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CORREOS/097: El Salvador - An der Kriminalität die Zähne ausbeissen?


Correos des las Américas - Nr. 161, 14. April 2010

EL SALVADOR
An der Kriminalität die Zähne ausbeissen?

Eine Verschlimmerung der Sicherheitslage, die perfekt zur
Sabotage an der Linksregierung passt. Der FMLN am Schleudern.

Von Dieter Drüssel


Zu Beginn meines Aufenthaltes in El Salvador besuchte ich einige Leute von der Bewegung der VerkäuferInnen raubgepresster CDs und DVDs auf dem Markt im Stadtzentrum. Doch das Palaver mit Mario und Julia von der Bewegung an ihrem Stand blieb kurz. «Kein guter Platz hier zum Reden, besser, wir treffen uns morgen woanders, nicht im Zentrum. Die Situation hier hat sich verschlimmert», meinte Mario. Natürlich wusste ich von den steigenden Mordzahlen, aber ich hatte ein wenig gelernt, mich gegen die Paranoia des Mittelstandes zu wappnen, der aus Furcht vor den Maras, den Strassenbanden, nicht mehr ins Stadtzentrum geht. Anders die Unterklassen, die haben gar keine Wahl. Das Zentrum ist einerseits die grosse Bus-Umsteigezone, andererseits sind die Waren hier merklich billiger als im Supermarkt. Nun, soviel hatte ich in dem Land auch schon gelernt: Wenn wer solche Töne anschlägt, ist es besser, nicht lange auf einer fundierten Herleitung der Aussage zu insistieren. Ein wenig Smalltalk, und weg war ich.

Am nächsten Tag machte mich Mario mit der neuen Wirklichkeit bekannt. Mittlerweile müssen alle im Zentrum Schutzgeld («Rente») an die Mara abdrücken, er und andere Leute der Bewegung figurieren auf Todeslisten der Banden, die in einer unabhängigen sozialpolitischen Organisation eine konkurrierende Macht und zudem einen Dreh wittern, bei dem ihnen Geld entgeht. Im letzten Juni schon, als die FMLN-Regierung unter Staatspräsident Mauricio Funes ihr Amt antrat, hatten die Maras das «Rentengeschäft» im Zentrum ausgeweitet. Es war damals und in der Folge zu Aufsehen erregenden Morden etwa an privaten Sicherheitsbeamten gekommen. Seither sind auch einige Male Handgranaten geworfen worden - oft im Zentrum, um Zahlungsunwillige einzuschüchtern, wie es heisst. Ihre «Bewegung der CDs und DVDs» haben die AktivistInnen «auf Eis gelegt», «zu gefährlich jetzt», meinte Mario. «Das macht uns nur zu Angriffszielen.» Das ging in die Magengrube! Eine soziale Bewegung gegen die Bedrohung des Strassenhandels durch den Freihandelsvertrag mit den USA, die auch schon in Auseinandersetzungen mit den gegen die «Illegalen» im Stadtzentrum vorgehenden Polizeikräfte verwickelt war - jetzt «eingefroren» wegen des Bandenterrors. Weil die Maras ihrer «Rente» bedürfen und Zahlungsunwillige oder -unfähige auf offener Strasse umlegen. Die Gangs als Warlords... Und wenn so ein Chele (Weisser) wie ich am Stand aufkreuzt, erkennbar nicht auf der Suche nach einem Schnäppchen, dann sehen die Mareros (Maramitglieder) nur noch muchos dólares, die sie beim Stand einzutreiben gedenken. Also fertig Besuche.


«Der Marero respektiert die Uniform»

Und dann der nächste Hammer von Mario: «Funes und der FMLN haben versprochen, die Armee ins Zentrum zu schicken, um Sicherheit zu garantieren. Doch sie haben ihr Versprechen gebrochen. Da ist keine Armee». Nur in ein paar Quartieren, das sei schon ok, aber die Mareros wechselten einfach das Quartier und im Zentrum agierten sie unangefochten. «Die Lage hier ist noch nicht wie in Mexiko. Der Marero respektiert noch die Uniform, nicht wie in Mexiko. Aber der Frente macht nichts und redet nur!» Ich schaute wohl etwas blöd aus der Wäsche - aus dem Mund meines kämpferischen Kollegen kamen Argumente, wie sie täglich von den Medien der Rechten vorgekaut werden ... der Frente als Weichei gegenüber den Bandenkillern, die Armee als einzige Rettungskraft.

Letztes Jahr wurden nach Angaben der Polizei (Policía Nacional Civil, PNC) 4365 Menschen ermordet. Das sind, auf die Bevölkerung hoch gerechnet, pro Mord in der Schweiz etwa deren 60 in El Salvador. Für die PNC stehen die meisten Morde im Zusammenhang mit den Maras. Die tägliche Mordrate ist seit Antritt der neuen Linksregierung nochmals angestiegen - von 10 bis 12 Morden pro Tag auf zeitweise 14 Morde pro Tag. Glaubt man den Mainstreammedien - und sie beherrschen den Markt zu fast hundert Prozent - so ist jeder Schritt auf die Strasse am Morgen der Start eines russischen Roulette. Die Angst wird geschürt, sie ist gegenwärtig bei Reich und Arm, und sie hat auch eine reale Basis. Ich wohnte in einem unteren Mittelschichtsquartier. Da hatten wir einen Park in der Nachbarschaft, vom frühen Morgen an fleissig frequentiert, erst von Joggenden und Walkenden, danach von Schulklassen und später von Müttern mit Kleinkindern und MüssiggängerInnen. Ein Bekannter, den ich im Parque traf, war hier Opfer eines Entführungsversuchs geworden, dem er nur mit grossem Glück entkommen sollte. Wen wundert's, stossen hier Wache schiebende PolizistInnen auf grosses Wohlwollen?

Und im Unterklassenquartier? Hier fallen nicht die Entführten, sondern die Toten an. In ihrer grossen Mehrheit immer noch junge Männer, oft auch Knaben und Halbwüchsige. Allerdings steigt die Zahl der Morde an Frauen. Der medial verbreitete Ruf nach Armeeeinsatz gegen das Verbrechen oder, alternativ, Selbstjustiz, wurde (und wird) immer mehr aufgenommen. Seit dem 6. November 2009 sind auf Geheiss von Präsident Funes 2500 Soldaten, teilweise kombiniert mit der PNC, in bestimmten städtischen und semiurbanen Zonen des Landes im Einsatz gegen «die Kriminalität». Die Linksregierung setzt damit eine Politik der rechten ARENA-Regierungen fort, die zuletzt 1300 Soldaten für die «innere Sicherheit» abgeordnet hatten. Der zentrale Punkt des Friedensabkommens von 1992 mit seinem strikten Verbot des inneren Armeeeinsatzes (ausser eben in «Ausnahmefällen», wie sie seit 1993 ohne Unterlass existieren...) ist damit definitiv Makulatur geworden. Denn auch die frühere Guerilla FMLN opponierte nicht gegen diese Ausweitung des Armeeeinsatzes. Natürlich haben seither die Klagen vor der Ombudsstelle für Menschenrechte über Misshandlungen, Folter und auch die Ermordung eines Betrunkenen durch die Streitkräfte massiv zugenommen. Verteidigungsminister General David Munguía Payés bellte dazu: «Wir wissen, dass das Verbrechen den Plan hat, Reaktionen von Seiten unserer Truppen zu provozieren, es gibt einen Plan, Anschuldigungen zu erheben und uns zu diffamieren.» (Co-Latino, 22.12.09) Es ist bekannt, dass die Armee angebliche Maramitglieder immer wieder gefesselt im Territorium der Konkurrenzbande absetzt, eine perfide Art des Mordens (s. dazu auch Oswald Iten in der NZZ, 9.2.10).


Armee will Ausnahmezustand

Munguía Payés, der gegen Schluss des Krieges kurz Kommandant einer berüchtigten Eliteeinheit der Armee gewesen war, dem aber persönlich bis heute kein Menschenrechtsverbrechen nachgewiesen worden ist und der sich wegen einer Nicht-Beförderung zum General mit den rechten Regierungen überworfen hat, lancierte im Januar ein neues Vorhaben: die Verhängung lokal begrenzter Ausnahmezustände in besonders «kriminellen Zonen». Die Maras, so der Gorilla, betreiben in solchen Quartieren ihr «Rentengeschäft»: «Diese Dinge passieren,und wenn die Kriminalität sie macht,sage ich, warum soll der Staat dann nicht einige Instrumente benutzen können, um das neutralisieren zu können?» El Diario de Hoy, 20.1.10) Die dürfen, wir nicht. Weiter in der Gorillalogik: «Wir meinen, dass es Flexibilität bei den Gesetzen braucht. Wir denken insbesondere, dass es bei den Gesetzen viel Garantismus gibt.» (id.) Lokal «fokalisierte Ausnahmezustände»: Das Parlament solle die Armee ermächtigen, in Kriminalitätszonen einen frühzeitigen Geschäftsschluss anzuordnen, Ausgangssperren zu verhängen, Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Befehl durchzuführen und, wie der Co-Latino die Darstellung Munguía Payés bei der Lancierung des Plans wiedergibt, «die Kontrolle über die Zeiten der Bewegung der Zivilbevölkerung zu haben» (20.1.10). Das Garantismusgerede («alle Rechtsgarantien für die Täter, keine für die Opfer») geht gegen die nach dem Krieg durchgesetzten Passagen im Jugendstrafrecht, die etwa das Foltern verbieten und damit der Rechten zufolge die Kriminalitätsbekämpfung «behindern». Das soll «flexibler» werden...

Mit seinen «fokalisierten Ausnahmezuständen» ist Munguía Payés nicht durchgekommen. Präsident Funes liess verlauten, zur Zeit sei das kein Thema. Die Regierung habe einen umfassenden Verbrechensbekämpfungsplan ausgearbeitet, der auf Einbezug der Zivilgesellschaft, Prävention und Repression setze. Grosse Teile dieses Planes sind auch heute noch unbekannt - zum Teil, um organisierten Verbrecherbanden mit ihren Verästelungen bis in den Repressionsapparat selbst keine Hinweise zu geben. Dafür plauderte der Armeeminister etwas mehr aus der Schule als üblich. Bei der Lancierung seiner Ausnahmepläne bekräftige er, was allerdings Funes schon früher angetönt hat: Der Militärgeheimdienst erfasst die Vorgänge in der Bevölkerung (s. Correos 158, August 09, auch auf unserer Blogseite): «Es gibt eine Geheimdienstkomponente, die uns erlaubt, alle Informationen aus der Bevölkerung zu verarbeiten.» (Co-Latino, 20.1.10) Anderswo erläuterte die Armeeführung, dass ein Teil ihrer Sicherheitsoperationen darin bestehe, systematisch von Haus zu Haus zu gehen und Informationen «über die Lage» im Barrio einzuholen.

Natürlich kann der Armeegeheimdienst nie Hausgemachtes aufklären. Nachdem es um den Jahreswechsel zu mehreren Handgranatenvorfällen gekommen war - so wurde etwa in der Stadt Cojutepeque eine Granate gegen eine Kinderklinik geworfen, mit zwei Kindern und einer Frau als Mordopfer -, musste die Armee trotz anfänglichem Leugnen Munguía Payés' schliesslich zugeben, dass einige der gebrauchten Granaten neulich aus ihren Beständen gestohlen wurden. Jeanette Aguilar von der Jesuitenuni UCA verwies kürzlich auf interne Untersuchungen der PNC, wonach tausende von Waffen aus den Armeebeständen im kriminellen Milieu gelandet seien (Co-Latino, 15.1.10).


Wer lässt morden?

Unzählige «Skandale» haben deutlich gemacht, dass die Drogenhandelorganisationen und der für sie arbeitende Teil der Maras von relevanten Kräften in der Polizei gedeckt werden. Die neue linke Polizeiführung versucht, Schritt für Schritt den Apparat zu säubern und dabei kommt dem polizeilichen Geheimdienst hohe Priorität zu. Dies zu vereiteln, ist den rechten Eliten ein Herzensanliegen. Hinter Begriffen wie Organisierte Kriminalität, Drogenkartelle, Maras stecken oft genug Zusammenhänge, die unmittelbar ins Machtzentrum der Rechten und der Armee reichen. So sind schon mehrmals wichtige Armeeoffiziere als Drogenhändler aufgeflogen - jeweils als Einzelfall der Vergessenheit anheim gegeben. Aktuell unternimmt die Generalinspektorin der PNC, die Compañera Zaida Navas, Schritte gegen den früheren PNC-Chef Ricardo Menesses. Von ihm zirkulieren Fotos aus seiner Amtszeit, die ihn in einem Luxusrestaurant im Osten des Landes in Begleitung eines flüchtigen Grossdrogenhändlers zeigen.

Die Rechte fordert deshalb die "Koordination" des militärischen mit dem polizeilichen Geheimdienst, also die Neutralisierung des letzteren. Denn in der Armee macht der FMLN keinen Stich. Doch bei der rechten Sabotage der Mordbekämpfung dürfte noch ein anderes Motiv mitspielen. Das Klima der Unsicherheit ist die beste Karte für die Rechte, wieder mit Wahlen an die Regierungsmacht zu gelangen. Die seit Amtsbeginn der neuen Regierung gesteigerte Mordrate wird meist damit erklärt, dass im Gefolge der mörderischen Konkurrenzkämpfe der Drogenkartelle in Mexiko deren Auseinandersetzungen um die Kontrolle der Drogenhandelsrouten von Kolumbien in die USA auch in Zentralamerika blutiger geworden sind (die beiden Mara-Hauptbanden, die MS und die 18, sind beide nachweislich im Deal drin, vermutlich weitgehend als Handlanger). Doch unterstellt, dem wäre tatsächlich so: Warum eskaliert der mexikanische Drogenkrieg in El Salvador just zum Amtsantritt der Regierung Funes/FMLN?

Tatsächlich könnten seriöse Untersuchungen durch nicht-korrupte Polizeieinheiten offene Fragen beantworten. So gibt Silvia Guillén, Präsidentin der Menschenrechtsorganisation FESPAD, die Angabe wieder, wonach 36 Prozent der Morde auf das Konto von Maras gehen, «aber der Rest: was?» (Co-Latino, 18.2.10) Es gibt keine systematischen Untersuchungen über das reale Ausmass der Mara-Beteiligung an den Morden. Während die Polizei meist von 80 Prozent redet, gehen seriöse Annäherungen von Menschenrechtsorganisationen von weit unter 50 Prozent aus. Auch Faktoren wie die häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder können die Differenz nicht erklären.


Hilfloser FMLN

Vielleicht wird man in nicht allzu ferner Zukunft mehr wissen. Vorderhand aber sind wir im Jammertal der realpolitischen Hilflosigkeit. So stimmten alle Parlamentsparteien, auch der FMLN, für die Erhöhung der Höchststrafen für 14-16-Jährige von bisher 7 auf 15 Jahre bei «besonders schweren» Delikten. Funes legte dagegen sein Veto ein, mit deutlichem Seitenhieb auf den FMLN, der doch bisher zum «garantistischen» Lager gehört habe, nur um (vermutlich eine Meinungsumfrage) später in einem Treffen mit den rechten Parteien ohne den FMLN ein neues Dekret aufzugleisen, das genau die gleichen Höchststrafen vorsieht, die jetzt nicht mehr verfassungswidrig seien. Das enthebt den Frente aber nicht seiner Verantwortung. Vor dem Parlamentsbeschluss schockte ein Doppelmord die Öffentlichkeit, bei dem nach Polizeidarstellung zwei Mädchen, die sich geweigert haben, der Mara beizutreten, von minderjährigen Mareros in einer Art Initiationsritus ermordet wurden. Ihre Leichen wurden anschliessend zerstückelt, was kein Einzelfall ist. Zwei der mutmasslichen Täter wurden nach kurzer Haft vom Gericht wegen einer Formalität laufen gelassen. Doch eine drakonische Straferhöhung als Mittel gegen solche Barbarei? Es mag Frente-Kader geben, die das Gefühl haben, mit «harter Hand» wie vielleicht in der eigenen Familie die Heranwachsenden Mores zu lehren. Aber den Meisten ist es kein Geheimnis, dass eine Strafverschärfung wohl zur Verhärtung der Auseinandersetzung, nicht aber zur Verbrechensreduktion beitragen wird. Zudem werden in der Justizwirklichkeit weniger entfesselte Frühkiller für Jahre im Knast landen, sondern irgendwelche Kids, die bei einer Erpressungsaktion Schmiere stehen oder Botengänger spielen. Der Hinweis mancher FMLN-VertreterInnen, man betone vor allem die Prävention, zeugt nur von Hilflosigkeit. Real lässt sich der FMLN derzeit in eine populistische Falle treiben. Kein Zufall, dass etwa die Handelskammer die Straferhöhung eben so begrüsst wie sie den Vorschlag von Ausnahmezuständen unterstützt.

Ähnlich ungut, dass der FMLN die Politik Funes' mitträgt, wonach die Polizeikräfte zur Hälfte wieder «kaserniert» werden. Es ist dies, wegen der zwangsläufig damit verbundenen Stärkung eines demokratiefeindlichen «Korpsgeistes», eine alte Forderung der Rechten, die erst jetzt durchkommt. Natürlich ist die Lage schwierig. Die Teilkasernierung soll erlauben, die Polizeipräsenz massiv auszuweiten - das stösst auf grossen Beifall im kriminalitätsgeplagten Volk.


US-Sicherheitsszenario

Tatsache ist, dass solche Entwicklungen, genau so wie die jüngst nach einigen rechtsstaatlichen Verbesserungen auch vom FMLN mitgetragene Verabschiedung eines neuen Abhörgesetzes, ins Konzept der von Washington betriebenen Central American Regional Security Initiative (CARSI) passen. So heisst der zentralamerikanische Teil der Merida-Initiative, der Militarisierungsoffensive des Pentagons gegen Mexiko und Zentralamerika unter dem Banner des «Drogenkrieges». Was wir heute erleben, ist genau das, was Strategen des US-Südkommandos seit Jahren «vorausgesehen» haben: Das Szenario von failed states in Zentralamerika, in deren Territorium Drogenkartelle und Maras die staatliche Macht zurückdrängen und einzig durch einen kombinierten Einsatz von US-Gewalten zu retten sind (vgl. dazu Correos 146, Juli 2006). Laufend füttern «Experten» von US-Polizei- und Geheimdiensten die salvadorianischen Sicherheitskräfte, Regierungsstellen und Medien mit entsprechenden «Erkenntnissen» und bauen dabei ihre schleichende Besetzung des Landes weiter aus. Hier betreiben sie, aktiv sekundiert von den kolumbianischen Polizeikräften, eine internationale «Polizeischule» (ILEA), eine militärische Aufklärungsbase (Comalapa), die zentralamerikanische Mara-Bekämpfungsstelle CAT; sie sind daran, über einen angestrebten Auslieferungsvertrag die Oberhoheit der US-Justiz auch in El Salvador festzuschreiben und für das neue Abhörzentrum will US-Geschäftsträger Robert Blau gleich bei der Suche nach «spezialisiertem Personal» behilflich sein (Diario de Hoy, 12.1.10).

Der FMLN hat sich nach dem Krieg lange Jahre an einem Armeebild orientiert, das bis Kriegsende Gültigkeit hatte, danach aber von Seiten des Pentagons erneuert wurde. Die Armee sollte nicht mehr die «innere Sicherheit» offen beherrschen, sondern bloss noch zivilen Stellen «behilflich» sein. Der Frente liess sich lange täuschen und bescheinigte den Streitkräften trotz ihrer seit kurz nach dem Kriegsende wieder wachsenden Verwicklung in den Bereich der «inneren Sicherheit» immer eine geradezu vorbildliche Umsetzung der Friedensabkommen. Erst jetzt, mit den neuen Menschenrechtsverletzungen der Militärs, kommen andere Töne auf: «Wir haben immer gesagt, dass die Streitkräfte zu den Institutionen gehören, welche die Friedensabkommen am besten umgesetzt haben. Aber jetzt, wo sie auf der Strasse sind, zeigt sich, dass sie beim Examen durchgefallen sind», meinte der FMLN-Abgeordnete David Rodríguez (Prensa Gráfica, 13.1.10). Hoffen wir, dass der Lernprozess im Frente greift.


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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 161, 14. April 2010, S. 19-21
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2010