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GLEICHHEIT/2679: NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) diffamiert rumänische Arbeiter


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) diffamiert rumänische Arbeiter

Von Elisabeth Zimmermann
9. September 2009


NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hetzte auf mehreren Kundgebungen während des Kommunalwahlkampfs in Nordrhein-Westfalen in übler Weise gegen rumänische Arbeiter. Er beschimpfte sie als faul und unzuverlässig.

In einem Video auf YouTube ist zu sehen und zu hören, wie Rüttgers während einer CDU-Kundgebung in Duisburg am 26. August sagte: "Und im Unterschied zu den Arbeitnehmern im Ruhrgebiet, kommen die in Rumänien eben nicht morgens um sieben zur ersten Schicht und bleiben bis zum Schluss da. Sondern sie kommen und gehen, wann sie wollen, und sie wissen nicht, was sie tun."

Außerdem richtete er noch eine Breitseite gegen chinesische Investoren: "Und wenn es sein muss, dann treffen wir noch irgendwelche Chinesen bei irgendwelchen Sachen im Rathaus. Und wenn die dann nicht endlich in Duisburg investieren wollen, dann werden die auch noch gewürgt, so lange, bis sie Duisburg schön finden."

Weder Duisburgs CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland, der neben Rüttgers auf dem Podium stand, noch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer Wiederholung dieser ausländerfeindlichen Hetze bei einer Kundgebung in Bonn erhoben Einspruch oder distanzierten sich gar. Auch die anwesenden Journalisten griffen diese rassistischen Ausfälle nicht auf. Rüttgers soll sich noch auf weiteren Kundgebungen entsprechend geäußert haben.

Das ist kein "Ausrutscher" des Ministerpräsidenten, sondern Methode. Mit diesen Äußerungen setzt der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU nicht zum ersten Mal auf die nationalistische Karte, um drohenden Verlusten der CDU bei Wahlen entgegen zu wirken. Er appelliert dabei an die niedrigen Instinkte seiner Zuhörerschaft und versucht Arbeiter in Deutschland gegen Arbeiter anderer Länder und Herkunft aufzuhetzen.

Rüttgers steht am äußersten rechten Rand der CDU. Er formulierte schon vor zehn Jahren als Leiter der "Arbeitsgruppe Integration" den Text der Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, mit deren Hilfe Roland Koch (CDU) dann 1999 die hessische Landtagswahl gewann.

Anschließend wurde Rüttgers im Januar 2000 mit 98,3 Prozent zum Spitzenkandidaten seiner Partei für die Landtagswahl in NRW gewählt.

Im Landtagswahlkampf selbst zog er wie Koch ebenfalls die rassistische Karte. Damals unternahm er den Versuch, mit der unsäglichen Kampagne "Kinder statt Inder" gegen die vorgeschlagene Greencard-Regelung für ausländische Computerspezialisten Stimmung zu machen. Er scheiterte jedoch an der Ablehnung dieser Hetzkampagne in der Bevölkerung.

2005 konnten Rüttgers und die CDU bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen schließlich von der weit verbreiteten Ablehnung der SPD profitieren. Durch die Politik der Agenda 2010 und der Durchsetzung der Hartz IV-Gesetze hatte die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) bei der arbeitenden Bevölkerung jegliche Unterstützung verloren.

Anlass der jüngsten Hetzkampagne gegen rumänische Arbeiter ist die Schließung des Nokia-Werks in Bochum im vergangenen Jahr. Der international operierende Konzern verlagerte die Handy-Produktion nach Cluj in Rumänien, wo die Arbeiter nur 250 Euro im Monat verdienen.

Betriebsräte, Gewerkschaft und alle Berliner Parteien versuchten in der einen oder anderen Weise die Bochumer Nokia-Beschäftigten gegen die rumänischen Arbeiter auszuspielen. Auch Rüttgers eilte im Januar 2008 nach Bochum, als die Schließungs- und Verlagerungspläne bekannt wurden.

Vor dem Nokia-Werkstor entrüstete er sich über das - finnische - Nokia-Management und versprach, die von der Schließung betroffenen Arbeiter zu unterstützen. Schon damals sagte er, Nokia müsse sich fragen, ob die Arbeiter in Rumänien genauso pünktlich und zuverlässig arbeiteten wie in Bochum.

Die Betriebsratsvorsitzende von Nokia Bochum Gisela Achenbach stieß bei einer großen Protestdemonstration und Kundgebung gegen die Schließung des Nokia-Werks Ende Januar 2008 ins gleiche Horn. Gegenüber den über 15.000 Arbeitern, die auch von Opel und anderen Betrieben kamen, behauptete sie in ihrer Rede bei der Abschlusskundgebung, die Arbeiter in Bochum seien "besser qualifiziert, zuverlässiger und flexibler" als die Arbeiter in Rumänien es je sein könnten. Außerdem würden in Rumänien "instabile politische Verhältnisse herrschen" und nur die Korruption blühen.

Die World Socialist Web Site kommentierte damals in ihrem Bericht über die Demonstration: "Indem sie die Standortargumentation von Politik und Wirtschaft übernimmt, spielt Achenbach die Belegschaften gegeneinander aus und führt die Arbeiter in die nationale Sackgasse. Es ist eben diese nationale Orientierung der Betriebsräte und der Gewerkschaften, die sie in jeder Hinsicht erpressbar machen."

Einen wirklichen Arbeitskampf gegen die Schließung des Werks verhinderten Betriebsrat und IG Metall auf diese Weise. Sie spielten die Arbeiter in Deutschland und Rumänien gegeneinander aus und selbst in Bochum sabotierten sie gemeinsame Aktionen aller Arbeiter. So taten sie nichts zur Verteidigung der Leiharbeiter, die als erste ihre Arbeitsplätze verloren.

Politiker wie Rüttgers stehen daher nicht allein, wenn sie gegen die Ärmsten der Armen in Europa hetzen.

Dabei müssen die rumänischen Arbeiter in dem neuen Nokia-Werk in Jucu bei Cluj unter elenden Bedingungen arbeiten. Infolge der internationalen Wirtschaftskrise sind die ursprünglich groß angelegten Pläne für ein so genanntes Nokia Village in Rumänien nur zu einem geringen Teil realisiert worden.

Mit zwölf Millionen Euro Steuergeldern baute die rumänische Regierung die Infrastruktur des Industrieparks auf, in dem das Nokia Village entstehen sollte. 4.000 Arbeitsplätze versprach Nokia. Denn eigentlich sollten außer Nokia selbst auch die Zulieferbetriebe auf dem Gelände des Industrieparks angesiedelt werden. Daraus ist nun nichts geworden.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete Mitte Juli 2009 in einer Reportage: "Aus Nokias großen Plänen ist kaum etwas geworden. Nur eine Fertigungshalle steht da, in der etwa 1.400 Angestellte, darunter viele frühere Textilarbeiterinnen, importierte Teile zusammensetzen. Ihr Monatslohn liegt bei durchschnittlich 250 Euro. Hinzu kommen einige hundert Zeitarbeiter, die je nach Auftragslage angestellt und wieder entlassen werden."

Arbeiter, die als Putzkräfte in dem Werk arbeiten, verdienen umgerechnet sogar nur 166 Euro im Monat. Das ist weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Netto-Lohns in Rumänien. Seit Ende Dezember erhalten die Reinigungskräfte in der Nokia-Fabrik auch kein Mittagessen mehr wie zuvor. Dies berichtete ein junger Arbeiter den SZ-Reportern.

Um die Kosten für den Bustransport der Arbeiterinnen und Arbeiter, die aus den umliegenden Dörfern zu der Fabrik gebracht werden, einzusparen, hat Nokia auch die Schichten verlängert - von acht auf zwölf Stunden.

Siehe auch:
Erosion von CDU und SPD
(2. September 2009)

Mehr als 15.000 demonstrieren in Bochum gegen
Schließung von Nokia (24. Januar 2008)

Nokia kündigt Schließung des Werks in Bochum an
(19. Januar 2008)

Ein rechtspopulistischer Strippenzieher verheddert sich
(13. Mai 2000)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 09.09.2009
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) diffamiert rumänische Arbeiter
http://wsws.org/de/2009/sep2009/ruet-s09.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2009