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GLEICHHEIT/3371: Irland-Rettung durch EU und IWF - Banker fordern brutale soziale Kürzungen


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Irland-Rettung durch EU und IWF:
Banker fordern brutale soziale Kürzungen

Von Stefan Steinberg
24. November 2010


Nach wochenlangem intensivem Druck der internationalen Geldmärkte und europäischer Institutionen hat die irische Regierung jetzt offiziell ein Rettungspaket über bis zu neunzig Milliarden Euro bei der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) beantragt.

In den vergangenen drei Monaten kaufte die Europäische Zentralbank (EZB) irische Anleihen im Wert von vierzig Milliarden Euro auf, um einen Kollaps der irischen Banken zu verhindern, was katastrophale Auswirkungen auf ganz Europa gehabt hätte. In Gesprächen mit europäischen Finanzministern in der vergangenen Woche machte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet klar, dass die Zentralbank nicht länger Geld nach Irland pumpen könne, um die dortigen praktisch insolventen Banken zu stützen. Es sei jetzt nötig, den Europäischen Notfallfond (EFSF) zu aktivieren, der im Mai von der Europäischen Union eingerichtet worden war.

Nun hat die irische Regierung unter Brian Cowen der internationalen Kampagne nachgegeben. Von den neunzig Milliarden Euro sollen fünfzehn Milliarden direkt an die Banken gehen, um deren Kapitalbasis zu stärken. Mit dem Rest soll das jährliche Haushaltsdefizit Irlands von neunzehn Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre gedeckt werden. Auch von diesem Geld wird das meiste seinen Weg in die Tresore der Banken und letztlich der internationalen Finanzhäuser finden, bei denen Irland verschuldet ist.

Einem Bericht auf der Web Site der BBC zufolge verschont der Plan die großen Schuldner Irlands vor allen Verlusten. Die deutsche Regierung hatte jüngst gefordert, die großen privaten Gläubiger bei der Rettung insolventer Staaten oder auch Banken an den Kosten zu beteiligen, und Frankreich hatte diesen Vorschlag unterstützt. Doch globale Banken reagierten mit einem Angriff auf Irland, dem gegenwärtig schwächsten Glied in der Eurozone. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ließen ihren Vorschlag umgehend wieder fallen und kuschten vor den Finanzmärkten.

Auf der BBC Web Site schrieb Stephanie Flanders: "Die Eurozone geht genauso vor wie immer seit dem Lehman-Zusammenbruch. D.h. im Zweifelsfall wird den privaten Gläubigern ein weiterer Blankoscheck ausgestellt, und es wird lieber nicht über das Geld und die moralische Gefährdung nachgedacht."

Irland ist jetzt das zweite europäische Land, das dieses Jahr Gelder von EU und IWF erhält. Im Mai akzeptierte Griechenland nach einer ähnlichen konzertierten Aktion der Geldmärkte und Rating-Agenturen 110 Milliarden Euro von der EU und dem IWF. Diese hatten griechische Anleihen immer weiter herabgestuft und das Land an den Rand des Staatsbankrotts getrieben.

Nach dem Bailout Griechenlands schufen EU und IWF einen 750 Milliarden Euro schweren Rettungsfond, um einen Zusammenbruch des Euro zu verhindern. Als der Nothilfefond (EFSF) geschaffen wurde, betonten die Regierungschefs, er sei ein "Schutzschirm" für den Euro. Sie hofften, dass kein weiteres Land ihn werde nutzen müssen.

Sechs Monate später ist genau das in Irland eingetreten.

Die Unterstützung führender europäischer Länder für den EU-Plan für Irland hat nichts mit Philanthropie zu tun. Die deutschen Banken gehören zu den größten Kreditgebern der irischen Banken. Der Bundesbank zufolge haben die deutschen Finanzinstitute 166 Milliarden Euro in Irland investiert. Ein hoher Anteil ist in riskanten, kurzfristigen Krediten angelegt.

Eine vergleichbare Summe haben die britischen Banken vergeben, was die Bereitschaft der britischen Regierung erklärt, sieben bis zwanzig Milliarden Euro zu dem Rettungsfond beizusteuern.

Die Rettungspläne für Griechenland und Irland bedeuten, dass die beiden Länder die Kontrolle über ihre Wirtschafts- und Haushaltspolitik praktisch an nicht gewählte Experten der Europäischen Union und des IWF abtreten. Seit letztem Donnerstag hält sich ein Expertenteam von EU und IWF in Dublin auf, um die Bedingungen des Kredits auszuhandeln und eine neue Runde der Sparpolitik zu diktieren.

Schon in den letzten Jahren hat Irland die ehrgeizigsten Sozialkürzungen in ganz Westeuropa durchgesetzt. Das Lohnniveau im Land ist dadurch um zwanzig Prozent gesunken. Jetzt verlangen EU und IWF eine weitere Runde drakonischer Maßnahmen, die verheerende Konsequenzen für die irische Bevölkerung haben wird.

Ein wesentliches Zugeständnis, das ursprünglich von der irischen Regierung gefordert wurde, war eine Anhebung ihrer extrem niedrigen Körperschaftssteuer von nur 12,5 Prozent. Diese Steuer war eine zentrale Maßnahme der Regierung Mitte der 1990er Jahre, um internationale Firmen anzulocken. Die niedrige Körperschaftssteuer war ein wesentlicher Faktor für das Wirtschaftswachstum Irlands, das ihm den Namen "keltischer Tiger" eintrug.

In der letzten Woche ließen internationale Konzerne wie Google, Microsoft und Intel durchblicken, dass sie ihr Engagement in Irland kritisch überprüfen würden, wenn die steuerliche Belastung der Wirtschaft erhöht würde.

Inzwischen scheint eine Einigung erzielt worden zu sein, die es Irland ermöglicht, seine niedrigen Unternehmenssteuern beizubehalten, wenn es noch weitergehende drastische soziale Kürzungen durchführt.

Dem irischen Finanzminister Brian Lenihan zufolge, einem der entschiedensten Fürsprecher von Irlands Unternehmenssteuer, sei die EU bereit, das Thema fallen zu lassen. Vor einer Kabinettssitzung erklärte Lenihan: "Ich begrüße sehr, dass Präsident Sarkozy hat erkennen lassen, dass Irlands Unternehmenssteuern bei diesen Diskussionen oder Verhandlungen kein Thema sein werden."

Lenihan erklärte, auch Großbritannien und der IWF hätten in den jüngsten Gesprächen keine Veränderung der Steuern verlangt. "Das Thema ist also erst einmal vom Tisch, das sollte jedem klar sein", schloss er.

Stattdessen wird die irische Regierung weitere Sparmaßnahmen ergreifen, die am Mittwoch vorgestellt werden sollen. In den Medien kursieren verschiedene Vorschläge. Dazu gehören die Streichung von weiteren 28.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, eine erhebliche Erhöhung der Grundsteuern und des Wasserpreises, eine weitere zehnprozentige Senkung der Sozialausgaben und die Einführung von Lohnsteuern für Geringverdiener, die gegenwärtig von der Steuer befreit sind.

Neben der Bestrafung der Geringverdiener denkt die Regierung auch über die Senkung des Mindestlohns um einen Euro auf 7,65 Euro nach, damit Arbeiter auch Arbeitsstellen akzeptieren müssen, die noch geringer bezahlt sind.

In den Worten des dänischen Finanzministers Jan Kees de Jager "muss Irland schnell und tief schneiden". Unter Bezugnahme auf den kommenden Haushaltsentwurf spricht ein Blog in der Financial Times von "schlimmen Schmerzen, die den irischen Bürgern bevorstehen".

Dublins Antrag für ein Hilfspaket von EU und IWF wurde von allen Seiten mit Rücktrittsforderungen gegen die irische Regierung quittiert. Dem schloss sich auch die führende Zeitung des Landes, die Irish Times an. In politischen Kreisen herrschte allerdings Übereinstimmung, dass vor jeder Regierungsumbildung das neue Sparprogramm verabschiedet werden müsse.

Die oppositionelle Fine Gael sagte, sie werde einem von der Fianna Fail-Regierung vorgelegten Haushalt zustimmen. Die Grüne Partei, die in der jetzigen Regierung drei Minister stellt, teilte mit, dass sie ihre Minister aus der Regierung zurückziehe. Sie fordert Neuwahlen für das nächste Jahr. Sie machte aber klar, dass sie die Haushaltskürzungen, die am Mittwoch vorgestellt werden sollen, unterstützen werde.

Die Kürzungsmaßnahmen in Griechenland und Irland machen Jahrzehnte alte Sozialreformen rückgängig und verschlechtern Löhne und Arbeitsbedingungen. Die Finanzplutokratie, die sie durchgesetzt hat, richtet ihre Blicke nun auf Portugal und Spanien.

Der britische Economist empfahl, Portugal das gleiche Paket anzubieten, das EU und IWF mit Irland aushandeln. Er argumentiert, Portugals wirtschaftliche Schwächen seien vielleicht noch gravierender.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 24.11.2010
Irland-Rettung durch EU und IWF:
Banker fordern brutale soziale Kürzungen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2010