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GLEICHHEIT/2999: Washington verschärft Kriegsdrohungen gegen den Iran


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Washington verschärft Kriegsdrohungen gegen den Iran

Von Patrick Martin
3. April 2010
aus dem Englischen (29. März 2010)


Die Obama-Regierung verschärft ihre Kriegsdrohungen gegen den Iran. Sie provoziert bewusst eine Krise, durch die ein umfassender Krieg im Nahen Osten entfesselt werden könnte. Auf vielfache Weise bereitet Washington eine neue militärische Aggression vor: durch gesponserte Zeitungsartikel, Studien von Thinktanks, Reden vor der israelfreundlichen Lobby-Gruppe AIPAC und Erklärungen des Kongresses.

Mit zwei in der Sonntagsausgabe der New York Times veröffentlichten Artikeln wird diese Kampagne verstärkt. In einem Leitartikel auf Seite eins der Zeitung wurde berichtet, CIA und State Department beschuldigten den Iran, seine atomaren Entwicklungen zu beschleunigen. Weiter berichtete die Times in ihrer Wochenrückschau über die Ergebnisse einer Kriegssimulation, die von einem israelischen Luftschlag gegen den Iran ausging.

Der von David Sanger und William Broad verfasste Leitartikel enthält keinerlei Beweise für iranische Nuklearentwicklungen und geht einfach davon aus, dass "internationale Inspektoren und westliche Geheimdienste vermuteten, Teheran bereite entgegen den Forderungen der Vereinten Nationen den Bau weiterer Anlagen vor."

Mit dem Artikel wird nicht einmal der Schein objektiver Berichterstattung gewahrt. Aber die Times spielt ihre Lieblingsrolle als Sprachrohr des amerikanischen militärisch-geheimdienstlichen Komplexes, indem sie dessen "Enthüllungen" - das heißt, die offizielle Propaganda Washingtons - veröffentlicht. Es wird sogar zugegeben, dass amerikanische Beamte "keine belastbaren Anhaltspunkte" haben und mangels harter Fakten einfach spekulieren.

Die Times berichtet, dass die amerikanischen Geheimdienste ihre 2007 gewonnenen Erkenntnisse revidierten, nach denen der Iran kein Nuklearprogramm verfolgt. Diese Erkenntnisse hatten im Weißen Haus unter Bush zu großem Durcheinander geführt. Jetzt schließen sich die Geheimdienste wieder"den Einschätzungen Europas und Israels an, dass Erforschung und Entwicklung, falls sie vor sieben Jahren eingestellt wurden, wahrscheinlich wieder aufgenommen wurden."

Als Diagramm veröffentlicht die Times in ihrer Wochenrückschau die Ergebnisse einer Kriegssimulation des Washingtoner Saban Instituts, eines Thinktank mit Schwerpunkt Naher Osten, der von einem wichtigen Geldgeber der Demokratischen Partei gegründet wurde. Der geschilderte Ablauf der Ereignisse ist viel weniger apokalyptisch als viele derartige Übungen: ein israelischer Angriff auf den Iran führt zu Vergeltungsschlägen von Hamas und Hisbollah, sowie gewissen Behinderungen der Schifffahrt im Persischen Golf, nicht aber zu einem umfassenden Krieg.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Folgen so eingegrenzt werden könnten, ist in Frage zu stellen. Mit Sicherheit kann jedoch gesagt werden, dass die Times schon durch die Teilnahme Sangers, ihres wichtigsten Washingtoner Korrespondenten, an einer solchen Übung - und sei es nur als Beobachter - zum unmittelbaren Komplizen von Kräften wird, die einen amerikanisch-israelischen Angriff auf den Iran anzetteln wollen. Dieses Vorgehen wäre nach internationalem Recht genauso ein Kriegsverbrechen, wie die nicht provozierte Invasion Amerikas in den Irak.

Die beiden Artikel in der Times erschienen am Ende einer Woche anti-iranischer Agitation in Washington. Den Schwerpunkt bildete die Jahreskonferenz des Amerikanisch-Israelischen Politischen Aktionskomitees (AIPAC). Das ist die wichtigste Lobby-Organisation für den Zionismus. Auf der Konferenz hielten Außenministerin Hillary Clinton und mehrere demokratische und republikanische Kongressabgeordnete und Senatoren Ansprachen.

Parteiübergreifende Gruppen aus beiden Kammern des Kongresses lassen Schriftstücke zirkulieren, in denen die Regierung Obama aufgefordert wird, "harte" Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Das sind Formulierungen, die der Erklärung eines Wirtschaftskrieges gleichkommen.

Die Initiative aus dem Kongress geht von dem liberalen Demokraten Jesse Jackson jun. aus Illinois und dem konservativen Republikaner Mike Pence aus Indiana aus. Sie ist schon von 214 Kongressmitgliedern unterzeichnet worden, von 76 Demokraten und 138 Republikanern. Ausdrücklich werden darin China und Russland verurteilt: "Wir können denjenigen, die Sanktionen ablehnen oder sie verzögern, nicht erlauben, das Timing, oder den Inhalt unserer Bemühungen zu bestimmen." Obama wird in dem Schriftstück aufgefordert "das Versprechen vom Juni 2008 zu erfüllen, dass sie 'alles in ihrer Macht stehende tun werden, um den Iran daran zu hindern, in den Besitz einer Nuklearwaffe zu kommen'."

Ein ähnliches Schreiben wurde im Senat vom Demokraten Charles Schumer aus New York und dem Republikaner Lindsey Graham aus Süd-Carolina vorgelegt. Beide hielten auf dem Gala-Dinner der AIPAC am Montag eine Ansprache, wobei Graham ein besonders kriegstreiberisches Statement abgab.

"Meiner Ansicht nach ist ein Militärschlag, der verhindert, dass die iranische Regierung nukleare Waffen in die Hände bekommt, wirksamer, als sich mit der iranischen Regierung auseinanderzusetzen, nachdem sie diese schon hat", erklärte er den Mitgliedern der AIPAC. "Und wenn schon militärische Gewalt angewendet wird, sollte das auch entschlossen getan werden. Für die iranische Regierung darf es keinerlei Möglichkeiten geben, einen konventionellen Krieg gegen ihre Nachbarn und unsere Truppen in der Region zu führen."

Geht man davon aus, dass der Iran ein Land mit 75 Millionen Bewohnern ist, die bittere Erfahrungen mit militärischen Auseinandersetzungen im acht Jahre dauernden iranisch-irakischen Krieg gemacht haben, wird die Ausschaltung der "Möglichkeit, einen konventionellen Krieg zu führen" entweder eine vollständige Invasion und Besetzung des Landes oder seine nukleare Auslöschung erfordern. Graham ließ sich darüber nicht weiter aus. Es gab jedoch in den letzten Tagen unheildrohende Andeutungen, von der israelischen Regierung werde ein nuklearer Erstschlag gegen den Iran in Erwägung gezogen.

Das Zentrum für Strategische und Internationale Studien (CSIS), ein gut vernetzter Washingtoner Thinktank, gab am Freitag eine wichtige Studie von Anthony Cordesman und Abdullah Toukan heraus, die den Titel "Optionen im Umgang mit dem iranischen Nuklearprogramm" trägt. In eiskalter Detailliertheit werden in dem 208 Seiten umfassenden Bericht die militärischen Alternativen abgewogen. Faktoren, wie der Zerstörungsradius verschiedener, vermutlich im israelischen Arsenal befindlicher Atomwaffen werden analysiert.

Nach der Durchsicht des Szenarios eines konventionellen Luftschlags Israels gegen den Iran fährt der Bericht mit der Diskussion des Einsatzes taktischer atomarer Sprengköpfe fort: "Ein weiteres Szenario besteht im Einsatz dieser Sprengköpfe als Ersatz für konventionelle Waffen beim Angriff auf tief unter der Erde liegende iranische Nuklearanlagen. Manche sind der Ansicht, dass tief unter der Erde oder in unterirdischen Gängen liegende Ziele nur mit Nuklearwaffen zerstört werden können."

Solche Waffen könnten mit israelischen seegestützten Cruise Missiles (SLCM) mit einer Reichweite von 1.500 km gegen iranische Ziele eingesetzt werden. Sie würden von den in Deutschland gebauten, und von Israel in den 1990er Jahren erworbenen Delphin-Unterseebooten aus abgeschossen werden. Diese Schiffe sind schon im Mittelmeer und in den arabischen Gewässern stationiert und könnten mit amerikanischem Begleitschutz in den Persischen Golf verlegt werden.

Mit diesen Kriegsdrohungen und unverhohlenen Diskussionen über atomaren Völkermord wird zweifellos beabsichtigt, das iranische Regime so unter Druck zu setzen, dass es den Forderungen der P5+1 Gruppe zustimmt. (Die Gruppe besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und Deutschland) Sie sollen jedoch auch die öffentliche Meinung auf die drohende militärische Aggression Israels und der USA vorbereiten

An der diplomatischen Front eröffnen die G-8 Außenminister am Montag in der Nähe der kanadischen Hauptstadt Ottawa ein Treffen, bei dem Diskussionen über den Iran und Nordkorea Haupttagesordnungspunkte sein sollen. Der kanadische Außenminister und Gastgeber des Treffens, Lawrence Cannon, sagte Reuters: "Ich werde mit meinen G-8-Kollegen besprechen, was wir tun können, um zusätzlichen Druck auf den Iran auszuüben, um ihn zur Einstellung seiner Nuklearanreicherung zu bringen. Leider glaube ich, dass wir wenig Optionen haben, außer dem Iran, möglichst durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, zusätzliche Sanktionen aufzuerlegen."

Die Regierung Obama hat schon erklärt, sie beabsichtige in den nächsten Monaten auf eine vierte Runde von UN-Sanktionen gegen den Iran hinzuarbeiten, sollte es ihr möglich sein, die Opposition Chinas auszuschalten. China ist der größte Kunde iranischer Ölexporte. Seit Jahresbeginn kündigten Royal Dutch Shell, die russische Lukoil und drei weitere europäische Ölfirmen an, sie würden die Benzinlieferungen an den Iran einstellen, wodurch der Iran von nur vier Lieferanten abhängig würde: China, Kuwait, Malaysia und der französischen Firma Total.

Das amerikanische Außenministerium gab letzte Woche eine Reisewarnung an amerikanische, insbesondere iranischstämmige Bürger heraus, die in den Iran reisen wollen - womit es die Spannungen weiter erhöhte.

Siehe auch:
Amerika stellt Regimewechsel in Teheran auf die Tagesordnung
(20. Februar 2010)
http://www.wsws.org/de/2010/feb2010/iran-f20.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 03.04.2010
Washington verschärft Kriegsdrohungen gegen den Iran
http://wsws.org/de/2010/apr2010/iran-a03.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2010