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GLEICHHEIT/2747: Die Politisierung des britischen Militärs


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Die Politisierung des britischen Militärs

Von Chris Marsden
22. Oktober 2009
aus dem Englischen (16. Oktober 2009)


Der britische General Sir Richard Dannatt, bis vor kurzem der Chef der Armee, hat bekannt gegeben, dass er auf den Bänken der Konservativen im House of Lords Platz nehmen und sich einer zukünftigen Tory-Regierung anschließen werde. Das ist ein sehr deutlicher Ausdruck der Politisierung des Militärs in Großbritannien.

Dannatt wurde 2006 zum Chef des Generalstabes (CGS) in 2006 ernannt. Diese Position wird an Bedeutung nur noch von dem Chef der Abwehrkräfte innerhalb der Armee übertroffen. Er trat er von diesem Posten am 28. August nur zurück, um General Sir David Richards Platz zu machen.

Dannatt bekleidet zurzeit das Amt des Gouverneurs des Tower of London und am 1. September diesen Jahres wurde er zum Vorsitzenden des Königlichen Instituts der Vereinigten Streitkräfte für Verteidigungsstudien ernannt. So kurz nach seiner Pensionierung und während er immer noch offizielle Positionen innehält, stellt seine Entscheidung, den Konservativen beizutreten, eine offene Missachtung des demokratischen Prinzips dar. Dieses besagt, dass den Streitkräften nicht erlaubt ist, die Regierung in ihrer Funktion zu beeinflussen, die Militärpolitik des Landes zu bestimmen.

Dannatts Entscheidung wurde letzte Woche während der Konferenz der Konservativen von Parteichef David Cameron verkündet. Aber anstatt, wie eigentlich beabsichtigt, die Labour-Regierung von Premierminister Gordon Brown zu demütigen, hat der Schachzug die britischen Streitkräfte in große Verlegenheit gebracht. Das Militär äußerte seine Missbilligung durch General Lord Guthrie, einen ehemaligen Chef der Verteidigungskräfte, der Dannatt dringend nahelegte, die Mitgliedschaft in der Fraktion der Konservativen nicht anzunehmen. Armeequellen wiesen außerdem darauf hin, dass Dannatt sich sowohl mit seinem Nachfolger Richards, als auch mit dem Chef der Verteidigungskräfte, dem Luftwaffenmarschall Sir Jock Stirrup, anlegen würde, falls er eine Position im Verteidigungsministerium übernähme.

Trotzdem machte Dannatt keinerlei Anstalten, sich zu entschuldigen, ebenso wenig Cameron Bei einem Vortrag in der letzten Woche betonte er, er könne es sich nicht leisten "ein Wartejahr einzulegen, bis er die Einladung Camerons annähme, weil der "Einsatz in Afghanistan wirklich von entscheidender Bedeutung ist." Er bestand darauf, das Cameron erst vor kurzem an ihn herangetreten sei und wies die Anschuldigung zurück, seine Entscheidung sei ein auf lange Dauer angelegtes Komplott, das wir seit Langem ausgebrütet haben."

Das Dementi machte wenig Eindruck. Seit seiner Ernennung im Jahr 2006 war Dannatt, was den Irak und Afghanistan betraf, ein ständiger und lautstarker Kritiker der Regierungen von Tony Blair und Gordon Brown. Kaum zwei Monate nachdem er CGS geworden war, rief er in einem Interview mit der "Daily Mail" zum Rückzug aus dem Irak innerhalb von zwei Jahren auf, und stand damit in direktem Widerspruch zu der damaligen, offiziellen Regierungspolitik.

Im selben Interview forderte Dannatt, ein evangelikaner Anglikaner, der einmal in Erwägung gezogen hatte, Priester zu werden, eine nationale christliche Rückbesinnung, um den islamischen Fundamentalismus zu bekämpfen. Er sagte, die "islamistische Bedrohung" sei durch das "moralische und spiritistische Vakuum in diesem Lande" verstärkt worden, was auf den Niedergang "christlicher Werte" zurückzuführen sei. Und er fügte hinzu: "Im Großen und Ganzen jüdisch-christliche Tradition hat die britische Gesellschaft untermauert. Sie bildet die Grundlage der britischen Armee".

Dannatts Forderung eines frühen Rückzugs aus dem Irak und sein Aufruf zu einem christlichen Kreuzzug sind zwei Seiten einer Medaille. Sie rührten von seiner Überzeugung her, dass Großbritannien und die Vereinigten Staaten sich auf den vermeintlich "gewinnbaren Krieg" in Afghanistan konzentrieren sollten.

In den vergangenen Jahren hatte er die britische Regierung mehrfach öffentlich für die unzureichende Ausstattung der Armee in Afghanistan kritisiert. Sogar als der Parteitag der Torys tagte, erklärte gegenüber Rupert Murdochs Zeitung, der Sun und der BBC, dass die Minister aus finanziellen Erwägungen heraus die Lieferung von Ausrüstung verzögert und Brown die Aufstockung der Truppenstärke um 2.000 Soldaten in Afghanistan verweigert hätten.

Dannatt war nicht der einzige innerhalb des Militärs, der Lobbyarbeit für eine Ausweitung der afghanischen Offensive machte und die Regierung öffentlich für ihre vermeintlichen Schwächen attackierte. Seine Kritik wurde von pensionierten Generälen unterstützt, einschließlich eines früheren Generalstabschef der Streitkräfte, Feldmarschall Lord Bramall.

Letzten Monat trat plötzlich General Andrew Mackay mit der klaren Absicht zurück, die Regierung in Verlegenheit zu bringen. Am 3. September trat der Labour-Abgeordnete von Falkirk, Eric Joyce, ein ehemaliger Offizier, als parlamentarische Berater des Verteidigungsministers, Bob Ainsworth, zurück. Joyce solidarisiert sich mit Dannatt und erklärte gegenüber der BBC, dass die Versuche, ihm und anderen hohen Offizieren "politische Motive anzuhängen", ein "großer Fehler" gewesen sei.

Das Ganze ist unübersehbar eine Reaktion auf die Entwicklungen in den Vereinigten Staaten, wo der Oberbefehlshaber in Afghanistan, General Stanley McChrystal, seit mehreren Wochen eine öffentliche Kampagne führt, um zu erreichen, dass Obama die Entsendung von zusätzlichen 40.000 Soldaten unterzeichnet.

In der Presse geht ein großer Teil der Kritik an Camerons Ankündigung ausdrücklich auf die Besorgnis zurück, dass Dannatts bevorstehende Ernennung sein sorgfältig aufgebautes Image beschädigen könnte. Danach gilt er als "aufrichtiger Mann", der aus Sorge um seine Soldaten, die von der politischen Elite alleingelassen werden, dazu getrieben wurde, öffentlich Stellung zu beziehen. In der Daily Mail bemerkte Max Hastings, "Labour schlug den Angriff von General Dannatt zurück, indem sie ihn als 'Strohmann der Torys' brandmarkte. " Er fuhr fort. "Das schienen Anwürfe der billigsten Sorte gegen einen ehrenhaften Mann zu sein, die niemanden beeindruckten. Aber jetzt auf einmal hat er der Regierung direkt in die Hände gespielt und seiner eigenen Glaubwürdigkeit schweren Schaden zugefügt."

Die feigste Verteidigung Dannatts kam vom Guardian. Diese Zeitung gilt als Sprachrohr des liberalen Bürgertums und unterstützt formal immer noch die Labour Partei. Aber zusammen mit den reicheren sozialen Schichten, deren Interessen sie eigentlich vertritt, ist sie nach rechts gerückt und hat ihre Bereitschaft angedeutet, auf die Seite der Torys zu wechseln. Sie beklagt lediglich, dass - obwohl "der Ärger des Generals echt" sei und "seine Argumente schwer" wögen, er "es schlecht gemacht" habe.

Der Leitartikel schloss mit der Feststellung: "Niemand glaubt, dass Mr. Brown gut mit der Armee umgegangen ist. Sir Richards Warnungen bezüglich Afghanistans liegen auf einer Linie mit der Stimmungslage der Nation. Niemand möchte ihm den Mund verbieten, aber er sollte nicht leichtsinnig sein. Er hat das gute Recht, für die Konservativen zu arbeiten, wenn es denn möchte ... Aber wenn er solch eine lautstarke Kampagne lostritt, handelt er politisch und schadet damit den Streitkräften, deren Interessen er verständlicher- und ehrenhafter Weise verteidigen will."

Die Reaktion der Labour Party war extrem verhalten. Nur ein Labour Abgeordneter des Oberhauses Lord George Foukes, stellte sofort fest, dass Dannatt "nun offenbart hat, dass er die ganze Zeit über mit der Tory-Partei konspiriert und Hand in Hand mit ihr gearbeitet hat".

Die Regierung kann und will sich nicht in einen Konflikt mir ihren Kritikern aus den Reihen des Militärs verwickeln lassen. Stattdessen hat Brown in dieser Woche bekannt gegeben, weitere 500 Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Wenn dies umgesetzt wird, bedeutet das eine Erhöhung der Truppenstärke um insgesamt 1.700 Soldaten seit dem letzten Jahr.

Die Labour Partei könnte jetzt das Ziel einer politischen Offensive von denjenigen werden, die einen verstärkten Feldzug in Afghanistan fordern, aber dafür ist sie selbst direkt verantwortlich. Die Labour Partei arbeitete während der Invasion in Afghanistan und den Irak mit der Bush Regierung eng zusammen. Sie tat dies ungeachtet der massiven Opposition in der Bevölkerung und indem sie gleichzeitig den "Krieg gegen den Terror" ausnutzte, um drakonische Gesetze zu verabschieden, die grundlegende demokratische Rechte aushebeln.

Die Hinwendung zu kolonialen Eroberungskriegen resultiert aus dem Kampf zwischen den Großmächten um die Aufteilung globaler strategischer Ressourcen wie Öl und Gas. Dieser wiederum ist mit dem Streben einer dünnen und märchenhaft reichen Elite nach immer größeren Anteilen persönlichen Reichtums verbunden. Unter den Bedingungen eines globalen wirtschaftlichen Konjunkturabschwungs und einer sich vertiefenden Kluft zwischen Arm und Reich ist ein solches Programm unvereinbar mit der Aufrechterhaltung demokratischer Regierungsformen - womit fest steht, dass es direkt auf Kosten der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung ausgeführt werden muss.

Das Ergebnis ist nicht nur, dass das Militär für politische Zwecke benutzt wird. Vielmehr wird die Gesellschaft und das politische Leben militarisiert werden, damit immer schärfer werdende Ausbeutungsbedingungen und Angriffe auf existentielle Grundrechte durchgesetzt werden können und die "Nation" in den Dienst der imperialistischen Ambitionen der Bourgeoisie gestellt werden kann.

Siehe auch:
US-Kommandeur will noch 60.000 Soldaten mehr
nach Afghanistan schicken (15. Oktober 2009)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 22.10.2009
Die Politisierung des britischen Militärs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2009