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GLEICHHEIT/2726: Beschäftigungskrise zeigt Scheitern des Kapitalismus


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Über fünfzehn Millionen Arbeitslose in den USA
Beschäftigungskrise zeigt Scheitern des Kapitalismus

Von Patrick Martin
8. Oktober 2009
aus dem Englischen (5. Oktober 2009)


Letzten Freitag wurden in den Vereinigten Staaten bestürzende Arbeitsmarktdaten veröffentlicht. Sie zeigen, dass der Zusammenbruch der Wall Street vor einem Jahr nicht einfach einen konjunkturellen Abschwung, oder eine Rezession, sondern einen historischen Angriff auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse auslöste.

Allein von August auf September stieg die offizielle Arbeitslosenquote von 9,7 auf 9,8 Prozent, und man muss davon ausgehen, dass die Arbeitslosigkeit die Zehnprozentmarke überschreiten und sich mindestens das nächste Jahr über im zweistelligen Bereich bewegen wird.

Das amerikanische Arbeitsministerium meldete einen Nettoarbeitsplatzverlust von 263.000 Stellen im September. Die Voraussagen von Regierung und Wirtschaftsexperten werden also weit übertroffen. Weitere 571.000 Arbeiter fielen ganz aus dem Arbeitsmarkt heraus, da sie diesen Monat die aussichtslos erscheinende Suche nach einem Arbeitsplatz aufgaben.

Entgegen allen Behauptungen von einer Wirtschaftserholung entspricht die Zahl von insgesamt 834.000 Menschen, die ihre Arbeit verloren oder die Arbeitsplatzsuche aufgaben, ungefähr der Anzahl der im Januar und Februar gemeldeten 700.000 zerstörten Arbeitsplätze.

Der September war der 21. Monat in Folge, an dem ein Rückgang an Arbeitsplätzen verzeichnet wurde. Das ist der längste ununterbrochene Beschäftigungsabbau in den USA, seitdem das Arbeitsministerium 1939 diese Daten registriert.

Etwa fünfzehn Millionen amerikanische Arbeiter sind ohne Arbeit, das sind fast doppelt soviele wie zu Beginn der Rezession Ende 2007. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit liegt mit 26,2 Wochen bei über einem halben Jahr. Das ist der höchste Wert seit 1948, als das Arbeitsministerium diese Kennziffer erstmals erhob. Mehr als fünf Millionen Menschen sind länger als 27 Wochen ohne Arbeit, wie das Arbeitministerium berichtet, das ist mehr als ein Drittel aller Arbeitslosen.

Zusätzlich zu den Arbeitern, die überhaupt keine Arbeit haben, gibt es noch weitere 9,1 Millionen, die als unfreiwillige Teilzeitarbeiter bezeichnet werden. Ihre Wochenarbeitszeit reicht für die Erhaltung ihres Lebensstandards in keiner Weise aus. Die Gesamtzahl aus Arbeitslosen, Resignierten und unfreiwilligen Teilzeitarbeitern hat die 25 Millionen überschritten - eine Zahl, die absolut gesehen, weit über die Arbeitslosenzahl während der Großen Depression in den 1930er Jahren hinausgeht.

Im September brachen in buchstäblich jedem Wirtschaftssektor die Arbeitsplätze ein; auch in der Verwaltung, wo vor allem in staatlichen und kommunalen Einrichtungen 53.000 Beschäftigungsverhältnisse gekündigt wurden. Nur in einem Bereich, dem Gesundheitssektor, gab es einen Zuwachs. Und das ist der Bereich, in dem Obama-Regierung und Kongress die Kosten erheblich senken wollen, was unvermeidlich die Form von Einsparungen bei den Arbeitsplätzen annehmen wird.

Momentan kommen auf ein Stellenangebot in Amerika sechs Arbeitslose. Nach einer Expertise des Business Roundtable, eines "Runden Tisches" von Firmenchefs, beabsichtigen vierzig Prozent der angeschlossenen Firmen, ihre Belegschaft in den kommenden sechs Monaten zu verringern; nur dreizehn Prozent wollen sie aufstocken.

Nach Angaben des America Bankruptcy Institutes haben in den ersten neun Monaten diesen Jahres mehr als eine Million Amerikaner den Offenbarungseid geleistet. Im September waren es 41 Prozent mehr als die 124.790 Fälle im Vergleichsmonat 2008. Das Institut geht davon aus, dass am Jahresende 1,4 Millionen Menschen Insolvenz angemeldet haben werden.

Die Obama-Regierung und der Kongress reagieren auf absolut lächerliche Weise auf die Beschäftigungskatastrophe. Ihre Antwort besteht in einer kümmerlichen Verlängerung des Arbeitslosengeldes. Dagegen soll das Arbeitslosengeld schon im August bei 400.000 Arbeitern, Ende des Jahres bei einer Million Empfängern auslaufen.

Bei seiner wöchentlichen Internetansprache sagte Präsident Obama am Samstag, er denke über "zusätzliche, für die Schaffung von Arbeitsplätzen förderliche Optionen" nach. Die vom Weißen Haus umrissenen Maßnahmen bestehen jedoch lediglich aus der erwähnten Verlängerung des Arbeitslosengeldes, sowie aus Steuerbegünstigungen für das COBRA-Programm [das es entlassenen Arbeitern erlaubt, sich auch als Arbeitslose eine zeitlang weiter über die Firmen-Krankenkasse zu versichern, wenn sie die Prämien selbst bezahlen; Anm. d. Übers.]. Obama pries seine Gesundheitsreform als einen Gewinn für die Wirtschaft an: "Kleingewerbetreibende wollen ihre Firmen ausbauen und mehr Leute einstellen, können dies aber nicht, weil sie sich die Versicherung für ihre Angestellten kaum leisten können."

Das Weiße Haus hat Forderungen nach einem zweiten Konjunkturprogramm abgewiesen. Dieselbe Haltung vertrat Alan Greenspan, der ehemalige Chef der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve Board, in einem Interview im ABS-Nachrichtenprogramm "This Week". Zwei führende Senatoren, der Demokrat Charles Schumer aus New York und der Republikaner John Cornyn aus Texas, schlossen sich Greenspans Nein zu allen neuen Finanzausgaben für die Schaffung von Arbeitsplätzen an.

Die kapitalistischen Parteien und die gesamte herrschende Klasse halten die Arbeitslosigkeit absichtlich auf dem höchsten Stand seit der Großen Depression.

Während Demokraten und Gewerkschaftsbürokraten durchwegs die ausländische Konkurrenz und die Importe für den Wirtschaftszusammenbruch verantwortlich machen, ist die Krise international und führt weltweit zu einer gewaltigen Beschäftigungskrise. Nach Verlautbarung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird die Arbeitslosenrate in allen dreißig Mitgliedsländern, den größten Industrienationen, im Jahr 2010 die Zehnprozentmarke erreichen. Das entspricht in etwa den Prognosen für die USA. Weltweit werden ungefähr 57 Millionen Menschen Ende nächsten Jahres keine Arbeit mehr haben. Das entspricht der Einwohnerzahl Frankreichs, Italiens oder Südkoreas.

Die Beschäftigungskrise zeigt deutlich, dass das kapitalistische System gescheitert ist - und zwar weltweit, nicht nur in den Vereinigten Staaten. Nicht eine kapitalistische Regierung in einem einzigen OECD-Mitgliedsland rührt auch nur einen Finger, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Arbeitslosen sinnvoll zu beschäftigen. Die herrschenden Eliten dieser Länder setzen die Massenarbeitslosigkeit als Waffe gegen die Arbeiterklasse ein, um damit den Forderungen nach Demontage von Löhnen, Sozialleistungen und Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen.

Gegen diese Forderungen muss die Arbeiterklasse den Kampf aufnehmen. Sie muss ein eigenes Programm entwickeln, um die Arbeitsplätze zu verteidigen, ein Programm, das von den Bedürfnissen der Massen und nicht von der Profiterwartung des Kapitals ausgeht. Arbeiter müssen praktische, militante Maßnahmen gegen Entlassungen ergreifen, ihre Betriebe besetzen, Schließungen verhindern und die ganze arbeitende Bevölkerung zu ihrer Unterstützung mobilisieren.

Dies muss mit der Forderung nach einem Milliarden umfassenden Programm für öffentliche Arbeiten verbunden werden, anstatt den Banken astronomische Geschenke zu machen. Mit diesem Geld müssen gut bezahlte Arbeitsverhältnisse geschaffen werden. Die soziale Infrastruktur, wie Wohnungen, Krankenhäuser und Schulen, muss wiederhergestellt werden. Sofortige Entlastungsmaßnahmen sind zu fordern, zum Beispiel in der Form von Lohnfortzahlung für entlassene Arbeiter, einem Verbot von Zwangsvollstreckungen, Zwangsräumungen und der Kappung öffentlicher Versorgungsleistungen. Alle Maßnahmen, die der arbeitenden Bevölkerung die Last der kapitalistischen Krise aufbürden, müssen verboten werden.

Diese Forderungen müssen Teil eines politischen Kampfes für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft sein. Zwingt die Kapitalisten, und nicht die Arbeiter, für die Krise zu bezahlen! Alle Rettungsaktionen für die Wall Street müssen rückgängig gemacht werden! Unterstellt Großbetriebe und Banken öffentlichem Besitz und demokratischer Kontrolle! Kein Lohn darf einen Facharbeiterlohn übersteigen! Die Wirtschaft muss umgestaltet werden, damit sie den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung, und nicht den Profiten der herrschenden Kreise dient! Führt die 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich ein, um jedem Arbeitsuchenden einen vernünftig bezahlten Arbeitsplatz zu garantieren!

In diesem Kampf ist der Bruch mit den zwei großen Wirtschaftsparteien besonders wichtig. Eine unabhängige Massenpartei der arbeitenden Bevölkerung muss aufgebaut werden, und sie muss sich auf ein sozialistisches und internationalistisches Programm stützen.

Siehe auch:
USA: Größte Einkommensspreizung seit 1917
(20. August 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 08.10.2009
Über fünfzehn Millionen Arbeitslose in den USA
Beschäftigungskrise zeigt Scheitern des Kapitalismus
http://wsws.org/de/2009/okt2009/us-o08.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2009