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GEGENWIND/484: Landtag Schleswig-Holstein - Neues von der HSH Nordbank


Gegenwind Nr. 275 - August 2011
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

LANDTAG Schleswig-Holstein
Neues von der HSH Nordbank

Von Thomas Herrmann


Im Juli gab es drei neue Nachrichten über die HSH Nordbank. Da ging es um das Abschneiden der Bank beim Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht, um eine Bußgeldzahlung aus dem September 2010 und um den Bescheid der Europäischen Kommission im seit Frühjahr 2009 anhängigen Beihilfeverfahren. Hinzu kommt die etwas ältere Analyse des Rechnungshofes der Freien und Hansestadt Hamburg zur Wertminderung des Finanzanlagevermögens der Stadt bei der HSH Nordbank vom März dieses Jahres(1). Diese auf Bilanzprüfungsdaten beruhende Untersuchung ist auf die ökonomische Wertminderung der Beteiligung des Schleswig-Holsteins zu übertragen. Von 2007 bis 2009 betrug die Wertminderung der Beteiligung 1,7 Milliarden Euro und damit über neun Prozent der Steuereinnahmen des Landes in diesem Zeitraum.


Die HSH Nordbank hat den Mitte Juli veröffentlichten Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) nur knapp bestanden(2). 13 deutsche Banken und weitere 78 europäische wurden untersucht. Die harte Kernkapitalquote der HSH Nordbank lag mit 5,5 Prozent über dem von der EBA geforderten Mindestwert von 5 Prozent. Die Kernkapitalquote wird als Anteil des haftenden Eigenkapitals an der Gesamtsumme aller Risikopositionen (Kredite, Wertpapiere, Kreditderivate etc.) berechnet. Sie lässt Aussagen darüber zu, inwieweit die Risiken durch eigene Mittel abgedeckt sind. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Paul Lerbinger kritisierte das Ergebnis mit dem Hinweis auf die Bindungen zu Schleswig-Holstein und Hamburg. "Dieses Ergebnis spiegelt jedoch die ökonomische Realität unserer Bank in keiner Weise wider ... Bei der Durchführung des Stress-Szenarios hat die EBA für uns geltende vertragliche Verpflichtungen, die sich beispielsweise aus unserer Garantievereinbarung mit den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein oder mit der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) ergeben, außer Acht gelassen"(3). Dr. Paul Lerbinger führte weiter aus, dass die Berücksichtigung der vertraglichen Verpflichtungen der HSH Nordbank zum Bilanzsummenabbau sowie die von EU-Wettbewerbskommissar Almunia im EU-Beihilfeverfahren gegebene Zustimmung zum Geschäftsmodell der Bank zu einer weitaus höheren Kernkapitalquote geführt hätten. Die europäische Bankenaufsicht nimmt in ihrem Stresstest eine konstante Bilanzsumme für 2011 und 2012 an. Tatsächlich ist diese geschrumpft und wird 2012 weiter schrumpfen. Die zusätzliche Anrechnung der stillen Einlagen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro auf die Eigenkapitalbasis, die nach Basel III noch bis 2013 vollständig zum Eigenkapital zählen, hätte zur Folge, dass die regulatorische Kernkapitalquote sogar auf 17,2 Prozent steigen würde.

Die Europäische Kommission hat im Beihilfeverfahren der HSH Nordbank gesprochen. Ende 2009 befürchtete man harte Auflagen aus Brüssel(4), bis hin zur Anordnung eines raschen Verkaufs der Anteile Schleswig-Holsteins und Hamburgs. Das ist jetzt vom Tisch. Das Handelsblatt berichtete am 17.07.2011, dass die Länder selbst entscheiden dürften, wann sie aussteigen wollten. Darüber hinaus muss die Bank ihre Bilanzsumme reduzieren und zwar auf 79 Milliarden in 2012; danach darf sie wieder bis 2014 auf 82 Milliarden ansteigen. Die Zielerreichung ist für die Bank nicht schwierig. Im Moment liegt die die Bilanzsumme bei 81 Milliarden. Hinzu kommen 58 Milliarden, die bei der Abbaubank anfallen. Wichtig ist für die HSH Nordbank, dass ihr das Kerngeschäft Schiffsfinanzierung erhalten bleibt, in dem sie eine vorzügliche Expertise aufweist. Die zwei Milliarden in der Bilanzsumme müssen allerdings genau in diesem Geschäftsfeld abgebaut werden, um ein Klumpenrisiko(5) zu vermeiden. Die Bank muss sich von ihrer Flugzeugfinanzierung im Volumen von 5,2 Milliarden Euro und vom internationalen Immobiliengeschäft in Höhe von 1,8 Milliarden trennen. Die HSH Nordbank muss eine höhere Eigenkapitalquote vorhalten, als sie regulatorisch ansonsten vorgesehen ist, also eigene Rücklagen aufbauen, damit die Bank sich absehbar von öffentlichen Mitteln unabhängig macht. Das heißt auch, dass die Bank die öffentlichen Garantien nicht überhastet zurückführen kann, weil dadurch diese Eigenkapitalquote leidet. Interessant ist darüber hinaus, dass die EU feststellt, dass die Sparkassen und die Flowers-Hedgefonds bei der Sanierung der Bank privilegiert wurden. Das wurde bereits nach der Kapitalerhöhung 2009 durch die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein moniert(6). Die damalige EU-Wettbewerbskommissarin Nellie Kroes hatte in einer Ende Juli veröffentlichten Stellungnahme am 29. Mai 2009 gerügt, dass der Preis für die 15 Millionen Aktien, die von der im gemeinsamen Besitz der Länder befindlichen AöR (siehe unten) erworben wurden, mit 19 Euro sehr hoch war. Davon profitierten die Sparkassen und Flowers, weil die Höhe des Ausgabepreises entscheidend für ihre verbleibenden Anteile war. Die EU hat jetzt angeordnet, dass die HSH Nordbank an die Länder 500 Millionen Euro ausschütten muss. Dieses Geld soll sofort wieder in Aktien der HSH Nordbank reinvestiert werden. Das führt dazu, dass sich der Anteil der Länder auf 86 Prozent erhöhen wird und die Anteile der Sparkassen und der Flowers-Hedgefonds sich entsprechend verringern.

Der NDR brachte es zuerst. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte am 23. September 2010 gegen die HSH Nordbank ein Bußgeld in Höhe von 50.000 Euro in Sachen Omega 55 verhängt. Es war seit längerem bekannt, dass die BaFin in verschiedenen Angelegenheiten gegen die HSH Nordbank ermittelte(7). Bis dato war allerdings kein Bußgeldbescheid bekannt geworden. Es ist schon zu fragen, warum das nicht zeitnah bekannt gegeben wurde. Andererseits stellt sich auch die Frage: warum jetzt? Kommt jetzt im Zusammenhang mit dem Abschluss des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses das letzte Großreinemachen? Bekommen wir noch mehr schmutzige Wäsche in der Sommerpause zu Gesicht? Was muss noch raus bis der Landtag in der Augustsitzung vom 24.-26. den Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses debattieren wird?

Damit komme ich zum letzten Punkt. Das Land Schleswig-Holstein stellt seine Haushaltsrechnung auf Grundlage der Kameralistik auf. Diese ist nicht geeignet die Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklung der HSH Nordbank auf die Vermögenslage Schleswig-Holsteins darzustellen. Denn die Kameralistik weist lediglich Zahlungsströme und keine Wertminderungen aus. Auch die Kreditaufnahme für die Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, die der Kapitalerhöhung der HSH Nordbank diente, ist in der Haushaltsrechnung nicht enthalten. Mit der Einführung der Schuldenbremse des Bundes und der Länder wurde der Artikel 115 Grundgesetz neu formuliert. Dort heißt es jetzt:

"Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Näheres, insbesondere die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen, regelt ein Bundesgesetz."

Im Ausführungsgesetz zu Artikel 115 wird das spezifiziert:

"Aus den Ausgaben sind die Ausgaben für den Erwerb von Beteiligungen, für Tilgungen an den öffentlichen Bereich und für die Darlehensvergabe heraus zu rechnen, aus den Einnahmen diejenigen aus der Veräußerung von Beteiligungen, aus der Kreditaufnahme beim öffentlichen Bereich sowie aus Darlehensrückflüssen."

Damit fallen Nettoausgaben für den Erwerb von Beteiligungen nicht unter die Schuldenbremse und dürfen somit über Kredite finanziert werden, die nicht im Haushalt konsolidiert werden müssen. So ergeben sich nur mittelbare Konsequenzen aus dem HSH Nordbank-Problem für den Landeshaushalt zum Beispiel durch den Fortfall von Dividenden. Die Konzernbilanz der HSH Nordbank zeigt hingegen genau an, wie sich der Wert der HSH Nordbank entwickelt hat.

Am 31.12.2009 hielt das Land Schleswig-Holstein 10,42% über die Gesellschaft zur Verwaltung und Finanzierung von Beteiligungen des Landes und 32,09% über eine AöR. An dieser beteiligten sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein zu je 50%. Die dafür aufgenommenen Kredite wurden aufgrund einer Lücke in der Schuldenbremse nicht in den Haushalten ausgewiesen. Der Anteil von 42,5 1% an der HSH Nordbank wurde im Konzernabschluss mit einem Wert in Höhe von 1,689 Milliarden Euro ausgewiesen. Der Buchwert der HSH Nordbank und der Anteile des Landes entwickelte sich wie in der Tabelle unten dargestellt (eigene Berechnungen auf der Grundlage des Rechnungshofberichtes der Freien und Hansestadt Hamburg).

Jedenfalls handelt es sich bei der Zunahme des Landesanteils von 19,96% im Jahr 2007 auf wohl über 43% im Jahr 2011 um die Folgen (nicht um den Erfolg) der Privatisierungsbemühungen der rot-grünen, schwarz-roten und schwarz-gelben Koalitionen seit etwa zehn Jahren.


in Millionen Euro
31.12.2007
31.12.2008
31.12.2009
31.12.2010 
Buchwert
5.772 
1.861 
3.974 

Buchwert des Anteils
Schleswig-Holsteins
1.152 

542 

1.689 

Bilanz im
November 2011

19,96%
29,10%
42,51%
40.93%   

In den Jahren 2008 und 2009 machte die HSH Nordbank erhebliche Verluste, die zu massiven Abschreibungen führten. 2008 wurde eine Kapitalerhöhung durch Umwandlung stiller Einlagen der Länder und Barzuführung durch die von J.C. Flowers geführten Hedgefonds in Höhe von zwei Milliarden Euro nötig. 2009 musste der HSH Nordbank nochmals Eigenkapital in Höhe von drei Milliarden Euro zugeführt werden, um sie vor einem Moratorium durch die Bankenaufsicht und damit dem sicheren Konkurs zu retten. Diese Kapitalerhöhung wurde vollständig durch eine neu gegründete HSH Finanzfonds Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) übernommen, die ihre Anteile über eine Kreditaufnahme finanzierte.

In der Konzernbilanz zum 31.12. 2009 ist eine Wandelschuldverschreibung der HSH Nordbank mit einem Wert von 175 Millionen Euro gebucht. Der Preis betrug im Jahr 2008 510 Millionen Euro. Die von den Ländern erworbene Wandelschuldverschreibung musste bis Ende 2010 in Aktien umgewandelt werden. Der Anteil Schleswig-Holsteins betrug 192 Millionen Euro und hat aufgrund von Abschreibungen im Jahr 2008 eine dauernde Wertminderung in Höhe von 65 Millionen Euro hinnehmen müssen.

Die Ergebnisse des HSH Nordbank Konzerns sind durch insgesamt negative Erträge gekennzeichnet. Diese führten zu Abschreibungen auf den Wert des Konzerns. Aller Erfahrung nach sind diese dauerhaft. Das heißt, das Land muss mit der Wertminderung seiner Beteiligungswerte rechnen. Insofern ist der von den Ministern Wiegard und de Jager gern und oft wiederholte Satz: "Der Steuerzahler habe für die Bank noch keinen Cent ausgegeben"(8) noch nicht einmal die halbe Wahrheit.

Im Detail stellen sich die Ergebnisbelastungen dar wie in der Tabelle unten dargestellt (Eigene Berechnungen auf der Grundlage des Rechnungshofberichtes der Freien und Hansestadt Hamburg).


Ergebnisbelastung der Anteile Schleswig-Holsteins an der HSH Nordbank


31.12.2007
in Mio. Euro
31.12.2008
in Mio. Euro
31.12.2009
in Mio. Euro
Anteilige Ergebniszurechnung
der HSH Nordbank
+106   
-777   
-334   
Planmäßige Abschreibung
Geschäfts- und Firmenwert)
-11   
-19   
0   
Außerplanmäßige Abschreibung
auf die Beteiligung und den
entsprechenden Geschäfts-
und Firmenwert


-122   


-557   


0   
Zwischensumme: Erfolgswirksame
Veränderung des Buchwertes
der Beteiligung

-27   

-1.353   

-354   
Außerplanmäßige
Abschreibung auf die
Wandelschuldverschreibung

0   

-127   

0   
Anteilige Vergütung für
die Garantieübernahme
0   
0   
+153   
Gesamtsumme
-27   
-1.480   
-201   

Die Performance des Buchwertes in der Konzernbilanz und die Ergebnisbelastung im Konzern dokumentieren den Umfang der wirtschaftlichen Wertminderung der Beteiligung Schleswig-Holsteins an der HSH Nordbank. Das auf den Anteil des Landes berechnete Konzernergebnis wurde über die Jahre 2007 bis 2009 mit insgesamt 1,7 Milliarden Euro belastet. Dies entspricht über neun Prozent der Steuereinnahmen des Landes Schleswig-Holstein in diesem Zeitraum. Es ist erkennbar, dass Minister de Jagers Festhalten an der Absicht die Landesanteile rasch zu veräußern dem Steuerzahler jetzt einen Verlust einbrocken würde. Ein einfacher Überschlag müsste zu den gesamten Kapitalinvestitionen des Landes ihre Verzinsung hinzuzählen, die Dividenden abziehen und diese mit dem Verkaufserlös verrechnen. Wenn man will, dass das Land sein Geld zurück erhält, darf nicht verkauft werden. Rein kaufmännisch geht es jetzt darum, die politische Aufsicht über das Vermögen der Schleswig-Holsteinischen Bürger sachverständig zu gestalten. Politisch geht es um mehr: Eine Bank, die zu über 90 Prozent im öffentlichen Eigentum befindlich ist, muss in den erwartbar herannahenden Finanzkrisen eine stabilisierende Rolle spielen.


Anmerkungen:

(1) Ergänzung zum Jahresbericht 2011, Prüfung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses der Freien und Hansestadt Hamburg auf den 31. Dezember 2009, S. 21-25.
www.hamburg.de/contentblob/2861088/data/jahresbericht-2011-ergaenzung.pdf

(2) Die Ergebnisse für die HSH Nordbank können abgerufen werden unter:
http://stress-test.eba.europa.eu/pdf/bank/DE025.pdf

(3) Vgl. Stern-Online vom 15.07.2011.
http://www.stern.de/wirtschaft/news/europaeische-banken-im-stresstest-norddeutsche-landesbanken-bestehen-nur-knapp-1706643.html

(4) Vgl. Financial Times Deutschland vom 18.11.2009.

(5) Ein Klumpenrisiko liegt hier vor, weil sich die branchenbezogenen Ausfallrisiken in der Schiffsfinanzierung z.B. in den regelmäßig wiederkehrenden Schiffsbaukrisen so verdichten können, dass sie die Fähigkeit der Bank übersteigen diese zu überbrücken.

(6) Hamburger Abendblatt vom 1. August 2009.

(7) So im Fall Roth (Stern vom 13. Juli 2010), im Fall Prevent (Financial Times Deutschland vom 10. November 2010), und in Sachen St. Pancras sowie Omega 55 (Welt von 6. August 2010).

(8) So wird zum Beispiel im Handelsblatt vom 21.08.2009 Minister Wiegard zitiert.


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Quelle:
Gegenwind Nr. 275 - August 2011, S. 12-14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2011