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GEGENWIND/565: Kampfdrohnen ächten - Bundeswehr abschaffen


Gegenwind Nr. 300 - September 2013
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein

KRIEG & FRIEDEN
Kampfdrohnen ächten - Bundeswehr abschaffen

Von Ralf Cüppers



Mit dem Begriff Drohne werden führerlose ferngesteuerte Kriegsflugzeuge bezeichnet.


Die Drohne "Euro Hawk" (Falke) soll der Bundeswehr zu der "Kernkompetenz strategische Aufklärung" für weltweite Einsätze verhelfen. Durch die Reichweite von 23.000 km und einer Flughöhe von 20 km, in der sie von der Luftabwehr der meisten Länder nicht erreicht wird, kann die Drohne jeden Punkt der Welt für Militäraktionen ausspionieren. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, die in Friedrichshafen ansässige EuroHawk GmbH, ein Unternehmen von Northrop Grumman und Cassidian, eine überwiegend in Deutschland produzierende EADS-Tochter, hatten bereits einen Vertrag für die Entwicklung, Erprobung und Unterstützung dieser Drohne und für die Option für vier weitere Systeme in der Zeit von 2011 bis 2014 geschlossen. Der Auftrag hatte ein Volumen von 430 Mio. Euro, andere Quellen sprechen von 1,3 Mrd. Euro.

Nachdem 600 Mio. Euro dafür ausgegeben waren, wurde es beendet, weil es keine Chance auf Zulassung für den europäischen Luftraum gab. Die Militärverantwortlichen hatten den Kollisionsschutz eingespart, der verhindert, dass eine Drohne aus Versehen ein Passagierflugzeug rammt und zum Absturz bringt. Schutz von zivilen Menschenleben ist eben nicht in der Denkweise des Militärs enthalten.

Der Flugbetrieb sollte durch das Aufklärungsgeschwader 51 "Immelmann" vom Fliegerhorst Jagel durchgeführt werden. Manche der 1.500 Soldaten in Jagel wurden schon zu Drohnenpiloten umgeschult, die vom sicheren Büroarbeitsplatz am Computerbildschirm mit Joystick die Einsatzbefehle an die Drohne senden. In Jagel baute die Luftwaffe für die Drohnen einen Hangar füur 2,5 Millionen Euro. Was jetzt aus Jagel wird, ist unklar. Nachgedacht wird über eine Alternativdrohne.

Gerade die deutsche Bevölkerung ist empfindlich, wenn es um tote deutsche Soldaten geht. Normalerweise interessiert sich kaum jemand für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Gibt es aber eigene Opfer, werden Rufe laut, dass die Soldaten abziehen sollen. Um das Leben der eigenen Soldaten zu schonen, fordern unsere Politiker und Militärs den Einsatz von bewaffneten Drohnen. Darin steckt aber auch das Problem: Wenn Politiker glauben, das Risiko eigener Opfer sei gering, sind sie noch eher bereit, die Bundeswehr in aggressive Auslandseinsätze zu schicken. Hinzu kommt noch, dass Kampfdrohnen leichter zu verlegen und einzusetzen sind als die sonst verwendeten bemannten Kampfflugzeuge.

Die Bundeswehr setzt in Afghanistan bereits Kampfdrohnen ein. Die jetzt von der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzte Aufklärungsdrohne "Heron" (Reiher) hat sie bei einem Konsortium aus der israelischen Herstellerfirma Israel Aerospace Industries (IAI) und der deutschen Waffenschmiede Rheinmetall geleast. Zur Zeit arbeitet IAI an der Weiterentwicklung der "Heron" zu einer bewaffneten Kampfdrohne, die die aufgeklärten Ziele sogleich mit Raketen bekämpfen können. Getrieben wird diese Entwicklung auch dadurch, dass die Drohnen im Einsatz mehr Daten sammeln, als sich zur Bodenstation Jagel übertragen lassen. Was liegt da näher, als sie automatisch zu verarbeiten? Dadurch werden Drohnen zu "autonomen Kampfrobotern", die selbständig die von ihnen aufgeklärten Ziele bewerten und über den Waffeneinsatz mit Todesfolge entscheiden. Wen kann man dann noch für Völkerrechtsverletzungen und Hinrichtungen verantwortlich machen? Diejenigen, die den Roboter beschafft oder losgeschickt haben, oder etwa die Programmierer?

Seit 2001 konnten wir erfahren, wie die USA ihre bewaffneten Drohnen - etwa in Afghanistan, im Irak, in Pakistan, Somalia und Libyen - für die "gezielte Tötung" von Personen einsetzen. Diese Einsätze haben deutlich zugenommen, seit der "Friedensnobelpreisträger" Barack Obama Präsident ist und die vorgelegten Tötungsbefehle persönlich unterzeichnet. George W. Bush hatte in den letzten vier Jahren seiner Präsidentschaft 52-mal bewaffnete Drohnen in Pakistan eingesetzt. Sein Nachfolger Obama hatte dies bis Mitte 2012 bereits 285-mal getan. Und die Folgen waren verheerend: Von Juni 2004 bis September 2012 kamen in Pakistan dabei zwischen 2562 und 3325 Menschen um. Davon waren 474 bis 881 Zivilisten, einschließlich 176 Kindern. Weil die westlichen Staaten die Zahl ihrer toten Soldaten niedrig halten wollen, nehmen sie mehr zivile Opfer in Kauf. Eine US-Studie belegt, dass nur 2% der Menschen, die bei den Drohnenangriffen der letzten vier Jahre starben, "Terroristen" waren. Besonders hinterhältig sind Drohneneinsätze, bei denen nach dem ersten Angriff ein zweiter erfolgt, der die zu Hilfe geeilten Menschen trifft. Kampfdrohneneinsätze in Pakistan und Afghanistan forderten erschreckend viele "zivile" Opfer, auch Frauen und Kinder, die Bevölkerung in den von den Einsätzen heimgesuchten Gebieten leidet durch die ständige Bedrohung unter Angstzuständen und wird psychisch traumatisiert.

Deutschland ist ein Rechtsstaat und ein Land ohne Todesstrafe. Hinrichtungen im Ausland durch deutsche Drohnen sind deshalb auch grundgesetzwidrig. Man kann nicht erwarten, die Bundeswehr werde sich beim Kampfdrohneneinsatz an Gesetz und Recht halten. Die Bundeswehr hat nicht nur zielstrebig vermieden, Oberst Klein wegen des von ihm befohlenen Massakers von Kundus zur Rechenschaft zu ziehen, sondern ihn hinterher auch noch zum General befördert. Die Bundesregierung schließt die Tötung von Menschen durch bewaffnete Drohnen nicht aus; sie erscheint nur bemüht, den öffentlich negativ besetzten Begriff der gezielten Tötung - wie er sich durch die Berichterstattung über die US-Drohnen-Kriegsführung in Teilen Afrikas und Asiens gebildet hat - im Zusammenhang mit ihrer eigenen Praxis zu vermeiden und ihr Handeln nach nationalen und internationalen Kriterien als rechtmäßig darzustellen.

Die jetzt im Einsatz befindlichen Kampfdrohnen sind nur der Einstieg in eine völlig neue Militärtechnologie. Zur Zeit verfügen nur die USA und Israel über einsatzfähige Kampfdrohnen. Bislang streben nur NATO-Staaten, sowie Australien, Indien, Japan und Südkorea die Entwicklung dieser Kampfdrohnen oder deren Erwerb an. (http://de.wikipedia.org/wiki/Northrop_Grumman_RQ-4) Die von der NATO als Feindbild zu "Schurken" aufgebauschten Staaten haben keine Drohnen. Ein Rüstungswettlauf zeichnet sich ab, bei dem wir Steuerzahler Milliarden an die Rüstungsindustrie zahlen. Weil bisher nur sehr wenige Staaten über Kampfdrohnen verfügen, sollte man die Chance nutzen, zu einer internationalen Ächtung dieser Waffen zu kommen. Aber im Gegensatz zu den internationalen Übereinkommen zur Ächtung von Streumunition und Landminen träfe ein solches Verbot nicht die armen Länder, die billigste "Kleinwaffen" wollen, sondern die mächtigsten und reichsten Länder, die USA und deren Verbündeten. Das macht es schwieriger.

Konversion ist möglich: "Der Urlaub beginnt am Jagel Airport!"

Seit einigen Jahren setzt sich ein Förderverein dafür ein, dass der Flughafen Jagel zivil genutzt wird. Nach deren Veröffentlichungen sind die Umwelt- und Lärmbelastungen bei zivilen Flugzeugen deutlich geringer als beim derzeitigen militärischen Flugbetrieb. Kriegsflugzeuge verursachen - bauartlich bedingt - einen wesentlich höheren Lärmpegel. Der Grund dafür ist die Triebwerkskonstruktion. Wenn also statt völlig sinnlosen Kriegsflugzeugen norddeutsche Urlauber in Passagierflugzeugen von Jagel aus starten, wäre es für Anwohner in und um Jagel herum eine Entlastung. Aus ökologischer Sicht müßte auch der zivile Passagierflugverkehr reduziert werden, aber der startet in Norddeutschland bisher überwiegend von Hamburg-Fuhlsbüttel. Wenn die Flugreisenden von Jagel aus starten anstatt von Fuhlsbüttel, wäre das dichtbesiedelte nordhamburger Stadt- und Stadtrandgebiet ebenfalls von Fluglärm entlastet. Die Bundeswehr verhindert also Arbeitsplätze und den wirtschaftlichen Aufschwung der Region, in dem sie Jagel nicht für zivile Nutzung freigibt, sondern mit dem sinnlosen Drohnenprojekt blockiert.

Wenn die Drohnen denn kommen, werden sie wohl alle zu uns in den Norden kommen: Jagel wäre dann in Sachen Drohnen so wie Büchel für die Atomsprengköpfe, und darauf sollten wir uns so langsam vorbereiten.

Kampfdrohnen sind besonders widerwärtig, aber wäre eine Bundeswehr, die auf Kampfdrohnen verzichtet, plötzlich akzeptabel? Wäre eine Bundeswehr, die auf Auslandseinsätze verzichtet und sich auf das Kerngeschäft der "Landesverteidigung" beschränken würde, akzeptabel, wo doch jeder Versuch einer militärischen "Landesverteidigung" zur Vernichtung der hiesigen Lebensgrundlagen führt? Auch eine Bundeswehr, die auf Drohnen verzichtet, wäre immer noch schädlich, gefährlich, sinnlos und teuer. Das Streben nach Drohnen stellt die politische und moralische Verkommenheit der Bundeswehr und der sie unterstützenden Politiker besonders heraus, dass sie sich für kein Verbrechen und keinen Schwachsinn zu schade sind. Da reicht es nicht aus, immer dem jeweils neuesten Aufrüstungsprojekt hinterherzulaufen und nur die Ächtung der Kampfdrohnen zu fordern.

Die Bundeswehr ist insgesamt nur schädlich und gehört geächtet und abgeschafft.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 300 - September 2013, Seite 24-25
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2013