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DIE ROTE HILFE/004: Zeitung der Roten Hilfe e.V. 3.2009


Die Rote Hilfe 3.2009
Zeitung der Roten Hilfe e.V.


INHALT

EDITORIAL

IN EIGENER SACHE
Editorial
Geld her! Dafür brauchen wir euer Geld - ausgewählte Unterstützungsfälle

SCHWERPUNKT: DIE WAHRNEHMUNG DER ROTEN HILFE E.V. DURCH DIE AUSSENWELT
Die Rote Hilfe in der Presse
"Zahlreiche Berührungspunkte" - Wie politische und gesellschaftliche Gruppen die Rote Hilfe e.V. sehen
Die Rote Hilfe aus Gefangenensicht
Gemein oder nützig, links oder linksextrem?

KOLUMNE
- Grundrechte hinter Knastmauern von Ulla Jelpke

AUS DEN KNÄSTEN
- ARTEPOVERA
- Brief von Faruk

REPRESSION
Belastungszeugen müssen nichts wissen, Entlastungszeugen alles!
Rachejustiz: BGH verfügt vollständige Verbüßung der Haft von Muzaffer Ayata
Alter Wein in neuen Schläuchen.
"FDP will gewalttätige Choatendemonstrationen"

INTERNATIONALES
"Ich will selbst die Kontrolle über mich und mein Leben haben". Bericht eines Gefangenen in Frankreich
"Außer bei Unterstützern und Freunden gibt es kein weitergehendes Interesse", Interview mit der Soligruppe Dresden
"Sehr hohe Erfolgsquote" - Resümee zur Anti-Repressionsarbeit während des Nato-Gipfels
Bericht zur internationalen Prozeßdelegation nach Stuttgart-Stammheim

AZADI

GET CONNECTED
- Verschlüsseln mit Stil

REZENSIONEN
- Kontrollverluste - Interventionen gegen Überwachung
- Out of control

IMPRESSUM


Zum Titelbild

Die Rote Hilfe im Blick haben wesentlich mehr Menschen und Organisationen, als wir bei unserer täglichen Kleinarbeit oftmals wahrnehmen. Die Wahrnehmung unserer Organisation und unserer Arbeit differiert dabei natürlich stark. Die Interpretationen und auch Anwürfe von außen können uns zum Nachdenken anregen - und durchaus auch Bestätigung sein.

Raute

EDITORIAL

Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Leserinnen und Leser,

bei ständig wechselndem Wetter - mal im Regen, mal bei schönstem Sonnenschein - haben wir die dritte RHZ dieses Jahres produziert. Einem Wechselbad gleicht auch die Wahrnehmung der Roten Hilfe e.V. durch die Außenwelt, die wir in unserem Schwerpunkt darstellen. Sind wir gemein oder nützig, sind wir eine Gefahr oder ein Partner, Experten gar oder werden wir ganz einfach geschnitten? Findet es auf unseren Schwerpunktseiten heraus!

Auf jeden Fall ist die Rote Hilfe die richtige Wahl - nicht nur im September, sondern jederzeit. Solidarität ist nicht alle paar Jahre zu wählen, sondern immer nötig. Das erfahren auch viele Gruppen, die sich im antifaschistischen Kampf engagieren - linksradikale wie bürgerliche. Eine abgestufte Repression (wie beispielsweise bei der Friedensbewegung geschehen) scheinen die staatlichen Repressionsorgane nicht mehr vorzunehmen. Wie also werden antifaschistische Aktivitäten kriminalisiert, und warum erscheint dem Staat diese Arbeit als Gefahr? Mit dieser Frage wollen wir uns in der nächsten Ausgabe unserer Zeitung beschäftigen. Schickt uns Eure Beiträge bis zum 15. Oktober.

Auch ein wichtiges Datum ist der 31. Dezember. Da endet die große Letztes-Drittel-des-Jahres-Aktion, die wir hiermit ausloben: Welche Ortsgruppe vollführt die erfolgreichste, spektakulärste, ausgefallenste Werbeaktion für die Rote Hilfe? Schickt uns bis zum Jahresende aussagekräftige Beweisfotos und gewinnt tolle Preise.

Es grüßt solidarisch

euer Redaktionskollektiv

Raute

IN EIGENER SACHE

Auferstanden aus Ruinen

Nach acht Jahren fand am 11. Juli wieder das legendäre Rote-Hilfe-Fußballturnier der Ortsgruppe Kiel statt. 16 gemischte Mannschaften mit phantasievollen Namen wie "Laufen tun die anderen" (Turniersieger), Essotanke, Gichtgeschwindigkeit42, Subrosa, Movemento 26, Kanalratten, Roter Stern Lübeck, GKA, Gaspian und andere spielten in vier Gruppen mit viel Motivation bei gutem Wetter um verschiedene Pokale wie Turniersieger, bester Schiedsrichter, bester Torwart, skurrilster Teamname. Mitglieder der Ortsgruppe waren selbstverständlich in einigen der gemischten Turniermannschaften vertreten. Es nahmen auch Teams teil, die die Rote Hilfe vorher nicht kannten, darunter solche von Migranten, was natürlich eine positive Außenwirkung hatte, da selbstverständlich auch Infomaterial zur Roten Hilfe verteilt wurde. Es konnten auch neue Mitglieder gewonnen werden. Die Stimmung war während des ganzen Turniers hervorragend. Dazu trugen Aktionen mit roten und schwarzen Fahnen, Transparenten, Bengalis und lustigen Einlagen bei. Für das leibliche Wohl hatte die Kochbrigade der Ortsgruppe gesorgt. Weit das Turnier sehr gut angenommen wurde, soll es im Jahre 2010 wieder stattfinden.

Wünschenswert wäre natürlich, dass es solche Veranstaltungen auch in anderen Ortsgruppen gibt, da die Rote Hilfe hier sich und ihr Infomaterial sehr effektiv präsentieren kann.

Raute

IN EIGENER SACHE

Geld her !

Insgesamt wurden 21.194,61 Euro an Unterstützungsgeldern bewilligt.

Auf den Sitzungen des Bundesvorstands im April sowie im Juni wurden 86 Unterstützungsfälle behandelt. Bei 59 Anträgen wurde der Regelsatz (50 Prozent auf die anfallenden Kosten, beziehungsweise auf Pflichtverteidigergebühr) beschlossen, es wurden acht allgemeine Zusagen auf Unterstützung gegeben. Drei mal wurden 100 Prozent bewilligt. Vier Anträge wurden vertagt. Ganze zwölf Anträge mussten auf den letzten beiden Sitzungen leider aufgrund von vermeidbaren Fehlern der Antragsteller/-innen abgelehnt werden: Teils wurde der Antrag zu spät eingereicht, teils hätten die Genoss/-innen durch Sorgfalt im Vorfeld der Aktionen die Repression vermeiden können (bei Kontrollen "aus Versehen" Waffen dabeigehabt, vor/auf Demos Alkohol getrunken, kein politischer Bezug des Vorfalls). Wir weisen daher noch mal auf die Broschüre "Was tun wenn's brennt" hin, die nützliche Tipps rund ums Verhalten bei politischen Aktionen gibt, damit mensch sich unnötige Repression ersparen kann.

→  Hinweise zur Stellung eines Unterstützungsantrags und zu den Kriterien der Unterstützung findet ihr unter:
www.rote-hilfe.de/infos_hilfe/unterstuetzungsantrag


*


Soliparty endete mit "schwerem Landfriedensbruch"

- Am 6. Juli 2008 wurde eine Soliparty in der Roten Flora in Hamburg von der Polizei gestürmt. Ausgangspunkt war eine Gefangenenbefreiung in unmittelbarer Nähe. Die helfende Person wurde zwar anschließend selbst in Gewahrsam genommen, konnte sich jedoch wiederum selbst befreien, als es zu einem Gemenge kam. Da hierbei angeblich eine Beamtin verletzt wurde, wurde nun nach dem "Gewalttäter" gesucht, der in der Flora vermutet wurde. Alle sich darin aufhaltenden Personen wurden nun zur Abgabe der Personalien gezwungen. Zwei Tage später erhielt die Antragstellerin die Mitteilung, dass gegen sie wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt werde. Zudem sollte sie sich im Rahmen einer ED-Behandlung fotografieren lassen und ihre Fingerabdrücke abgeben. Ihr Anwalt erwirkte eine Einstellung und dass "nur" Fotos gemacht wurden. Die Rote Hilfe e.V. übernimmt die Hälfte der 450,77 Euro Anwaltskosten.


Critical Mass

- Im Rahmen des Antira- und Klimacamps 2008 nahmen 50 Menschen an einer Critical Mass teil. Da die Polizei schon bald versuchte, die Gruppe aufzuhalten, zerstreuten sich die Teilnehmer/-innen und vereinbarten einen späteren Treffpunkt. Leider bekam die Polizei auch davon Wind und wartete bereits am Sammelplatz. Dort wurden Personalien festgestellt und Platzverweise erteilt. Gegen den Antragsteller wurde ein Verfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr eröffnet, da er angeblich auf dem Weg zum Treffpunkt die falsche Straßenseite benutzte und einige rote Ampeln überfuhr. Die Rote Hilfe e.V. unterstützt ihn bei den Anwaltskosten in Höhe von 418,88 Euro nach Regelsatz.


Scherben bringen Glück

- In diesem Fall wird der Antragstellerin zur Last gelegt, sie habe zusammen mit zwei Genossen am 11. Mai 2008 mit roter Farbe gefüllte Glasflaschen sowie einen Stein gegen das Haus der Burschenschaft "Hannovera" in Göttingen geworfen. Ein Burschenschaftler hielt sie fest. Trotz Gegenwehr konnte sie sich nicht befreien und wurde somit den Strafverfolgungsbehörden ausgeliefert. Dank der konsequenten Aussageverweigerung der Antragstellerin konnten die "Mittäter" nicht gefasst werden. Es erging ein Strafbefehl in Höhe von 300 Euro, der nach Akteneinsicht des Anwalts angenommen wurde, da die Beweislage eindeutig schien. Neben der Strafe sind 101,33 Euro Anwaltskosten entstanden. Die Rote Hilfe e.V. trägt 50 Prozent der Gesamtkosten.


Auf Stelzen gegen die DVU

- Zu den Landtagswahlen 2006 deckte die DVU die Stadt Halle (Saale) massiv mit Wahlplakaten ein. Die meisten Plakate waren nach der ersten Nacht schon wieder verschwunden. Nur diejenigen, die extrem hoch an Laternenmasten angebracht waren, hingen noch. Diesen Missstand wollte ein einfallsreicher Genosse nicht hinnehmen: Als Clown verkleidet und auf Stelzen machte er sich mit einer Teleskopstange am helligten Tage auf und entfernte ein Plakat nach dem anderen. Noch dazu mit dem passenden Humor bewaffnet war es für die Passant/-innen eine Freude, die Aktion anzusehen. Nur ein recht(s)schaffender Bürger sah sich veranlasst, die Polizei zu rufen. Zunächst wurde in einem Strafbefehl die Strafe auf 25 Tagessätze à zehn Euro festgesetzt. Durch Hinzuziehung einer Anwältin konnte das Verfahren eingestellt werden. Die Rote Hilfe e.V. übernimmt 172,58 Euro der Anwältinnenkosten


Lackschäden für Nazis

- Aufgrund von Naziangriffen auf Jugendliche in Malchin am 8. August 2008 fand am folgenden Tag eine Demo gegen die Übergriffe statt. Zum Ende der Demo warteten schon einige Nazis auf die Demonstrationsteilnehmer/-innen und fingen an, diese zu provozieren. Das ließen sich die Angegriffenen nicht gefallen und attackierten die Autos, in welche die Nazis alsbald flüchteten. Nach einem Versuch, die Antifas mit den Kfz zu bedrohen und zu verletzen, konnten die Angreifer erfolgreich in die Flucht geschlagen werden. Unmittelbar nach der Aktion wurde der Antragsteller festgenommen. Das Verfahren wurde gegen Ableistung von 40 Arbeitsstunden eingestellt. Von den Anwaltskosten in Höhe von 753,90 Euro wurden 50 Prozent übernommen.


Dem Gericht die Funktion der Polizei erklärt

- Der Antragsteller wurde am 1. Mai 2008 in Nürnberg bei einer Gegendemo zum Naziaufmarsch beobachtet, wie er vermummt eine Bierflasche warf. Dies räumte er vor Gericht auch ein, trug jedoch eine Stellungnahme dazu vor, die sich gegen Nazis richtete und deren Schutz durch die Polizei darstellte. Leider konnte der Richter, zumindest nicht offiziell, davon überzeugt werden, und verurteilte den Angeklagten zu 40 Arbeitsstunden, 300 Euro Geldauflage und Freizeitarrest. Die Rote Hilfe e.V. unterstützt den Aktivisten bei Geldauflage und Anwaltskosten (549,78 Euro) mit dem Regelsatz.


Blockadeaufruf

- Anlässlich der G8-Proteste in Heiligendamm rief der Antragsteller auf seiner Internetseite antiatombonn.de dazu auf, sich an Aktionen rund um den Gipfel zu beteiligen, Im August 2007 wurde daher bei einer Hausdurchsuchung sein Rechner beschlagnahmt. Der Vorwurf lautete auf "öffentliches Aufrufen zu Straftaten". Beschwerden gegen die Beschlagnahme waren erfolglos. Als das Verfahren nach eineinhalb Jahren eingestellt wurde und daraufhin endlich der Computer wieder bei seinem Eigentümer war, wurde eine Entschädigung für die unverhältnismäßig lange Einbehaltung abgelehnt. Die Rote Hilfe e.V. beteiligt sich zur Hälfte an den 682,82 Euro Anwaltskosten.


Eigene Hand als Vermummungsgegenstand

- Bei einer antifaschistischen Demo am 1. Dezember 2007 in Ottobrunn hielt sich ein Aktivist zum Schutz vor fotografierenden Nazis die Hand vor das Gesicht und drehte den Nazis den Rücken zu. Nach der Abschlusskundgebung wurde er von einem Polizisten aus der Menge gerissen und mit den vorherigen Geschehnissen konfrontiert. Einige Monate später erhielt er eine Anklageschrift, in der ihm vorgeworfen wurde, er hätte sich mindestens drei Minuten mit einem Schal vermummt. Selbst entlastendes Videomaterial konnte eine Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von 200 Euro nicht verhindern. Als der Genosse bereits 100 Euro bezahlt hatte und aufgrund von Erwerbslosigkeit beim Gericht um eine Stundung bat, wurde ihm Ungehorsamsarrest angedroht. Daneben entstanden 178,50 Euro Anwaltskosten. Über diesen Antrag wurde nach Regelsatz entschieden.


Drohung mit türkischen Vernehmungsmethoden

- Am 17. Oktober 2008 fand in Hannover eine Spontandemo gegen die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan statt. Einige Teilnehmer/-innen wurden in Gewahrsam genommen und es wurde versucht, diese intensiv zu verhören. Als die Antragstellerin die Aussage verweigerte, wurde ihr gedroht, dass sich die Polizei auch mehr wie die Kolleg/-innen in der Türkei verhalten könne. Weil sie während der Demo angeblich Parolen der PKK gerufen haben soll, bekam die Aktivistin einen Strafbefehl von 20 Tagessätzen à zehn Euro. Die Rote Hilfe e.V. übernimmt 50 Prozent der Kosten.


Arrest für Totalverweigerer

- Im Herbst 2007 wurde Moritz K. zur Bundeswehr einberufen. Er trat den Zwangsdienst nicht an und weigerte sich auch einen Ersatzdienst zu leisten, da er sich "lieber für eine ersatzlose Überwindung von Massenmord und sozialer Verstümmelung durch militärischen Drill entscheide. Er wurde schließlich zwangsweise von Feldjägern zu Hause abgeholt und mehrmals in der Kaserne in den Arrest gesperrt, weil er sich weigerte eine Uniform anzuziehen und Befehlen zu gehorchen. Im Herbst 2008 wurde er schließlich wegen wiederholter Befehlsverweigerung zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt. Von der Roten Hilfe e.V. bekam er jetzt eine Unterstützung in Höhe von 628,93 Euro für Anwaltskosten und für die Begleichung der Strafe.


Steine auf "Thor Steinar"

- Am 14. März 2008 gingen an einem "Thor Steinar"-Laden in Berlin die Schaufensterscheiben zu Bruch. Über eine halbe Stunde später nahm die Polizei mehrere Personen in einer nahe gelegenen Straße fest. Ihnen wurde "schwerer Landfriedensbruch" vorgeworfen, weil sie aus einer Menschenmenge heraus die Scheiben des Ladens zerstört hätten. Angeblich hätten Zeugen sie dabei beobachtet. Das Verfahren wurde schließlich nach § 170 StPO eingestellt. Eine der Betroffenen erhielt jetzt eine Unterstützung von 174,46 Euro für ihre Anwaltskosten in Höhe von 421,50 Euro.


Geld für "arme" Banken

- Am 17. Oktober 2008 gab es am Reichstag in Berlin eine spontane Protestkundgebung gegen das "Banken-Rettungspaket". Die Betroffenen weigerten sich, der Aufforderung der Polizei nachzukommen und die Bannmeile zu verlassen. Daraufhin erhielten sie einen Bußgeldbescheid über je 223,45 Euro. Zwei Betroffene stellten einen Antrag bei der Roten Hilfe e.V. und erhielten 50 Prozent des Bußgeldes als Unterstützung.


Bei Schnee auf die Straße gesetzt

- Ein Flüchtling, der in einem "Ausreisezentrum" in Berlin untergebracht ist, befindet sich aufgrund seiner politischen Betätigung gegen Rassismus und gegen die Zustände im Lager im Visier der Leitung des Lagers und des dortigen Sicherheitsdienstes. Als er in seinem Zimmer die Musik Laut aufdrehte (in der Hoffnung, die Polizei käme dann und er könne ihr seine Situation schildern), rief der Sicherheitsdienst die Polizei. Die Beamten packten ihn sofort und warfen ihn zu Boden. Nur mit T-Shirt und einer Hose bekleidet und ohne Schuhe musste er mitten in der Nacht und im Schnee zum Polizeiwagen gehen und wurde auf die Wache gebracht. Schließlich gab man ihm dort seine Schuhe und setzte ihn auf die Straße. Nur mit T-Shirt bekleidet irrte er bei eisiger Kälte durch Berlin, da er den Weg nach "Hause" nicht genau kannte. Wegen "Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte" erhielt er zudem noch einen Strafbefehl über 300 Euro. Die RH e.V. übernahm in diesem Fall die komplette Strafe und die gesamten Anwaltskosten von 328,44 Euro.


Besetzung eines Kohlekraftwerks

- Im Rahmen des Antira- und Klimacamps besetzten am 20. August 2008 mehrere Aktivist/-innen ein Kohlekraftwerk in Hamburg. Eine der Betroffenen wandte sich an die Rote Hilfe: Sie wurde vor Ort festgenommen und erhielt später einen Strafbefehl in Höhe von 500 Euro wegen "Hausfriedensbruchs". Dagegen legte sie Widerspruch ein. Das Amtsgericht stellte daraufhin das Verfahren gegen eine Zahlung von 400 Euro an die Staatskasse ein. Die Rote Hilfe e.V. unterstützte die Aktivistin mit der Übernahme von 50 Prozent ihrer Anwaltskosten und der Geldauflage für die Einstellung, insgesamt 250 Euro.


Angriff auf Neonazis

- Nach einer NPD-Veranstaltung am i6. Februar 2007 in Sindelfingen wurden sieben Antifaschisten festgenommen. Vorgeworfen wurde ihnen ein Angriff auf eine Gruppe von Neonazis. Einer der Betroffenen stellte jetzt einen Unterstützungsantrag. Der Betroffene machte bei der Polizei eine Aussage. Da er dabei allerdings niemanden belastete und außerdem unter großer psychischer Belastung stand, da er einen unsicheren Aufenthaltstatus hatte, wurde in diesem Fall beschlossen, den Antrag mit dem Regelsatz von 50 Prozent zu unterstützen. Vor dem Amtsgericht wurden drei der Angeklagten zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung und die anderen zu Freiheitsstrafen mit Bewährung verurteilt.


Antifa-Fahne beschlagnahmt

- Am 9. November 2008 beschlagnahmte die Polizei in Hildesheim bei einem Teilnehmer eines Schweigemarsches zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht 1938 eine Fahne mit dem Symbol und der Aufschrift der "Antifaschistischen Aktion". Angeblich sei das Tragen dieser Fahne laut der Auflagen für die Demonstration nicht gestattet gewesen. Außerdem stünde die Fahne nicht "in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Anlass" der Demonstration. Eine entsprechende Auflage konnten die Polizeibeamten allerdings in der Auflagenverfügung nicht zeigen. Trotzdem beschlagnahmten Polizeibeamte die Fahne und leiteten ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Das Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen wurde bereits Anfang des Jahres sang- und klanglos eingestellt. Der Anwalt des Betroffenen hat nun eine Klage beim Verwaltungsgericht Hannover eingereicht, um die Rechtswidrigkeit des polizeilichen Vorgehens feststellen zu lassen. Der Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. hat in diesem Fall eine allgemeine Zusage für eine Unterstützung der Klage gegeben, da er hier einen Präzedenzfall sieht.


Nazis beim Spaziergang

- Beim Spazierengehen in der Innenstadt von München stieß der Antragsteller auf einen NPD-Stand. Lautstark empörten sich er und seine Begleitung über die Nazis. Außerdem spuckte er gegen eine NPD-Fahne. Die Polizei nahm daraufhin die Personalien auf. Eine NPDlerin behauptete schließlich, sie sei angespuckt geworden. Das Verfahren wurde vom Staatsanwalt eingestellt. Die Rote Hilfe e.V. übernahm in diesem Fall 100 Prozent der Anwaltskosten (221,44 Euro), da der Antragsteller nur über geringe finanzielle Mittel verfügt.


Soldaten in der Kirche

- Am 28. November 2007 fand in der Hannoveraner Martkirche zum siebten Mal ein "Adventskonzert" der 1. Panzerdivision der Bundeswehr statt. Gegen diese öffentliche Zusammenarbeit von Kirche und Militär verteilten Antimilitaristen vor der Martkirche Flugblätter, kurz vor Beginn des Konzertes wurde vor dem Altar ein Transparent entrollt und der Protest durch Parolen und Flugzettel geäußert. Der Stadtsuperintendent ließ die Genoss/-innen durch einen massiven Polizeieinsatz aus der Kirche drängen. Am 14. Februar 2008 fand gegen einen jungen Antimilitaristen deshalb ein Prozess statt. Ihm wurden Widerstand und Körperverletzung vorgeworfen. Das Verfahren wurde eingestellt. Der Betroffene muss nun aber 150 Euro zahlen und zehn Stunden "gemeinnützige" Arbeit ableisten. Die Rote Hilfe e.V. unterstützte diesen Fall mit der Übernahme von 50 Prozent der Anwaltskosten und der Geldbuße und überwies 320,03 Euro.


"CSU-Obere" und "ausländerfeindliche Verbrechen"

Am 23. August 2008 fand auf dem Markplatz von Gräfenberg eine Protestaktion gegen die NPD statt. Einem eifrigen Polizeibeamten fiel dort die "Kommunistische Arbeiterzeitung" (KAZ) in die Hände, die auf der Kundgebung verteilt wurde. Der Beamte studierte die Zeitung und bemerkte auf der zweiten Seite einen Artikel, der seiner Meinung nach die "CSU-Oberen" in Zusammenhang mit "ausländerfeindlichen Verbrechen und mit Rechtsextremisten" gebracht hätte. Daraufhin faxte er den Artikel auf der Stelle an den Polizeiführungsstab, der das Fax sofort an die zuständige Staatsanwältin weiterleitete. Diese verfügte, sofort ein Verfahren wegen Beleidigung einzuleiten. Gegen einen Schüler wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen "übler Nachrede und Verleumdung gegen Personen des öffentlichen Lebens" eingeleitet. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt. Die Rote Hilfe e.V. übernahm 50 Prozent der Anwaltskosten von 167,79 Euro.


Beispiele für abgelehnte Fälle - so solltet ihr euch nicht verhalten

- Ein Fall wurde abgelehnt, da der Betroffene den Prozess (Anklage wegen Widerstands bei Protesten gegen einen Naziaufmarsch am 15. Juli 2006 in Friedrichshafen) absichtlich unpolitisch geführt hat, vor Gericht aussagte, dass er unbeabsichtigt "zwischen die Fronten" (Polizei und Demonstrant/-innen) geraten sei und sich schließlich bei den eingesetzten Polizeibeamten für die "Unannehmlichkeiten" entschuldigte. Darin sah der Bundesvorstand keine Prozessführung im Sinne der Roten Hilfe e.V.

- Am 17. März 2007 soll in Mittweida rund ein Dutzend Personen Nazis angegriffen haben, die sich an einer Tankstelle aufhielten. Insgesamt wird gegen neun Personen ermittelt. Alle stellten einen Antrag auf Unterstützung bei der Roten Hilfe. Zwei der Betroffenen machten bei der Polizei Aussagen und räumten die Tat ein. Die Anträge der Beiden wurden wegen dieser Aussagen bei der Polizei abgelehnt, alle anderen erhielten eine allgemeine Zusage für eine Unterstützung durch die Rote Hilfe e.V.

- Am 1. Mai 2008 besuchte der Antragsteller ein Konzert am Rande der 1. Mai-Feier. Als es dort zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam, wurde er mit dem Vorwurf festgenommen, er habe Steine auf Polizeibeamte geworfen. Vor Gericht sagte sein Begleiter aus, sie seien beide recht betrunken gewesen und er und der Angeklagte hätten lediglich einen Stein aufgehoben, um ihn als "Souvenir" mitzunehmen. Der Bundesvorstand hat eine Unterstützung in dem Fall abgelehnt, da der Antragsteller alkoholisiert war und der Bundesvorstand weder im Besuch des Konzertes noch im Aufheben eines Steines als "Souvenir" eine politische Betätigung im Sinne der Roten Hilfe e.V. sieht.

- Am 27. März 2006 zeigten 20 Antifaschist/-innen in einem Regionalzug in Brandenburg auf die direkte Art, was sie von der Gesinnung eines mitreisenden Nazis hielten. Die Justiz bezeichnete es als gefährliche Körperverletzung und schweren Landfriedensbruch und klagte drei Genoss/-innen an. Die von der Verteidigung betriebene Freispruchstrategie passte dem Gericht nicht, sodass das Verfahren nach dem JGG eingestellt wurde, da die Durchführung der langwierigen Hauptverhandlung schon in "geeigneter Art und Weise erzieherisch" auf die Angeklagten gewirkt habe. Die Anwältin einer Genossin stellte darauf einen Unterstützungsantrag - jedoch leider ein Jahr zu spät. Daher wurde der Antrag abgelehnt. Wir weisen an dieser Stelle nochmal auf unsere neunmonatige Frist zur Stellung eines Antrags hin, unzureichend begründet später gestellte Anträge können wir nicht berücksichtigen.

Raute

SCHWERPUNKT

Die Rote Hilfe in der Presse

Buvo-Maja

- In den letzten Jahren konnte die Rote Hilfe e.V. nicht nur einen enormen Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen, sondern auch eine verstärkte Präsenz in der Öffentlichkeit außerhalb der üblichen Szenepublikationen. Durch aktive Beteiligung an bundesweit wahrgenommenen linken Kampagnen - hervorzuheben wären hier vor allem das langjährige Berufsverbotsverfahren gegen einen Heidelberger Antifaschisten und der G8-Gipfel im Sommer 2007 - und durch intensive Pressearbeit und Anzeigenwerbung wurde die Tätigkeit der Roten Hilfe zunehmend beachtet.

Dabei sind zwei gegenläufige Tendenzen erkennbar: So zitieren linke und liberale Zeitungen zunehmend aus RH-Presseerklärungen oder suchen von sich aus den Kontakt, um Details zu einzelnen Repressionsfällen zu erfahren. Die Dokumentationen von BuVo-Pressemitteilungen in ganzer Länge und ausführliche Interviews mit Rote-Hilfe-AktivistInnen haben sich in den letzten zehn Jahren vervielfacht. Auch in reinen Online-Medien und Plattformen, die beispielsweise bürgerrechtlichen Gruppen nahe stehen, sind Positionen und Äußerungen der Roten Hilfe e.V. regelmäßig vertreten. Damit erkennen die PressevertreterInnen unsere Arbeit nicht nur an, sondern machen sie auch einem breiten Publikum zugänglich und bringen dabei auch unsere Positionen meist recht deutlich zur Geltung.

Zugleich war die Rote Hilfe e.V. in den vergangenen Jahren mehrfach Gegenstand von Hetzkampagnen der konservativeren Blätter, die damit in der "Saure-Gurken-Zeit" ihre LeserInnenschaft bei Laune hielten, aber zugleich eben auch die Rote Hilfe e.V. als solche weiter bekannt machten. Besonders hervorzuheben sind der Ende 2007 geführte Medienfeldzug gegen die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel, deren RH-Mitgliedschaft im Zentrum der Kritik stand, und die Skandalisierung eines von der Linkspartei erbetenen RH-Gutachtens zum neuen hessischen Polizeigesetz im Sommer 2008. In beiden Fällen war es vor allem der CDU ein Anliegen, politische GegnerInnen durch ihre Verbindungen zur Roten Hilfe e.V. als "Verfassungsfeinde" zu denunzieren: Im Fall der frisch gewählten Juso-Vorsitzenden griffen einige UnionspolitikerInnen begierig einen Artikel des Nazi-Blatts "Junge Freiheit" auf, in dem die (nie verschwiegene) RH-Mitgliedschaft Drohsels zur Staatsaffäre aufgeblasen wurde. Während sich die fortschrittlicheren Teile der JungsozialistInnen sowie einzelne SPDlerInnen solidarisierten und sogar zum Eintritt in die Rote Hilfe aufriefen, wurde der Druck durch die CDU-geleitete Hetzkampagne und auch der innerparteiliche Druck seitens der reaktionären Mehrheit der SPD auf Dauer zu stark, weshalb die Juso-Chefin schließlich ihren Austritt aus der Roten Hilfe bekanntgab.

Die hessische "Affäre" um das Gutachten der Roten Hilfe e.V. zur geplanten Änderung des Polizeigesetzes beruhte ebenfalls auf einer absurden Abwehrreaktion der CDU, die der Partei "Die Linke" das Recht absprechen wollte, die Rechtshilfeorganisation um eine Einschätzung der möglichen Folgen zu bitten. Mit der Begründung, vom Verfassungsschutz beobachtete Organisationen hätten kein Mitspracherecht im demokratischen Diskurs und auch keine Qualifikation zur Erstellung von Gutachten bewiesen die hessischen ChristdemokratInnen, dass sie ebensowenig Sachverstand wie Ahnung von politischer Entscheidungsfindung haben.

Trotz der auf Hochtouren laufenden Verschwörungstheorien um die "Verfassungsfeindlichkeit" und "Terrorismus"-Unterstützung der Roten Hilfe e.V. wollten zumindest die größeren Zeitungen ihrem journalistischen Anspruch nicht völlig entsagen und ergänzten deshalb in längeren Darstellungen die gerade aktuellen Propagandamotive um einige ausgewogenere Sätze, die der tatsächlichen Tätigkeit der Roten Hilfe näher kommen. Besonders häufig wird dabei auf die finanzielle und juristische Unterstützung von DemonstrantInnen und anderen linken AktivistInnen verwiesen. Insbesondere im Zusammenhang mit Franziska Drohsel, die die Unterstützung eines Bekannten nach der Festnahme zum Anlass ihres Eintritts in die Rote Hilfe e.V. genommen hatte, wurde dieser Teil der Arbeit hervorgehoben. Mehrfach erklärte die Juso-Vorsitzende: "Ich unterstütze das prinzipielle Anliegen der Roten Hilfe, für Personen, die auf linken Demonstrationen verhaftet wurden und mittellos sind, rechtlichen Beistand zu organisieren" ("Spiegel online", 29. November 2008). Linke Medien wie die "junge Welt" gaben der Roten Hilfe ohnehin mehrfach Raum, um ihre eigenen Positionen darzustellen, und auch das "Neue Deutschland" versuchte, die Arbeit des Vereins treffend auf den Punkt zu bringen.

Bei der unionsgeführten Skandalisierung des RH-Gutachtens fanden immer wieder die Aktivitäten bei den Anti-G8-Protesten positive Erwähnung. So zitierte der "Focus" die Begründung der "Linken": "Der Verein sei befragt worden, weil er Rechtsbeistand bei Verfahren gegen Demonstranten des G8-Gipfels in Heiligendamm geleistet habe" ("Focus", 21. August 2008). Auch die "Frankfurter Rundschau" räumte den eigentlichen Aufgaben der Roten Hilfe e.V. immer wieder Platz ein, indem sie neben Zahlenangaben aus dem VS-Bericht auch die einzelnen Aktivitäten wiedergab." Die Hälfte der hauptsächlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden erlangten Einnahmen wird für direkte materielle Unterstützung ausgegeben. So können linke Demonstranten, die bei Kundgebungen festgenommen werden, von der 'Roten Hilfe' bis zu 50 Prozent ihrer Rechtsanwalts- und Prozesskosten erstattet bekommen. Die Gruppierung organisiert zudem Solidaritätsveranstaltungen, hält persönlichen Kontakt zu Inhaftierten oder gibt Ratgeber für das Verhalten bei Festnahmen heraus. So setzte sich die 'Rote Hilfe' für festgenommene Gegner des G8-Gipfels in Heiligendamm ein" ("FR", 21. August 2008).

Diese Versuche einer sachlichen Schilderung, die sich meist auf erklärende Kästchen zum "Hintergrund" oder zum Abschluss des Artikels beschränken, werden jedoch meist überlagert von der aktuellen Hetze der reaktionären Parteien, die ihren Niederschlag auch in den Überschriften finden, die besonders gern auf dem Begriff des "Linksextremismus" herumreiten. In den verleumderischen Darstellungen und den Zitaten führender UnionspolitikerInnen lassen sich immer wieder dieselben propagandistischen Versatzstücke finden, die die Arbeit der Roten Hilfe e.V. in absurder Weise verkürzt darstellen oder absichtlich Lügen verbreiten. Daneben wird als Informationsquelle gern auf den Verfassungsschutzbericht zurückgegriffen, aus dem dann brav zitiert wird. Einige der immer wiederkehrenden Vorstellungen, die besonders von konservativen und rechten Presseorganen gebetsmühlenhaft wiederholt werden, sind durchaus eine nähere Betrachtung wert.


"Die Rote Hilfe unterstützt Terrorismus"

Die Solidarität mit den Gefangenen aus der RAF war für die bürgerlichen Parteien schon immer ein willkommener Anlass, um im Zweifelsfall die Rote Hilfe als "terroristisch" abzustempeln und damit eine inhaltliche Diskussion - zu welchem Thema auch immer - als unmöglich und unnötig von sich zu weisen. So führte Kristina Köhler (CDU) im November 2007 den Schlusssatz der Presseerklärung "30 Jahre Deutscher Herbst" an: "Unsere Solidarität gilt Birgit Hogefeld, Eva Haule und Christian Klar ebenso wie allen anderen politischen Gefangenen." Damit begründete sie ihre Hetze gegen Franziska Drohsel: "Die Jusos wählen die Aktivistin einer linksextremen Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und die für die Verharmlosung der RAF-Morde bekannt ist." ("Spiegel online", 29. November 2007). Für den Ring Christlich-Demokratischer Studenten war damit der Weg frei, die Juso-Vorsitzende als "Terroristensympathisantin" zu beschimpfen ("ND", 30. November 2007).

Bei der verzweifelten Suche nach den terroristischen Aktivitäten der Linken Rechtshilfeorganisation wurden auch Passagen aus RH-Publikationen zitiert, die recht wenig mit diesen Vorwürfen zu tun haben. So verfehlte der "Spiegel"-Journalist Florian Grabmann in seinem Beitrag vom 29. November 2007 das Thema nur um wenige Meter, als er zum Beweis, dass die Rote Hilfe "die Verbrechen der 'Rote Armee Fraktion' (RAF) mit zweifelhaftem Zungenschlag darstellt", folgenden Satz aus dem Text "Dreißig Jahre Deutscher Herbst: Lest oder verliert!" ausgrub: "Dabei geht es uns hier gar nicht in erster Linie um Originaltexte und Publikationen der ehemaligen bewaffneten Gruppen in der BRD - ein wichtiges Thema, sicherlich, denn auch das revolutionäre Selbstverständnis von Gruppen aus Stadtguerilla und Widerstand und ihre Kommando- und Anschlagserklärungen sind in den Massenmedien fast immer verdreht, unterschlagen, zensiert und entstellt worden."

In der "Spiegel"-Printausgabe 50/2007 wird die Solidarität mit den RAF-Gefangenen als Mischung aus Dummheit und bewusster Täuschung dargestellt, wenn Autor Markus Feldenkirchen schreibt, dass die RH "Häftlingen juristisch helfen möchte und dabei den Unterschied zwischen politischen Gefangenen und linken Terroristen verwischt".

Eine ausführliche Presseerklärung der ChristdemokratInnen liefert ein schönes Beispiel für den Balanceakt zwischen der Darstellung der realen Tätigkeit der Roten Hilfe und dem Versuch, danach nahtlos zur Terroristenjagd zu blasen. So werden zunächst einige Prinzipien der linken Solidaritätsorganisation richtig wiedergegeben (wenn auch durch Unmengen von Anführungszeichen verstümmelt): "Ziel der Roten Hilfe ist es, als 'Solidaritätsorganisation' all diejenigen zu 'unterstützen', die bei ihrer politischen Betätigung, d.h. beim 'antifaschistischen', 'antisexistischen' und 'antirassistischen Kampf' 'politisch verfolgt' werden." Letztlich kommt die CDU aber doch zu dem Schluss: "Die Rote Hilfe stachelt (...) zum Hass gegen unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung auf und legitimiert linksextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten. Sie solidarisiert sich mit der ETA und der PKK ebenso wie mit RAF-Terroristen wie Birgit Hogefeld und Christian Klar" (Pressemitteilung der CDU/CSU-Fraktion vom 13. Dezember 2007).

Diese inszenierten "Beweise" für eine "Terrorismus-Unterstützung durch die Rote Hilfe waren nicht nur linken Zeitungen, sondern auch vielen bürgerlichen Medien zu albern. Die "Frankfurter Rundschau" beispielsweise versuchte, der Arbeit des linken Vereins halbwegs gerecht zu werden und die Solidarität mit den Gefangenen aus der RAF richtig einzuordnen: "Erklärtes Ziel ist es, Angehörige des linken Spektrums politisch und finanziell zu unterstützen, wenn sie, wie es in der Satzung heißt, 'aus politischen Gründen' straffällig geworden sind. (...) Vierteljährlich erscheint die Schrift 'Rote Hilfe', in der unter anderem für Solidarität mit inhaftierten Linksextremisten im In- und Ausland geworben wird - darunter fallen RAF-Häftlinge, ETA-Angehörige, aber auch Gefangene in Griechenland, Togo, den USA und Kolumbien" ("FR", 1. Dezember 2007). Die "Welt" leitete am 29. November 2007 die Zitatensammlung der CDU mit einem Absatz zur Roten Hilfe ein, bei dem die Hauptaufgaben des Vereins immerhin vor den aktuellen "Vorwürfen" standen. Selbst der "Spiegel", der in der Regel die CDU-Linie haarklein wiedergab, zitierte am 30. November aus einer Stellungnahme der Roten Hilfe: "'Die Solidarität der Roten Hilfe gilt strömungsübergreifend allen Menschen, die wegen ihres linken Engagements von der Justiz verfolgt und mit Verfahren überzogen werden.' Dazu gehöre auch die Forderung nach der Freilassung der verbliebenen Gefangenen aus der RAF."

Die RAF-SympathisantInnen-Vorwürfe wurden erneut laut, als die hessische Fraktion der Partei "Die Linke" die Rote Hilfe um das Gutachten zum Polizeigesetz bat. Hier polterte der CDU-Fraktionsvorsitzende, die RH sei "eine linksextreme Kadergruppe, die Solidaritätsbekundungen mit den rechtskräftig verurteilten Mördern der RAF abgibt" ("Welt", 21. August 2008). Deshalb sei es ein Skandal, dass "Die Linke" sie als Gutachterin benenne - eine Haltung, die eine politische Gesinnungsprüfung offenbar über inhaltlichen Sachverstand stellt, was einige Äußerungen der CDU erklärt. Die "FAZ" beteiligte sich eifrig an der Suche nach Terrorismusindizien und käute die Zitate aus dem VS-Bericht wieder, die weniger die Nähe zur RAF als vielmehr die Kritik am Ausbau der Sicherheitsstaats in Zeiten des Terrorwahns belegen." Der staatliche Kampf gegen die 'Stadtguerillabewegung' habe in den siebziger Jahren das 'Scheitern des deutschen Rechtsstaats' deutlich gemacht, und heute bewiesen Gefangene wie Klar durch ihr 'unbeugsames Verhalten', dass der Staat im Kampf gegen die RAF 'nicht gesiegt, sondern vollends versagt' habe" ("FAZ", 21.08.2008). Auch in diesem Fall konnten sich einige bürgerliche Medien der kopflosen Hexenjagd nach vermeintlichen TerroristInnen nicht so recht anschließen und relativierten in kurzen Anmerkungen zur Roten Hilfe die Unterstützung für Gefangene aus der RAF als Nebenschauplatz.


"Die Rote Hilfe ist verfassungsfeindlich"

Dieser Topos tauchte nur vereinzelt in der Kampagne gegen Franziska Drohsel auf, etwa als die CDU-Politikerin Köhler die SPD-Jugend davor warnte, "bald im Straßengraben der Verfassungsfeinde zu landen" ("ND", 30. November 2007). Bei der Skandalisierung des Gutachtens in Hessen wurde diese fixe Idee hingegen immer wieder beschworen. Dabei wird bewusst die geheimdienstliche Bezeichnung des "Linksextremismus" mit dem verfassungsgerichtlichen Begriff der "Verfassungsfeindlichkeit" vermischt: Die Financial Times Deutschland zitierte am 22. August 2008 den CDU-Politiker Peter Beuth, es sei "unzumutbar, dass eine Organisation, die als verfassungsfeindlich eingestuft wird, an der Gesetzgebung im hessischen Parlament beteiligt ist". Innenminister Volker Bouffier erklärte, ein (allerdings nie geplanter, sondern nur von der CDU erfundener) "Auftritt der 'Roten Hilfe' im Landtag widerspräche dem bisherigen Konsens aller im Landtag vertretenen Parteien, keiner verfassungsfeindlichen Organisation die Gelegenheit zu bieten, sich öffentlich zu präsentieren" ("FAZ", 21. August 2008). In diesen Propagandachor stimmten auch FDP-Politiker wie Wolfgang Greilich ein, der ebenfalls die Erwähnung im VS-Bericht für die offizielle Anerkennung von Verfassungsfeindlichkeit hält.

Folglich musste die Rote Hilfe den ChristdemokratInnen und Konsorten eine kurze Einführung in die Begrifflichkeiten und Gepflogenheiten des "Rechtsstaats" erteilen und stellte im August 2008 klar: "Wo die CDU-Fraktion die Verfassungsfeindlichkeit herhalluziniert, weiß wohl nur sie selbst - dies festzustellen, ist nämlich weiterhin ein Privileg des Bundesverfassungsgerichts. (...) Überdies stellt die CDU nicht gerade ihren Sachverstand in Sachen Überwachungsstaat unter Beweis, wenn sie die Qualifikation von Gutachtern von der politischen Beurteilung durch einen Geheimdienst abhängig macht" (abgedruckt in: "jW", 26. August 2008).

Einige Zeitungen waren ebenfalls etwas verwundert über die reaktionären Kurzschlüsse und sahen sich genötigt, eine Erklärung für die Behauptungen der CDU zu liefern. So erläuterte das "Neue Deutschland" am 29. August 2008: Zu den von der Linkspartei bestellten Gutachtern "sollten neben den früheren FDP-Politikern Gerhart Baum und Burkhard Hirsch und der Liga für Menschenrechte auch Sachverständige der Roten Hilfe gehören - eine als linksextremistisch vom Verfassungsschutz beobachtete Schutz- und Hilfsorganisation. CDU-Fraktionschef Christean Wagner sieht darin den Nachweis, dass die LINKE 'verfassungsfeindliche Ziele' verfolge". Auch die "Frankfurter Rundschau" merkte irritiert an: "Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Organisation als linksextrem ein. Im hessischen Verfassungsschutzbericht taucht sie hingegen nicht auf" (22. August 2008). Zwar versuchte der hessische VS, seinen Dienstherren dieses fehlende Teilchen in ihrer Argumentation schnell nachzuliefern, indem ein entsprechender Vermerk auf die Startseite gesetzt wurde, doch konnte der unübersehbar herbeikonstruierte Skandal nicht so recht überzeugen.


"Die Rote Hilfe strebt die Revolution an"

Obwohl die Rote Hilfe e.V. sich ausschließlich auf die Solidaritätsarbeit beschränkt, wurde sie immer wieder gern zum Mittelpunkt revolutionärer Tätigkeit stilisiert, um ihre angebliche Verfassungsfeindlichkeit zu belegen. So behauptet Ralf Euler in der "FAZ" unter Berufung auf den VS-Bericht, die Solidaritätsorganisation "habe sich im vergangenen Jahr vor allem bei der Vorbereitung und Durchführung von Protestaktionen gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm hervorgetan". Im Anschluss darf sich Innenminister Bouffier über die Rote-Hilfe-Zeitung empören: "Dort sei von Revolution und 'Krieg dem imperialistischen Krieg' die Rede" ("FAZ", 20. August 2008). Auch die "Welt" imaginiert ähnliche Umsturzversuche: "Die 'Rote Hilfe e.V.' steht unter Verdacht, die rechtsstaatliche Ordnung zu gefährden" (28. November 2007).

Nachdem die Presse diese Behauptungen lang genug treu wiederholt und von den vermeintlichen Revolutionsplanungen der Roten Hilfe auf die der Linkspartei geschlossen hatte, begann die CDU, ihre eigenen Lügen zu glauben und berief am 28. August 2008 eine Aktuelle Stunde unter dem Titel "Schutz unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats vor revolutionären Zielen der Linkspartei" ein.

Doch auch in diesem Fall konnte sich ein Großteil der bürgerlichen Medien nicht mit der stumpfen Hetzkampagne der Union anfreunden, weshalb nur wenige das Gerücht vom bevorstehenden Umsturz durch die Solidaritätsorganisation aufgriffen. Der "Focus" zitierte den SPD-Politiker Günter Rudolph, der die CDU-Reaktion als "fast hysterisch" bezeichnete (21. August 2008). Selbst die "Financial Times" Deutschland zitierte den SPD-Sprecher mit der Einschätzung, der CDU gehe es "nur um Krawall" (22. August 2008).

Während also einerseits PolitikerInnen insbesondere der CDU/CSU zahllose wirre Ideen über die Rote Hilfe in Umlauf brachten, wurde der linke Rechtshilfeverein andererseits oftmals sachlich beschrieben. Durch teilweise ausführliche Zitate aus Publikationen und Presseerklärungen oder durch Interviews wurde den RH-Positionen ein Forum verschafft.

Als großer Erfolg ist dabei zu verbuchen, dass während der Hetzkampagnen zahllose Presseanfragen direkt an die Rote Hilfe gerichtet waren. Zwar beschränkten sich viele auf die Frage nach der Haltung zur RAF, und die Antworten wurden nicht immer unverzerrt wiedergegeben, sondern der politischen Ausrichtung der jeweiligen Medien angepasst. Dennoch gab es auch sachlich ernstzunehmende Pressekontakte, die sich bei späteren Gelegenheiten aufgreifen ließen, wenn es beispielsweise um die Öffentlichkeitsarbeit zu verschiedenen Repressionsfällen ging.

Insgesamt können wir also feststellen, dass jede Form der Pressepräsenz letztlich in erster Linie die Bekanntheit der Roten Hilfe e.V. gesteigert hat und auch trotz Falschdarstellungen durch konservative Zeitungen dazu beigetragen hat, die Inhalte und Ziele der Roten Hilfe einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

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SCHWERPUNKT

"Zahlreiche Berührungspunkte"

Wie politische und gesellschaftliche Gruppen die Rote Hilfe sehen

Wie sehen andere politische Organisationen die Rote Hilfe? Was bedeutet sie für diese, wie stehen sie zu ihr und ihrer Arbeit? Gibt es eine - wie auch immer geartete - Zusammenarbeit oder vielleicht, ganz im Gegenteil, Unvereinbarkeitsbeschlüsse? Und wie halten das mehr oder weniger unpolitische Gruppen, konfessionelle beispielsweise?

- Knapp 50 Gruppen, Organisationen und Zusammenschlüsse haben wir schriftlich dazu befragt. Doch eine Antwort bekamen wir leider nur von vier, eine Stellungnahme gar nur von drei Gruppierungen. Alle anderen Angeschriebenen - von Parteien und Gewerkschaften über Kirchen und Bürgerrechts- oder Umweltschutzgruppen bis hin zu radikalen Linken - würdigten die Rote Hilfe nicht einmal einer Empfangsbestätigung. Das ist nun auch eine Art von Stellungnahme. Bedauerlich ist das vor altem, weil die Rote Hilfe zu manchen dieser Gruppen durchaus sporadische Kontakte hat, sei es durch Gastbeiträge in der RHZ, sei es beispielsweise durch die finanzielle Unterstützung eines Aktivisten von Robin Wood durch die RH.

Die drei eingegangenen Stellungnahmen kamen, wenig überraschend, aus der Linken Ecke des gesellschaftlichen Spektrums. Alrun Nüßlein, Pressesprecherin der Linken, teilte uns in aller Kürze mit." Auf offizieller Ebene gibt es keine Kontakte oder eine Zusammenarbeit. Es gibt auch keinen Unvereinbarkeitsbeschluss. Es gibt vermutlich Mitglieder unserer Partei, die sich in der Roten Hilfe engagieren." Eine Zahl könne sie nicht benennen, "da es darüber keinerlei Erhebungen gibt".

Für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) antwortete uns deren Bundesvorsitzende Cornelia Kerth. Sie begrüße den Einsatz der Roten Hilfe e.V. für kriminalisierte Antifaschistinnen und Antifaschisten - dies sei der wichtigste Berührungspunkt zwischen VVN-BdA und RH. "Seit langem gibt es Menschen, die durch ihr Engagement in beiden Organisationen Verbindung schaffen und halten und damit zur Bündelung von Kräften auf gemeinsame Ziele mitwirken", schreibt Kerth. Und weiter führt sie aus: "Im Moment ist sicher die Solidarität mit Mumia, die Verteidigung seines Lebens und der Kampf um seine Freiheit unsere wichtigste gemeinsame Aufgabe. Hoffentlich reicht unsere Kraft!" Eine Hoffnung, die auch in der Roten Hilfe geteilt wird.

Sehr ausführlich und differenziert fällt die Antwort der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLDP) aus. Ihr Pressesprecher Jörg Weidemann sieht die Rote Hilfe nach ihrem Selbstverständnis "in der Tradition der früheren kommunistischen Bewegung, der Solidarität gegen politische Unterdrückung und Verfolgung". Dies halte die MLPD im Grundsatz für positiv, auch wenn sie selbst die Auffassung vertrete, dass (auch internationale) Solidarität und Hilfe "nicht auf partei- oder weltanschaulich gebundener Grundlage stattfinden sollte, sondern überparteilich organisiert werden muss". Wobei sich dies ja weitestgehend mit den Statuten, dem Selbstverständnis und der politischen Praxis der RH deckt. Bei dieser Solidaritätsarbeit, insbesondere im antifaschistischen Kampf und im Kampf gegen die Kriminalisierung in- und ausländischer fortschrittlicher Organisationen und Einzelpersonen, macht Weidemann "zahlreiche Berührungspunkte" zwischen MLPD und RH aus.

Kritisch merkt der Sprecher an: "Was wir etwas bedauern, ist, dass die Rote Hilfe selbst unseres Wissens nach in der Vergangenheit wenig Wert auf die Zusammenarbeit mit unserer Partei gelegt hat." Dies, obwohl sicher bekannt sei, dass die Mitglieder der MLPD und andere klassenkämpferische Arbeiter vor allem auf betrieblicher Ebene immer wieder und verstärkt von Repressionen aller Art, insbesondere politischen und politisch motivierten Kündigungen betroffen sind. Der Frage nach dem Umgang der RH mit Repression im Betrieb hat die RHZ in ihrer Ausgabe 1/08 nachzugehen versucht - leider mit geringem Widerhall innerhalb der RH.

Die MLPD hat sich nach Weidemanns Worten in zahlreichen Fällen an Solidaritätskreisen beteiligt, "die im Grunde ganz ähnliche Intentionen wie die RH verfolgten. Dieser Bezug zur revolutionären Arbeiterbewegung, der gerade in der Tradition von Euch sehr hochgehalten wird, fehlt in Eurer Praxis, oder?" Ganz unrecht hat er damit sicher nicht. Tatsächlich könnte eine Diskussion innerhalb der Roten Hilfe zu dieser Frage nicht schaden. Selbstkritisch merkt Weidemann an: "Ich möchte nicht ausschließen, dass wir in der Vergangenheit auch zu wenig auf Euch zugegangen sind, da, wo es möglich wäre oder ist, zusammenzuarbeiten. Vielleicht kann man das ja ändern."

So zeigt sich zumindest, dass die Rote Hilfe e.V. auf der Linken durchaus wahrgenommen und anerkannt wird. Dies ist sicherlich keine bahnbrechende Entdeckung. Zugleich lässt sich aber auch teilweise der Wunsch nach einer stärkeren Zusammenarbeit, nach einer Bündelung der Kräfte feststellen. Berührungs- und Anknüpfungspunkte jedenfalls gibt es genügend, gerade weil Linke jeder Couleur häufig von politischer Repression betroffen sind.

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SCHWERPUNKT

Die Rote Hilfe aus Gefangenensicht

Thomas Meyer-Falk

- In einer nicht-repräsentativen Umfrage unter circa 30 Gefangenen wussten nur zwei, wer oder was die Rote Hilfe ist, weitere drei Inhaftierte hatten zumindest eine ungefähre Idee ("irgendwas linksextremistisches?!"), die jedoch geprägt schien von den Anwürfen staatlicher Stellen.

Meine eigenen Erfahrungen mit der Roten Hilfe sind ein wenig zwiespältig. Was sehr zuverlässig funktioniert ist die Belieferung mit der RH-Zeitung, die - gerade weil Gefangene vom Medium Internet vollkommen abgeschnitten sind - eine besonders wertvolle Informationsquelle darstellt.

Persönlichen Kontakt zur RH aufzunehmen (so nicht aufgrund anderer Umstände zufällig sowieso eine persönliche Beziehung besteht) ist schon schwieriger. Ich weiß noch, wie es vor Jahren diverser Briefe bedurfte, um zumindest die Antwort zu erhalten: "Deine Post ist eingegangen und leider im Chaos liegengeblieben."

Jetzt gibt es offenbar beim Buvo speziell zwei Menschen, die sich der Gefangenenarbeit widmen und letztes Jahr einen Fragebogen an diverse Inhaftierte verschickten, in welchem diese um Auskunft zu ganz unterschiedlichen Fragen gebeten wurden. Ich selbst hatte kein Problem mit der Beantwortung, denn ich kannte den Absender und die RH, es gab jedoch auch Gefangene die meinten: "Sind das Bullen oder was?"

Ich denke, es sollte nicht vom Fall abhängen oder anderweitig bestehenden persönlichen Bindungen beziehungsweise Beziehungen, ob und wie die Rote Hilfe und die darin organisierten Menschen sich mit Gefangenen auseinandersetzen und solidarisch verhalten. Gefangenenarbeit ist mehr, als jemanden in die Versanddatei der RH-Zeitung aufzunehmen.

Und so wichtig und erfreulich es ist, wenn die RH im Einzelfall auch beispielsweise die Abokosten für eine Zeitschrift übernimmt, geht es doch ganz wesentlich um persönlichen Kontakt zu Gefangenen. Wann hast Du zuletzt einer/einem Gefangenen eine Karte oder einen Brief geschrieben? Heute? Gestern? Letzten Monat? Noch nie?

Über die Internetseiten der Roten Hilfe, aber auch Anarchist Black Cross kannst Du Dich über Namen und Adressen von Gefangenen informieren.

Rote Hilfe sollte auch wieder mehr praktizierte Solidarität für und vor allem mit Gefangenen bedeuten.

Der Autor ist derzeit Gefangener in der JVA Bruchsal

→ www.freedom-for-thomas.de
→ www.freedomforthomas.wordpress.com

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SCHWERPUNKT

Gemein oder nützig, links oder linksextrem?

... Rote Hilfe e.V. @ Wikipedia

Buvo-David

- Wer heute schnell eine Information braucht, macht den Rechner an, "googelt" oder schaut in der Online-Enzyklopädie Wikipedia nach. Auch über die Rote Hilfe e.V. ist dort ein Lexikonartikel vorhanden.

Auch Journalisten nutzen Wikipedia, um zu recherchieren. Das geht schnell und ist einfacher, als selbst zu recherchieren. Besonders dann, wenn plötzlich ein Thema aktuell wird, von denen der Durchschnittsjournalist keine Ahnung hat. Und so sorgte der von rechtskonservativen Kreisen gezielt geschürte Wirbel um die Rote-Hilfe-Mitgliedschaft der Juso-Vorsitzenden Franziska Drohsel dazu, dass der Eintrag über die Rote Hilfe e.V. bei Wikipedia in zahlreichen Redaktionsstuben gelesen und Versatzstücke daraus in Artikeln verwurschtelt wurden.

Das "Flaggschiff des deutschen Journalismus", der "Spiegel", schrieb: "Der vom Staat als gemeinnützig anerkannte Verein wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet und als linksextrem eingestuft. Der Verein wurde 1975 in Göttingen gegründet und hat etwa 4300 Mitglieder in 35 Ortsgruppen. Die 'Rote Hilfe' unterstützt Angehörige des linken Spektrums politisch und finanziell, die aus 'politischen Gründen' straffällig wurden oder von "staatlicher Repression" betroffen sind." (www.spiegel.de, 1. Dezember 2007) Und wo hat der Spiegel die Erkenntnis her, die RH sei als gemeinnützig anerkannt? Richtig: aus Wikipedia. Dort ist seit Jahren - ohne jeden Beleg - zu lesen, die Rote Hilfe e.V. sei als gemeinnützig anerkannt: "1986 beschloss die Bundesdelegiertenkonferenz die Umbenennung von 'Rote Hilfe Deutschlands (RHD)' in 'Rote Hilfe e.V.'. Der Verein wurde als gemeinnützig anerkannt" kann man dort bis heute lesen. Inzwischen dient der "Spiegel"-Artikel dazu, die Gemeinnützigkeit im Wikipedia-Artikel zu belegen. So werden aus Irrtümern Fakten gemacht.

Tatsächlich ist die Rote Hilfe e.V. nämlich niemals als gemeinnützig anerkannt worden (die Anerkennung ist wahrscheinlich sogar niemals beantragt worden). Das Ganze ist ein Missverständnis, das darauf beruht, dass in der Satzung steht: "Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke".

Ansonsten tobt - wie bei vielen Artikeln, in denen es um politische Organisationen geht - auch beim Eintrag über die Rote Hilfe e.V. immer wieder ein sogenannter "Edit war". Laut Wikipedia spricht man davon, wenn zwei oder mehrere Benutzer abwechselnd die Änderungen des anderen Benutzers in einem Artikel rückgängig machen ("revertieren") oder mehrfach überschreiben.

Grund des Streits dort war meist die Bezeichnung der Roten Hilfe e.V. als "verfassungsfeindlich" oder "linksextremistisch". Besonders in der einführenden Zusammenfassung über die Rote Hilfe e.V. versuchten Wikipedia-Nutzer immer wieder, diese Begriffe einzusetzen, was allerdings auch immer wieder rückgängig gemacht wurde. Seitenlang sind dazu die Beiträge auf der zugehörigen Diskussionsseite. Ist die Rote Hilfe e.V. eine "linksextremistische" Organisation, die "RAF-Terroristen" unterstützt oder eher eine "Bürgerrechtsorganisation", die sich um "Prozesshilfe für aus politischen Gründen inhaftierte/angeklagte/verfolgte Menschen aus dem linken Spektrum bemüht" und damit einem "prinzipiell demokratischen Recht" nachkommt? Zwischen diesen beiden Polen pendelt die Diskussion bei Wikipedia. Die einen werfen der RH vor, sie werde vom VS beobachtet und unterstütze "Terroristen". Die anderen stellen klar, dass jemand, der zum Beispiel Ex-Mitglieder der RAF im Knast mit Geld für Anwälte oder ähnlichem unterstützt, deshalb nicht gleich ein Unterstützer der Ziele und Politik der RAF sei. Auch die Zuschreibung des Roten Hilfe als "Linksextrem" durch den Verfassungsschutz wird von einer großen Zahl der dort schreibenden Wikipedianern kritisch gesehen: "Es genügt, wenn sich jemand, eine Gruppe oder Organisation, als Links (kommunistisch, antifaschistisch, antikapitalistisch, anarchistisch etc.) bezeichnet, schon ist man beim als VS 'linksextremistisch' etikettiert. Und ob das dann in einem Verfassungsschutzbericht niedergeschrieben wird, hängt von der Auftragslage durch die vorgesetzten Innenministerien und der politischen Lage ab."

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KOLUMNE

Grundrechte hinter Knastmauern

Kolumne von Ulla Jelpke

Warum Linke für Grundrechte auch im Knast eintreten müssen - und dabei das Ziel einer Gesellschaft ohne Knäste nicht aus den Augen verlieren sollten

Die Rote Hilfe e.V. unterstützt Menschen, die aufgrund ihrer linken politischen Aktivitäten polizeilich und juristisch verfolgt werden, sowie linke politische Gefangene. Eine solche, von anderen Antirepressionsgruppen nicht immer geteilte Eingrenzung auf "Politische" macht schon Sinn, um die knappen Ressourcen der Solidaritätsarbeit zu konzentrieren. Auch gilt es zu unterscheiden zwischen denjenigen, die als soziale Gefangene zu Opfern des kapitalistischen Systems wurden (und dabei womöglich innerhalb dieses Systems gegenüber anderen Opfern als Täter auftraten) und denjenigen, die durch ihren bewussten politischen Einsatz gegen den Kapitalismus oder einzelne seiner Erscheinungsformen wie Militarismus und Rassismus ins Fadenkreuz der Justiz geraten sind. Doch bei aller Konzentration auf politische Gefangene dürfen wir das Knastsystem als ganzes nicht aus dem Blick verlieren.

Durch eine sichere Unterbringung soll der Strafvollzug den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor gefährlichen Straftätern gewährleisten. Ziel des Strafvollzuges ist es deshalb, durch gezielte Maßnahmen, die auf Delikt und Persönlichkeit des Gefangenen ausgerichtet sind, das Risiko einer erneuten Straffälligkeit zu senken. Der Strafvollzug leistet also durch sichere Unterbringung und sinnvolle Gestaltung des Strafvollzuges seinen Beitrag, zukünftige Straftaten zu verhüten. Soweit die Theorie des bundesdeutschen Strafvollzugs. Die Praxis für die rund 75.000 Strafgefangenen in Deutschland sieht anders aus.

Verbunden mit der fehlenden Freizügigkeit ist die Unmöglichkeit von Ehe- und Familien leben während der Haftzeit eine der schwersten Einschränkungen für die Gefangenen. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung sind Häftlinge aber nicht dazu verurteilt, ihre Zeit in Gefangenschaft unter menschenunwürdigen Zuständen zu verbringen. Im Strafvollzugsgesetz heißt es ausdrücklich, dass die Verhältnisse im Vollzug soweit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen sein müssen. Doch die zum Teil aus dem 19. Jahrhundert stammenden Gebäude platzen aus allen Nähten. Viele Zellen sind völlig überbelegt. So haben laut dem Düsseldorfer Justizministerium in NRW als dem Bundesland mit den meisten Gefangenen 400 von 3450 Gemeinschaftszellen noch keine abgetrennte Toilette. Der Leiter des Strafvollzugsarchivs Bremen, Johannes Feest, hält unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht den Zwang zum gemeinsamen Essen in solchen Zellen für "menschenunwürdig, das heißt unterhalb unseres zivilisatorischen Standards".

Die Mehrfachbelegung zwingt auch gegensätzliche Persönlichkeiten zum Zusammenleben auf engstem Raum, die sich so den Knastalltag zusätzlich zur Hölle machen. Im schlimmsten Fall kann dies zu offen ausgelebtem Sadismus gegenüber schwächeren Mitgefangenen führen wie in Siegburg, wo ein junger Häftling zu Tode gefoltert wurde. Immer öfter dringen Meldungen über Schlägereien, Messerstechereien und Drogentote in JVAs an die Öffentlichkeit. Überbelegung und eine schlechte Personalquote verhindern ein rechtzeitiges Eingreifen des JVA-Personals zum Schutz der Betroffenen. "Bei solchen Mehrfachbelegungen können automatisch rechtsfreie Räume entstehen. Wie will man in der Nacht einen Acht-Mann-Saal oder auch eine Zwei-Mann-Zelle überwachen?", fragt so etwa Anton Bachl, der Vorsitzende des Landesverbandes bayerischer Justizvollzugsbediensteter.

Die Gefangenen sind zur Arbeit verpflichtet. Arbeitsverweigerung wird disziplinarisch bestraft. Die Arbeiten müssen nicht nur in der Wäscherei oder der Küche der JVA abgeleistet werden, sondern durchaus auch in der JVA angeschlossenen Werkstätten, die für die freie Wirtschaft produzieren. Der durchschnittliche Stundenverdienst betrug 2005 ungefähr 1,35 Euro und lag damit weit unter Tarif. Der Neoliberalismus macht auch vor dem Strafvollzug nicht halt. 2005 wurde in Hünfeld bei Fulda das erste deutsche teilprivatisierte Gefängnis eröffnet. Weitere teilprivatisierte JVAs entstehen in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt. Betriebswirtschaftliche Untersuchungen in Hünfeld haben ergeben, dass die Teilprivatisierung keineswegs zur Kostenersparnis führt. Laut dem hessischen Justizministerium lagen die Kosten in der teilprivatisierten JVA Hünfeld pro Haftplatz im Jahr 2007 bei 83,18 Euro am Tag, in der vollständig staatlich betriebenen JVA Darmstadt hingegen nur bei 79,28 Euro. Eine Recherche der "Süddeutschen Zeitung" hat 2008 ergeben, dass in Hünfeld sogar Mehrkosten von rund 700.000 Euro pro Jahr im Vergleich zur JVA Darmstadt zu Buche schlagen. Das leichtfertige Abtreten hoheitlicher Aufgaben der staatlichen Justiz an private Dienstleister führt durch das sich so ergebende Kompetenz-Gewirr zu einer weiteren Entrechtung der Gefangenen. Auch sind private, rein profitorientierte Dienstleister noch weniger als die staatlichen Stellen in der Lage, Beschäftigung von Gefangenen, vor allem aber Sozial- und psychologische Dienste, Arbeitstherapie sowie Freizeit- und Sportaktivitäten sachgerecht zu bewältigen. Experimentelle Maßnahmen eines betreuungsfernen Strafvollzuges, wie er in Hünfeld durch den Personal sparenden Einsatz von Videoüberwachung erprobt wurde, gefährden letztendlich auch die Sicherheit der Gefangenen in Extremsituationen.

Häufig erreichen mich Hilferufe aus dem Knast. Die Gefangenen nutzen die rechtliche Möglichkeit, ohne Kontrolle und Zensur durch die Anstaltsleitung mit Abgeordneten zu kommunizieren. Doch das ist auch nur die Theorie. Denn regelmäßig berichten Gefangene, dass auch diese Post geöffnet wurde. In einigen Fällen wurden mir solche unzulässigen Eingriffe in das Briefgeheimnis von Anstaltsleitungen als angebliche Versehen sogar nachträglich bestätigt.

Die Gefangenen haben rechtliche Fragen, die ihnen im Knast niemand beantwortet. Anwälte können sie sich oft keine mehr Leisten, denn nach einer Verurteilung steht ihnen auch keine Prozesskostenhilfe zu. Darunter sind immer wieder ausländische Gefangene, die häufig keine Familienangehörigen in Deutschland haben und aufgrund von Sprachproblemen nicht in der Lage sind, ihre wenigen Rechte als Strafgefangene durchzusetzen. Andere Gefangene klagen über willkürliche Schikanen oder rassistische Beleidigungen durch das JVA-Personal.

In vielen Briefen geben Strafgefangene ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Partei Die Linke sich grundsätzlich der Problematik des Strafvollzugs annehmen würde. Eine Reihe von Gefangenen ist bereits Mitglied der LINKEN geworden. Dort stößt das Ansinnen dieser Neumitglieder im besten Falle auf Hilflosigkeit, in der Regel aber auf Ablehnung. Vorherrschend ist die Sorge, sich gegenüber den Wählern zu diskreditieren, wenn man sich für die Rechte von Gefangenen einsetzt oder diese gar als aktive Mitglieder der Partei organisiert. Während bei der SPD und den bürgerlichen Parteien reiner Stammtischpopulismus nach dem Motto "Wegsperren und zwar für immer" die Debatte dominiert, herrscht bei der Linken ein Geist vor, der sich am besten mit "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" beschreiben lässt. Dass es auch anders geht, haben die Grünen in den 80er Jahren bewiesen. Damals stand das Thema Knast noch regelmäßig auf der Agenda der Partei. Es gab grüne Knastgruppen und Knastbetreuer von Seiten der Partei.

Die Partei Die Linke profiliert sich heute insbesondere mit den Themen "soziale Gerechtigkeit" und "Bürgerrechte". Dieser Anspruch darf vor Knastmauern nicht aus opportunistischen Gründen Halt machen. Die Linke - damit meine ich nicht nur die Partei - muss sich für eine Reform des Strafvollzugs stark machen, die den vom Gesetz geforderten Resozialisierungsanspruch absolut in den Vordergrund stellt.

Maßnahmen zur Haftvermeidung oder -verkürzung müssen durchgesetzt werden, zum Beispiel eine weitgehende Entkriminalisierung im Bereich der Betäubungsmitteldelikte und der Verzicht auf Freiheitsstrafen bei Sachbeschädigungs- und einfachen Vermögensdelikten, bei denen die Täter nur ihre Geldstrafe nicht zahlen können. Im Strafvollzug müssen Transparenz und Zielgerichtetheit der Vollzugsplanung, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Zahlung von Tariflöhnen für Knastarbeit gefordert werden.

Antikapitalistische Linke dürfen aber nicht bei solchen Reformforderungen stehen bleiben. Anstatt Menschen wegen Fehlverhaltens einfach wegzusperren, muss nach den sozialen Ursachen von Kriminalität gefragt werden. Gefängnisse sind einerseits die Folge menschenunwürdiger, unsozialer Zustände, die immer mehr Menschen "auf die schiefe Bahn" geraten lassen. Andererseits erfüllen sie eine wichtige Funktion zur Aufrechterhaltung eben dieser Gesellschaftsordnung durch die Drohung des Staates, Regelverletzer wegzusperren. Das Gefängnissystem ist somit logischer Bestandteil der kapitalistischen Ordnung. Eine erstrebenswerte Gesellschaft (fast) ohne Knäste und Zwangsanstalten wird daher eine solidarische Gesellschaft jenseits des Kapitalismus sein, in der die sozialen Ursachen eines Großteils der insbesondere auf Eigentumsdelikten beruhenden heutigen kriminellen Handlungen beseitigt wurden.


Die Autorin ist innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag und hat jahrelang als ehrenamtliche Strafvollzugshelferin gearbeitet.

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AUS DEN KNÄSTEN

ARTEPOVERA

SUENDHAFT TEURE KARGHEIT,
EINFACHSTER FALTENFALL OHNE RAFFINESSE,
NATUERLICHE WORTKOMBINATIONEN
MIT URSPRUENGLICHER SINNBILDUNG.
UEBERDRUß IM UEBERFLUß:
ES GIBT KEIN ZURUECK,
AUCH WENN WIR UNS ETWAS
VORMACHEN. NATUR PURE NUR
MIT DEM GUETESIEGEL UND HALTBARKEITSDATUM.
IST IHRES NICHT SCHON LAENGST
ABGELAUFEN ? NICHTS DRAUS
MACHEN, EINFACH WEITERLEBEN
WIE GEHABT.


HOMO EUROPEUS

Der neue Mensch ist ein Produkt der Medien:
ein Stromlinienfoermiger Schwarmfisch,
aalglatt, windschnittig und konsumfreudig.
Nicht nur sein Outfit ist durchgestyled,
auch sein Lebenslauf ist wie einbetoniert.
Nichts mäandert mehr Zeit verlierend
durch die denaturierte Landschaft.
Warum auch Zeit ist Geld und Geld ist universal?
Inklusive Mehrwert und Zinseszins.
Was sich nicht rechnet ist nicht rechtens.
Kredit ist eine Lebens- und Wirtschaftsform
mit kuenstlichen Blutkreislaeufen.
Wer vorher stirbt ist von der Rueckzahlung
befreit oder war nie eines Kredits würdig.

Roland Schwarzenberger de Aragon (Bruchsal)


*


Ein Brief von Faruk ...

Liebe...,

ich weiß nicht, wie ich meine Haltung zu den Ereignissen des 27.5. ausdrücken soll...

Ich bin wütend, ich bin traurig, ich bin besorgt und aber auch geehrt. Vorrangig hat mich sehr beeindruckt, dass Ihr alle zu Gericht gekommen seid, um meine Freiheit zu fordern. Vielen Dank! Ich grüße jede Genossin und jeden Genossen und sende ihnen meinen Dank. Da die Angriffe auf Euch nicht zu übersehen waren, habe ich energisch dagegen protestiert. Freiheitsforderungen zu unterdrücken, den Kampf um Freiheit niederschlagen zu wollen ist ein Zeichen von Ohnmacht und sinnlose, vergebliche Mühe.

Wer will WIE diese Forderung zum Schweigen bringen? Unsere Menschenmünder und Nasen blutig zu schlagen, Ohrringe herausreißen - das sind Grausamkeiten. Ich hatte das Gesicht der Militärjunta vom 12. September in der Türkei vor Augen.

Und jetzt sehe ich dieses Gesicht in der so hoch gelobten Demokratie, diese Form der Auseinandersetzung hat mich gelehrt und uns allen gezeigt, dass die EU sich auf einem sehr unsicheren Weg bewegt. Wohin ist die EU-Demokratie? Wohin das Recht ... Das war ein warnendes Beispiel.

Ich begrüße, dass die Genossinnen und Genossen keinen Schritt gewichen sind, den Kopf nicht gebeugt haben. Ich küsse allen die Stirn (dies ist in der Türkei eine väterliche Geste). Ich bitte darum allen persönlich meine Genesungswünsche zu überbringen.

Bleibt gesund und stark!

Solidarische Grüße

Faruk Ereren

Raute

REPRESSION

Belastungszeugen müssen nichts wissen, Entlastungszeugen alles!

Prozessbeobachtungsgruppe Ellen, David und Latte, Düsseldorf

- Zu Lehrstunden in Sachen Klassenjustiz und institutionalisiertem Rassismus entwickelt sich das Verfahren nach Paragraph 129b StGB vor dem 2. Strafsenat am OLG Düsseldorf. Verhandelt wird dort gegen Faruk Ereren, der sich nach dem Militärputsch in der Türkei am 12. September 1980 zum aktiven Widerstand entschloss. Deshalb war er dort langjährig in Haft, er wurde gefoltert und unter anderem wurden Scheinhinrichtungen an ihm vollzogen. Hier in Deutschland wirft man ihm Mitgliedschaft in führender Position in der verbotenen Volksbefreiungspartei/Front (DHKP-C) vor.

Während BKA-Zeugen vorgeben, wichtige Tatsachen nicht zu kennen, werden türkische Linke als Zeugen vor Gericht genötigt, jedes einzelne Detail, und sei es auch 20 Jahre her, genau darzulegen. Am letzten Verhandlungstag im Monat Juni brachte dies der Zeuge des BKA - ein Kriminalhauptkommissar - auf den Punkt: Ein Schwerpunkt der 129b-Verfahren seien die "Personenbeweise" aus türkischen Gerichtsurteilen, und diese stützten sich auf "Aussagen des Beschuldigten" in der Türkei. In diesem Zusammenhang sprach er wortwörtlich von "so genannten Missständen in türkischen Gefängnissen". Der BKA-Beamte berücksichtigte dabei die Tatsache nicht, dass die Türkei regelmäßig wegen ihrer Informationsgewinnung durch Folter vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wird.

Auf Nachfrage von Ererens Anwalt Peter Budde bezüglich des Sabanci-Anschlages nannte der BKA-Zeuge die DHKP-C. Sabanci, einer der einflussreichsten türkischen Geschäftsmänner, kam bei einem Attentat in seinem Istanbuler Hochsicherheitsbüro 1996 ums Leben. Der Verteidiger insistierte und wies auf das "Ergenekon-Verfahren" hin. Davon, entgegnete der BKA-Zeuge, habe er noch nichts gehört. Ergenekon ist laut Anklageschrift der Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft eine "terroristische Vereinigung" - dass ein BKA-Beamter das Ergenekon-Verfahren nicht kennt, ist mysteriös. Ergenekon, dahinter verbirgt sich ein illegales türkisches Netzwerk aus Exmilitärs, Polizeibeamten und Geheimdienstmitarbeitern, denen von der Generalstaatsanwaltschaft Istanbul vorgeworfen wird, dass sie durch gezielte Anschlägeeinen Militärputsch provozieren wollten. Für genau die Taten, die in Deutschland der DHKP-C vorgeworfen werden, wird in der Türkei das Netzwerk Ergenekon angeklagt. Davon schien auch der Vertreter der Bundesanwaltschaft nach eigenem Bekunden trotz Rechtshilfeabkommen und guter Zusammenarbeit mit den türkischen Strafverfolgungsbehörden nichts zu wissen.

Sich genau erinnern musste allerdings der Zeuge Nun E. am Vortag.Die Bundesanwaltschaft wollte detaillierte Angaben, welche Bücher und Broschüren die DHKP-C vor einem Jahrzehnt bei ihren Schulungen einsetzte - unter anderem wurde der Zeuge Nun E. auch nach den Herausgebern befragt. Über eine Stunde lang dauerte die diesbezügliche Befragung durch die BAW - auch nach der DHKP-C Bibliothek.

Schwierig für Nuri E. ist in diesem Fall seine Behinderung: Er ist seit seiner 17-jährigen Inhaftierung in der Türkei durch Folter erblindet. Nur wenige Tage später wurde Nun dann zwecks Aussageerzwingung noch im Gerichtssaal verhaftet. Mittlerweile ist er wieder frei.

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REPRESSION

Rachejustiz: BGH verfügt vollständige Verbüßung der Haft von Muzaffer Ayata

Azadi

- In der Türkei war der Politiker wegen seines politischen Engagements vor dem September-Putsch 1980 verhaftet und zum Tode verurteilt worden. Diese Strafe ist 1991 in 40 Jahre Haft umgewandelt worden. Nach mehr als 20 Jahren Gefängnis wurde er im Jahre 2000 entlassen, musste aber wegen Verfolgung aufgrund seiner Aktivitäten bei der pro-kurdischen Partei HADEP ins europäische Ausland flüchten. Anfang 2002 kam er nach Deutschland. Bis zu seiner Verhaftung hat Muzaffer Ayata als offizieller Ansprechpartner von HADEP/DEHAP/DTP unermüdlich für die Lösung des türkisch-kurdischen Konfliktes gearbeitet und sich insbesondere auch publizistisch mit diesem Problemkomplex auseinandergesetzt.

Der Verteidiger von Muzaffer Ayata, Rechtsanwalt Wolfgang Kronauer, hatte am 12. Mai erneut die Freilassung seines Mandanten beantragt. Als Begründung führte er insbesondere an, dass Ayata nur noch eine Haftstrafe von etwas mehr als fünf Monaten zu verbüßen habe und die Aufrechterhaltung des Haftbefehls unverhältnismäßig sei. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) sah das anders. Er verwarf die Beschwerde und entschied am 19. Mai, dass der kurdische Politiker bis zum Strafende - voraussichtlich 8. Oktober dieses Jahres - in Haft bleiben müsse. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit einer "Fluchtgefahr" unabhängig von der Höhe der Reststrafe und verwiesen hierbei auf Äußerungen Ayatas, wonach dieser nach Haftverbüßung weiterhin im Rahmen seiner politischen Arbeit für die Rechte des kurdischen Volkes auch einen Aufenthalt im westeuropäischen Ausland in Betracht ziehe.

Im Falle von Muzaffer Ayata wird offenbar ein Exempel statuiert. Der Politiker hat sich von Anfang an weder kooperativ oder unterwürfig verhalten noch abschwörende Bekenntnisse abgegeben. Besonders übel genommen haben ihm Richter und Bundesanwaltschaft, dass er "zu Beginn der Hauptverhandlung im Rahmen seiner Einlassung über mehrere Sitzungstage politische Erklärungen zur kurdischen Frage verlesen" habe - so das OLG Frankfurt/Main unter anderem in seiner Begründung vom 29. Dezember 2008 zur Ablehnung einer vorzeitigen Freilassung von Muzaffer Ayata.

OLG Frankfurt/Main lehnt Auslieferung in die Türkei ab

Auf der Grundlage einer Verbalnote der Bundesregierung vom 14. Mai 2009 hat das Oberlandesgericht Frankfurt! Main am 27. Mai beschlossen, die von der Türkei begehrte Auslieferung von Muzaffer Ayata abzulehnen. Gleichzeitig wird die Aufhebung des Haftbefehls vom 13. März 2008 angeordnet. Wie in dem Beschluss weiter ausgeführt, hat die Staatsanwaltschaft "bereits die Löschung der Überhaftnotierung" veranlasst.

Muzaffer Ayata wurde am 8. August 2006 festgenommen und am 10. April 2008 nach § 129 StGB (Mitgliedschaft in einer "kriminellen" Vereinigung) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil war die Verteidigung in Revision gegangen, der zumindest im Hinblick auf das Strafmaß durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) entsprochen worden ist. Im Zuge der Neuverhandlung hat der 4. Strafsenat des OLG Frankfurt! Main am 9. März 2009 die Freiheitsstrafe um vier Monate reduziert. Auch gegen dieses Urteil wurde in Revision gegangen; eine Entscheidung steht derzeit noch aus.

Mehrmalige Anträge auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls, insbesondere vor dem Hintergrund einer restlichen Strafe von weniger als fünf Monaten, sind, zuletzt durch eine Entscheidung des BGH vom 19. Mai, verworfen worden. Somit ist davon auszugehen, dass die Justiz den kurdischen Politiker bis zum Strafende - voraussichtlich am 8. Oktober - in Haft lässt. Begründet wird diese Haltung mit einer angeblichen Fluchtgefahr und letztlich der Unbeugsamkeit des Kurden, weil er weder mit den Behörden kooperiert oder irgendwelche abschwörenden Erklärungen abgegeben hat noch bereit ist, sein Engagement für die Rechte des kurdischen Volkes einzustellen.


Chronologie der Verfolgung Muzaffer Ayatas in Deutschland

08. August 2006 - Festnahme in Mannheim
09. August - Verhaftung
24. Mai 2007 - Prozesseröffnung vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt/Main
07. Dezember 2007 - In der Tageszeitung "Milliyet" wird berichtet, dass die Türkei eine Auslieferung von Ayata beantragt hat
18. März 2008 - Verlesung der Anordnung zur Auslieferung von Muzaffer Ayata an die Türkei
10. April 2008 - Urteil nach §129 StGB: drei Jahre und sechs Monate

Wegen der Höhe des Strafmaßes geht die Verteidigung in Revision gegen das Urteil.

10. November 2008 - Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) beschließt die Aufhebung des OLG-Urteils "im Strafausspruch" und verweist die Sache zur Neuverhandlung zurück an einen anderen Senat des OLG Frankfurt/Main
11. Dezember 2008 - Verteidigung beantragt die Aufhebung des Haftbefehls.
17. Dezember 2008 - Der Generalbundesanwalt weist den Antrag als "unbegründet" zurück und beantragt die Fortdauer der Haft.
29. Dezember 2008 - Der 4. Strafsenat des OLG Frankfurt/Main weist den Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls ebenfalls zurück und ordnet die Fortdauer der Haft an. Begründung in der Hauptsache: Fluchtgefahr/fehlende Distanzierung zur PKK/Prozesserklärung Ayatas "zur kurdischen Frage" über mehrere Sitzungstage.
02. März 2009 - Beginn der Neuverhandlung nach Revisionsentscheidung vor dem 4. Strafsenat des OLG Frankfurt/Main
09. März 2009 - Urteil: Drei Jahre und zwei Monate (Reduzierung des Strafmaßes um vier Monate)

Auch gegen dieses Urteil ist die Verteidigung in Revision gegangen.

12. Mai 2009 - Ayatas Verteidiger Wolfgang Kronauer beantragt erneut die Aufhebung des Haftbefehls insbesondere vor dem Hintergrund der Reststrafe von weniger als fünf Monaten.
19. Mai 2009 - Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) verwirft die Beschwerde des Angeklagten und beschließt die Fortdauer der Haft. Begründung: Fluchtgefahr und Verweis auf Äußerungen Ayatas, er wolle nach der Haft weiterhin politisch für die Rechte des kurdischen Volkes arbeiten und ziehe einen Aufenthalt im westeuropäischen Ausland in Betracht.
08. Oktober 2009 - ist Strafende.

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REPRESSION

Alter Wein in neuen Schläuchen

Presseerklärung des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit vom 19. Mai zum "Gesetzesentwurf zur Änderung des Bayrischen Versammlungsgesetzes" der CSU-und FDP-Abgeordneten im Bayrischen Landtag (Drucksache 16/1270).

Am 16. September 2008 reichte ein breites Bündnis verschiedener Organisationen Verfassungsbeschwerde gegen das neue Bayerische Versammlungsgesetz ein, das am 1. Oktober 2008 in Kraft getreten ist. Die Beschwerde war verbunden mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung bis zur endgültigen Entscheidung. Am 17. Februar 2009 hat das Bundesverfassungsgericht über den Antrag auf einstweilige Anordnung, das Bayerische Versammlungsgesetz außer Kraft zu setzen, entschieden. Die einstweilige Anordnung ist sechs Monate gültig und setzt immerhin Teile des Gesetzes außer Kraft, wenn auch nicht das Gesetz als solches - vor allem wurden Bußgeldvorschriften aufgehoben und die Befugnisse der Polizei zu Übersichtsaufnahmen und Aufzeichnungen eingeschränkt. Mittlerweile hat die CSU-FDP-Koalition einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt, über den nach der Sommerpause entschieden werden soll.

Die Redaktion


- Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit hat den Gesetzesentwurf der CSU und FDP mit Sorge zur Kenntnis genommen. Entgegen anderslautender Aussagen wird auch dieser Entwurf dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht gerecht:

Über kleine Änderungen ...

Ein wesentlicher Punkt unserer Kritik bleibt weiterhin die Anwendung des Versammlungsgesetzes auf Versammlungen in geschlossenen Räumen. Auch im neuen Entwurf sind erweiterte Befugnisse für Polizeibeamte, in Saalveranstaltungen einzugreifen und an diesen teilzunehmen, vorgesehen. Dies lehnen wir grundsätzlich ab.

Die bayerische Landesregierung besteht auf einem "Uniformierungs- und Militanzverbot" (Art. 7), welches das Tragen "gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung" verbietet. Dass eine derartige Regelung zur Kriminalisierung von Streiks und ähnlichem ("Streikwesten") dienen könnte, wurde von unserem Bündnis bereits mehrfach kritisiert.

Ebenfalls inakzeptabel ist das sogenannte "Störungsverbot" (Art. 8) welches "Störungen [verbietet], die bezwecken, die ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung zu verhindern". Dieser Artikel stellt beispielsweise jegliches antifaschistische Engagement gegen Naziaufmärsche infrage.

Prägend für den erneuten Vorstoß sind beinahe beliebig auslegbare "Gummiparagraphen". Besonders auffällig ist dies bei Artikel 9 (Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen). Weiterhin sollen "Übersichtsaufnahmen" erlaubt sein "wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen" oder aber auch "wenn dies wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich ist". Durch vage Formulierungen wird letztlich jeder ansonsten illegale Einsatz von Überwachungstechnik vom subjektiven politischen Empfinden der verantwortlichen Beamten abhängig gemacht.

Der neue Entwurf beinhaltet weiterhin das behördliche Recht, Versammlungsleiter und Ordner abzulehnen "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass (diese) die Friedlichkeit der Versammlung gefährden" (Art. 10). Dieser Artikel verweigert Menschen ihr demokratisches Grundrecht, ohne konkret zu benennen, was derartige Tatsachen sein könnten. Nach wie vor sollen zudem Daten von Veranstaltern und Ordnern angegeben werden.

Die in Artikel 13 vorgesehene ursprüngliche Anmeldefrist für Demonstrationen von 72 Stunden wurde wieder auf 48 Stunden herabgesetzt. Dies bezieht sich jetzt allerdings auf Werktage.

... über bleibende Verschärfungen

Die zuvor aufgeführten Auszüge zeigen, dass die vorgenommenen Korrekturen keine grundlegende Verbesserung darstellen. Genauso schwerwiegend stellen sich die Gesetzestextartikel dar, die weiterhin Bestand haben sollen:

So können beispielsweise "Pressevertreter (...) nicht ausgeschlossen werden" (Art. 10). Letztlich bedeutet dies, dass Nazis mit Presseausweis nicht von antifaschistischen Veranstaltungen ausgeschlossen werden können.

Unangetastet bleibt ebenfalls die behördliche Befugnis, Versammlungen zu verbieten, wenn "Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden wird, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben". Praktisch kann mit diesem Artikel jede beliebige politische Veranstaltung verboten werden.

Die genannten Beispiele machen deutlich, dass die eingebrachten Änderungsvorschläge keineswegs dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gerecht werden. Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit lehnt das bayrische Versammlungsgesetz mit und ohne die vorgeschlagenen Schönheitskorrekturen ab.

Wir bleiben dabei:

Ja zur Versammlungsfreiheit - Nein zur Verschärfung des
Versammlungsgesetzes!

→  http://www.versammlungsrecht2009.de

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REPRESSION

"FDP will gewalttätige Choatendemonstrationen"

Als Gegenpart dokumentieren wir eine Pressemitteilung des Landesverbands Bayern der Deutschen Polizeigewerkschaft vom 22. Mai zum gleichen Gesetzentwurf. Sie erscheint uns als durchaus sehr lesenswert, Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler im Original, wie zum Beispiel im Titel, haben wir beibehalten.

- Während die Vertreter der Bundes-FDP noch markige Worte über den gewalttätigen Mob an der 1. Mai-Demo in Berlin äußern, weichen ihre Parteifreunde in München das Versammlungsgesetz auf und machen damit den Weg für gewaltbereite Chaoten frei. Das ist für Hermann Vogelgsang, Erster Stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), in Zeiten zunehmender Gewaltbereitschaft nicht nachvollziehbar. "Ich halte diese Aufweichung des Versammlungsrechtes für ein völlig falsches politisches Signal an all diejenigen, die nicht willens sind friedlich ihr Recht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch zu nehmen", stellte Vogelgsang enttäuscht fest.

Die Abqualifizierung des Straftatbestandes der Vermummung zu einer Ordnungswidrigkeit und damit zu Verwaltungsunrecht ist für seine Gewerkschaft "schlichtweg eine Katastrophe". Vogelgsang dazu: "Keiner soll sagen, wir hätten die Folgen nicht aufgezeigt und gewarnt. Die Verantwortung werden diejenigen tragen müssen, welche für den vorgelegten Gesetzentwurf stimmen!" Dass der bayerische Gesetzgeber nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar dieses Jahres handeln musste ist unbestritten. Dass dabei aber durch den Vorstoß der Liberalen gewaltbereiten Chaoten in die Hände gespielt werden soll, entsetzt nicht nur die Polizeigewerkschaft, sondern auch zahlreiche Polizeibeamtinnen und -beamte, die als Einsatzleiter oder Einsatzkräfte den Liberalisierungswahn der FDP künftig ausbaden müssen.

Dass das Bundesverfassungsgericht die Strafandrohung des Vermummungsverbotes kritisiert haben soll, ist für Vogelgsang weder aus dem Urteil noch der Begründung dazu ersichtlich. Warum trotzdem hier plötzlich politischer Handlungsbedarf bestanden haben soll, ist für ihn nicht erklärbar." Am Vermummungsverbot und der damit verbundenen Strafandrohung haben sich bislang noch nicht einmal die Bündnisgrünen gestört.", stellt der Gewerkschaft-Vize fest. "Wer sich friedlich und ohne Waffen versammeln will, braucht dazu keine Vermummung. Die Erfahrung zeigt, wer sich vermummt ist gewaltbereit, zumeist auch gewalttätig, schmeißt Flaschen und Steine auf Polizeibeamte und Schaufensterscheiben, errichtet Barrikaden und zündet Fahrzeuge an. Die Vermummung dient gewaltbereiten Chaoten zur Verschleierung ihrer Identität und nichts Anderem.", sagte Vogelgsang.

Wenn es bei der Abstufung des Vermummungsverbotes zu einer Ordnungswidrigkeit bleiben sollte, befürchtet Vogelgsang eine Aufweichung der bisher erfolgreichen Einsatzphilosophie Bayerns. "Kein bayerischer Polizeibeamter wird wegen einer Ordnungswidrigkeit einen Demonstrationsaufzug mit Vermummten mehr stoppen. Der Rechtseingriff und die damit verbundenen Gefahren für die Einsatzkräfte und Unbeteiligte stehen in keinem Verhältnis zur angedrohten Ordnungswidrigkeit."

Der "Schwarze Block" werde künftig viel öfter durch bayerische Strassen marschieren, bevor sich ein Polizeiführer vorwerfen lassen muss, "nur" wegen der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit eine Auseinandersetzung provoziert zu haben. Die Folge ist für die DPolG klar: Viel mehr gewalttätige Demonstrationen in Bayern nach dem Vorbild von Hamburg und Berlin. "Meinen und den Dank aller polizeilichen Einsatzkräfte an die FDP für ihre besondere Chaotenfreundlichkeit!", sagte Vogelgsang verbittert.

Vogelgsang stört auch, dass die geplante bayerische Regelung liberaler sein soll, als die des Bundes. Die Ungleichbehandlung bei Versammlungen würde damit besonders deutlich. Für den Verstoß gegen das Vermummungsverbot erwartet den Täter in Bayern zukünftig eine Geldbuße bis zu maximal 3.000,- Euro. In allen anderen Bundesländern droht dem Demonstranten für die gleiche Handlung eine Strafanzeige. "Damit ist ein Tourismus von Veranstaltungsrandalierern nach Bayern vorprogrammiert. Offensichtlich will die FDP auch hier die Konjunktur ankurbeln.", stellt Vogelgsang ernüchtert fest. "Der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion war doch noch bis vor kurzem als Jurist bei einem Landratsamt tätig. Hat er in so kurzer Zeit schon den Realitätsbezug verloren oder ist er ein Liberalisierungsfanatiker um jeden Preis?"

Neben der Frage der Verfolgung des Vermummungsverbotes kritisiert die DPolG auch die veränderten Regelungen zur Fertigung von Video- und Fotoaufnahmen und deren Speicherungsdauer. Angesichts solcher Vorgaben für die Polizei werden künftig die Chaoten entweder gar nicht mehr erfasst oder spätestens bei der Auswertung des Bildmaterials durch Zeitverzug straffrei ausgehen. "Angesichts sinkenden Personals und steigender Veranstaltungszahlen kommen Einsatzkräfte mit der Auswertung ihres Bildmateriales in den künftig vorgegebenen Zeitrahmen nicht mehr nach.", stellt Vogelgsang emotionslos fest. Abschließend forderte Vogelgsang die bayerische Regierungskoalition eindringlich auf, ihren Gesetzentwurf in den kritisierten Punkten noch einmal zu überdenken. "Es ist noch nicht zu spät, um eine entsprechende Änderung vorzunehmen.", sagte er. Zugleich kündigte er an, dass sich die DPolG Bayern in einem Schreiben an die im bayerischen Landtag vertretenen Parteien wenden wird, um eine sachgerechte Lösung für die Polizei aber auch die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.

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INTERNATIONALES

"Ich will selbst die Kontrolle über mich und mein Leben haben"

Eindrücke aus dem Knast

Wir dokumentieren hier einen persönlichen Bericht von einem anonymen Gefangenen im Knast in Frankreich. Er berichtet ohne Anspruch auf Vollständigkeit, von den Haftbedingungen, wie er sie erlebt, von der Wirkung der Überwachung, von besonderen Erlebnissen und von der Kraft gegenseitiger Hilfe und Solidarität.

- Gottesdienst. Ein großer Raum, "Mehrzwecksaal" genannt, ohne Fenster und mit grauem Stoff an der Decke, den man kaum von dem vielen Staub unterscheiden kann. Dicke, eckige Lüftungsrohre gehen durch den Raum, aber den Lärm der Lüftungsanlage hat man schnell wieder vergessen. An den Wänden einige Stücke naiver Kunst, von Gefangenen gebaut, gebastelt oder gemalt - die bringen etwas Farbe in den Raum.

Drei oder vier Stuhlreihen stehen im Halbkreis um den Altar. Etwa vierzig Gefangene sind da: Vorn links sitzen die älteren weißen Männer aus der so genannten "Kinderficker-Etage", dann die Schwarzen, die Russen, die Deutschen, die jugendlichen Elsässer. Die größte Gruppe der Gefangenen fehlt hier beim christlichen Gottesdienst: die überwiegend arabischstämmigen Banileu-Bewohner.

Es ist eine der wenigen Gelegenheiten, Gefangene aus anderen Abteilungen zu treffen. Da reicht die Zeit vor und nach dem Gottesdienst nicht zum Quatschen - die ganze Zeit gibt es viel Wichtigeres zu bereden, zumindest unter denen, die sich schon extra in die letzte Reihe setzen. Die ersten Male habe ich mich noch über die Abwechslung gefreut: ein neuer Raum, andere Menschen, Französisch hören und dabei was lernen. Aber je mehr ich verstehe und je öfter ich in dem fensterlosen Raum mit den Neonröhren an den Wänden sitze, desto mehr kotzt mich alles an. Allein schon, dass ich hier sitzen und zuhören muss. Ich könnte ja auch in der Zelle bleiben, aber dort verbringe ich ja schon zwanzig Stunden am Tag. Der Pastor sagt, das Gefängnis sei eine Probe, die Gott uns gestellt habe, und dass Gott uns in schweren Zeiten wie dieser am nächsten sei. Als wären es nicht Menschen gewesen, die uns hier hereingebracht haben: Vertreter der Justiz, die seit Sarkozy noch repressiver und rassistischer ist, und überhaupt eine Gesellschaft, der nichts Besseres einfällt, als zehntausende Menschen wegzusperren, statt sich mit wirklichen Problemen und Ursachen auseinander zu setzen. Wenn ich so darüber grüble und mich ärgere, kann ich mich richtig hineinsteigern und tue damit sicher vielen Christen unrecht. Aber die Rolle der Kirche hier im Knast kann ich nur als Mittel zur Herrschaftssicherung verstehen - die Botschaft: Ihr müsst alles hinnehmen und für eine bessere Zeit beten. Gott will es so, dass ihr arm seid. Hauptsache, ihr tut nichts Verbotenes, auch wenn ihr sonst kaum Chancen habt.

Ich will selbst die Kontrolle über mich und mein Leben haben. Ich will weder von einer Justiz gerichtet, noch von einem Gott "auf die Probe gestellt" werden. Aber was sind denn hier die Möglichkeiten, das eigene Leben in die Hand zu nehmen? Hier, wo alles kontrolliert und Bewegung extrem eingeschränkt wird? Hungerstreik? Führt wahrscheinlich zur Zwangsernährung und schwächt den Körper noch mehr, als es der Bewegungsmangel schon macht. Sogar die Kontrolle über den eigenen Körper könnte man dadurch noch verlieren. Aufstand? In einem anderen Knast haben sich die Gefangenen neulich geweigert, nach dem Hofgang wieder in die Zellen zu gehen. Nach wenigen Stunden kamen die Spezialbullen von der Knastaufstands-Bekämpfungs-Einheit "Eris" und prügelten alle rein. Die angeblichen Anführer wurden verlegt oder kamen in den "Bunker" (d.h. Einzelhaft in einem feuchten Keller für eine bestimmte Zeit). Ausbruch? Mauern, Zäune, NATO-Draht, Kameras, Wachtürme - so viele Hindernisse, dass es aussichtslos erscheint ...

Der Gottesdienst ist vorbei und ich schrecke hoch aus meinen Grübeleien. Wir quatschen noch ein bisschen, aber bald müssen wir raus. Auf dem Weg zurück in die Zelle gibt es vier Gittertüren zu überwinden: Vor jeder Tür steht man eine Weile, manchmal muss man vor einer Kamera herumfuchteln, bis in einer unsichtbaren Zentrale jemand auf einen Knopf drückt und sich die Tür mit einem metallenen Knacken entriegelt. Auf der heimatlichen Etage wartet die Schließerin oder der Schließer des Tages und schließt uns ein. Am Anfang habe ich oft "Danke" gesagt, ohne darüber nachzudenken, als würde mir jemand aus Freundlichkeit die Tür aufhalten. So schnell war es "normal", eingeschlossen zu werden. Oder so sehr habe ich mir vielleicht eine gewisse "Normalität" gewünscht, die sich in so kleinen Gesten ausdrückt. Auf einer Augenhöhe sein, sich gleichberechtigt gegenüberstehen - Tür aufhalten - "Danke!"

Wieder in der Zelle. Zwei Menschen auf acht Quadratmetern, zwanzig Stunden am Tag. Essen, Toilette, Sport, Lesen, Schreiben, Wäsche waschen, Schlafen, alles auf diesen acht Quadratmetern. Zwei Meter breit, vier Meter lang. In der Tür ist ein kleines Guckloch, in dem abends in regelmäßigen Abständen ganz kurz das Auge eines Schließers auftaucht. Am anderen Ende der Zelle ist das Fenster, groß und breit, mit doppeltem Gitter. Ein grobes Gitter, ungefähr so, wie man es sich vorstellt. Davor ist noch ein feineres, engmaschiges Gitter, durch das man gerade so zwei Finger hindurch stecken kann. Wenn man zur Tür hereinkommt, sind rechts zwei Schränke, auf der linken Seite Waschbecken und Klo. Eine Wand aus Glassteinen schirmt die Toilette optisch ab vom Doppelstockbett aus Metall. Zwei kleine Tische, zwei Stühle, ein Fernseher. Mehr passt auch gar nicht in die Zelle. Mein Mitbewohner ist nett, ich mag ihn sehr. Oft ist es schön, zu zweit zu sein. Gemeinsam essen, über Gott und die Welt reden, sich austauschen über Briefe und anderes, lästern über die Justiz oder rumblödeln ... Aber zwanzig Stunden am Tag? Nur wenn wir beide im Bett liegen, sehen wir uns nicht, oder wenn einer von uns auf der Toilette sitzt. Jede Bewegung des anderen kriegt man mit. Man kann kaum weggucken, man muss sich fast schon beobachten. Nur selten bin ich mal allein, und nie länger als zwei Stunden. Dann merke ich erst wieder etwas, das ich sonst verdränge. Dass man sich des Alleinseins hier nie sicher sein kann. Ständig höre ich Schritte und Schlüsselklappern auf dem Flur oder das Klappern und Quietschen der Gittertür, die zum Treppenhaus führt. Unvermittelt steht ein Schließer in der Zelle, um das Gitter zu kontrollieren oder Briefe zu bringen. Man kann einen Zettel mit der Aufschrift "Toilette" unter der Tür hindurch schieben, dann kommt erst mal niemand rein, oder klopft wenigstens. Natürlich denke ich über die Überwachung und Kontrolle nicht die ganze Zeit nach. Ich vergesse es einfach, verdränge es, es ist Alltag geworden, "Normalität" Es fühlt sich dann auch nicht besonders schlimm an, hier zu sein. Wahrscheinlich ist die Verdrängung ein wichtiger Selbstschutz würde ich immer an die Überwachung denken, wäre ich vielleicht schon verrückt geworden.

Wie viele andere Menschen, die in Zwangsverhältnissen stecken, tröste auch ich mich damit, dass alles noch viel schlimmer sein könnte. Das stimmt ja auch, immerhin haben wir genug zu essen, ein Dach über dem Kopf, es ist mehr oder minder sauber, es gibt ein paar Aktivitäten, wie Sport und Schule... Vielen Menschen auf der Welt geht es weitaus beschissener auch ausserhalb von Knästen. Aber das ist natürlich kein Grund, sich mit schlechten Verhältnissen abzufinden.

Mit die schönsten Dinge sind die Briefe. Manchmal mit Bildern und Fotos, aber vor allem mit Geschichten, mit Infos, mit Fragen, oft voll Rückhalt, Vertrauen, Liebe. Das hilft sehr, genauso das Antworten. Zum Glück habe ich viele schöne Erinnerungen, viele Menschen, an die ich gern denke. Ideen für die Zukunft. Bücher und Zeitschriften sind auch sehr wichtig für mich: viele Anregungen und Ideen zum "Weltverändern", Bücher, die ich schon lange lesen wollte, und ein Thema, das erst hier interessant geworden ist: das Wegsperren von Menschen.

Ein Knacken im Lautsprecher über der Tür: "Für den Hofgang bitte Knopf drücken!" Manchmal ist die Stimme kaum zu verstehen, aber es gibt kaum andere Durchsagen. Einer von uns beiden springt auf und drückt auf den Knopf, draußen über der Tür geht eine rote Lampe an. Wir machen uns schnell fertig: Man weiß nicht, wie schnell sie kommen. Oft sitzen wir noch lange herum, bevor es wirklich losgeht. Auf dem Flur müssen wir neben den Türen an der Wand warten. Nach ein paar Minuten heißt es "Los!". Händeschütteln auf dem Gang mit Freunden und Bekannten: "Hallo, wie geht's?"- "Geht so. Und dir?"- "Ja, wie immer halt. Normal."... Es geht in der Meute die Treppe hinunter, gefolgt von den Wächtern. Unten durch einen Metalldetektor und ins Freie. Zwischen Mauern mit Stacheldraht gehen wir durch einen Gang zu den Höfen. Links ist "unser" Hof. Wenn alle drin sind, wird die Tür abgeschlossen - erst nach etwa anderthalb Stunden geht sie wieder auf. Unser Hof hat eine Wiese, noch ist sie grün. Eine Runde auf dem Schotter dauert ungefähr hundertfünfzig Schritte: Fünfzig, fünfundzwanzig, fünfzig, fünfundzwanzig, dann wiederholt es sich. An der Seite steht ein Blechdach zum Schutz vor Sonne und Regen, gestützt auf Betonsäulen. Ein Wasserhahn an der Wand tropft immer. Auf dem Weg zum Gulli ist etwas entstanden, das wir unser Feuchtbiotop nennen. Immerhin eine kleine Abwechslung: einmal pro Runde der Schritt über den kleinen Wasserlauf. Zeitungen fliegen umher oder vermodern langsam im Wasser. Mülleimer gibt es nicht. Die Betonmauer rund um den Hof ist etwas über zwei Meter hoch, darauf sind noch mal knapp zwei Meter Zaun, mit einem Überhang zu unserer Seite. An diesem Überhang hängt so genannter Nato-Draht, das sind Stacheldrahtrollen von etwa achtzig Zentimetern Durchmesser. Die Metallbänder darin stehen unter Spannung und sind besetzt mit kleinen Klingen und Widerhaken. Auf drei Seiten überragt das Hauptgebäude des Knastes die Mauern. Ein fünfstockiger Betonklotz in Plattenbauweise, der vom Hof wie eine Festung aussieht. Über der Mauer an der vierten Seite des Hofes thront ein Wachturm.

"ICH VERGESSE ÜBERWACHUNG UND KONTROLLE EINFACH, VERDRÄNGE ES, ES IST ALLTAG GEWORDEN, 'NORMALITÄT'"

Oft klettern Gefangene soweit an der Mauer hoch, dass sie auf einen der anderen Höfe hinübergucken und -brüllen können. Der Wächter im Turm ignoriert das meistens, aber manchmal wird derjenige auch rausgeholt. Über den Höfen sind Drahtseile gespannt, um Befreiungen per Hubschrauber zu erschweren.

Manchmal ist es schön, den Himmel zu betrachten: vorbeiziehende Wolken, Sonne, ein paar Vögel. Wenn es mal regnet, dann ist das auch ein richtiges Erlebnis. Irgendwie eine Art Beweis dafür, dass wir noch auf der Welt sind.

Wenn ich die Regentropfen spüre, merke ich, dass dieses seltsame Raumschiff, dieser von der Außenwelt abgeschnittene Knastkomplex, doch auf der Erde steht ... Wenn ich auf dem Hof herumgehe, kommt es mir vor, als wäre ich in ein Zeitloch gefallen, als ich hierher kam. Die ersten Tage vor drei Monaten scheinen eine Ewigkeit her zu sein. Andererseits hat sich seitdem kaum etwas geändert. Was passiert ist, das Wenige, das aus dem Alltag herausragt, lässt sich kaum zuordnen: Es könnte gestern gewesen sein, letzte Woche oder vor einem Monat. Und auch morgen, nächste Woche oder nächsten Monat wird nicht viel anderes passieren. Die einzelnen Tage vergehen meistens schnell, schnell ist auch wieder eine Woche um. Aber es ist nur eine von vielen, die schon vorbei sind und die noch kommen.

Auf dem Hof sind mal zwanzig Gefangene, mal vierzig. Sie stehen herum, rauchen, quatschen, sitzen unterm Blechdach oder auf der Wiese, spielen Schach oder Karten oder gehen im Kreis, die hundertfünfzig Schritte weit, immer rechts herum. Selten geht jemand in die andere Richtung, und auch nur, wenn nicht so viele andere unterwegs sind, damit man sich nicht ständig ausweichen muss. Eine Gruppe, die in der Ecke stand, hat mich einmal darauf angesprochen: "Hier geht man so lang rum, du gehst falsch rum, erklärten sie mir. Ich konnte es kaum glauben. "Das ist gut für den Kopf, mal was anderes zu machen", versuchte ich zu erklären. Weiß aber nicht, ob sie es verstanden haben.

Plötzlich ist es mitten am Nachmittag ganz dunkel geworden in unserem Zimmer (so nenne ich die Zelle oft, um es mir selber schönzureden). Wir sind im obersten Stockwerk und durch das Gitter kommt eigentlich eine Menge Licht. Aber diesmal ist es plötzlich dunkel. Riesige schwarze Wolken sind aufgezogen und mit einem Mal platzen sie. Der Regen prasselt auf den Hof und wird an die Mauern gepeitscht, es blitzt und donnert. Wir drücken die Nasen gegen das Gitter, um das Spektakel zu beobachten. Hunderte Zellenfenster schauen von drei Seiten auf den gleichen Hof. Jedes Fenster liegt in einer Art Nische - das lässt die Fassade so aussehen wie eine riesige Bienenwabe aus Beton. Durch diese Architektur sind die Fenster voneinander getrennt und man muss sehr laut brüllen, um sich von Fenster zu Fenster verständigen zu können. Die Stimmen werden vom Echo verzerrt und erzeugen eine ganz eigenartige Atmosphäre. An diesem Nachmittag platzt nicht nur der Himmel und ein gewaltiges Gewitter bricht los. Es erhebt sich auch ein wildes Heulen aus dutzenden Kehlen, das immer stärker wird, immer mehr Gefangene steigen mit ein. Manche klingen wie Hirsche, Bären oder Wölfe, andere schreien "Ajajaj!", oder man kann sie einfach nicht beschreiben. Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht peinlich berührt beiseite geguckt, wenn ich jemanden so schreien gehört hätte. Aber diesmal würde ich am liebsten selber schreien, anschreien gegen das Gewitter und gegen den Knast. So vieles klingt da mit in diesem Gebrüll: Verzweiflung; Wut; Lust am Leben, der Wunsch, sich frei bewegen zu können, der Hass auf den Knast, auf die Justiz und auf alles, was uns hierher gebracht hat. Die Sehnsucht nach Menschen, die wir nicht sehen dürfen. Vor allem spüre ich eine Verbundenheit. So ein Gefühl, mit all den anderen, die da schreien oder nur stumm lauschen, im selben Boot zu sitzen, das gleiche Schicksal zu teilen, Ähnliches zu fühlen. Der Regen prasselt und schlägt gegen die Mauern, Blitze zucken, Donner rollen, die Stimmen überschlagen sich, Menschen trommeln an die Gitter oder hämmern auf die Heizungsrohre ...

"WENN ES MAL REGNET, DANN IST DAS AUCH EIN RICHTIGES ERLEBNIS. IRGENDWIE EINE ART BEWEIS DAFÜR, DASS WIR NOCH AUF DER WELT SIND"

Ein paar Freunde, mit denen man über fast alles reden kann, sind echt was wert, gerade hier im Knast. Immer dieselbe Handvoll Menschen kann einem auch mal auf den Keks gehen, das ist ja kein Wunder. Aber ohne Freunde hier wäre es schlimm, ich will es mir gar nicht vorstellen. Wir quatschen viel, machen zynische Witze über die Justiz und tauschen Neuigkeiten aus, spielen Doppelkopf, führen Smalltalk mit anderen Gefangenen und geben uns Süßigkeiten oder Briefmarken weiter. Manchmal reden wir auch über Pläne für die Zukunft, das macht Freude: Reisen, in die Berge oder ans Meer. Freundinnen und Freunde wiedertreffen. Durch die Stadt oder durch den Wald spazieren und immer weitergehen können - ohne Mauern, ohne Stacheldrahtrollen. Auch größere Pläne kommen vor: Wie kann der Weg in eine Gesellschaft aussehen, in der Knäste überflüssig sind? In der Menschen ihre Interessen und Fähigkeiten ausleben und einbringen können und die Bedürfnisse von allen bestmöglich befriedigt werden? Eine Gesellschaft, in der Menschen ihr Leben selbst gestatten und mitbestimmen können, was um sie herum passiert?

Einiges hätte ich noch zu erzählen, zum Beispiel vom ersten Mal auf dem Sportplatz, nach knapp einem Monat im Knast: weiter Blick, weiter Himmel, der monströse Knastkomplex hundert Meter weit weg, am Rand Blumen und hohes Gras ... Oder von der Zwiespältigkeit der Besuche könnte ich erzählen: Freude und Aufregung, Verbindung nach draußen, Kraft und Mut, aber auch viel Sehnsucht, hinterher, wenn mir altes dort draußen noch weiter weg vorkommt, was für zwei Stunden plötzlich so nah war.

Wenn ich noch einmal lese, was ich geschrieben habe, merke ich, wie viel fehlt. Es ist ja auch klar, dass sich monatelanges Knastleben nicht auf wenigen Seiten vollständig beschreiben lässt. Meine Stimmung geht auf und ab und dabei ändern sich auch meine Gedanken und Einschätzungen. Mehr als ein paar kleine Einblicke in mein persönliches Erleben kann ich hier nicht geben. Vor allem bin ich mir nicht sicher, ob deutlich wird, wie wichtig gegenseitige Hilfe und Vertrauen sind und die Solidarität untereinander und von außen. Es ist gut und wichtig zu wissen, dass ich hier nicht vergessen werde, dass wir nicht allein sind. So unterstützt kann man schon einiges durchstehen. Neulich beim Hofgang war da mal ein bunter Haufen Leute auf einem Dach gleich hinter der Knastmauer. Sie haben gewunken und gerufen, ein Transparent ausgerollt und Sprechchöre gebrüllt - es war Wahnsinn. Ich wusste gar nicht, was ich machen sollte, außer ein bisschen winken. Da waren plötzlich Mensch von draußen, gar nicht weit weg von uns und von allen drei Höfen auf dieser Seite des Knastes gut zu sehen. Auf dem Hof gerieten alle in Aufregung, brüllten herum und versuchten, das Transparent zu entziffern. Nach einer Viertelstunde war der Spuk schon wieder vorbei, die Leute auf dem Dach winkten ein letztes Mal und gingen nach Hause. Aber die Erinnerung daran ist noch lebendig.

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INTERNATIONALES

"Außer bei Unterstützern und Freunden gibt es kein weitergehendes Interesse"

Zu den Prozessen nach dem Nato-Doppelgipfel im April führte die Ortsgruppe Dresden der Roten Hilfe e.V. ein Interview mit der Soligruppe Dresden.

Schon direkt nach den Protesten gab es mehrere Schnellverfahren gegen Nato-Gegner. Was waren die Vorwürfe, und wie liefen die Verfahren ab? Welche Urteile wurden verhängt?

Die Vorwürfe reichten bei den drei deutschen Angeklagten von Zusammenrottung, dem Mitführen von waffenähnlichen Gegenständen (in diesem Fall Kategorie 6, die von einer Gabel bis zu einem Armierungseisen alles beinhaltet) und der Beteiligung an einer nicht angemeldeten Kundgebung (die so nicht stattfand). Weiterhin wurde den Angeklagten die Organisierung in einer internationalen, kriminellen Vereinigung (Black Bloc) vorgeworfen. Diese Zugehörigkeit wurde versucht aufgrund bestimmter Kleidungsstücke herzustellen. Wieder einmal wurde versucht eine Vereinigung zu konstruieren, die natürlich so nicht existent ist. Die Festnahmen fanden in einem Wald beziehungsweise fernab des Geschehens statt.

Wie es Schnellverfahren eigen ist, gab es weder eine Beweisaufnahme noch die Möglichkeit zur Strafverteidigung. Die Vorführung der Angeklagten passierte in Fesselung und protestierende Beobachter/-innen wurden brutal geräumt. In zwei Fällen gab es Schnellurteile zu je sechs Monaten Haft und drei Jahren Einreiseverbot. Ein weiterer Angeklagter wurde wegen des Besitzes eines Klappspatens zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt.

Die Betroffenen sind gegen diese Urteile in Revision gegangen. Wie ist der aktuelle Stand der Verfahren?

Zwei der Betroffenen der Schnellverfahren sind in Berufung gegangen. Die Prozesse dazu sind auf den 29. Juli beziehungsweise den 5. August gelegt worden. Die Prozesse werden in Colmar stattfinden, wo das Gericht eher als konservatives, rechtes bekannt ist. In dem Zusammenhang ist auf das französische Rechtssystem hinzuweisen, das den Gerichten ermöglicht, in einem Berufungsverfahren der Angeklagten strafmaßerhöhend zu urteilen. Ein weiterer Angeklagter, der das Schnellverfahren abgelehnt hat, wurde am 5. Mai zu sechs Monaten verurteilt. Auch er legte dagegen Rechtsmittel ein. Der Termin hierfür ist noch unbekannt.

Auch in den folgenden Wochen gab es noch mehrere Prozesse. Kannst du uns einen kurzen Überblick über die Vorwürfe und Urteile geben?

Am 5. Mai und am 12. Mai fanden Prozesse gegen jeweils einen Franzosen statt wegen Waffenbesitzes beziehungsweise Reichen eines Feuerzeugs. Einer von ihnen bekam zwölf Monate.

Seit dem 4. April saßen drei Leute aus Tours in U-Haft. Auch sie hatten ein Schnellverfahren abgelehnt. Sie wurden von einem Supermarktwächter denunziert, weil sie Wischtücher, Taucherbrillen und Terpentin gekauft hatten. Mit dem Prozess am 5. Mai wurden sie wegen Verfahrensfehlern aus der U-Haft entlassen. Am 22. Juni dagegen wurden sie in einem zweiten Prozess zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Außerdem sitzen noch zwei Leute aus Rostock in U-Haft. Ihnen wird unter anderem Brandstiftung vorgeworfen. Termine für diese Prozesse stehen noch nicht fest. Bei beiden fanden Hausdurchsuchungen statt, wo nach Hinweisen auf die Gipfelteilnahme gesucht worden war.

Wie wurde das Verfahren in der Presse wahrgenommen, beziehungsweise wie ist die Resonanz in der Linken?

In Deutschland wurde, bis auf einige wenige Artikel in einschlägig bekannten (linken) Zeitungen, keine Notiz von den in Haft befindlichen Nato-Kritiker/-innen genommen. Die französische Presse schloss sich den Ankündigungen Sarkozys nach harter Bestrafung der Festgenommenen an und reduzierte die Proteste auf unreflektierte Gewaltausbrüche ohne politischen Anspruch. Innerhalb der Linken scheint die Situation der Nato-Gefangenen bekannt zu sein. Wir haben aber die Befürchtung, dass außer bei den Unterstützer/-innen und Freund/-innen kein weitergehendes Interesse vorhanden ist. Im Grunde genommen also das Übliche ...

Wie sehen die Haftbedingungen der Gefangenen aus?

Bis auf eine Person sitzen alle "deutschen" Gefangenen in einem Block. Die Gefangenen haben beim Hofgang beziehungsweise Gottesdienst die Möglichkeit, sich auszutauschen und zu unterstützen. Der Umgang der Nato-Gefangenen miteinander ist sehr solidarisch.

Für deutsche Aktivisten ist die Verteidigung innerhalb eines anderen Rechtssystems und in einer Fremdsprache extrem schwierig. Kannst du dazu etwas sagen?

Das eigentliche Problem ist nicht die fremde Rechtslage, da sich die wenigsten selbst mit dem deutschen Rechtssystem auskennen. Das Problem ist mit der Situation klarzukommen, plötzlich im Knast zu sitzen. Sprachliche Barrieren erschweren dies zusätzlich.

Gibt es besondere Komplikationen für Strukturen und Einzelpersonen innerhalb der Soliarbeit?

Soliarbeit kann einen vor spezielle Situationen stellen. Anstrengend ist auf jeden Fall der unterschiedliche Informationsstand der einzelnen Soligruppen sowie auch die Zusammenarbeit mit den Angehörigen. Letztere geht von Ablehnung über Unsicherheit bis zu aktiver Zusammenarbeit. Was für uns vor allem schwierig ist, ist die schlechte bis fehlende Kommunikation mit den Anwälten. Dies beklagen auch die Gefangenen. Das ist aber nicht auf sprachliche Barrieren zurück zu führen. Die Gründe für die schlechte Zusammenarbeit sind uns selbst nicht ganz klar. Die schriftliche Kommunikation mit den Gefangenen verläuft relativ reibungslos. Das heißt aber nicht, dass es hier nicht auch zu Missverständnissen, Gerüchten und falschen Informationen kommt.

Inzwischen gab es zahlreiche Soliaktionen und Proteste, zum Beispiel vor der französischen Botschaft. Wie läuft die Soliarbeit insgesamt?

Die Soliarbeit wird nicht vereinfacht durch die örtliche Streuung der Strukturen. Die Kommunikation an sich läuft aber relativ gut. Die strukturelle Unterstützung der Gefangen ist bis auf wenige Ausnahmen als gut zu bezeichnen. Hingegen ist es uns (noch) nicht gelungen eine Kampagne anzustoßen, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen politischen Themenfeldern wie Repression, Nato, Festung Europa und so weiter knüpft.

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INTERNATIONALES

"Sehr hohe Erfolgsquote"

Subjektive Zusammenfassung eines Anwalts vom Anwaltlichen Notdienst anläßlich des Nato-Gipfels 2009

Rechtsanwalt Harald Schandl, Freiburg

- Die beiden Ermittlungsausschüsse, die zum französisch-deutschen Nato-Gipfel Anfang April in Strasbourg und in der Region Baden-Baden/Kehl auf beiden Seiten des Rheins koordiniert aktiv waren, waren auf der deutschen Seite durch einen anwaltlichen Notdienst (AND) ergänzt.

Die im Vorfeld entwickelte Struktur des AND zielte darauf ab, dem massiv aufgerüsteten Staatsapparat, der auf deutscher Seite mit gut 15.000 angekarrten Polizisten, mit Sonderverordnungen zur staatlichen Konzentration im Versammlungsrecht und mit umfassend entwickelten Strukturen in der Justiz ein übermächtiges Bedrohungscenarium entwickelt hatte, einen möglichst effektiven Rechtsschutz für potenzielle Demonstranten entgegenzusetzen.

Das zuständige Oberlandesgericht hatte vorab durch eine juristisch unter unterschiedlichen Gesichtspunkten zumindest zweifelhafte Entscheidung eine Justizkonzentration für Freiheitsentziehungsverfahren ermöglicht, die exakt der von der Exekutive an Schlüsselorten massiv ausgebauten Haftplatzkapazität entsprach. Nachdem entsprechend mehr als ein Dutzend Richter vorübergehend an diese voraussichtlichen Schlüsselorte abgeordnet worden war, schien die Voraussetzung geschaffen, um ein effektives und eng verzahntes Ineinandergreifen der Gewalten in den Freiheitsentziehungsverfahren rund um den Nato-Gipfel zu ermöglichen. Der AND richtete seine Vorbereitung genau darauf aus, bei solchen Freiheitsentziehungsverfahren umfassend aktiv werden zu können und als effektive Kontrollinstanz möglichst viele Freiheitsentziehungsverfahren verhindern zu können.

Freiheitsentziehungsverfahren gab es dann aber nur zu Beginn des Nato-Gipfels. Genau drei präventive Festnahmen hat die Bundespolizei vorgenommen. In jedem der drei Fälle war eine AND-Anwältin in der für eine Freiheitsentziehung zwingend vorgeschriebenen Gerichtsverhandlung dabei. Alle drei Verfahren endeten mit der sofortigen Freilassung der Betroffenen.

Der Schwerpunkt des Nato-Gipfels lag in Strasbourg. Auch die Proteste haben sich dort konzentriert. Eine massive Vorfeldrepression und die Allgegenwart tausender Sicherheitskräfte scheint die Ansätze intensiver Proteste auf der deutschen Seite des Rheins so stark zurückgedrängt zu haben, dass seitens der Bundespolizei offensichtlich auf die Nutzung des Systems der vorsorglichen Freiheitsentziehung verzichtet wurde.

Potenzielle Demonstranten und der AND waren vielmehr plötzlich mit massenweisen Ausreiseverboten konfrontiert, also damit, dass den Betroffenen die Ausreise nach Frankreich für die Dauer der Nato-Gipfelkonferenz versagt wurde. Über den Ermittlungsausschuss und das Internet konnte eine Vielzahl von Betroffenen die vom AND kurzfristig ins Netz gestellten Rechtsmittelmuster nutzen und es gab ab Mittwoch, 1. April, eine Vielzahl von Widerspruchsverfahren gegen Ausreiseverbote.

Zu den zusätzlich bei den Verwaltungsgerichten eingereichten Eilrechtsschutzanträgen gingen dem AND bis Samstag, 4. April, immerhin 50 Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu, die alle positiv waren, also vorläufig die Ausreise gestatteten. In mindestens zwölf Fällen legte die Bundespolizei noch Rechtsmittel gegen die Gerichtsbeschlüsse ein, wobei das zuständige Oberverwaltungsgericht, der VGH Baden-Württemberg, bis zum Samstag in neun Fällen Rechtsmittelentscheidung traf. Ein Drittel der Entscheidungen war positiv. In den anderen Fällen war das Ausreiseverbot wieder in Kraft gesetzt worden, was gegenüber den Betroffenen, die nach der erstinstanzlichen Entscheidung sogleich ausgereist waren, ins Leere ging. Nur das Verwaltungsgericht Neustadt traf drei weitere Eilentscheidungen, wobei zwei Ausreiseverbote bestätigt wurden.

Zum Nato-Gipfel konnte der AND also eine sehr hohen Erfolgsquote aufweisen: Alle drei Freiheitsentziehungsverfahren und die ganz überwiegende Zahl. der Ausreiseverbote wurden ganz oder vorübergehend zu Gunsten der Betroffenen entschieden, so dass die Beteiligten im Ergebnis eine positive Bilanz ziehen können. Wobei festzustellen bleibt, dass den beteiligten Anwälten die "Feuerprobe" des Einsatzes nach massenhaften Präventivfestnahmen erspart blieb.

Die bisherigen Verwaltungsgerichtsentscheidungen und deren Begründungen geben guten Grund zur Hoffnung, dass die rigide Ausreiseverbotspraxis der Exekutive in den nun folgenden Klageverfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfahrensweise der Bundespolizei deutlich in die Schranken gewiesen werden kann, so dass bei zukünftigen grenznahen Protesten eventuell auf eine gefestigte Rechtsprechung, die Ausreiseverbote in den allermeisten Fällen gerade nicht mehr zulässt, zurückgegriffen werden kann.

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INTERNATIONALES

Bericht der OG Magdeburg zur internationalen Prozeßdelegation nach Stuttgart-Stammheim

Am 7. Juli 2009 reisten einige Menschen der Ortsgruppe Magdeburg nach Stuttgart, um dort den Prozeß gegen fünf revolutionäre Linke nach § 129b zu beobachten. Im Folgenden ihr Bericht

Internationale Klassensolidarität muss praktisch werden!

- Seit dem 17. März 2009 läuft in Stuttgart-Stammheim ein Prozeß gegen fünf migrantische Linke nach dem Paragrafen 129b. Es ist der erste 129b-Prozess gegen revolutionäre Linke seit der Einführung des Paragrafen im Jahre 2002. Den Angeklagten wird neben der Mitgliedschaft in der DHKP-C (Volksbefreiungspartei/Front) Waffenschmuggel, Besuch von Schulungen/Infoveranstaltungen, Sammeln von Spendengeldern etc. ... vorgeworfen. Die DHKP-C gibt es seit 1994 und sie ist die Nachfolgeorganisation der Devrimci Sol (Revolutionäre Linke). Seit 1998 ist die Organisation in der BRD verboten und seit 2002 steht sie auf den Terrorlisten von EU und USA. Mit diesem Verfahren wird versucht, den § 129b zu etablieren.

Die Etablierung des Paragrafen bedeutet die Aushebelung elementarer Grundrechte wie beim § 129a. Der § 129b macht es möglich, hier völlig legale politische Aktivitäten wie zum Beispiel. die Verteilung von legalen Zeitungen zu kriminalisieren, da diese Aktivität als Unterstützungshandlungen für die jeweilige verbotene Organisation im Ausland gewertet wird. Die Organisation, die kriminalisiert wird, muss einen Angriff auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in der BRD nicht einmal zum Ziel haben, um ins Visier der deutschen Repressionsorgane zu gelangen.

Der Paragraf richtet sich somit gegen die internationale Solidarität und ist ein weiteres Mittel, diese zu kriminalisieren und Menschen einzuschüchtern.

Trotz der vielen Ungereimtheiten im Prozeßverlauf (Zeugenaussagen von Doppelagent Hiram Hüseyn, Verwendung von wahrscheinlich unter der Folter erpressten Geständnissen aus der Türkei) gibt es dafür praktisch keine mediale Öffentlichkeit. Gerade bei diesem Prozeß, der ein Pilotprozeß für den § 129b ist, wäre dies umso nötiger. Daher hat sich Anfang des Jahres die Plattform für die sofortige Freilassung Mustafa Atalays gegründet. Ziel der Plattform ist es, den Prozeß und den gesundheitlichen Zustand Mustafas an die Öffentlichkeit zu tragen. Daher wurde neben der Delegation auch eine Pressekonferenz organisiert.

An der Delegation nahmen insgesamt 25 Menschen aus Frankreich, Belgien, der Schweiz und der BRD teil. Vor dem Gerichtsgebäude fand eine Kundgebung statt, bei der wiederholt Mustafas sofortige Freilassung gefordert wurde und lautstarke Parolen gerufen wurden.

Sie können uns nicht brechen mit ihrer Isohaft - Die Sehnsucht nach Freiheit ist stärker als der Knast!

1975 wurde der Prozeßbunker Stuttgart-Stammheim extra für das Verfahren gegen die erste Generation der RAF gebaut. Seitdem wird der Bunker für "Terrorprozesse" benutzt. Der Bunker schließt sich direkt an den Knast an, sodass die Angeklagten direkt durch das Gebäude in den Gerichtssaal geführt werden. Die Architektur der Gebäudekomplexe ist - im negativen Sinn - eine Sache für sich. Beim Eintreten hat mensch das Gefühl, in der Zeit zu reisen. Die Bilder von den RAF-Prozessen schießen einem in den Kopf, da alles noch haargenau so aussieht. Die Atmosphäre ist kalt, weiß und bedrückend. Das Eintreten in das Gebäude ist nur einzeln oder zu zweit möglich. Drinnen angekommen muss alles, was den Prozeß stören kann, abgegeben werden. Scheinbar kann auch ein weißes Taschentuch den Prozeß stören.

Nachdem alles abgegeben wurde, wird mensch in einen vier Quadratmeter kleinen Raum geführt und mit einem Metalldetektor kontrolliert. Der Personalausweis wird kopiert und die Kopie nach Aussage der Beamten nach dem Prozesstag vernichtet. Das glaubt von uns jedoch niemand. Danach geht es durch zwei weitere metallene Drehkreuze, um in den Warteraum vor dem Gerichtssaal zu kommen. Die Räume sehen aus, als wäre dort seit Jahren niemand gewesen. Endlich im Gerichtssaal angekommen, erschlägt einen der Blick. Der Senat sitzt an der Stirnseite unter einem riesigen metallenen Wappen von Baden-Württemberg, vor zwei Regalen mit fast 100 Ordnern mit Gerichtsakten, umsäumt von zwei riesigen weißen Mauern. Links sitzt die BAW und rechts sitzen die Verteidiger und hinter ihnen die Angeklagten. im vorderen Bereich sind Plätze für die Besucher, die nochmals mit einer Art Zaun von Senat, BAW, Verteidigung und Angeklagten abgetrennt sind. Die Bestuhlung der Besucher ist das einzige, was in greller Farbe gehalten ist. Den fünf Angeklagten sitzen nochmals Justizbeamte buchstäblich im Nacken, als ob die fünf aufstehen und weglaufen könnten. In jeder Verhandlungspause werden den Gefangenen Handschellen angelegt und sie werden in Zellen im Keller des Prozeßgebäudes geführt. Das Licht ist weiß und kalt, die Luft trocken. in dieser Atmosphäre ist es auch für einen gesunden Menschen schwer, sich lange zu konzentrieren und aufmerksam zu sein. Wie muss es dann Gefangenen gehen, die seit mehr als eineinhalb Jahren der Isolationsfolter ausgesetzt sind?

Solidarität ist eine Waffe!

Um diese Atmosphäre der staatlichen Übermacht zu durchbrechen, standen während der Verhandlung zehn BesucherInnen auf und bildeten, unterstützt von Beifall und gestreckten Fäusten, mit T-Shirts die Parole "Weg mit §§ 129". Die Angeklagten stimmten in die Beifallsbekundungen ein. Danach wurde der Saal geräumt. Als sich die BesucherInnen im Warteraum befanden kam auch der Vorsitzende des Senats zu uns um uns darauf hinzuweisen, dass er keinerlei Willensäußerung in seinem Gerichtssaal dulden werde. Auf die Frage, was an weißen T-Shirts denn so schlimm sei, wurde geantwortet sie seien gefährlich, wahrscheinlich genauso gefährlich wie die Taschentücher zuvor. Im Warteraum wurden die zehn Personen mehrmals aufgefordert ihre T-Shirts zu zeigen, was sie jedoch verweigerten, sodass die Polizei letztendlich selbst Hand anlegen musste. Die zehn Personen mussten ihre Personalien abgeben, das Gebäude verlassen, um dann ohne T-Shirt wieder durch die Sicherheitsschleusen in den Warteraum zurückzukommen. Die Delegation ließ sich die Stimmung jedoch nicht nehmen und begrüßte die anderen freudig zurück. im Saal wurden wir dann vom Richter darauf hingewiesen, dass wir bei weiteren "Störungen" der Verhandlung bis zum Ende der Sitzung in Haft genommen würden. Die Sitzung endete schließlich ohne weitere Störungen.

Abschließend kann mensch sagen, dass die Delegation für uns alle eine wichtige Erfahrung war. An einem Ort mit dieser Geschichte zu sein, an dem die menschenverachtende Ideologie der Repressionsorgane besonders deutlich wird und allgegenwärtig ist, und Solidarität mit den Menschen zu zeigen, die diese staatliche Übermacht täglich zu spüren bekommen und trotz dessen "aufrecht" dort sitzen und der Situation die Stirn bieten, gibt einem Kraft.

Es ist wichtiger denn je, Prozesse der Klassenjustiz zu besuchen und Öffentlichkeit zu schaffen, damit es ihnen unmöglich wird, ihre Schweinereien im stillen Kämmerlein durchzuziehen!


"Wie viel sind hinter Gittern, die die Freiheit wollen?
Wie viel sind hinter Gittern die wir draußen brauchen?
Wie viel sind hinter Gittern nach dem Gesetz?
Wer das Geld hat, hat die Macht und wer die Macht hat, hat das Recht!"

TON STEINE SCHERBEN

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AZADI

Informationen des Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland

Der Rechtshilfefonds AZADI unterstützt Kurdinnen und Kurden, die in Deutschland im Zuge ihrer
politischen Betätigung mit Strafverfolgung bedroht werden.

AZADI e.V. | Graf-Adolf-Straße 70a | 40210 Düsseldorf | Telefon 0211/830 29 08 | Fax 0211/171 14 53
azadi@t-online.de | www.nadir.org/azadi/ | V.i.S.d.P. Monika Morres (Anschrift wie AZADI e.V.)

Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank e.G. | BLZ 430 60 967 | Konto 80 35 78 26 00


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Bundesverwaltungsgericht: Eilanträge des kurdischen Fernsehsenders ROJ TV gegen Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums erfolgreich

"Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Verfügung des Bundesministers des Innern vom 13. Juni 2008 wird wiederhergestellt, soweit sich die genannte Verfügung gegen die Antragstellerin richtet und in ihr die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 15 000,-- € festgesetzt."

Zu diesem Ergebnis kam der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 14. Mai zu den Eilanträgen des Verteidigers Dr. Reinhard Marx der vom deutschen Verbot betroffenen, aber in Dänemark ansässigen Firmen A/S METV und ROJ TV.

Drei Aspekte waren für die Entscheidung der Richter in Leipzig ausschlaggebend:

1. Eine Erfolgsaussicht könne den Klagen nicht abgesprochen werden, weil die vom Bundesinnenminister herangezogenen Rechtsgrundlagen auf die grenzüberschreitende Sendetätigkeit nicht anwendbar sei. Die angeführten deutschen Strafrechtsbestimmungen bezögen sich nur auf in Deutschland ausgeübte Tätigkeiten.

2. Ferner enthalte die gemeinschaftsrechtliche Fernseh-Richtlinie für grenzüberschreitende TV-Sendungen Mindestnormen, deren Einhaltung vom Sendestaat, aber nicht vom Empfangsstaat kontrolliert werde.

3. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass einer Beendigung der Tätigkeit von ROJ TV eine besondere Dringlichkeit zukomme, wo zum Zeitpunkt der Verbotsverfügung der kurdische Sender sein Programm bereits seit mehr als vier Jahren auch nach Deutschland ausgestrahlt habe.

Unabhängig davon müsse die aufwändige Auswertung des umfänglich vom Bundesinnenministerium beigebrachten Tatsachenmaterials dem noch bevorstehenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Aktenzeichen: BverwG 6 VR 3.08

(Azadî)


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Landgericht Koblenz verurteilt Kurden zu Bewährungsstrafen - Verteidiger schätzt Verfahrenskosten auf 500 bis 600.000 Euro

Am 9. Juni 2009 endete ein langer Prozess mit vier angeklagten kurdischen Aktivisten, zahlreichen Anträgen der Verteidigung, einer Haftbeschwerde und der Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. März 2009, derzufolge sämtliche Haftbefehle wegen massiver Verfahrensverzögerung durch das Landgericht Koblenz aufgehoben worden waren. Das OLG war damit weitgehend der Auffassung der Verteidigung gefolgt, wonach eine Flucht- und Verdunkelungsgefahr bei den Angeklagten ausgeschlossen werden könne und eine Fortdauer der U-Haft unverhältnismäßig sei. Die Verteidigung sprach von "Untersuchungshaft als Erpressungshaft".

Die Urteile:
Hasan K.: 8 Monate auf 3 Jahre Bewährung (§ 20 Vereinsgesetz)
Aziz K.: 1 Jahr und 4 Monate auf 3 Jahre Bewährung (§ 20 Vereinsgesetz/§ 244 StGB)
Turabi K.: 1 Jahr auf 3 Jahre Bewährung (§ 20 Vereinsgesetz/Beihilfe § 244 StGB)
Cenep Yeter: 1 Jahr und 10 Monate auf 3 Jahre Bewährung (§ 129 StGB/§ 244 StGB)


Wie alles begann

Der Polizeiangriff am 13. März 2008 auf Aziz K., Turabi K. und Cenep Y. war filmreif. Auf der Fahrt von Koblenz nach Linz/Rheinl.-Pfalz hatten maskierte Polizeikräfte das Fahrzeug gestoppt, die Fensterscheiben wurden eingeschlagen, die Kurden aus dem Auto gezerrt, auf den Boden geworfen und gefesselt. Hierbei erlitt Cenep Y. eine Platzwunde am Auge, die im Krankenhaus behandelt werden musste. Nach seiner "Entlassung" wurde er in die JVA verbracht und unter Hochsicherheitsbedingungen in Haft gehalten.

Aziz K. und Turabi K. wurden beschuldigt, als sogenannte Raumverantwortliche die PKK unterstützt (§ 129 StGB) zu haben; ferner waren sie im Zusammenhang mit dem Sammeln von Spenden mit dem Vorwurf der "räuberischen Erpressung" und der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung konfrontiert (§ 244 StGB).

Cenep Y. wurde beschuldigt, als PKK-Gebietsverantwortlicher Mitglied einer "kriminellen Vereinigung gewesen zu sein.

Der weitere Vorwurf betraf ebenfalls § 244 StGB. Parallel zu der Festnahme der Kurden fanden auch Durchsuchungen der Wohnungen und der vorhandenen Fahrzeuge statt.

Das Amtsgericht Koblenz hatte in seinem Durchsuchungsbeschluss vom 12. März 2008 den Beschuldigten vorgeworfen, dass die von ihnen "entfalteten Tätigkeiten der Stärkung und Förderung des spezifischen Gefährdungspotentials der kriminellen Vereinigung wirksam und der Organisation vorteilhaft ist."

Als vierter, aber nicht verhafteter, wurde Hasan K. wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz in das Verfahren einbezogen.


Das Hauptverfahren wird eröffnet - Rechtswidriges Vorgehen der Ermittlungsbehörden

Vor der 12. Strafkammer (Staatsschutz) des Landgerichts Koblenz begann am 22. September 2008 die Hauptverhandlung gegen die kurdischen Aktivisten. Von Beginn an wandte sich die Verteidigung dagegen, dass ihre Mandanten mit dem Vorwurf der Unterstützung einer "kriminellen Vereinigung" nach § 129 StGB ausgesetzt wurden, obgleich ihnen - wenn überhaupt - lediglich Verstöße gegen das Vereinsgesetz vorzuwerfen sei. Doch eröffnet der § 129 den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit zur weitreichenden Ausforschung von Personen, wofür allerdings der Verdacht einer Katalogtat im Sinne von § 100a Strafprozessordnung gegeben sein muss, was nach Auffassung der Verteidiger-in nicht der Fall war. Deshalb beantragte der Bonner Rechtsanwalt Heydenreich u. a. die Vernichtung sämtlicher Gedächtsnisprotokolle, die überwachende Beamte bzw., der beauftragte Dolmetscher über den Besuch von Familienangehörigen seines Mandanten angefertigt hatte und die anschließend zu den Verfahrensakten gegeben wurden. Das Überwachungspersonal sollte dazu verpflichtet werden, die Anfertigung derartiger Protokolle zu unterlassen, weil sie sowohl den "Kernbereich privater und familiärer Lebensgestaltung des Angeklagten" als auch seiner Familienangehörigen verletzen. "Die Überwachung von Angehörigenbesuchen ist damit, abgesehen von Anstaltsordnung und -sicherheit, ausschließlich zum Zweck der Verhinderung von Verdunklungshandlungen und Fluchtbemühungen und in den durch diese Zweckbestimmung gezogenen Grenzen, nicht jedoch mit dem Ziel weiterer Ermittlungen und Erkenntnisgewinnung legitimiert." Eine "Ausnutzung" der Überwachung engster Familienmitglieder zu Ermittlungszwecken widerspreche den "Grundlagen rechtsstaatlicher Verfahrensführung" und sei deshalb "rechtswidrig".

In einem weiteren Antrag wandte sich der Verteidiger gegen die in dem Verfahren durch "Telefonüberwachungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse", weil diese "ohne rechtfertigende rechtliche Grundlage erfolgt" sei. Insgesamt sind 32 Anschlüsse "über unterschiedliche Zeiträume überwacht und aufgezeichnet" worden, wobei es an einer "richterlichen Anordnung" gefehlt habe. Es habe sich vielmehr der Eindruck aufgedrängt, dass es sich bei den Anordnungen lediglich um von einem Richter unterzeichnete staatsanwaltliche Verfügungen gehandelt habe. Das Amtsgericht Koblenz hatte nahezu wortidentisch die Begründung der Staatsanwaltschaft sowohl für alle angeordneten Tüen, Observierungsmaßnahmen, Durchsuchungs- und Haftbefehle übernommen.

Nach Auffassung von Rechtsanwalt Heydenreich habe im Hinblick auf die Überwachungen von Beginn an der Verdacht einer Katalogtat im Sinne von § 100 StPO gefehlt. Deshalb sei die Annahme eines Anfangsverdachts des § 129 StGB "willkürlich im Rechtssinn".


Schlussplädoyer des Staatsanwalts

In seinem Plädoyer zeichnete Staatsanwalt Trobisch noch einmal ein Bild der Angeklagten als Funktionäre der PKK, deren Aufgabe im Zeitraum 2007/2008 insbesondere die Finanzbeschaffung gewesen sei. In Abstimmung mit dem Gebietsverantwortlichen für Bonn, Cenep Y., seien insgesamt 30.000,-- Euro Spenden gesammelt worden. Außerdem seien die Raumverantwortlichen bzw. der Stadtverantwortliche zuständig gewesen für den Fahrkartenverkauf oder die Organisierung von Veranstaltungen. Das hätten alle Angeklagten eingeräumt. Der Tatvorwurf der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung (Faustschläge ins Gesicht des Zeugen S.) sei durch die Angeklagten bestätigt worden. Der Vorwurf der "räuberischen Erpressung" im Zusammenhang mit dem Sammeln von Spendengeldern habe sich jedoch nicht bestätigen lassen können.

Bei drei Kurden sei der Tatbestand 20 Vereinsgesetz gegeben, bei Cenep Y. lägen die Voraussetzungen des § 129 StGB als Gebietsverantwortlicher für Bonn/Koblenz vor, weil er übergeordnet tätig gewesen sei. Trobisch zitierte den BKA-Beamten Schier, der im Verfahren erklärt habe, dass bei PKK und Nachfolgeorganisationen weiterhin eine kriminelle Vereinigung erkennbar sei. Kurdische Jugendliche hätten Brandanschläge verübt, wobei allerdings nicht hätte nachgewiesen werden können, dass es eine Verbindung zu PKK/CDK bzw. Anordnung durch diese gegeben habe. Allerdings habe es auch keine Distanzierung zu den Anschlägen gegeben.

Alleine aufgrund der PKK-Mitgliedschaft von Cenep Y. müsse davon ausgegangen werden, dass dieser mit solchen Aktionen einverstanden gewesen sei. Bei Aziz K. und Turabi K. könne eine Unterstützung nach 129 nicht aufrechterhalten werden, weil diese nicht über einen entsprechenden Kenntnisstand verfügt hätten. Bei ihnen bleibe der Vorwurf nach § 224 und § 20 Vereinsgesetz.

Zur Entlastung der Angeklagten sei anzuführen, dass der Hintergrund von deren Aktivitäten der patriotische Kampf sei und sie nicht aus egoistischen Motiven gehandelt hätten. Es müsse eine gewisse Gruppendynamik durch die Organisierung berücksichtigt werden. Außerdem sei eine ca. 11-monatige U-Haft als belastend anzuführen. Anzuerkennen auch, dass Cenep Y. im Gegensatz nicht vorbestraft sei.

Alle hätten sich zwar erst spät geständig, aber reuig gezeigt. Die durch das OLG Koblenz festgestellte Verfahrensverzögerung müsse positiv für die Angeklagten gewertet werden.

Er beantragte folgende Strafen: Hasan K. nach § 20 Vereinsgesetz: 10 Monate, Cenep Y. nach § 129 StGB: 2 Jahre; Aziz K.: 1 Jahr, 6 Monate (inkl. gefährl. Körperverletzung) und Turabi K. 1 Jahr, 2 Monate (inkl. gefährl. Körperverletzung) Alte Strafen seien zur Bewährung auf 3 Jahre ohne Auflagen auszusetzen.


Rechtsanwalt Pradel: Kurden haben ein Recht auf politische Betätigung

Rechtsanwalt Pradel, Verteidiger von Hasan K., bestätigte, dass sein Mandant mit dem kurdischen Widerstand sympathisiere. Der Grund hierfür liege im Herkunftsland und hänge mit der Verfolgungssituation der Kurden in der Türkei und in Europa zusammen. In Deutschland werde das kurdische Problem auf das Strafrecht reduziert und die Bedeutung des Widerstands der kurdischen Bevölkerung verkannt.

Für die politische Einschätzung werde von den Behörden immer auch die EU-Terrorliste angeführt, auf der die PKK verzeichnet sei, obwohl es keine Möglichkeit einer rechtlichen Prüfung gebe. Vielmehr stünden für derartige Leistungen politische Interessen im Vordergrund. Ohne den kurdischen Widerstand, zu dem auch die PKK gehöre, wäre der Konflikt international nicht wahrgenommen worden und wäre auch nicht Gegenstand der EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei. Ebenso wenig hätte es - wenn auch nur rudimentäre - Änderungen der Rechte von Kurden und Minderheiten insgesamt nicht gegeben. Es sei das Recht der Kurden, sich politisch zu engagieren. Nicht nachzuvollziehen sei, dass das strafrechtlich verfolgt wird mit allen auch asylrechtlichen Konsequenzen. Politisches Engagement schließlich sei aber ohne politische Strukturen nun einmal nicht möglich. Sein Mandant habe sich hier im rechtlichen Rahmen betätigt. Es müsse die Frage einer Aufhebung des Betätigungsverbots gestellt werden. Die Arbeit für die PKK solle nicht unter den § 20 VG subsumiert werden. Die Unterstützung des Mandanten habe sich auf das Sammeln von Spenden beschränkt, mehr habe sich durch die Verhandlung nicht ergeben.

Zum BKA-Zeugen Schier wolle er bemerken, dass dieser absolut keine Kenntnisse über die Situation in Koblenz habe, weshalb er den Vorgang nicht habe beurteilen können.

Hinsichtlich der Brandanschläge durch kurdische Jugendliche äußerte Pradel, dass es keine konkrete Zurechnung gegeben habe und durch keine Organisation dazu aufgerufen worden sei. Vielmehr habe es habe Veröffentlichungen von kurdischen Jugendlichen zu den Anschlägen im Internet gegeben. Es könne nicht behauptet werden, dass die PKK als kriminelle Vereinigung fortbestehe.

Zum Schluss: Er wolle sich für eine Strafe am unteren Rahmen des Vereinsgesetz aussprechen.


Rechtsanwältin Pues: Verfahrensbeteiligte können sich nicht wirklich hineinversetzen in die Situation der Angeklagten

Rechtsanwältin Anni Pues, Verteidigerin von Turabi K., betonte die lange Dauer des Verfahrens. Sie habe sich überlegt, welche Worte angemessen sein könnten. Ihr zentraler Gedanke:

"Wir alle hier können uns nur bedingt in die Situation der Angeklagten hineinversetzen und die Motivation ihres Handelns verstehen. Es trennen uns professionelle Verfahrensbeteiligten Welten zu den Angeklagten, ihren Familien und Freunden. Krieg und Unterdrückung sind für uns schwer vorstellbar, etwas, das uns bis heute hier erspart geblieben ist." Herr K. sei nach dem Militärputsch 1984 in die BRD geflohen. Er habe selber im Verlauf einer Auseinandersetzung mit Sicherheitskräften eine Schussverletzung am Kopf davongetragen und könne glücklich sein, damals nicht erschossen worden zu sein. Dieser persönliche Hintergrund müsse bei der Verurteilung mitbewertet werden. Im politischen Raum stehe die Klärung der Aufhebung des PKK-Verbots. Die Sache hier sei im gerichtlichen Raum zu klären. Sie gehe davon, dass es nur eine Strafe nach dem Vereinsgesetz sein könne. Was den Vorfall am 4. März betreffe, so sei das ihrer Meinung nach als psychische Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu werten. Zwar sei ihr Mandant dabei gewesen und habe K. und Y. unterstützt, insofern trage er einen Teil an der Verantwortung. Ein darüber hinausgehender Beitrag sei aber nicht ersichtlich gewesen.

Herr K. habe durch die Haft gesundheitlichen Schaden erlitten und seine Einlassungen seien positiv zu bewerten, die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe aber überzogen. Sie plädiere für eine möglichst milde Gesamtstrafe zur Bewährung.

Ihr Mandant und seine Familie hätten es schwer gehabt und die strafrechtlichen Konsequenzen des Verhaltens bitter erfahren müssen: die Familie sei während K.'s Haft ohne Einkommen und der Sohn habe seine Ausbildung nicht fortsetzen können. Nach der Freilassung von Herrn K. sei dieser zu seiner Familie zurückgekehrt und habe seine Arbeit wieder aufnehmen und der Sohn seine Ausbildung fortsetzen können.


Rechtsanwalt Schüttler: Mandant wirkte deeskalierend

Rechtsanwalt Schüttler, Mitverteidiger von Turabi K. erläuterte, dass sein Mandant entscheidend zur Deeskalation der Auseinandersetzungen am 4.3.2008 beigetragen habe. Seine Spendensammeltätigkeit sei nur gering gewesen, weil er durch Familie und Arbeit nur wenig Zeit für solche Aktivitäten gehabt habe. Er appelliere an das Gericht, eine milde Strafe auszusprechen.


Rechtsanwalt Heydenreich: 500 bis 600.000 Euro Verfahrenskosten - Justiz produziert sich ihre Straftaten selber

Rechtsanwalt Heydenreich, Verteidiger von Aziz K., betonte, dass dieses Verfahren durch eine Verständigung der Beteiligten habe beendet werden können. Er wolle auf einige Aspekte und Umstände des Verfahrens hinweisen:

Die Kurden seien politisch ökonomisch, sozial und kulturell ein unterdrücktes Volk im Herkunftsgebiet, weshalb viele von ihnen nach Deutschland kommen und sich politisch betätigen würden, um von hier aus an der Unterdrückungssituation etwas zu ändern. Herr K. habe bei Landsleuten Spenden gesammelt, um die Angehörigen seines Volkes zu unterstützen. Die juristischen und politischen Autoritäten in Deutschland seien der Meinung, dass das bestraft werden müsse. Und genau deswegen stehe er vor Gericht und werde bestraft. Die Angeklagten hätten gemeinsam 30.000 Euro Spenden gesammelt.

Dem gegenüber stünden zwecks Verfolgung der Angeklagten etwa 300.000 Euro an Dolmetscherkosten, plus Verfahrenskosten + Kosten für Telekommunikationsüberwachung insgesamt ca. 500 bis 600.000 Euro, also das 20-fache dessen, um was es hier gegangen sei.

"Historisch und rechtspolitisch gibt es im Strafrecht das ultima-ratio-Prinzip, um Schlimmeres zu verhindern. Die deutsche Justiz ist überlastet, es fehlt überall an Stellen: bei der Polizei, den Gerichten, den Staatsanwaltschaften. Schwerstverbrechen können deshalb nicht verfolgt werden. Das will ich in meinem Schlusswort einmal ansprechen."

Der geschädigte Zeuge S. habe 200 Euro gespendet und sei als Spender registriert worden. Dieser habe die Angeklagten telefonisch (abgehörte Gespräche) immer wieder aufgefordert, dass man ihn (in einer privaten Angelegenheit, Azadi) helfen solle. Deswegen hätten diese ihn aufgesucht und etwa eine halbe Stunde mit ihm gesprochen. Nachdem sie dem Zeugen klar gemacht hätten, nichts für ihn tun zu können, sei S. laut und unverschämt geworden und habe die 3 Angeklagten hinausgeworfen. Vor der Gaststätte dann sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, die in einer kurzen Schlägerei geendet sei, bei der S. etwas abbekommen habe.

"Wir haben diesen Zeugen hier erlebt und seine nachhaltigen Lügen. Dieser Vorfall spielte sich im Bereich eines kriminellen Unrechts ab, mit dem sich nicht unbedingt ein Oberstaatsanwalt beschäftigen sollte. Das wäre nicht der Fall gewesen, hätte es sich um eine "normale" Schlägerei gehandelt. Dieses Geschehen jedenfalls hatte nichts mit gewaltsamer Spendengelderpressung zu tun. Es ist vielmehr politisch und juristisch missbraucht worden."

Hintergrund sei, dass dieser Vorfall in andere Verfahren eingeführt werden solle als Beispiel für den Einsatz von Gewalt beim Sammeln von Spendengelder für die kurdische Organisation. Dafür spreche, dass im § 129-Prozess, der derzeit gegen den Kurden Hüseyin A. vor dem OLG Düsseldorf läuft, der Chefermittler PKK des Bundeskriminalamtes, Schier, in der Verhandlung am 8. Juni das Koblenzer Verfahren als Beweis für eine angeblich nach wie vor bestehende "Strafgewalt" angekündigt hat.

Wie Heydenreich ferner sagte, produziere sich die Justiz durch solche Vorgänge ihre Straftaten selber. Das zeige sich auch an der von Schier erklärten Rechtstatsache, wonach ein erheblicher Prozentsatz politisch motivierter Ausländerkriminalität die Verstöße gegen § 20 Vereinsgesetz ausmache. Deshalb gehe er davon aus, dass etwa 90 % durch Staatsschutzkammern verfolgte Verfahren das Spendensammeln von Kurden betreffe.

Würde die PKK nicht mehr verboten oder das Spendensammeln nach § 20 VG fallengelassen, fiele das einfach weg.

An die Kammer des Koblenzer Gerichts gerichtet betonte Heydenreich, dass diese rechtstatsächlich Erhebliches geleistet habe, nämlich im Hinblick auf die Dauer der U-Haft wegen angeblicher Fluchtgefahr der Angeklagten. Diese Kammer habe in zwei Entscheidungen auf dieser Gefahrenbehauptung bestanden, ohne dies zweifellos zu belegen. "Man hat angenommen, dass alle am nächsten Tag auf einem anderen Planeten, aber nicht in diesem Gerichtssaal, sind. Doch saßen alle nach ihrer Freilassung immer pünktlich hier. Dieser Umstand sollte zu Gedanken führen, was man mit dem Instrument der Fluchtgefahr anstellt und was die Realität ist. Dieses Verfahren hat viel Zeit, Arbeit und Mühe gekostet. Aber es hat sich letztlich im Ergebnis gelohnt."

Rechtsanwältin Aengenheister, ebenfalls Verteidigerin von Aziz K., wies auf die Unzulänglichkeit und Respektlosigkeit des Zeugen Simsek hin, die für Deutsche schon einen Affront bedeuten, für Kurden abereine noch größere Beleidigung darstellen würden. Letztlich hätten dessen Provokationen vor der Gaststätte zu der Eskalation und spontanen Reaktionen geführt. Außerdem wäre die Verletzungsintensität bei S. gering und die Auseinandersetzungen schnell beendet gewesen. Bei der Urteilszumessung müssten die Einlassungen ihres Mandaten und die lange U-Haftzeit von immerhin 11 Monaten und 20 Tagen strafmildernd berücksichtigt werden, die für ihn und seine Familie äußerst belastend gewesen wäre. Alle Angeklagten hätten die angebliche Fluchtgefahr durch ein regelmäßiges Erscheinen nach der Freilassung eindrucksvoll widerlegt. Sie plädiere für eine Gesamtstrafe von nicht mehr als 9 Monaten auf Bewährung.


Rechtsanwalt Jasenski: Verfahren ist juristische Behandlung eines politischen Problems

Rechtsanwalt Jasenski, Verteidiger von Cenep Y., führte aus, dass sein Mandant seine politische Tätigkeit und Beteiligung an der Auseinandersetzung eingeräumt habe. Vor dem Hintergrund des Auftretens des Zeugen S. müsse von einem minderschweren Fall ausgegangen werden.

Auch bei diesem Verfahren handelt es sich eigentlich um eine politische Frage. Es gehe um den Kampf des kurdischen Volkes für seine Rechte. Alle Mandanten seien betroffen von den menschenverachtenden Unterdrückungsmaßnahmen in der Türkei. Auch Herr Y. leide noch heute unter den Folgen der Folter. Dem politischen Engagement lägen eindringliche und persönliche Erfahrungen zugrunde, die für uns als Außenstehende nur schwer nachvollziehbar seien. Die kurdischen Organisationen hätten sich immer wieder um Lösungen des Konflikts bemüht, die Reaktionen des türkischen Staates aber das Verbot von drei legalen kurdischen Parteien gewesen; aktuell sei die DTP von einem Verbot bedroht. Es habe Friedensbemühungen und Waffenstillstände gegeben. Doch unter Bruch des Völkerrechts sei die türkische Armee in den Nordirak einmarschiert. Das alles habe auch Bezüge zum Prozess, z.B. durch telefonische Nachfragen bei den Angeklagten, ob es den Verwandten gut gehe und ob sie bei den Militäroperationen nicht getroffen worden seien. Sie hätten durchweg nicht aus eigennütziger Motivation gehandelt, was berücksichtigt werden solle, wenn man mit dem Mittel des Strafrechts arbeite. Es handele sich um die juristische Behandlung eines politischen Problems.

So sei seinem Mandanten die Zeitung Özgür Politika nicht ausgehändigt worden mit der Begründung, dass diese verboten sei, obwohl das Verbot im Oktober 2005 durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts längst wieder aufgehoben worden war.

Der BKA-Ermittler Schier habe im Hinblick auf den § 129 StGB in diesem Verfahren als (verbotene) Aktivitäten das Spendensammeln, heimatgerichtete Aktivitäten und die Strafgewalt genannt. Doch hätten alle von ihm genannten Fälle in der Zeit nach der Inhaftierung seines Mandanten gelegen. Es müsse grundsätzlich die Frage gestellt werden, ob es sich tatsächlich bei der PKK noch um eine kriminelle Vereinigung handelt, die auf die Begehung von Straftaten abziele.

Auch sein Mandant habe unverhältnismäßig lange in U-Haft verbringen müssen, die bei ihm zu gravierenden gesundheitlichen Schäden geführt habe. Cenep Y. werde sich trotz auch in Zukunft für die Rechte und Interessen des kurdischen Volkes engagieren.

Die vier Angeklagten haben auf ein eigenes Schlusswort verzichtet und schließen sich den Ausführungen ihrer Verteidiger/in an.


Richter Göttgen: Keine "räuberische Erpressung"

Der vorsitzende Richter machte alle Angeklagten dafür verantwortlich, für die PKK im Bereich der Finanzbeschaffung tätig gewesen zu sein und 30.000,-- Euro gesammelt zu haben. Aufgrund der umfassenden und inhaltsreichen Telefonüberwachung hätten die Angeklagten nur die Möglichkeit gehabt, bestimmte Vorwürfe zu bestätigen. Bei zwei Kurden hätte das Gericht den § 129 fallengelassen und "räuberische Erpressung" im Zusammenhang mit Spendensammeln nicht erkannt. Die körperliche Auseinandersetzung habe unabhängig davon stattgefunden.

Obwohl die Kammer Verständnis habe für die Situation des kurdischen Volkes in der Türkei, bleibe das Organisationsdelikt bestehen. Die Struktur der PKK/des Kongra-Gel sei unverändert und der § 129 habe somit Bestand.

Das Gericht erkenne an, dass die Angeklagten nicht aus egoistischen Motiven gehandelt hätten.

Bei Herrn Y. lägen die Voraussetzungen des § 129 StGB vor. Bezüglich des § 244 werde ein minderschwerer Fall festgestellt, weil es vonseiten des Zeugen S. Provokationen gegeben habe und die Verletzung des Zeugen S. nicht so schlimm gewesen sei. Strafmildernd berücksichtigt habe das Gericht auch die lange Haft- und Verfahrensdauer. Bei allen könne eine positive Sozialprognose festgestellt werden.

An die Staatsanwalt gewandt, betonte der vorsitzende Richter die Besonderheiten der Kosten in diesem Fall (Voraussetzungen für Quotelung lägen nicht vor). Jeder Fall müsse einzeln geregelt werden.

Oberstaatsanwalt Schmengler erklärte, auf Rechtsmittel verzichten zu wollen, ebenso die Verteidigung von Aziz K. und Turabi K.

(Azadî, 9.6.2009)


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Bundesinnenministerium: Alles ist PKK

Im Zusammenhang mit den Newroz-Feiern im März hatte es bereits im Vorfeld und während der Demonstration in Hannover zahlreiche Behinderungen und behördliche Auflagen gegeben, gegen die juristisch vorgegangen wurde. Strittig war auch in Hannover, ob es sich beim Zeigen bestimmter Fahnen um verbotene Symbole handelt, insbesondere im konkreten Fall um jene des KCK (Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans). Im Schreiben der Polizeidirektion Hannover über die Auflagen heißt es u. a.: "Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat jedoch mit Schreiben vom 17.03.09 - Az.: ÖS II 3 - 619 314-270 - mitgeteilt, dass die Verwendung von Kennzeichen der KCK dem Kennzeichenverbot nach Ziffer 9 des Tenors der Verbotsverfügung des BMI vom 22.11.1993 gegen die 'Arbeiterpartei Kurdistans' (PKK) unterfällt. (...) Die Verbotsverfügung vom 22.11.1993 gegen die PKK erstreckt sich im Ergebnis auf die KCK (einschließlich ihrer Kennzeichen) unter welcher Bezeichnung die PKK aktuell auftritt. (...)"

Diese Sichtweise kommt auch im Schreiben des Verwaltungsgerichts Hannover vom 12. Mai 2009 an die Anwältin der Föderation der kurdischen Vereine, YEK-KOM, die die Demonstration in Hannover angemeldet und organisiert hat, zum Ausdruck.


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Kurdischer Verein und Privatwohnungen in Heilbronn durchsucht - Fahnen als Anlass für Kriminalisierung

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart wurden in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2009 sowohl die Räume des kurdischen Vereins "Kurdische Gemeinschaft Heilbronn" sowie mehrere Privatwohnungen und etwa vorhandene Autos durchsucht.

Begründet wird das Vorgehen laut Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 14. April mit Ermittlungsverfahren gegen eine Kurdin und drei Kurden wegen Verstoßes gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Sie werden verdächtigt, "Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK" zu sein. Eine polizeiliche Überprüfung der "Räumlichkeiten" des Vereins, sei festgestellt worden, dass "in der Mitte eines Hauptraums 3 Fahnen (3 x 2m) aufgehängt waren", bei denen es sich "um die KKK-Fahne, ein Abbild Abdullah Öcalans und eine KONGRA-GEL-Fahne" gehandelt habe.

Dies sei der Beleg dafür, "dass die Beschuldigten den Verein und die Vereinsräumlichkeiten für die Arbeit der örtlichen PKK-Funktionäre zur Verfügung stellen" und somit "den organisatorischen Zusammenhalt der PKK unterstützen" würden. Dann folgt die übliche Behauptung, bei KONGRA-GEL handele es sich um eine "durch bloße Umbenennung entstandene Nachfolgeorganisation" der PKK, die eine Ausweitung und Aufrechterhaltung des politischen Betätigungsverbots rechtfertigen soll. Die Formulierung im Gerichtsbeschluss, dass die "Besucher des Vereins an die PKK gebunden werden sollen", zielt genau darauf ab, die Kurd-inn-en von einer politischen oder kulturellen Aktivität fernzuhalten und die kurdischen Einrichtungen zu kriminalisieren. Deshalb befindet sich auch alle Besucherinnen und Besucher von kurdischen Vereinen im Fokus der Strafverfolgungsbehörden.

Das Amtsgericht Stuttgart hat dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung der Privatwohnungen zugestimmt, weil angenommen wurde, dass die Beschuldigten auch Unterlagen des Vereins und "über ihre Tätigkeit für die PKK zuhause aufbewahren."

(Azadî, 10.6.2009)


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Verhaftungswelle in der Türkei und Frankreich

Während Antiterroreinheiten am 17. Juni in fünf kurdischen Provinzen der Türkei bei Razzien 19 Aktivisten der prokurdischen DTP (Partei für eine Demokratische Gesellschaft) verhaftet haben, wurden am Vortag auch in Nizza/Frankreich zwölf politisch aktive Kurden festgenommen, darunter sechs Geschäftsleute. Bei den polizeilichen Durchsuchungsaktionen sind deren Geschäfte und Läden verwüstet worden, so die Metzgerei Merinos oder der Supermarkt Gida, wo die Rolläden völlig zerstört und verschiedene Unterlagen beschlagnahmt wurden. Allen gemeinsam wird vorgeworfen, Kontakte zur Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, zu pflegen bzw. diese zu unterstützen. In der Türkei sind seit Mitte April über 400 DTP-Parteiaktivist-inn-en, Mitglieder der kurdischen Frauen- und Gewerkschaftsbewegung in Haft genommen worden.

In Frankreich befinden sich inzwischen über 20 Aktivisten in Untersuchungshaft, darunter auch sechs Geschäftsleute, die der Finanzierung der kurdischen Bewegung beschuldigt werden.

Bereits am 13. Januar 2009 wurden die Wohnungen von Mitgliedern eines kurdischen Kulturzentrums in Marseille durchsucht und sechs Personen verhaftet.

(Azadî/ANF/ISKU, 16.6.2009)


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Staatsanwaltschaft Nürnberg stellt Ermittlungsverfahren ein

Die Strafermittlungsverfahren gegen Hüseyin G. und Bayram G. wurden laut Verfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg vom 5. Juni 2009 nach § 170 Abs. 2 bzw. § 153 Strafprozessordnung eingestellt. Hüseyin G. soll im Zusammenhang mit einer Veranstaltung im Dezember2008gegen das Versammlungsgesetz und Bayram G. gegen das Vereinsgesetz verstoßen haben. Er habe es als Vorsitzender des örtlichen kurdischen Vereins zugelassen, dass an den Fenstern des Vereins Fahnen mit den Kennzeichen von KCK bzw. KKK angebracht gewesen seien, obwohl dies laut Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vom Dezember 2008 "im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes verboten" sei. Bei den genannten Organisationen handele es sich um "bloße Namensänderungen" der PKK.

(Azadî)


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Aufenthaltserlaubnis wegen Vereinstätigkeit versagt

Die Ausländerbehörde einer ostdeutschen Stadt versagt einem Kurden wegen angeblicher PKK-Aktivitäten die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und bezieht sich bei der Auflistung von Versagungsgründen auf Auskünfte des Landesamtes für Verfassungsschutz. Da sich der Kurde offenbar im örtlichen kurdischen Kulturzentrum betätigt haben soll, hat der Verfassungsschutz der Ausländerbehörde im Zuge der Amtshilfe Informationen geliefert, die den Betroffenen in den Dunstkreis von Kriminalität und Terrorismus stellen soll. Der 2007 aufgelöste Verein sei Mitglied der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V., YEK-KOM" gewesen und dieser wiederum müsse als der "Dachverband für örtliche, der PKK zuzurechnende Vereine" gelten. Diese Zuschreibung führt dazu, dass zahlreichen Antragsteller-innen, die entweder im Vorstand von kurdischen Vereinen arbeite(te)n oder auch nur einfache Mitglieder sind/waren, eine weitere Aufenthaltserlaubnis verweigert wird.

(Azadî)

Raute

GET CONNECTED

Verschlüsseln mit Stil

PGP in der Praxis, Teil 1: Schlüssel und ihre Verwaltung, Signieren

Datenschutzgruppe der Ortsgruppe Heidelberg

Erfreulicherweise wächst auch in der radikalen Linken das Bewusstsein, dass unverschlüsselte E-Mail nicht weit entfernt ist vom Plakatieren der enthaltenen Ausführungen. So kommen immer mehr Anfragen an die Datenschutzgruppe (wie auch an die Ortsgruppen) verschlüsselt an. Grund genug, unserem flammenden Aufruf in RHZ 2/04 ein paar tiefer schürfende Ausführungen folgen zu lassen.

- Um kurz zu rekapitulieren: PGP funktioniert ein wenig wie eine große Wand von Briefkästen - stellt euch ein gigantisches Hochhaus vor. Jeder Briefkasten hat eine Klappe, die in etwa dem öffentlichen Schlüssel entspricht, und einen Briefkastenschlüssel; das ist der geheime Schlüssel von PGP. Wer die Klappe findet, kann Dinge in den Briefkasten werfen, und analog reicht der öffentliche Schlüssel, um Mail an eineN EmpfängerIn zu verschlüsseln. An etwas im Briefkasten kommt nur heran, wer den Briefkastenschlüssel (also den geheimen Schlüssel von PGP) hat. Genauso wie ein Brief weg ist, wenn er hinter der Klappe verschwunden ist, könnt ihr eine nicht an euch verschlüsselte Mail auch dann nicht mehr entschlüsseln, wenn ihr sie vorher selbst verschlüsselt habt (1).

Die Briefkastenmetapher erklärt recht schön, warum eure MailpartnerInnen euren öffentlichen Schlüssel nur brauchen, wenn sie euch was schicken wollen, nicht aber, um eure Mails zu lesen. Da weiter nur der geheime Schlüssel durch die Passphrase geschützt ist, braucht ihr sie zum Verschlüsseln auch nicht einzugeben, wohl aber beim Entschlüsseln. Viele Menschen verbreiten derzeit ihren Schlüssel per Mail oder auf Webseiten. Das ist nicht zwingend verkehrt, zumal Mailprogramme meist recht komfortable Funktionen zum Importieren von Schlüsseln aus Mails bieten. Thunderbird mit Enigmail (das nennen wir im folgenden TE; wir empfehlen TE für Menschen, die keine guten Gründe haben, was anderes zu verwenden und verlinken von unserer Webseite auf ein Archiv, mit dem man TE für Windows auf einen USB-Stick bekommt) macht das automatisch, wenn er in einer Mail Schlüssel sieht. Im Zweifel kann mensch Schlüssel in einem Anhang durch Rechtsklick und "Import PGP Key" (2) per Hand importieren, bei Schlüsseln im Mailtext gibts im OpenPGP-Menü unter "Sender's Key" den Eintrag "Import Public Key" (aber nur im "Expertenmodus" (3), weil es das wie gesagt in der Regel nicht braucht). Bekommt ihr Schlüssel von Webseiten, speichert diese in eine Datei und benutzt "Import key from file" im File-Menü der Schlüsselverwaltung (vgl. unten).

Die Keyserver

Auf Dauer ist es etwas lästig, immer zunächst Schlüssel rumschicken zu müssen, bevor mensch sicher kommunizieren kann. Deshalb gibt es die Keyserver. Das sind Rechner im Netz, die Schlüssel empfangen und verteilen. Schnittstellen dazu bieten praktisch alle Mailprogramme in ihrer Schlüsselverwaltung. Es gibt aber auch eigene Programme zur Schlüsselverwaltung, die unabhängig von Mailprogrammen funktionieren. Unser Tipp in dem Ressort ist gpa (4). Um einen Schlüssel vom Keyserver zu holen, könnt ihr zum Beispiel in TE im OpenPGP-Menü "Key Management" wählen. In dem dann erscheinenden Fenster, der Schlüsselverwaltung, gibt es ein "Key Server"-Menü, in dem dann auch "Search for Key" steht. Ihr könnt nach weitgehend beliebigen Teilen von Adressen und Namen suchen und werdet in der Regel eine Liste von Schlüsseln zurückbekommen. Wählt den oder die Schlüssel aus, die ihr haben wollt, fast fertig. Probiert es mal mit "datenschutzgruppe" aus.

Es ist weitgehend egal, welchen Keyserver ihr verwendet; die verschiedenen Keyserver gleichen sich untereinander ab. Wenn ihr gar keinen kennt und eure Schlüsselverwaltung keine mitbringt (unwahrscheinlich), tut's in der Regel pgp.mit.edu. Weil die Keyserver die Verwendung von PGP deutlich erleichtern, empfehlen wir ihre Benutzung, also auch, dass ihr euren Schlüssel hoch ladet; das ist nicht schwer, in TEs Schlüsselverwaltung zum Beispiel reicht es, den eigenen Schlüssel zu wählen und Keyserver/Upload public keys zu machen. Aber Vorsicht: Die Keyserver vergessen nichts, einmal hochgeladene Schlüssel können nicht wieder entfernt werden. Ladet euren Schlüssel also nur hoch, wenn ihr den zugehörigen geheimen Schlüssel nicht verschmeißt und die Passphrase nicht vergesst. Unglücke dieser Art, aber bei Gruppenadressen vielleicht auch das plötzliche Verschwinden des/der Zuständigen, können erklären, warum für manche Leute mehrere Schlüssel in den Keyservern stehen - meist ist der neueste Schlüssel dann die beste Wahl.

Es gibt aber auch gute Gründe für nicht mehr verwendete Schlüssel. Sie könnten etwa von vorneherein nur für eine begrenzte Zeit erzeugt (vgl. unten), im schlimmsten Fall gar "kompromittiert" worden sein. Im Jargon der Kryptonerds bedeutet das: Schlüssel samt Passphrase sind in die falschen Hände gefallen. Um dann nicht unterzugehen, braucht ihr ein "Rückrufzertifikat", das ihr bei der Erstellung eures Schlüssels miterzeugt haben solltet. Wenn ihr es verloren habt, könnt ihr zum Beispiel in der Schlüsselverwaltung von TE ein neues erzeugen, indem ihr euren Schlüssel auswählt und unter "Generate" "Revocation Certificate" ausführt. Hebt das Zertifikat gut auf, vielleicht bei vertrauenswürdigen GenossInnen. Wird es (von irgendwem) auf einen Keyserver geladen, wird euer Schlüssel ungültig, was bedeutet, dass sich gute Mailprogramme weigern, damit zu verschlüsseln. Ein Vorteil der Verwendung von Keyservern ist, dass sich solche Rückrufzertifikate leicht verbreiten lassen (TE hat dazu "Refresh all public keys" im Keyserver-Menü seiner Schlüsselverwaltung). Ohne Keyserver müsste das Rückrufzertifikat ähnlich verbreitet werden wie vorher der Schlüssel, und das ist mal mindestens unbequem.

Nicht verschwiegen sei aber, dass Mailadressen auf Keyservern mehr oder weniger öffentlich sind (was ja Sinn der Sache ist). Es sollen schon Spammer versucht haben, sich aus diesem Adresspool zu bedienen. im Vergleich zum Beispiel zur Veröffentlichung auf Webseiten ziehen Adressen auf Keyservern aber nicht viel Spam oder vergleichbar lästige Aufmerksamkeit.

Digitale Signatur

Die Mathematik hinter "asymmetrischer" Verschlüsselung, die hinter PGP steht, erlaubt etwas, das die Briefkastenmetapher nicht hergibt: die digitale Unterschrift. Die Idee ist, aus einem Dokument und eurem geheimen Schlüssel eine Zahl auszurechnen. Wer euren öffentlichen Schlüssel hat, kann nachrechnen, ob diese Zahl, die Unterschrift eben, stimmt, kann sie aber selbst nicht berechnen. In Summe ist das eine ideale Unterschrift: Ihre Gegenwart zeigt sicher, dass ein bestimmter geheimer Schlüssel am Werk war (was in der Realität natürlich verschiedene Dinge bedeuten kann), und jedeR kann das nachprüfen, ohne sie aber "durchpausen zu können"

Mailclients bieten euch in dem Menü, in dem ihr die Verschlüsselung auswählt, in der Regel auch an, die Mail zu "signieren", was genau diese Unterschrift meint. Wenn ihr signiert, geht das nur mit eurem privaten Schlüssel, und deshalb fragt euch das Mailprogramm beim Verschicken signierter Mails auch beim Abschicken nach eurer Passphrase.

Nun wäre es sicher eine bessere Welt, wenn Banken PGP-Unterschriften für Überweisungen verlangen würden, und schon gar, wenn das haarsträubende "Bürgerportal" der Regierung auf PGP beruhen würde. In unseren Kreisen gibt es für die Signatur aber normalerweise keinen zwingenden Grund - wenn die Gegenseite mal lernt, dass Absender von Mails leichter zu fälschen sind als ein Lächeln und sie die Kreativität aufbringt, diesen Umstand zum Stiften von Konfusion auszunutzen ("Was? Eine Stellungnahme des BuVo zu Gaza? Lass sehen!"), dann müsste mensch da nochmal anders drüber nachdenken.

Wirklich schaden dürfte die Signatur aber in aller Regel auch nicht, es sei denn, es ginge euch um das, was die Geheimdienste "Deniability" nennen, Möglichkeit nämlich, die AutorInnenschaft einer Mail abstreiten zu können. Durch die Vorratsdatenspeicherung (so sie denn durchgeführt wird) lassen sich allerdings ohne weitere Tricks verschickte Maus erschütternd einfach noch lange im Nachhinein zurückverfolgen, so dass mensch letztlich allenfalls MitbewohnerInnen belasten könnte, und dann könnte euch die RH nicht mehr unterstützen. Schließlich setzt die Prüfung der Unterschrift voraus, dass der Schlüssel auch wirklich verlässlich der unterschreibenden Person zugeordnet ist. Dieses Problem ist tatsächlich schwierig und wird Thema des zweiten Teils dieses Artikels sein. Dabei werden die Unterschriften dann ihren Starauftritt haben.

Die Schlüssel

Wenn ihr das hier lest, habt ihr vermutlich längst euren Schlüssel erzeugt. Für den Fall, dass ihr irgendwann mal einen neuen Schlüssel braucht (oder einen weiteren), oder anderen Leuten bei der Erzeugung helft, sind zwei Fragen zu beantworten: Erstens ist das die Frage nach der Schlüssellänge. Dabei gilt, dass Längere Schlüssel (also mit "mehr Bits") schwerer zu knacken sind. Für das, was in PGP eingebaut ist, könnten 1024 Bits für Organisationen mit viel Zeit und Geld allmählich in den Bereich des Knackbaren kommen. Andererseits brauchen längere Schlüssel mehr Rechenzeit im Alltagsbetrieb. Auf Rechnern aus dem dritten Jahrtausend ist das aber nicht mehr wirklich zu bemerken. Wenn ihr also euren Schlüssel nicht gerade auf eurem Uralt-Mobiltelefon verwenden wollt, nehmt einfach 4096 Bit-Schlüssel und vergesst die ganze Sache.

Zweitens ist da noch die Frage, ob der Schlüssel irgendwann "ablaufen", er also nach einer bestimmten Zeit automatisch ungültig werden soll. In der reinen Lehre ist es fast immer eine gute Idee, Schlüssel dann und wann zu wechseln, vor allem, wenn sie zur Verschlüsselung großer Datenmengen verwendet werden. PGP-Schlüssel verschlüsseln aber normalerweise nur recht überschaubare Datenmengen (nämlich im Groben ein paar hundert Bits pro verschickter Mail). Dazu kommt, dass ein "reibungsloser" Übergang von einem ablaufenden auf einen neuen Schlüssel nicht ganz einfach ist, insbesondere, wenn ihr im Web of Trust (vgl. Teil 2 in der nächsten Ausgabe) seid. In dem Sinn ist unsere Empfehlung: Lasst eure Schlüssel für immer gültig sein. Mit einem Rückrufzertifikat könnt ihr den Schlüssel immer noch ablaufen lassen, aber dann zu einem Zeitpunkt, an dem es für euch bequem ist.

Ausklang

PGP wurde in der Steinzeit entwickelt (also den achtziger Jahren), noch bevor Mails Anhänge haben konnten. Damals hat der PGP-Autor Phil Zimmermann ein System erdacht, mit dem die konfusen Bytes, in die ein normaler Text verschlüsselt wird, in Mails, die konfuse Bytes nicht Leiden können, transportiert werden können. Dieses "alte" System, manchmal unter "inline" firmierend, hat etliche Nachteile, unter anderem, dass es schwer ist, Umlaute darin ohne Verwürfelungen zu transportieren, und auch, dass es nicht gut mit wirklichen Anhängen zusammengeht. Deshalb wurde auch schon vor vielen Jahren etwas ersonnen, das sich PGP/Mime nennt. Wenn es irgendwie geht, solltet ihr das verwenden, wenn ihr eure Mails verschickt (TE fragt euch beim Absenden, und im Expertenmodus könnt ihr auch Regeln einrichten, die das für bestimmte EmpfängerInnen automatisch auswählen). Im Groben gibt es überhaupt nur einen Grund, PGP/Mime nicht zu verwenden: Webmail, die nichts von PGP versteht. Und wenn ihr so einen Webmailer verwendet, solltet ihr schnell wechseln. Aus unserem Spektrum gibts PGP-Webmail beispielsweise bei riseup.net und immerda.ch.

Beim nächsten Mal beantworten wir dann die große Frage nach dem Vertrauen unter GenossInnen.


→  datenschutzgruppe@rotehilfe.de
→  PGP Fingerprint: a3d8 4454 2e04 6860 0a38 a35e d1ea ecce f2bd 132a
→  http://www.datenschmutz.de

Anmerkungen

(1) In den meisten Mailprogrammen merkt ihr das nicht unbedingt, weil diese ungefragt jede Mali, die ihr verschlüsselt, auch noch gleich für euch verschlüsseln, also quasi eine Kopie in euren eigenen Briefkasten werfen. Es gibt Menschen, die dieses Verhalten blöd finden, weshalb es in der Regel abschaltbar ist, bei Thunderbird/Enigmail etwa im Expertenmodus in den Einstellungen zu "Sending" als "add my own key to the recipients list".

(2) Die Bedienungen sind hier nur als Beispiel zu verstehen - auf dem Mac ist das kein Rechtsklick, und wenn euer Enigmail deutsch spricht, ist die Bezeichnung natürlich Deutsch.

(3) Der "Expertenmodus" ist nicht nur für ExpertInnen interessant. Um ihn anzuschalten, wählt im OpenPGP-Menü "Preferences" und kreuzt "Display expert settings" an; damit bekommt ihr tolle Reiterlein in den Einstellungen und mehr Einträge im OpenPGP-Menü.

(4) http://www.gnupg.org/gpa.html

Raute

REZENSIONEN

"Alles zu ihrer Sicherheit"

Kontrollverluste - Interventionen gegen Überwachung

Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Leipzig

- Die "Leipziger Kamera", eine Initiative, die sich seit 2003 intensiv gegen Überwachung engagiert, hat pünktlich zur diesjährigen Buchmesse einen Sammelband zu Alltag, Theorie und Praxis des Kampfes gegen Überwachung vorgestellt. Dafür hat die Gruppe eine ganze Reihe zum Teil sehr unterschiedlicher Beiträge aus verschiedenen Spektren gesammelt und präsentiert so einen recht umfassenden Überblick über das weite Feld der Überwachung und ihrer Kritik.

Während das erste Kapitel "Was geht?" einen eher theoretisch-analytischen Überblick über den gesellschaftlichen Kontext, die Entwicklung und die politische Bedeutung von Überwachung gibt, beschäftigen sich die folgenden Kapitel mit der Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der juristischen Intervention, mit der zunehmenden Repression unter dem Label § 129a, der Situation von besonders durch Repression Betroffenen (wie zum Beispiel Migrant/-innen, Arbeitnehmer/-innen und Jugendlichen) und schlussendlich mit möglichen Interventionen und den Erfahrungen, die verschiedene Gruppen mit ihren unterschiedlichen Aktionsformen gesammelt haben.

Die inhaltliche Klammer dieser 33 Beiträge bildet die Frage nach den Ursachen, Notwendigkeiten und Nutzen von Überwachung für einen flexiblen, postfordistischen Kapitalismus, der im ersten Kapitel differenziert und vor allem unter dem Gesichtspunkt der Erzeugung von Governmentalität in einer scheinbar individualisierten, "freien" Gesellschaft nachgegangen wird.

Im Kapitel "Was geht nicht?" finden sich Auseinandersetzungen mit der "neuen bürgerrechtlichen Bewegung" à la Vorratsspeicherung, wobei der Frage nach Möglichkeiten, aber vor allem Grenzen juristischer Interventionen gegen die neuen Sicherheitsgesetze nachgegangen wird. Hier bekommt der Band - wobei er das Thema differenziert darstellt und auch die Möglichkeiten juristischer Intervention nicht negiert - doch einen, in Zeiten auch linken Jubels für das Verfassungsgericht als schützende, gute und absolute Instanz, erholsamen Geschmack fundamentaler Staatskritik.

Im Kapitel "Sind wir alle 129a?" kommen unter anderem betroffene Aktivist/-innen des mg-Verfahrens zu Wort und geben einen Einblick in die Bedeutung von umfassender Überwachung für ihr persönliches Leben und analysieren die Strategie des Einstellungsbündnisses. Auch Menschen, die sich schon intensiv mit diesem Thema beschäftigt haben, finden mit dem Bericht über das Verfahren gegen das "Critical Art Ensemble Informationen über staatliche Repression gegen Systemkritiker/-innen in Zeiten des Terrorwahns in den USA.

Weiter geht's im Kapitel "Was noch?" mit Berichten über spezifische Repression gegen Migrant/-innen und Flüchtlinge, gegen Arbeitnehmer/-innen, sowie dem bisher recht wenig beachteten Bereich der Befugnisse und (fehlenden) Kontrolle, der immer weiter in die Sicherheitsarchitektur integrierten privaten und freiwilligen Sicherheitsdienste und deren Bedeutung für die Formung des öffentlichen Raums sowie Zwangsbeschäftigte in Hartz-IV-Programmen. Auch hier wird der Blick durch einen Beitrag zu den so genannten "ASBOS" in Großbritannien über den nationalstaatlichen Tellerrand gelenkt und man lernt, wie bei unseren europäischen Nachbarn skurrile Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten werden können, wodurch versucht wird wenigstens eine Illusion von Gesellschaftlichkeit aufrechtzuerhalten.

Die letzten beiden Kapitel "Was sagen?" und "Was tun?" sind praxisorientiert ausgerichtet und thematisieren die "Rhetorik und Realität von Überwachung", die möglichen Konsequenzen daraus, sowie die Praxis verschiedener überwachungskritischer Gruppen. Dabei reicht das Spektrum von Tipps zur Computer- und Kommunikationssicherheit bis hin zu Gruppen die versuchen, in den überwachten öffentlichen Raum hinein zu intervenieren, wie zum Beispiel die "Surveillance Camera Players" oder "LIGNA". Und auch "gipfelsoli" kommt mit einem, nicht zuletzt in Hinblick auf den aktuellen G-8-Gipfel in Italien, praxisrelevanten Artikel zur europäischen Sicherheitsarchitektur zu Wort.

Alles in allem ein lohnenswertes Buch, dem es gelingt, das umfangreiche Feld der Überwachung und ihrer Kritik von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten, ohne dabei in das häufig inhaltsleere Gezeter über den "totalitären Überwachungs- und Sicherheitsstaat" zu verfallen. Vielmehr schafft es der Band praxisnah zu bleiben, ohne aber eine tiefere Analyse der sozialen Folgen, Bedingungen und Ursachen von Überwachung zu vernachlässigen.


Leipzig Kamera (Hrsg.)
Kontrollverluste - Interventionen gegen Überwachung
Unrast Verlag, Münster, 2009
ISBN 978-3-8977i-491-5
256 Seiten mit Abbildungen, 18 Euro


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"Out of control"

ist ein Solidaritäts-Sampler-Projekt für die nach § 129a angeklagten Menschen in Berlin und Norddeutschland. Ungewöhnliche Anlässe erfordern ungewöhnliche Maßnahmen und deshalb ist "Out of control" nicht nur ein dickes Paket, sondern auch eine außergewöhnliche Mischung: In einem achtseitigen Digipack mit dickem Booklet gibt es insgesamt vier CDs, eine mit diversen Punk/Hardcore-Bands aus aller Welt, eine mit politischem HipHop, eine mit einer wilden Mischung aus Drum'n'Bass, Dub, Liedermacherei und Elektro und zum guten Schluss eine Daten-CD-Rom für den Computer mit nützlichen Programmen, Videos und Anleitungen rund um die Themen E-Mail- und Datenträgerverschlüsselung, Anonymität und Sicherheit im Netz. Alle Erlöse aus "Out of control" werden an die Rote Hilfe e.V. gespendet!

Unter anderem mit: La Fraction, Fermin Muguruza, La Phaze feat. Keny Arkana, Chaoze One feat. Greis, Zion Train, Guts Pie Earshot, Inner Terrestrials, Watcha Clan, MDC, Inner Conflict, Alif Sound System, The Assassinators, Revolte Springen, The World/Inferno Friendship Society, Assalti Frontali, Calavera, Actitud Maria Marta, Juggling Jugulars, Scum of Toytown, AOS3, M.A.P., X-Makeena, Yosh, Berri Txarrak, Free Yourself, Auktion, Tod und Mordschlag, Yok Quetschenpaua, Los Muertos de Cristo, La Plataforma, Collectif Mary Read und vielen anderen mehr. Über 220 Minuten Musik von 60 Bands plus PC-Security-CD!

Raute

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Die Rote Hilfe erscheint quartalsweise.
Für die Ausgabe 4/2009 gilt:
Erscheinungstermin: Dezember 2009
Redaktionsschluß: 18. Oktober 2009

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Für die AZADI-Seiten V.i.S.d.P. Monika Morres
(Anschrift siehe AZADI-Seiten)

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Die Rote Hilfe organisiert nach ihren Möglichkeiten die Solidarität für alle, unabhängig von Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist z.B. das Eintreten für die Ziele der Arbeiterinnenbewegung, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische oder gewerkschaftliche Kampf und der Kampf gegen die Kriegsgefahr.

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Quelle:
Die Rote Hilfe 3.2009 - 35. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2009