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GLEICHHEIT/2425: Das neue Bündnis der britischen Liberalen mit den Rechten - im Namen der "Freiheit"


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale (IKVI)

Das neue Bündnis der britischen Liberalen mit den Rechten - im Namen der "Freiheit"

Von Chris Marsden
21. März 2009
aus dem Englischen (16. März 2009)


Am 28. Februar fand in London die Convention on Modern Liberty (Konvent zur Modernen Freiheit) statt. Ein wichtiger Redner war Will Hutton mit dem Referat zum Thema "Freiheit und Demokratie nach dem Zusammenbruch der Märkte".

Hinter der Convention on Modern Liberty stehen mehrere Bürgerrechtsgruppen und die Zeitung Guardian (siehe auch: "Was stellt die Convention on Modern Liberty dar?", WSWS vom 17. März 2009). Hutton selbst ist ehemaliger Chefredakteur des Observer und Direktor der nationalen Ausgabe des Guardian ; derzeit fungiert er als geistiger Führer von The Work Foundation (Stiftung Arbeit), ein Forschungs- und Beratergremium im Auftrag von Wirtschaft, Regierung und Wohltätigkeitsorganisationen.

Huttons Ausführungen sind typisch für die Schicht liberaler Intellektueller, die auf dem Konvent vertreten war. Ihre Reaktion auf die immer schärfere ökonomische und politische Krise des Kapitalismus besteht darin, sich mit der konservativen Rechten zu verbünden, um im Namen des angeblichen "Schutzes der Demokratie vor der Gefahr des Extremismus" die bestehende Ordnung zu verteidigen.

Hutton schilderte in seinem Referat das Ausmaß der Wirtschaftskrise aufrichtig und zutreffend. Er sprach darüber, dass dieser Zusammenbruch schlimmer sei als alles zuvor, einschließlich der Großen Depression mit den Hungerjahren der 1930er. Auf Grund der beispiellosen sozialen Polarisierung seien noch ernstere Auswirkungen als damals zu befürchten.

Er begann mit der Beschreibung eines "nicht vorhersehbaren wirtschaftlichen Hintergrunds", der in drei Monaten bis zum Januar einen Produktionsrückgang in Japan um ein Drittel und in den Vereinigten Staaten um fast ein Viertel bewirkt habe. Das gleiche Bild zeige sich in Europa, wo erwartet werde, dass das Bruttoinlandsprodukt in Großbritannien bis im Sommer 2009 um sechs Prozent schrumpfen werde. Dieses Minus in gerade einmal 18 Monaten übersteige den Rückgang in den vier Jahren von 1929 bis 1933.

Seine Schlussfolgerung lautete: "In vielerlei Hinsicht drängt sich mir der Gedanke auf, dass die heutigen internationalen Ereignisse ernster sind als die Ereignisse in den frühen Dreißigerjahren."

Dann stellte Hutton die Frage: "Welche Auswirkungen haben all diese Vorkommnisse auf die Freiheit?"

Auf internationaler Ebene beschrieb er einen Rückfall in die Ellenbogenmentalität protektionistischer Maßnahmen; besonders in Europa, wo "gegenwärtig die Haltung eines 'sauve qui peut' (rette sich, wer kann) in der Tat allgemein verbreitet ist".

Hutton vermittelte einen aufschlussreichen Einblick in die Sorgen, die die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf Großbritannien in den herrschenden Kreisen auslösen. Er ist sich im Klaren, dass sich die sozialen Spannungen infolge der Krise des Profitsystems letztendlich in Klassenkämpfen und politischer Polarisierung zwischen links und rechts ausdrücken werden.

"Jeder kennt die Geschichte der Dreißigerjahre", sagte er. "Wenn die Arbeitslosigkeit, so wie jetzt, immer schneller steigt, und das Sicherheitsnetz so schwach ist wie jetzt, suchen die Menschen die Schuld bei anderen."

Diese Gefahr sei angesichts der Zerstörung der sozialen Einrichtungen im letzten Vierteljahrhundert besonders akut. Großbritannien werde in nächster Zeit vermutlich einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf bis zu zwei Millionen erleben, so Hutton. Er verglich die Situation mit den 1980er Jahren unter Thatcher, als über drei Millionen Menschen arbeitslos waren und die sozialen Unruhen in einem einjährigen Bergarbeiterstreik gipfelten. Damals mussten die Arbeitslosen mit einem Stempelgeld in Höhe von zwei Dritteln des Durchschnittslohns auskommen. Heute jedoch erhalten Arbeitssuchende nur noch ein Fünftel des Durchschnittsjahreslohns von 25.000 Pfund.

"Das ist wirklich eine Katastrophe", sagte Hutton. "Dafür wird man, glaube ich, Vergeltung fordern."

Zur Forderung nach "Vergeltung" erklärt er: "Dies könnte die Stunde der Linken sein, es könnte aber auch die der Rechten sein." In jedem Fall aber wäre es eine Bedrohung, "nicht nur der ökonomischen Freiheiten", von denen viele, wie er zugibt, "uns überhaupt erst in ein derartiges Chaos hineingeritten haben. Aber auch die politischen Freiheiten wären bedroht. Ich denke, in ganz Europa werden äußerst unangenehme Parteien aufsteigen."

Hutton reagiert auf die Verschärfung der Krise wie die besonders privilegierte Schicht, die nichts mehr fürchtet, als dass diese Privilegien von unten her in Frage gestellt werden. Daher malt er gleichzeitig die Gefahr des Faschismus und des Sozialismus an die Wand, die er als unterschiedliche Formen von "autoritärem Dirigismus" und als Gefährdungen der Demokratie beschreibt.

Sich selbst stellt er als jemanden dar, der die Demokratie vor jeder Art politischen Extremismus' verteidigen werde, und ruft zur Erneuerung der "großartigen Traditionen der Aufklärung" und zur Wiederherstellung der nötigen "Kontrollen und Balancen" im wirtschaftlichen und politischen Leben auf. So müsse man angeblich verhindern, dass "die Welt in einen linken oder rechten autoritären Dirigismus ... und in noch stärkere Degeneration oder sogar Krieg" versinke.

In einem früheren Artikel im Guardian erklärte Hutton kurz und bündig, die Verteidigung der Freiheit sei "keine Frage von links oder rechts. Wir müssen gemeinsam kämpfen".

Seinen Ansprüchen zum Trotz verbünden sich Hutton und die auf dem Konvent vertretenen Schichten mit Kräften, die alles andere als Verfechter der "Werte der Aufklärung" sind: Es ist die oberste Führungsriege der Konservativen Partei und der Thatcher-Hardliner. Dazu gehört sogar die berüchtigte Freedom Association (Freiheits-Gesellschaft), die sich die Zerschlagung der Gewerkschaften auf die Fahne geschrieben hat und seit jeher Verbindungen zur extremen Rechten unterhält.

Hutton rechtfertigt sein Bündnis mit der Behauptung, der gemeinsame Kampf für Freiheit dürfe nicht dadurch verhindert werden, dass es Meinungsverschiedenheiten über "Einkommensverteilung oder die Bedeutung des Marktes" gebe. Schließlich brauche die Verteidigung der Freiheit ein "komplexes Geflecht von Institutionen", und dazu gehörten "die Regierung, der unabhängige öffentliche Dienst, freie Medien, unabhängige Aktienbesitzer, freie Gewerkschaften, unabhängige Universitäten, regelmäßige Wahlen".

Er stellt die Tatsachen auf den Kopf. Die treibende Kraft für die ständige Erosion bürgerlicher Freiheiten im letzten Jahrzehnt und darüber hinaus ist gerade die ungleiche Verteilung des Reichtums zwischen einer Oligarchie von Superreichen am einen Pol und der Mehrheit der immer ärmeren arbeitenden Bevölkerung am andern. Der gesellschaftliche Reichtum wird in beispielloser Weise von der großen Bevölkerungsmehrheit hin zu einer zahlenmäßig winzigen Minorität umgeschichtet. Der Lebensstandard wird zerstört und die Sozialleistungen werden gekappt, und im Irak und in Afghanistan leben die räuberischsten Formen von imperialistischem Militarismus wieder auf.

Die Tradition der Aufklärung, die Hutton beschwört, stützte sich auf die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, was wiederum auf dem Glauben der Vertreter des Bürgertums beruhte, der Privatbesitz an den Produktionsmitteln sei die Grundlage individueller Freiheit. Im Kampf gegen den Feudalismus war diese Anschauung in der Tat fortschrittlich. Heute jedoch, Jahrhunderte später, stehen die Organe der bürgerlichen Herrschaft einer Gesellschaft vor, die historisch die größte wirtschaftliche Ungleichheit hervorgebracht hat. Selbst formale Demokratie ist mit einer derart kranken sozialen Ordnung unvereinbar. Wenn sich die Politik gegen die Interessen der übergroßen Mehrheit richtet, kann es keinen demokratischen Konsens geben. Eine solche Situation verlangt nach Zwangsherrschaft.

Demokratische Rechte können heute nur in einer bewussten Ausrichtung am Klassenkampf gegen das kapitalistische Profitsystem verteidigt werden, und seine Grundlage muss ein sozialistisches Programm sein. Die Vorstellung, dass eine Arbeiterklasse, die angeblich nach "Vergeltung" lechzte, die Demokratie der staatlichen Institutionen oder der "freien Medien" bedrohte, ist absurd. In Wirklichkeit ist der Staat - einschließlich des Parlaments, der öffentlichen Dienste, der Gerichte und der von der Wirtschaft kontrollierten Medien - dabei, die Bürgerrechte zu beschneiden und zu zerstören. Der Staat stellt als Instrument der bürgerlichen Klassenherrschaft die schlimmste Bedrohung für die demokratischen Rechte dar. Das ist die Gefahr, wogegen die Arbeiterklasse mobilisiert werden muss.

Siehe auch:
Großbritannien: Was stellt die Convention on
Modern Liberty dar? (17. März 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 21.03.2009
Das neue Bündnis der britischen Liberalen mit den Rechten - im Namen
der "Freiheit"
http://wsws.org/de/2009/mar2009/conv-m21.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2009