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GEGENWIND/831: Desaster statt Nachhaltigkeitsstrategie


Gegenwind Nr. 373 - Oktober 2019
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

UMWELT
Desaster statt Nachhaltigkeitsstrategie

von Klaus Peters


Viele gesellschaftliche Fragen lassen sich einfach nicht beantworten oder noch nicht beantworten. Fast alle Politiker antworten trotzdem, auch ungefragt, es geht um Wählerstimmen. Politiker sind auch dabei, wenn es um Wissenschaft geht. Sie bestimmen Budgets, Forschungsaufgaben und Stellenpläne. Sie lassen sogar rein kommerzielle Interessen zu - Auftragsforschung für Wirtschaft, Industrie u.a.m. Immerhin gibt es auch noch die Unabhängigen, die Bücher schreiben oder auf andere Weise aufklärend tätig sind.


Fragen des Seins sind jenseits der Religionen nicht zu beantworten. Das gilt auch für andere metaphysische Fragen, wie etwa die nach der Ursache der Zahl und Menge der Elemente. Immerhin ist der menschliche Geist so ausgestattet, dass er fast alle Elemente für seine Zwecke zu nutzen verstand. Frei nach Karl Marx sind die Natur und die menschliche Arbeitskraft Grundlage der Entwicklung der Gesellschaft.(1) Dabei spielte und spielt die Entwicklung der Arbeitsmittel als Teil der Produktionsmittel(2) eine zentrale Rolle, insbesondere im Zeitalter der Industrialisierung.

Die Entdeckung massenhafter fossiler Rohstoffe, ganz besonders die Entdeckung von Energievorräten, deren Fördertechniken und deren industrielle Nutzung, bestimmt die Entwicklung der letzten rund 150 Jahre. Trotz einiger Rückschläge, etwa durch Kriege, ist die Menschheit nicht wirklich bereit, freiwillig auf die Nutzung von Ressourcen zu verzichten und ihren Lebensstandard grundlegend zu ändern. Kriege werden auch um den Zugang zu Rohstoffen geführt. In einigen Ländern und Regionen sind die Lebensverhältnisse für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung dabei immer noch auf einem so niedrigen Niveau, dass Verbesserungen eigentlich alternativlos sind.

Politik und Wissenschaft haben es also nicht verstanden, gerechte Verhältnisse ohne Ausbeutung von Natur und Mensch zu schaffen. Frühe Warner gab es genug: neben Marx beispielsweise Hermann Löns, den Club of Rome, Herbert Gruhl oder Horst Stern. Trotzdem geht das Leben irgendwie weiter. Die Schäden an Mensch und Natur und die gesellschaftlichen Kosten nahmen und nehmen allerdings zu.

Zivilgesellschaftliche Organisationen

Was also tun? Die Zahl der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung einsetzen hat seit den 1970er Jahren immer mehr zugenommen. Nicht alle sind erfolgreich und nicht alle haben immer die "richtigen" Ziele, nicht alle erfassen das Gemeinwohl in seiner ganzen Breite. Neu hinzugekommen ist die von der schwedischen Aktivistin, Greta Thunberg, initiierte und überwiegend auch von Schülern gestützte Organisation und Bewegung "Fridays for Future", die ursprünglich vor allem durch Demonstrationen während der Schulzeit auf die mögliche Folgen des Klimawandels aufmerksam machen wollte, sich nun aber auch mehr dem grundsätzlichen Schutz unserer Lebensgrundlagen widmet. Vom 31. Juli bis zum 4. August fand in Dortmund ein erster Kongress dieser Bewegung in Deutschland statt, im Anschluss daran ein internationaler erster Kongress in Lausanne. Ziel beider Kongresse war es, die Bewegung durch Kennenlernen, Austausch und Weiterbildung zu stärken, sie somit auch noch bekannter zu machen und um damit ihre Wirksamkeit zu verstärken. Referenten des Kongresses in Deutschland war u.a. der an der Universität Wien lehrende Wissenschaftler, Ulrich Brand, Mitverfasser des Buches "Unsere imperiale Lebensweise". Alle zivilgesellschaftlichen Organisationen nutzen selbstverständlich auch die durch das Internet eröffneten Möglichkeiten sozialer Netzwerke. Ein wirklicher Durchbruch ist nach ersten positiven Ansätzen ab den 1980er Jahren nicht gelungen. Trotz der Vielzahl der Organisationen, die sich teilweise zusammengeschlossen haben, etwa im Bundesverband Bürgerinitiativen (BBU), im Agrarbündnis oder im Deutschen Naturschutz Rat (DNR), finden auch nur selten gemeinsame Aktionen statt. Die Parteien unterstützen populistisch die eine oder andere Organisation. Auf kommunaler und regionaler Ebene sind es die Bürgerinitiativen, die hier und da unterstützt werden. Dort und auf überregionaler Ebene sind es jedoch eher Interessenverbände, mit denen man punkten möchte.

Staatliche Initiativen, Gesetzesvorhaben

In den 1970er Jahre hatte sich aufgrund der zunehmenden Umweltverschmutzung (Luftverschmutzung, Lärm, Abfallberge, Gewässerbelastung), eine wesentliche Folge des sogenannten "Wirtschaftswunders", in Politik und Gesellschaft erstmals auf breiterer Ebene ein Umweltbewusstsein entwickelt. Willy Brandt war schon Anfang der 1960er Jahre mit dem Slogan "Der Himmel über der Ruhr muss wieder blau werden", in den Wahlkampf gezogen. 1972 erschien der erste Bericht des Club of Rome mit dem Titel "Die Grenzen des Wachstums". Zahlreiche Umweltgesetze traten nach und nach in Kraft. In allen Bundesländern und vielen Städten wurden Umweltbehörden eingerichtet. Ab den 1990 trat auf nationaler Ebene jedoch ein weitgehender Stillstand im Bereich der Umwelt- und Naturschutzbemühungen ein. Lediglich EU-Richtlinien und EU-Verordnungen brachten einige Umweltsicherungsmaßnahmen, wie die Vogelschutz-Richtlinie (VRL) und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL). Massive Widerstände von Lobby-Gruppen gibt es bis heute. Zur Jahrtausendwende gelang es der damaligen rot-grünen Regierung eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie zu beschließen.

EEG und Fake-News

Gleichzeitig wollte die damalige Regierung aber die Energiepolitik zu einem Schwerpunkt machen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das eine massive Förderung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien vorsah, sollte die Befreiung von Energieproblemen suggerieren. Etwa gleichzeitig war die Privilegierung von Anlagen zur Nutzung von Wind und Sonne auf den Außenbereich V0n Gemeinden, also auf den gesamten ländlichen Raum, formal bis auf Siedlungen und Schutzgebiete, ausgeweitet werden. Begleitet worden waren diese Vorhaben mit populistischen Aussagen der zuständigen Minister wie: "Es bleibt dabei, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro pro Monat kostet - so viel wie eine Kugel Eis." (Jürgen Trittin, Umweltminister 2004)(3) "Bauern könnten die Scheichs von morgen werden, wenn das Potenzial nachwachsender Rohstoffe in Deutschland stärker genutzt würde." (Renate Künast, Landwirtschaftsministerin)(4)

Einige Jahre später fasste die folgende schwarz-rote Regierung die Meseberger Beschlüsse, die als Integriertes Energie- und Klimaprogramm (IEKP)(5) der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden. Dieses Programm beinhaltet zahlreiche Maßnahmen, auch Energiesparmaßnahmen, die zur Verminderung der Kohlendioxidemissionen in Deutschland beitragen sollten. Dieses Programm ist trotz der zahlreichen Maßnahmen wenig ambitioniert und auch nur ansatzweise umgesetzt worden. Zudem fand weder mit der EU noch mit den Nachbarländern eine Abstimmung statt. Von den 29 Punkten ist insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben worden. Nachdem man feststellen musste, dass Abnehmer und Speicherkapazitäten fehlten, auch der Ausbau der Elektromobilität. Die massenhafte Elektromobilität ist mit neuen Problemen, wie der Rohstoffausbeutung und den Transporten aus Übersee, verbunden. Die Einführung einer CO2-gebundenen KFZ-Steuer ist kürzlich wieder auf der Agenda erschienen. Der Landwirtschaftsbereich wurde bisher praktisch nicht tangiert, ÖPNV und der schienengebundene Verkehr wurden explizit nicht thematisiert. Die Schaffung von Kohlenstoffsenken (Wald- und Moorbildung) sowie Anpassungsmaßnahmen (beispielsweise Küstenschutz und Schaffung von Rückhalteräumen, aber auch Biodiversitätsschutz und die drastische Reduzierung des Flächenverbrauchs) fehlen fast vollständig.

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Treibhausgasemissionen

- Treibhausgasemissionen weltweit (2016): 51,9 Gigatonnen/Mrd. Tonnen (CO2-Äquivalente)[1]
- Treibhausgasemissionen Deutschland (2016): 911 Millionen Tonnen (ca. 90 % CO2)[2]
- Innerhalb der EU (4451 Millionen Tonnen) ist Deutschland der größte Emittent.[3]

Kosten

Kosten für Einspeisemanagement (Eisman- oder Einsman-Maßnahmen), wesentlicher Anteil sind Kostenerstattungen für Ausfallarbeit, für 2017: 5518 GWh entsprechend 610 Millionen Euro (WKA 81 %);[4] insgesamt mussten zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität 1,4 Mrd. Euro erstattet werden.[5] Der größte Anteil der Erstattungen für WKA entfällt auf Anlagenbetreiber in Schleswig-Holstein.

Anteile an der Primärenergieversorgung 2017 in Deutschland[6]:

- Windenergie 2,8 %
- Photovoltaik 1,1 %
- Biomasse 6,2 %

EEG-Umlage

2010: 2,05 Cent/KW/h; 2019: 6,41 Cent/KW/h, Netzentgelte ca. ein Viertel des Strompreises von jetzt 29,76 Cent.[7] Nach Angaben der Netzbetreiber ergaben sich 2017 und 2018 Gesamtkosten von jeweils rund 24 Mrd. Euro.[8]

[1] The Emission GAP Report 2017/Weltagrarbericht, Klima und Energie, Wege aus der Hungerkrise
[2] Umweltbundesamt
[3] Europäisches Parlament (2018)
[4] www.next.kraftwerke.de
[5] Bundesnetzagentur, Pressemitteilung vom 18.06.2018. www.netztransparenz.de
[6] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
[7] Frank-Thomas Wenzel: "Strom ist so teuer wie noch nie", Kieler Nachrichten vom 2. August 2019, Seite 7
[8] Pressemitteilungen der Netzbetreiber
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Nun könnte man meinen, der offizielle Anteil an den weltweiten Kohlendioxidemissionen bzw. den Treibhausgasemissionen Deutschland sei mit ca. 2 % relativ gering, deshalb gäbe es eigentlich keinen dringenden Handlungsbedarf, doch die Verlautbarungen gehen in die andere Richtung und was die sogenannten erneuerbaren Energien betrifft wird der Eindruck erweckt, mit deren exzessiven Ausbau in Deutschland sei die Welt zu retten. Tatsächlich geht es vor allem um ein gewaltiges Privatisierungs- und Gewinnmaximierungsprogramm. Die neu geschaffenen Probleme sind enorm, selbst die Ökobilanz von Photovoltaik, Windkraft und Biogas ist problematisch. Der Beitrag zur Kohlendioxidreduzierung ist gering. Die Emissionen sind in Deutschland zwischenzeitlich und weltweit bis heute sogar gestiegen. Die von den Stromverbrauchern zu tragenden Kosten werden bis 2025 insgesamt voraussichtlich über 500 Mrd. Euro betragen, bis Ende der 2030er Jahre sogar rund 1000 Mrd. Euro.(6)

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Treibhausgasemissionen 2016 [1]

Energiewirtschaft: 343 Mill. t = 38 %
Industrie: 188 Mill. t = 21 %
Verkehr: 168 Mill. t = 18 %
Haushalte: 91 Mill. t = 10 %
Gewerke, Handels, Dienstleistungen: 39 Mill. t = 4 %
Landwirtschaft: 72 Mill. t = 8 %
Abfall und Abwasser: 10 Mill. t = 1 %

Die Angaben im Klimaschutzbericht sind zu interpretieren. In den Bereichen Energiewirtschaft und Industrie sind auch Emissionen enthalten, die beispielsweise bei der Produktion von Fahrzeugen (Verkehr) oder mineralischen Düngemitteln (Landwirtschaft) angefallen sind.

Zudem sind diejenigen Emissionen nicht enthalten, die durch importierte Rohstoffe, von importierten Bauteilen, Geräten oder Fahrzeugen oder beispielsweise beim Anbau und Transport von importierten Futtermitteln entstehen.

[1] Klimaschutzbericht der Bundesregierung 2017, Berlin 2018
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Länderchaos

Die Bundesländer bestimmen nach eigenen politischen Vorstellungen wann, wo und wieviel Energie eingespart wird. Bei Anlagen zur Nutzung von Sonne und Wind wird ebenso unabgestimmt mit dem Bund und den übrigen Ländern, auch unabgestimmt mit den Nachbarländern, vorgegangen. Es gibt zwar ein Bundesraumordnungsgesetz, doch das beschränkt sich auf allgemeine Vorgaben. Es gibt vor, dass die Länder eine eigene Landesplanung betreiben müssen. Doch diese lässt viel Spielraum und ist im Zusammenhang beispielsweise mit der Windenergieplanung in Schleswig-Holstein grob missachtet worden (Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig von Anfang 2015). Unterschiede in den Ländern ergeben sich natürlich zwangsläufig durch die Landesfläche und die Struktur der Landschaften. Doch insbesondere bei den Abständen zu Gebäuden und Siedlungen, zu Schutzgebieten, Rastgebieten, bezogen auf den Artenschutz, aber auch zu Gewässern oder Verkehrswegen usw. ergeben sich große, nicht schlüssige Unterschiede. In einigen Bundesländern werden Windenergieanlagen auch in Wäldern errichtet, also in geschützten Gebieten.

Anwohner haben generell nicht einmal Entschädigungsansprüche, wenn die Anlagen entsprechend den Genehmigungen, die auf diesen höchst unterschiedlichen Vorgaben basieren, errichtet worden sind. In Schleswig-Holstein laufen allerdings aktuell Klagen gegen erhöhte Lärmbelastungen aufgrund der Anwendung veralteter Technischer Regeln bei den Lärmmessungen. Der Ausgang ist offen, insbesondere auch bezogen auf Entschädigungen. Es ist davon auszugehen, dass die Betreiber lediglich zu einer Drosslung der Drehzahlen verpflichtet werden.

Die Planungen und die Erteilung von Baugenehmigungen sind so massiv vorangetrieben worden, sodass schon sehr bald keine ausreichenden Leitungskapazitäten zur Verfügung standen. Die inzwischen auch längst privatisierten Netzbetreiber sind mit erheblichem Verzug verpflichtet worden, natürlich gegen gutes Entgelt, den Ausbau der Netze zu forcieren. Doch dagegen gibt es verständlicherweise auch Proteste.

Das EEG war übrigens so konzipiert worden, dass die Stromerzeuger trotz fehlender Kapazitäten den überschüssig produzierten Strom vergütet bekommen. Ursprünglich erhielten alle Erzeuger die gleiche Vergütung, garantiert über jeweils 20 Jahre (EEG-Umlage). Die EU hat diese Dauervergütung gebilligt, obgleich Subventionen generell nur für Übergangszeiten, etwa bei der Einführung neuer Technologien, gewährt werden dürfen. Die EU-Kommission hat allerdings untersagt, Zahlungen ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung zu leisten. Es ist daraufhin ein Ausschreibungsverfahren eingeführt worden, durch das die jeweils günstigsten Anbietern von Strom den Zuschlag für den Bau und Betrieb entsprechender Anlagen erhalten. Inzwischen ist wegen immer größerer und kostenintensiverer Anlagen und wegen der Ausschreibungspflicht ein harter Wettbewerb entstanden, den selbst Konzerne wie Senvion (ehemals Repower) vermutlich nicht überleben werden.

Was ist zu tun?

Die Alternativen, um den Ressourcenverbrauch und die Schadstoffemissionen zu senken, beschränken sich letztlich auf Einsparmaßnahmen. Das Potential erneuerbarer Energien ist im Übermaß genutzt werden. Die Schäden durch Privilegierung und massive Förderung sind unübersichtlich und auch durch Gutachten, etwa zum Artenverlust, nachgewiesen.(7) Nahezu tausend Bürgerinitiativen sind aktiv.

Die Erschließung von Einsparpotentialen und von Kohlenstoffsenken ist grob vernachlässigt werden. Kohlenstoffsenken sind insbesondere durch Waldvermehrung und Moorneubildung zu erschließen. Die Waldvermehrung und Moomeubildung sind auch aus allgemeinen ökologischen Gründen zwingend erforderlich. Weltweit schwinden die Waldflächen.

Drastische Einsparmaßnahmen sind nur in Verbindung mit Ressourceneinsparmaßnahmen insgesamt und durch Veränderungen der Lebensweise möglich, durch eine Abkehr von der imperialistischen Lebensweise. Am stärksten gefordert sind natürlich die Industrienationen. Da zu befürchten ist, dass nicht alle Industrienationen entsprechende Veränderungen auf den Weg bringen, sind dennoch nationale Maßnahmen, auch Anpassungsmaßnahmen, unentbehrlich, um Unabhängigkeit zu sichern und volkswirtschaftliche Kosten zu begrenzen. Vordringliche Anpassungsmaßnahmen beziehen sich auf Küstenschutz, umfassenden Biotopschutz, Sicherung und Schaffung von Retentionsräumen (Wasserrückhaltung) und vor allem auch auf einen Versiegelungsstopp.

Dies alles erfordert eine Umstellung der Wirtschaft auf regionale Kreislaufwirtschaft, auf weitgehenden Wachstumsverzicht. Einzelne Bereiche sind besonders betroffen.

  • Im Bereich Militär ist eine vollständige Abrüstung einzuleiten.
  • Im Bereich Verkehr ist eine drastische Einschränkung des individuellen PKW- und des LKW-Verkehrs erforderlich. Gleiches gilt für den Flugverkehr. Letztlich ist eine Kontingentierung - auch aus Gründen der Gerechtigkeit - unausweichlich. Vorläufige Einzelmaßnahmen wären beispielsweise: Geschwindigkeitsbeschränkungen (100/80/30), Attraktivität der Bahn und des ÖPNV erhöhen (Tarife, Streckennetz, Wagenausstattung, Bahnhöfe), Fahrverbote, Maut/City-Maut. Elektromobilität ist keine Lösung (eklatanter Bedarf an problematischen Rohstoffen).
  • Im Bereich Landwirtschaft ist eine Förderung nur noch für die zertifizierte ökologische Landbewirtschaftung verantwortbar. Die Fleischproduktion ist mit dem höchsten Steuersatz zu besteuern. Vorläufige Maßnahmen wären hohe Pestizid- und Düngemittelabgaben, Umschichtung von Fördermitteln (in den Bereich Naturschutz und Entwicklung der ländlichen Räume), Deckelung von Fördermitteln.
  • Gebaut werden darf nur noch, wenn entsprechende Flächen entsiegelt werden. Als vorübergehende Maßnahme ist eine Bepreisung des Flächenverbrauchs einzuführen.
  • Gebietskörperschaften, öffentliche Einrichtungen und größere Betriebe müssen Vorbildfunktionen übernehmen und Naturhaushaltspläne mit Einsparzielen vorlegen.
  • Die Einführung einer umfassenden Kohlendioxidabgabe - allerdings mit sozialem Ausgleich - wird ebenfalls unvermeidbar sein.

Für das Militär sind für 2019 im Bundeshaushalt 42,9 Mrd. Euro vorgesehen. Für den Bereich Verkehr sind es 14,1 Mrd. Euro, für die Umwelt lediglich 2,67 Mrd. Euro, für das Landwirtschaftsministerium sind es 6,2 Mrd. Euro. Von den 8,1 Mrd. Euro des Ministeriums für Wirtschaft und Energie fließen auch Mittel in den Komplex erneuerbare Energien.

Es bleibt abzuwarten, welche Folgen die Beschlüsse der Bundesregierung vom 20. September haben werden. Meseberg II, eine Kohlendioxidabgabe light und noch mehr Fördermittel für einige populistische Projekte?(8)


Anmerkungen

1) "Die Arbeit ist nicht die Quelle allen Reichtums. Die Natur ist ebenso die Quelle der Gebrauchswerte (und aus solchen besteht doch wohl der sachliche Reichtum) als die Arbeit, die selbst nur die Äußerung einer Naturkraft ist, der menschlichen Arbeitskraft (Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 15).

2) Produktionsmittel sind Arbeitsgegenstände (Boden und alle Rohstoffe) und Arbeitsmittel (Werkzeuge, Maschinen).

3) Pressemitteilung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 321/04 vom 30.07.2004

4) "Bauern sind die Scheichs von morgen", Kölner Rundschau vom 30.08.2004

5) Wikipedia: Integriertes Energie- und Klimaprogramm (IEKP)

6) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.02.2013, Interview mit dem damaligen Umweltminister Peter Altmaier

7) Beispielsweise die Studie: "Interference of Flying Insects and Wind Parks" von Franz Treib, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Stuttgart 30.10.2018. Durch diese Studie ist ermittelt werden, dass in Deutschland jährlich bis zu 3600 Tonnen Insekten durch Windkraftwerke vernichtet werden. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) weist in einer aktuellen Publikation auf die Verluste von Vögeln durch Windkraftanlagen (10.000 - 100.000/a) und die noch deutlich höheren Verluste durch Glasscheiben, Kraftfahrzeuge und Hochspannungsleitung hin (www.bund-rvso.de). Windkraftwerke sind wiederum besondere Todesfallen für Fledermäuse, ca. 250.000/a (Bayrischer Rundfunk, 08.02.2018). Die Artenverluste sind natürlich zu summieren und nach Gefährdungsgrad zu differenzieren.

8) Die CDU will gemäß einem Bericht der Kieler Nachrichten vom 04.09.2019 auf die Ausweitung des Emissionshandels, auf Steuererleichterungen bei der Gebäudesanierung, die Senkung der Stromsteuer, die Senkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets, auf die Absenkung der EEG-Umlage und auf die Einführung einer Klimaanleihe setzen. Die SPD tendiert eher zu einer von Gutachtern vorgeschlagenen CO2-Steuer. Beide Parteien sind offenbar für eine Anhebung der Flugverkehrsabgabe. Der amtierende Verkehrsminister möchte offenbar, dass die Förderung für E-Autos nochmals angehoben wird.


Literatur/Schrifttum:

- Allianz pro Schiene: Verkehr produziert gigantische Folgekosten. Studie schafft Transparenz: 149 Milliarden in Deutschland, 95 Prozent von Straße. Berlin, 26. August 2019

- Brand, Ulrich/Wissen, Markus: Imperiale Lebensweise, Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus (2017)

- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Der Zukunftsvertrag für die Welt, Die Agenda 2010 für nachhaltige Entwicklung, Bonn (2017).
Die Broschüre des BMZ enthält die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs), die 2015 von den Vereinten Nationen aufgestellt worden sind Das Zielsystem der UN mit seinen 169 Unterzielen gilt gleichermaßen für Entwicklung-, Schwellen- und Industrieländer. Industrieländer sollen stärken in die Pflicht genommen werden.

- Die Bundesregierung: Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie www.bundesregierung.de
Eine erste Nachhaltigkeitsstrategie ist 2002 unter dem Titel "Perspektiven für Deutschland" veröffentlicht worden.

- Die Bundesregierung: Klimaschutzbericht 2017 zum Aktionsprogramm 2020 der Bundesregierung, Berlin, Juni 2018

- Engartner, Tim: Zurück in die Zukunft, Freitag, 1. August 2019, 04 Politik
2018 wurden in Deutschland rund 77 Euro pro Kopf ins Schienennetz investiert (insgesamt also ca. 6,5 Mrd. Euro), in Österreich und in der Schweiz das Zwei- bis Dreifache; Stuttgart 21 zerstört Chancen; seit 1994 verschwand jede zweite Weiche, vom Netz fehlen nun 17 Prozent (5400 Kilometer).

- Fuhrhop, Daniel: Verbietet das Bauen! München, 2015

- IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme (SRCCL), Hauptaussagen, Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, Bonn, 8. August 2019

- Loske, Reinhard: Das Ökobonus-Konzept, Blätter für deutsche und internationale Politik, April 2013, Seite 96-100.
Jeder Bürger erhält einen gleichen Anteil aus den Einnahmen, die als Ökosteuern erhoben werden.

- Müller-Jung, Joachim: Der Weg in die ökologische Pleite, FAZ vom 3. August 2019, Seite 8.
Am 29. Juli wurde der "Earth Overshoot Day" (1970: 29. Dezember) erreicht!

- Musso, Florian: Der Flächenfraß in Stadt und Land, FAZ vom 2. August 2019, Seite 13
Flächenverbrauch gegenwärtig ca. 60 ha/d; Bepreisung der Versiegelung notwendig.

- Naturschutzbund Deutschland e.V.: Naturschutz aktuell - NABU-Pressedienst vom 04.09.2019: "Zahl des Monats: 3408 Kilometer Stromtrassen queren Vogelschutzgebiete".
Stromübertragungsleitungen kreuzen auf insgesamt 3408 Kilometer ausgewiesene EU-Vogelschutzgebiete in Deutschland. Die bundesweit 742 Vogelschutzgebiete werden mehr als 1400 Mal gequert. An Freileitungen sterben oft genau die Vögel, die geschützt werden sollen. Das bundesdeutsche Hoch- und Höchstspannungsnetz hat bereits jetzt eine Länge von über 62.000 Kilometern. Nach einer vom NABU 2017 in Auftrag gegebenen Studie beträgt die Gesamtzahl der jährlichen der Kollisionsopfer 1,5 bis 2,8 Millionen.

- Paech, Niko: Befreiung vom Überfluss, Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (2012)

- Wolfram, Otfried (Hrsg.): Windkraft: Eine Alternative, die keine ist (1997)

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Maispflanzenmonokultur, im Hintergrund die zugehörige Agrogasanlage. Oft sind allerdings auch weite Wege bis zur nächsten Anlage erforderlich. Die großen Maschinen und Transportfahrzeuge belasten Wege und Straßen.

- Teilansicht des im Bau befindlichen Umspannwerks bei Horstedt in der Nähe der Stadt Husum auf einer Fläche von mehreren Hektar. Windkraftwerke benötigen auch beachtliche Grundflächen die bisher nicht oder nur unzureichend erfasst worden sind. Hinzu kommen Flächen für Wege und Strommasten.

- Prinzipiell alle Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien beeinträchtigen das Landschaftsbild und die Biodiversität. Die Lebensqualität verringert sich nicht nur für Anliegen sondern auch für Durchreisende und Erholungssuchende. Hoch gewachsene Maispflanzen versperren beispielsweise den Blick in die Landschaft, durch das dauernde Drehen der Windräder muss der Blick ausweichen. Freie Horizonte sind seltener geworden.

- Strommasten werden höher und zahlreicher, Wartehäuschen für den ÖPNV, prinzipiell auch als Unterstand für Fahrradfahrer geeignet, werden oft in Billigbauweise errichtet. Bahnhöfe sind im ländlichen Raum schon lange zur Rarität geworden, ehemalige Bahnhöfe sollten wieder aktiviert und zusätzlich als Herbergen genutzt werden.

- Eigentlich ist die Eingrünung von Ortsrändern, um die Orte in die sie umgebende Landschaft einzufügen, obligatorisch. Baumbestand hat schließlich auch ökologische Bedeutung. Um Photovoltaikanlagen mit möglichst hoher Energieausbeute und entsprechendem Profit betreiben zu können, wird von diesem Grundsatz, offensichtlich mit Billigung der Behörden, abgewichen.

- Photovoltaik-Freianlage, hier bei Sankt Michaelisdonn, werden vorwiegend an Verkehrswegen errichtet, damit versperren sie auch den Blick auf die Landschaft, insbesondere der Bahnnutzer. Der Anbau von Getreide oder die Schaffung von Blühstreifen ist im Bereich der Anlagen nicht mehr möglich. Es entfallen Rast-, Überwinterungs- sowie Brutflächen für verschiedene Vogelarten.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 373 - Oktober 2019, Seite 11 - 16
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2019

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