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DAS BLÄTTCHEN/1000: Kriegerdenkmal


Das Blättchen - Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
Nr. 20/2009 - 28. September 2009

Kriegerdenkmal

Von Hermann-Peter Eberlein


Seit dem 8. September haben wir nun, was wir nie haben wollten: ein zentrales Ehrenmal für im Dienst getötete Bundeswehrangehörige. Der Verteidigungsminister (im alten Preußen sagte man noch unbekümmert-deutlich: Kriegsminister) hat gesprochen, gar der Bundespräsident: "Das Ehrenmal der Bundeswehr treibt keine falsche Heldenverehrung, es dient keinem Opferkult, und es verherrlicht keinen Krieg."

Bei soviel Kein-Sagerei fragt man sieh, wozu das Ganze denn nun da sein soll. An diesem Denkmal ist so ziemlich alles falsch, was falsch sein kann: weil das politische Bewußtsein falsch ist, das dazu geführt hat. Die Inschrift: Den Toten unserer Bundeswehr: Einmal abgesehen von dem vereinnahmenden unserer: Da werden alle 3100 Soldaten und Zivilangestellten in einen Topf geworfen, die seit 1955 im Dienst ums Leben kamen. Dabei ist ein gewaltiger Unterschied zwischen einem Kriegsgefallenen und jemandem, der bei einem Unfall stirbt. Ein Unfall kann im Frieden geschehen - Krieg ist gewollt. Und wer Krieg will, will Kriegsgefallene (genauso, wie Kriegsverbrechen). Denn das eine gibt es nicht ohne das andere - gab es nie und wird es nie geben. Jeder weiß das im Grunde. Denkmäler wie dieses sollen dazu dienen, diese schlichte Erkenntnis zu vernebeln.

Dann der Ort: das Vereidigungsministerium. Eine Insideradresse, die kaum jemand wegen des Denkmals aufsuchen wird, der nicht betroffen ist. Man hat seine Pflicht zur Erinnerung erfüllt, und das Spiel kann weitergehen. Wie anders schreien uns doch die Gedenktafeln in den Kirchenvorhallen oder auf den Marktplätzen an, wo die Namen derer aufgeführt wurden, die man kannte, mit denen man einst gespielt hatte, die Söhne der Mütter oder - für uns Nachgeborene - zumindest die Söhne der Urgroßmütter, die denselben Familiennamen trugen wie wir selbst. Da wird der Tod konkret - am Bendlerblock bleibt er abstrakt, und die stilisierten Erkennungsmarken täuschen eine individuelle Betroffenheit vor, die gar nicht existiert. Schließlich der Zeitpunkt: Wenige Tage, nachdem auf deutsche Anforderung hin in Afghanistan vermutlich Dutzende von Zivilisten - Frauen, Jugendliche, Kinder - totgebombt wurden. Für Frieden, Recht und Freiheit, wie über dem Denkmal steht? Für ein Leben in Freiheit und Sicherheit, wie Köhler salbadert?

Nein: Eine Mehrheit in Politik und Regierung hat sich für Krieg entschieden und will Krieg. Sie wollte ihn in Jugoslawien, und sie will ihn noch in Afghanistan. Nicht aus Eroberungslust oder Mordlust. Sondern aus wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen und noch mehr aus dem Gefühl heraus, nach dem Ende der deutschen Teilung wieder mitspielen zu dürfen in der Liga der wichtigen Mächte. Dafür muß man eben auch mal etwas in Kauf nehmen ...

Noch haben die Täter Angst vor der eigenen Courage. Der Tapferkeitsorden durfte ein wenig so aussehen wie das Eiserne Kreuz, aber nicht so heißen. Das Ehrenmal steht verschämt im Schutz des Kriegsministeriums. Man weiß: Es gibt noch genug Kriegsmüdigkeit im Volk, die vorsichtig aufgelöst werden will. Mit Vernebelung eben - wenn nicht gerade Tanklastzüge bombardiert werden, was alle solche Bemühungen zunichte macht.

Ich wünsche mir Klarheit, auch auf unseren Kriegerdenkmälern: "1914-1918: ... 1939-1945: ... 2001-: Fritz Müller, 1985-2009".


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Quelle:
Das Blättchen, Nr. 20, 12. Jg., 28. September 2009, S. 4-5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2009