Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


GEGENWIND/755: Weitere Aufrüstung


Gegenwind Nr. 356 - Mai 2018
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Weitere Aufrüstung
Vernetzte Operationsführung der Bundeswehr mit Elektronischer Kampfführung

von Ralf Cüppers, DFG-VK Flensburg


Die ECR-Tornados in Jagel (ECR steht für Electronic Combat Reconnaissance, Elektronische Kampfführung und Aufklärung) sind bereits für die Elektronische Kampfführung aufgerüstet. Lokalisieren eines Zieles und das Abschießen von Raketen, die sich ihr Ziel selbständig suchen, erfolgt weitgehend automatisiert.

Für die Bundeswehr werden nach den Tornados nun auch die Panzer Leopard II für die Elektronische Kampfführung aufgerüstet. Die Elektronik wird von Rheinmetall Defence in Flensburg in die Panzer Leopard II eingebaut. Rheinmetall-Defence ist der militärische Teil des internationalen Konzerns Rheinmetall.

Rheinmetall-Defence hat mit der Münchener Firma Rhode und Schwarz eine Zusammenarbeit vereinbart, ein Joint Venture, eine "weitreichende Partnerschaft, um künftig eine führende Rolle bei der Digitalisierung der Landstreitkräfte zu übernehmen" Rheinmetall Defence ist daran mit 74,9 %, Rohde und Schwarz 25,1 % beteiligt. Die Firma Rhode und Schwarz ist auf Elektronik für den militärischen Bereich spezialisiert.

In die Leopard-Panzer wird Elektronik eingebaut, so dass der Panzer digitale Signale empfangen kann: "In der neuen Joint Venture-Gesellschaft verantwortet Rheinmetall den Bereich "Führungssysteme", den Bereich "querschnittliches Bediengerät" und die komplette Fahrzeugintegration. Rohde & Schwarz verantwortet mit seiner Schlüsselkompetenz der sicheren Kommunikation die Gesamtarchitektur inklusive IT- und Cybersicherheit sowie die IP-basierte Systemlösung für militärisch robusten, gesicherten Sprach- und Datentransport unter Hinzunahme von Komponenten und Lösungen anderer Hersteller."

Es wird in der Öffentlichkeit bislang so dargestellt, als ginge es nur um Digitalfunk, mit dem ein militärischer Vorgesetzter dem Panzerfahrer einen Befehl über Sprechfunk übermitteln könnte, so wie auch Polizei und Feuerwehr schon den Digitalfunk nutzen.

Aber Rohde & Schwarz, führt aus: "Mit dem System SVFuA legt die Bundeswehr den Grundstein für eine moderne und somit zukunftsfähige taktische Kommunikation."

Die Bundeswehr selbst drückt es im Bundeswehr-Journal wie folgt aus: "Das Konzept der "Vernetzten Operationsführung" - militärisch kurz "Net0pFü" - erlaubt es, Personen und militärische Bereiche sowie Sensoren und Effektoren miteinander zu verbinden. Dies geschieht mit Hilfe eines streitkräftegemeinsamen, führungsebenenübergreifenden und interoperablen Kommunikations- und Informationsverbundes. Eine Net0pFü-Schlüsselrolle spielt eine neue Generation von Funkgeräten, die auf der Technologie "Software Defined Radio" (SDR) basiert. Die neue Funkgerätegeneration heißt "Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkgeräte-Ausstattung" (SVFuA)."

Was kann der aufgerüstete Leopard II?

1. Der Leopard-Panzer soll digitale Funksignale empfangen und auch verarbeiten können.

2. Bei diesen Funksignalen geht es um gesicherten Sprach- und Datentransport, also auch um nichtsprachliche Daten.

3. Dieses geschieht über ein System, das SVFuA abgekürzt wird.

4. Mit SVFuA ist die "Vernetzte Operationsführung" möglich, die verbindet Personen sowie Sensoren und Effektoren, das bedeutet sprachlogisch, dass es sich bei Sensoren und Effektoren offenbar nicht um Personen handelt. Nun muss man noch wissen, dass "Effektoren" oder zu Deutsch "Wirkmittel" der militärische Begriff für tödliche Waffen ist. Sensoren und Effektoren werden somit direkt verbunden, ohne dass Personen dazu nötig sind.

5. Am Ende dieser Entwicklung steht ein Leopard-Panzer als autonomer Kampfroboter. Was in Jagel für die Luftwaffe bereits geschieht, wird hier in Flensburg für das Heer übertragen. Und ab 2019 sind solche Systeme auch für die Marine vorgesehen. Dann können auch die Kriegsschiffe mit den Tornados ECR, den Drohnen und dem Panzer Leopard II über gesicherten Sprach- und Datentransport in "Echtzeit" kommunizieren.

So funktioniert die elektronische und automatisierte Kampfführung

Die Sensoren, die sich in den Tornados ECR und in den Drohnen befinden und von den Wullenwever-Antennenanlagen in Bramstedtlund, Daun und Gablingen empfangen werden und bildgebende, radargestützte, Satelliten gestützte und funktechnische Lagebilder und Signale empfangen können, befehlen den Effektoren, also der Bewaffnung des Panzers Leopard und der Bewaffnung der Kriegsschiffe (ab 2019) welche Ziele sie mit ihrer Bewaffnung angreifen sollen, ohne dass ein menschlicher Akteur dazwischengeschaltet sein muss.

Der für die Elektronische Kampfführung aufgerüstete Tornado ECR oder eine Drohne, Satelliten und die Wullenwever-Antennenanlagen sind mit ihren Möglichkeiten, Signale zu empfangen, die Sensoren, die ein zu vernichtendes Ziel identifizieren. Die Elektronik übermittelt die Daten, wo genau der nächste Leopard-Panzer sich befindet, und rechnet aus den Koordinaten seines Standortes und denen des Zieles aus, in welchem Winkel zum Horizont und zum Längengrad das Geschützrohr aufzustellen ist, dass das Ziel sicher vernichtet wird. Um so etwas als anspruchsvolle Differentialgleichung und mit den Formeln der sphärischen Trigonometrie auszurechnen, brauchte ein Mensch etwa eine Stunde. Die Elektronik schafft es "in Echtzeit" und sendet das Ergebnis als digitales Signal an den Leopard-Panzer, der dafür empfangsbereit ist und sein Geschützrohr, den Effektor, entsprechend ausrichtet.

Ziel ist es, mit Hilfe der von der Firma Rhode und Schwarz entwickelten Technik, alle Waffenträger (bis 2025 auch alle Soldatinnen und Soldaten) und Waffensysteme in einem Kriegsgebiet kommunikativ zu vernetzen, so dass Waffen in kürzester Zeit, zielgerichtet eingesetzt werden können. Informationsvorsprung und Zeitersparnis sind wesentlicher militärischer Vorteil im Kriegseinsatz.

Wenn der Soldat in einem so aufgerüsteten Panzer Leopard II nur noch die Funktion eines Chauffeurs hat, ist er verzichtbar, denn mit der Möglichkeit des Empfanges digitaler Signale wäre so ein Panzer wie eine Drohne fernsteuerbar. Die automatisierte Elektronische Kampfführung im System der Vernetzten Operationsführung bringt militärische Überlegenheit in der asymmetrischen Kriegsführung.

Zu einer Zeit, in der es der Bundeswehr zunehmend schwerer fällt, Jugendliche für die Bundeswehr zu rekrutieren, über vier Millionen erklärte Kriegsdienstverweigerer sind ein gewichtiger Faktor, muss die Bundeswehr "Manpower" durch technologische Überlegenheit in asymmetrischer Kriegführung ersetzen. Der automatisierte Krieg führt zu weniger toten oder verletzten Bundeswehrsoldat*innen, so dass die Kriegsführung als solche in der Bevölkerung nicht wahrgenommen und akzeptiert wird.

Der Leopard II wird in Flensburg für Wuchtgeschosse aufgerüstet

Das Kanonenrohr des Panzers Leopard II wird hier in Flensburg um etwa ein Meter verlängert. Damit erhöht sich die Durchschlagskraft des Wuchtgeschosses, so dass es auch modernste Panzer, z. B. russische durchschlagen kann.

Einige dieser Panzer sollen auch an Jordanien geliefert werden, den sicheren Verbündeten der Bundeswehr, von wo auch schon die Tornados aus Jagel ihre Kriegseinsätze in Syrien fliegen. Die in Flensburg aufgerüsteten Panzer Leopard II werden dann zur weiteren Destabilisierung der Region beitragen, Tod, Leid und Verzweiflung in der Region vermehren.

Rheinmetall erhöht seine Gewinne durch Tod, Leid und Zerstörung

Der Gesamtkonzern Rheinmetall erwartet in diesem Jahr ein Umsatzwachstum in Höhe von rund 6 %, ausgehend von einem Jahresumsatz in Höhe von 5,6 Mrd. Euro im Jahr 2016. Rheinmetall Defence hat ein Umsatzwachstum von 5,9 % auf 2,025 Mrd, Euro und eine Ergebnisverbesserung um 28 Mio. Euro auf 60 Mio. Euro. Der Konzern Rheinmetall könnte ohne größeren finanziellen Schaden auf den militärischen Bereich verzichten und Rüstungskonversion betreiben, wenn Abrüstung politisch gewollt wäre.

Jeder Einwohner der Bundesrepublik ist an der Aufrüstung der Bundeswehr durch Rheinmetall Defence mit 25 Euro pro Jahr beteiligt, die aus unseren Steuerzahlungen an Rheinmetall-Defence fließen.

Auch eine Bundeswehr, die auf Vernetzte Operationsführung, Cyberkrieg, Drohnen und Elektronische Kampfführung mit vollautomatisierten Panzern verzichtet, wäre immer noch schädlich, gefährlich, sinnlos und teuer. Demokratie, Frieden und ein Leben in Sicherheit für die Menschen können aber nicht durch Aufrüstung, Militär und Krieg hergestellt oder gesichert werden. Deswegen ist die Alternative allgemeine und vollständige Abrüstung. Wir fangen in unserem Verantwortungsbereich, der Bundesrepublik, mit der Abschaffung der Bundeswehr an, hin zu einer Welt ohne Militär.

Rheinmetall Defence soll nicht mehr ungestört das Kriegsgeschäft betreiben können. Deswegen werden wir mit Mahnwachen und Aktionen vor Rheinmetall Defence in Flensburg, Werftstraße 24 protestieren. Die nächste Aktion vor Rheinmetall Defence in Flensburg findet am 28. Mai um 14.00 Uhr statt, da haben die Arbeiter Feierabend.

Seit Sommer 2015 finden regelmäßig Mahnwachen und Aktionen am Drohnen- und Tornadostandort Jagel statt um gegen die Aufrüstung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen und die Kriegsbeteiligung der Tornados aus Jagel zu protestieren. Diese Aktionen gehen weiter: Am 26. Mai findet der Lauf zwischen den Meeren von Husum nach Damp auch über den Fliegerhorst Jagel statt und friedensbewegte Läufer*innen nehmen am Lauf teil. Am Dienstag, 26. Juni wollen wir mit möglichst vielen künstlerischen und handwerklichen Aktivitäten möglichst viele Zufahrten zum Standort Jagel blockieren. An diesem Tag soll unsere Kreativität wirksam werden gegen den Krieg.

Wir laden herzlich dazu ein, an den Aktionen vor Rheinmetall Defence und am Fliegerhorst Jagel teilzunehmen.

*

Quelle:
Gegenwind Nr. 356 - Mai 2018, Seite 8 - 10
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info
 
Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang