Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


GEGENWIND/798: Energiewende naturunverträglich


Gegenwind Nr. 367 - April 2019
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Energiewende naturunverträglich

von Klaus Peters


Es ist dem kürzlich und reichlich spät erschienenen Bericht des Bundesamtes für Naturschutz unschwer zu entnehmen, dass der Konflikt zwischen Anlagen der Erneuerbaren Energien und dem Naturschutz schwerwiegend ist. Warum so spät? Der weitere Ausbau soll nun naturverträglich gestaltet werden.


Das Dilemma ist offensichtlich. Wie soll weiterer Ausbau so geschehen und wie sollen die bereits entstandenen Schäden gemildert oder gar rückgängig gemacht werden? Der über 40seitige Bericht des Bundesamtes enthält allerlei Vorschläge. Doch sind sie realistisch, was kann, was wird davon umgesetzt werden?

Der Bericht bezieht sich nur auf die Situation in Deutschland und auch nur auf Anlagen zur Erzeugung, nicht auf Transport (Hochspannungstrassen, Umspannungswerke) und nicht auf die Speicherung von Energie. Es werden auch nur die Auswirkungen auf Natur, Landschaft und Arten betrachtet. Außen vor bleibt die Gesundheit (Schall) von Anwohnern. Als relevant wird die mittelbare Wirkung, also im Wesentlichen die optische Wirkung, im Kontext mit der Akzeptanz untersucht. Hinzu kommen ja noch die materiellen und psychischen Folgen von Wertminderungen. Es werden keine energiepolitischen oder systemischen Alternativen betrachtet. Es erfolgen lediglich allgemeine Hinweise zur Energieeffizienz und zum Energiesparen. Auch Zusatzbelastungen durch Dünger und Pestizide werden genannt.

Im Wesentlichen konzentriert sich die Nutzung erneuerbarer Energien durch die Nutzung der Wind-, Sonnen- und Wasserkraft sowie der Biomassenutzung als Teil der Sonnenenergienutzung. Die Nutzung ist regional unterschiedlich. Im Norden und Osten dominiert die Windenergienutzung, in Süddeutschland die Nutzung der Sonnenenergie über Photovoltaikanlagen.

Die Windenergieanlagen haben die größten raumbedeutsamen Auswirkungen. (Offshore-Anlagen werden nicht betrachtet.) Manche Landschaften sind zu Energieindustrielandschafen geworden. Die Zahl und Größe der Anlagen hat immer mehr zugenommen. Neben der Beeinträchtigung und Zerstörung von Landschaften und Ortsbildern ist insbesondere auch die Verdrängung und Tötung von Vogel- sowie Fledermausarten von Bedeutung.

Bei der Biomassenutzung, im Wesentlichen Mais, sind die negativen Auswirkungen auf die Biodiversität am stärksten. Negative Nebenwirkungen sind die gestiegenen Flächenpreise, die Verdrängung des Nahrungsmittelanbaus und auch die Verteuerung von Futter- und Nahrungsmitteln. Nach Auffassung der BfN sind die Biomasse-Potentiale ausgeschöpft, Erweiterungen sind nicht mehr akzeptabel. Nicht betrachtet wird die Beeinträchtigung von Anwohnern oder Wanderern und Fahrradtouristen oder auch von Bahnreisenden, denen bei meterhohen Maispflanzen die Sicht in die Landschaften, auf Tiere und Pflanzen versperrt wird.

Im Bereich der Nutzung der Sonnenenergie über Photovoltaikanlagen werden noch erhebliche Potentiale bei Dachanlagen genannt. Freianlagen sollten wegen der Schutzbedürftigkeit der Landschaften nicht mehr zugelassen werden. Die negative isolierende Wirkung für Tierarten wegen der obligatorischen Absperrungen wird hervorgehoben.

Die Vorschläge beschränken sich letztlich auf Minderung von negativen Einflüssen, die durch die mögliche und auch unterstellte Zunahme von Anlagen, insbesondere WKA, kaum signifikante Wirkungen entfalten können. Ohnehin haben die Vorschläge nur empfehlenden Charakter, müssten allerdings als Erkenntnisquelle auch von der Genehmigungsbehörden beachtet werden.

Bei der Gestaltung und Umsetzung der Energiewende sind eine Vielzahl von schwerwiegenden Fehlern begangen werden. Die Aussicht auf hohe Profite hat zu diversen Tricksereien geführt. Der Hunger nach Profiten hat kaum nachgelassen. Ähnlich wie bei Raubbau von Gold oder anderen Rohstoffen spielen Landschaft und Arten für Grundbesitzer und Betreiber oder Teilhaber so gut wie keine Rolle. Politik und Verwaltung lassen die Dinge laufe. Mehrmals mussten die Gerichte die gröbsten Ungereimtheiten und Verstöße gegen Recht und Ordnung korrigieren. Nicht einmal die Versiegelung durch WKA-Fundamente und Zuwegungen werden bisher in den Flächenverbrauchsstatistiken erfasst. Ein schwacher Trost, wenn in Schleswig-Holstein bisher noch keine Anlagen in Wäldern zugelassen worden sind. Doch auch die optischen Einwirkungen auf Wälder und Schutzgebiete sind bereits beträchtlich.

Brisanterweise kommt die Studie "Interference of Flying Insects an Wind Parks" des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zu dem Ergebnis, dass Windkraftanlagen erheblich zur akuten Gefährdung von Fluginsekten beitragen Die Menge der getöteten Fluginsekten beträgt auf den deutschen Luftraum bezogen jährlich rund 1200 Tonnen, entsprechend 12 Milliarden Insekten. Nach Einschätzung der Autoren entspricht diese Menge von Insekten derjenigen, die von PKW vernichtet wird, beide Mengen sind also zu addieren. Die Ergebnisse dieser Studie sind im Erneuerbare Energien Report nicht berücksichtigt worden.


Bundesamt für Naturschutz (BfN): Erneuerbare Energien Report, Bonn, 2019

Trieb, Franz, DLR: Interference of Flying Insects an Wind Parks, Stuttgart 30.10.2018

*

Quelle:
Gegenwind Nr. 367 - April 2019, Seite 10 - 11
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6, 24118 Kiel
Redaktion: Tel.: 0431/56 58 99, Fax: 0431/570 98 82
E-Mail: redaktion@gegenwind.info
Internet: www.gegenwind.info
 
Der "Gegenwind" erscheint zwölfmal jährlich.
Einzelheft: 3,00 Euro, Jahres-Abo: 33,00 Euro.
Solidaritätsabonnement: 46,20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang