden durch die Übereinkunft mit Syrien über die Abschaffung ihres chemischen Waffenarsenals!

Um Verbreitung der vollständigen Deklaration wird gebeten:
www.wmdfz.org/news_post.php?id=4

mk


Issam Makhoul Chairperson of Emil Touma Institute for Palestinian and Israeli Studies Former MK, Avraham Burg Senior Fellow and International Coordinator in Bruno Kreisky Forum for International Dialogue, Former Speaker of Israeli Knesset, Prof. Naomi Chazan Dean of School of Government and Society in the Academic College of Tel-Aviv-Yaffo, Dr. Dov Khenin, MK, Mossi Raz Former MK, Chairperson of the "Israeli Anti-Nuclear Movement", Tamar Gozansky President of the Movement of Democratic Women in Israel, Former MK, Gideon Spiro Journalist and Member of the Committee for a Middle East Free from Atomic, Biological and Chemical Weapons, Dr. Ruchama Marton President and Founder of Physicians for Human Rights-Israel, Prof. Colman Altman Emeritus Professor, Department of Physics, Technion-Israel Institute of Technology, Aida Touma-Sliman Director of Women Against Violenc, Editor of Alitihad, Sharon Dolev Director of the Israeli Anti-Nuclear Movement, Prof. Avishai Ehrlich Academic College of Tel-Aviv-Yaffo, Dr. John Assi An-Najah University, Director of the UNESCO Chair, Akiva Eldar Al - monitor, Journalist, Adam Keller Gush Shalom, Michael Warshivsky Alternative Information Center, Dr. Edna Gorney Isha L'Isha - Haifa Feminist Center, Fathia Sageer General secretary of the Movement of Democratic Women in Israel, Dr. Asher Davidi Tel Aviv University, Prof. Dani Filc Ben Gurion University, Dr. Ishai Menuchin Director of The Public Committee Against Torture, Dr. Ahmad Massarwi, Dr. Ofer Cassif Hebrew University, Dr. Hatim Kanaaneh Physicians for Human Rights-Israel, Hillel Schenker Co-editor of Palestine-Israel Journal Uri Weltmann Teacher

International Delegates
Alfred Marder Honorary President of the International Association of Peace Messenger Cities (USA), Prof. Tadatoshi Akiba Former Mayor of Hiroshima and Chairperson of the Middle Powers Initiative (JAPAN), Jacqueline Cabasso Director of Western States Legal Foundation Working for Peace & Justice in a Nuclear Free World (USA), Michelle Demessine French Senate member, Wolfgang Gehrcke Member of the German Bundestag, Dr. Henry Lowendorf US Peace Council, Dusan Stojanovic Deputy Secretary General of the International Association of Peace Messenger Cities (SLOVENIA), Prof. Fanny-Michaela Reisin President of the International League for Human Rights - FIDH/AEDH (GERMANY), Mathilde Caroly Communist Party of France, Foreign Relationships, Aymeric Duvoisin Communist Party of France, Irene Eckert Working Circle for Peace Policy (GERMANY), Mamadou Diop Mouvement Senegalais de la Paix, Secretaire aux relations exterieures (SENEGAL), Cathy Goodman US Peace Council (QATAR), Odile Hugonot Haber The Women's International League for Peace and Freedom, Co-chair of the Middle East Committee (USA), Mario Franssen Mouvement Intal Beweging (BELGIUM), Giorgos Koukoumas AKEL (CYPRUS), Harri Gruenberg Die Linke (GERMANY), Zisis Zannas SYRIZA (GREECE), Edouard Brion, Mouvement Chretien pour la Paix (BELGIUM), Madelyn Hoffman Executive Director of NJ Peace Action (USA), Jeffrey Klein MA Peace Action (USA), Olivette Mikolajczak AMPGN (IPPNW) (BELGIUM), Teodora Velichkova Youth Organization of Socialist Party of Bulgaria

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Ein Skandal jagt den anderen

Tornadoabsturz in Atomwaffennähe - 17.01.2014

Nach dem Absturz eines Atomwaffenträgers der Bundesluftwaffe, die mit diesem Kampfjet Tornado den Atombomben-Einsatz (mit Attrappen) übt, schreibt die Rhein Zeitung darüber, ob ein Absturz auf das Atomwaffenlager tatsächlich eine Katastrophe hätte auslösen können. In Laubach, direkt am Wohnort von Frau Elke Koller, die seit Jahren gegen die in Büchel stationierten Atombomben klagt, stürzte der Tornado neben der Autobahn in den Wald. Und der Tornado hätte auch direkt auf den Fliegerhorst abstürzen können, auf dem die Atombomben immer mal wieder zu Wartungszwecken aus den Grüften geholt werden. Eine unmittelbare Gefahr (durch unsinniges Üben) für Leib und Leben der AnwohnerInnen ist nicht mehr zu leugnen, wie in der Verhandlung von Elke Kollers Klage benannt. Bereits im März 2009 überschlug sich ein Tornado direkt auf der Bücheler Landebahn. Die Überlassung der Atomwaffen durch die USA an die Bundeswehr im Rahmen der "nuklearen Teilhabe in der NATO" stellt eine - nach internationalem und deutschem Recht illegale! - mittelbare Verfügungsgewalt darüber dar.

Und das Katastrophen-Restrisiko?
Laut einem Artikel in der Rhein-Zeitung vom 27. Januar untersuchte der US-Kongress 1991 die Sicherheit des in Büchel lagernden Bombentyps B61 und stellte in seinem Bericht fest, dass dieser nur "mäßig sicher" sei. Der Sprengkopf sei nicht ausreichend gegen Feuer abgeschirmt und könne der Verbrennungstemperatur von Flugzeugbenzin nicht lange standhalten. Dann bestehe die Gefahr des Austritts von Plutonium, wovon ein Mensch nur ein Millionstel Gramm aufzunehmen brauche, um an Krebs zu erkranken. Moderne Atomwaffen hätten deshalb meist eine feuersichere Ummantelung, die brennendem Kerosin einige Stunden lang widerstehen könne. Allerdings betreffe dies nicht mal die geplanten neuen Bomben von Büchel. Das US-Militär wolle diese zwar zu lenkbaren Waffen umrüsten, aber die Sprengköpfe selbst würden dabei nicht geändert, so dass auch die neue Version Feuer und Hitze nicht lange standhalten könne.

Aber was wäre, wenn... "Timing is everything"
Die B61-Bomben werden derzeit in unterirdischen Grüften gelagert, die als feuersicher gelten - wenn sie nicht gerade zu Wartungszwecken geöffnet werden. Der Kongressbericht empfielt die B61 in Friedenszeiten nicht durch die Luft zu transportieren und keine damit bestückten Flugzeuge aufzutanken. Genau das könnte aber passieren, da die US Air Force die Bomben zur Wartung und zur Modernisierung regelmäßig in die USA hin und zurück transportiert.

Unwahrscheinlicher GAU: eine thermonukleare Explosion
Weiter ist in der Rhein-Zeitung zu lesen, eine thermonukleare Explosion sei unwahrscheinlich. Die mehrstufige Zündung dieses Bombentyps sei eine technisch höchst komplizierte Abfolge von präzise aufeinander abgestimmten Prozessen. Sie werde erst nach der Autorisierung durch den US-Präsidenten mittels Code-Eingabe möglich. Im gesicherten Zustand sollten durch eine Reihe ausgefeilter Maßnahmen unbefugte oder versehentliche Zündungen nahezu ausgeschlossen sein. Die wahren Gefahren dürften da liegen, wo sie sich bei der zivilen Nutzung der Atomkraft ebenfalls gezeigt hätten: in Schlamperei, Übermut, Ignoranz und Überforderung des Bedien- und Wartungspersonals (in Büchel ist das die US-Einheit MUNSS), gerne auch in Kombination oder in der Verkettung unglaublicher und unglücklicher Umstände: eben jener typischen Grundlage menschengemachter Katastrophen.

Entsicherungscode: 00000000
Und die Rhein-Zeitung bietet auch gleich ein Beispiel für Ignoranz: Über 15 Jahre lang, bis 1977, während der heißesten Periode des Kalten Krieges, habe der Entsicherungscode der US-Interkontinentalraketen: "00000000" gelautet. Das Oberkommando (Strategic Air Command) habe die von Präsident Kennedy persönlich angeordnete Entsicherungsprozedur für zu umständlich und zeitraubend gehalten und damit seine Direktive hintergangen.

Spiegel online schrieb am 16.1.2014, in den USA seien 34 Atomoffiziere nach Schummelei suspendiert worden:
US-Luftwaffen-Stabschef Mark Welsh beklage den größten Skandal in der Geschichte: Die Offiziere hätten sich die Antworten für einen Standardtest per SMS zugeschickt. Die Soldaten seien für die Sicherheit von Atomwaffen zuständig gewesen. Und: Der (Schummel-)Vorfall sei bei Ermittlungen zu Drogenkriminalität auf Militärbasen aufgeflogen. Bereits im Vorjahr habe die Einheit Negativ-Schlagzeilen gemacht, als sie bei einer Sicherheitsüberprüfung durchgefallen sei. Sie sei verantwortlich für etwa ein Drittel der insgesamt 450 Minuteman-III-Interkontinentalraketen der US-Streitkräfte.

Nicht nur in dieser Abteilung der Air Force werde ermittelt. Es gebe weitere Untersuchungen zu vorsätzlichen Verletzungen von Sicherheitsregeln, Inspektionslücken, Pannen bei Trainings und zu Offizieren im Einsatz, die offenbar unter Burnout leiden würden. Im Oktober sei der für Atomwaffen zuständige Kommandant wegen peinlichen Verhaltens gefeuert worden, unter anderem sei er offenbar betrunken gewesen, während er bei einem offiziellen Besuch in Russland war.

The New York Times und The Washington Post schrieben am 30.1.2014, dass jetzt 92 US-Luftwaffen-Offiziere suspendiert wurden, was bedeute, dass vermutlich 90 % beim Test geschummelt haben.

Die Welt schrieb am 12.1.2014 über das Thema "Atomwaffen für eine Billion Dollar". Sie stellte die Frage, was das umfangreiche Atomwaffenarsenal Amerikas und die geplante Modernisierung den US-Steuerzahler kosten könne. Mit dieser Frage habe sich auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des renommierten privaten US-Instituts CNS beschäftigt, das sich auf Untersuchungen zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen spezialisiert habe. Die Analysten kämen zum Ergebnis, dass die USA in den nächsten 30 Jahren die unvorstellbare Summe von einer Billion Dollar, also 1000 Milliarden Dollar, in den Erhalt und die Modernisierung des Atomwaffenarsenals investieren würden. Diese Summen sollte in einer Demokratie auch die Öffentlichkeit wissen, heiße es.

mk

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Kommt zu den Gerichtsverhandlungen!

27.2. und 30.4. in Koblenz / Über 30 Soli-Selbstanzeigen

Obwohl die 24-Stunden-Sitzblockade in Büchel am 11. und 12. August des vorigen Jahres keine juristischen Konsequenzen für irgendeine/n der zahlreichen TeilnehmerInnen hatte, wird es als Folge davon trotzdem zu Gerichtsverhandlungen kommen: Unser Mitstreiter Hermann Theisen war zwar bei der Aktion gar nicht anwesend, er hatte aber zuvor Flugblätter mit einem Blockadeaufruf in Büchel und in Koblenz verteilt. Die Verteilung in Koblenz war ihm von der dortigen Stadtverwaltung untersagt worden mit der Begründung, es werde mit dem Flugblattinhalt zu einer rechtswidrigen Tat (Nötigung) aufgefordert. Dagegen hat Hermann zunächst Widerspruch eingelegt und dann - als dieser abgewiesen wurde - die Stadt Koblenz verklagt. Über diese Klage wird am 27. Februar um 9.45 Uhr im Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, verhandelt.

In Folge seiner Flugblatt-Verteilung ist Hermann außerdem in einem Strafverfahren angeklagt wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten: Er erhielt einen Strafbefehl über 600 Euro. Weil er dagegen Einspruch einlegte, kommt es ebenfalls in Koblenz, jedoch im dortigen Amtsgericht in der Karmeliterstr. 14, zu einer weiteren Verhandlung, die für den 30. April, 13.00 Uhr terminiert wurde.

Der Text von Hermanns Aufruf-Flugblatt war angelehnt an den Aufruf der Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt" zu derselben Aktion; letzterer wurde von mehr als 400 Menschen unterzeichnet. Der Verfasser dieses Artikels zeichnete "verantwortlich im Sinne des Presserechts" für den Kampagne-Aufruf. Deshalb habe ich mich bei der Koblenzer Staatsanwaltschaft Ende August selbst angezeigt - wegen des Verdachts, dass auch ich mich strafbar gemacht haben könnte, und aus Solidarität mit Hermann. Anschließend wurden alle UnterzeichnerInnen des Kampagne-Aufrufs angeschrieben und gefragt, ob sie sich ebenfalls selbst anzeigen wollen, um damit dem Thema "Büchel" ein weiteres Mal zu öffentlicher Aufmerksamkeit zu verhelfen. Über 30 UnterzeichnerInnen stimmten zu. Am 22. Oktober wurden - begleitet von Pressearbeit - 28 Selbstanzeigen gesammelt bei der Staatsanwaltschaft eingereicht; ein paar weitere Leute schickten ihre Selbstanzeigen eigenständig an die Koblenzer Justizbehörde. Unter ihnen sind Ärzte, Theologen und eine Bundestagsabgeordnete. Der 22.10.2013 war als Abgabedatum gewählt worden, weil an diesem Tag vor 30 Jahren Hunderttausende gegen die Stationierung von Atomwaffen auf die Straße gegangen waren, u.a. bei der Demo im Bonner Hofgarten und bei der Menschenkette von Stuttgart nach Neu-Ulm. MdB Kathrin Vogler hat in einer eigenen Pressemitteilung geschrieben: "Ich möchte mit der Selbstanzeige auch ein Zeichen gegen die geplante Modernisierung der in Deutschland gelagerten Atomwaffen setzen".

Anscheinend ist bisher niemand von denen, die sich selbst angezeigt haben, angeklagt worden. Die Staatsanwaltschaft ist aber wohl noch "dran" an der Sache, denn sie fragte mehrere der Selbstangezeigten, ob und wie sie denn beweisen könnten, dass sie den Aufruf tatsächlich unterzeichnet haben.

Hermanns Aufruftext und der Aufruf der Kampagne waren nicht genau wortgleich. Deswegen werden sie von der Justiz möglicherweise unterschiedlich bewertet. Eine große Rolle scheint dabei zu spielen, dass in Hermanns Flugblatt von einer "Vollblockade" die Rede ist, während dieser Begriff im Kampagne-Aufruf nicht vorkommt. Offensichtlich wollen Staatsanwaltschaft und Amtsgericht in Koblenz das Wort "Vollblockade" so (miss)verstehen, als hätte Hermann damit etwas anderes gemeint als der Kampagne-Aufruf. Damit hätten sie dann eine Möglichkeit gefunden, nur einer Person "einen Strick draus drehen" zu können und nicht Prozesse gegen zig weitere Leute führen zu müssen. Gemeint war aber in Hermanns Aufruf-Flugblatt ebenso wie im Kampagne-Aufruf: Wir wollten für 24 Stunden jeglichen Fahrzeugverkehr in das Bücheler Militärgelände und aus ihm heraus durch Sitzblockaden an allen Toren unterbinden - und so ist die Aktion ja auch tatsächlich abgelaufen. Übrigens hat Hermann den Ausdruck "Vollblockade" gewählt, weil er diesen schon 1987 in einem Aufruf zur Blockade der damaligen Cruise-Missiles-Basis im Hunsrück verwendet hat. Dafür wurde er zwar zunächst verurteilt und verbrachte deswegen auch zwei Tage in Haft, jedoch wurde er in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen und für die Haft mit 40 DM entschädigt.

Wer für Prozess- und Anwaltskosten eine Spende geben möchte, überweise diese bitte mit dem Stichwort "Rechtshilfe" an die Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen, Konto-Nr. 8019151200 (IBAN: DE57 4306 0967 8019 1512 00) bei der GLS Gemeinschaftsbank, BLZ 430 609 67 (BIC: GENODEM1GLS).

martin otto

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Fahrplan 2014 der Kampagne "atomwaffenfrei.jetzt"

23. Januar - ICAN Konferenz Humanitäre Abrüstung, Berlin
25./26. Januar - IPPNW Training zum Thema Humanitäre Folgen
13./14. Februar - Teilnahme an der Konferenz in Mexiko zu humanitären Auswirkungen von Atomwaffen
Ende März - Abgeordnetenfrühstück im Bundestag
April - Ostermärsche, u.a. in Büchel
8. Juli - Flaggentag der Mayors for Peace
Juli - Internationale Aktionswoche für eine atomwaffenfreie Welt
2. August - Pacemakers-Radmarathon von Bretten über Heidelberg, Mannheim, Kaiserslautern, Ramstein, Neustadt/Weinstraße nach Bretten
Anfang August - Fastenaktion Konstanz/Berlin/Büchel
6./9. August - 69 Jahre Atombombenabwürfe auf Hiroshima/Nagasaki
30./31. August - Proteste zum NATO-Gipfel in Newport/Wales
Ende Oktober - Bankenaktionswoche

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Impressum atomwaffenfrei

HerausgeberIn:
Gewaltfreie Aktion
Atomwaffen Abschaffen GAAA
V.i.S.d.P. Marion Küpker
Beckstr. 14
20357 Hamburg
Tel. 040 - 430 73 32
www.gaaa.org | www.uranwaffenkonferenz.de
info@gaaa.org

Bürozeiten:
Wochentags 10.00 - 13.00 Uhr

Bankverbindung:
GLS Gemeinschaftsbank
Konto-Nr. 8019151200
BLZ 43060967

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht
unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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Quelle:
atomwaffenfrei 01 / Februar 2014 / 5. Jahrgang
Herausgeber: Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen GAAA
Beckstr. 14, 20357 Hamburg
Telefon 040 - 430 73 32
E-Mail: info@gaaa.org
Internet: www.gaaa.org, www.uranwaffenkonferenz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2014