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GLEICHHEIT/3718: Frankreich - Sozialistische Partei beschließt ein Programm gegen die Arbeiterklasse


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Frankreich:
Sozialistische Partei beschließt ein Programm gegen die Arbeiterklasse

Von Anthony Torres
25. Juni 2011


Am 28. Mai verabschiedete die Sozialistische Partei Frankreichs (SP) einstimmig ein Programm, das die Richtschnur für alle SP-Kandidaten in den Präsidentschaftswahlen 2012 sein soll. Die SP zeigt darin ihre Bereitschaft, Nicolas Sarkozy 2012 abzulösen, will aber im Wesentlichen mit der gleichen Politik fortfahren.

In einem Artikel mit dem Titel "SP-Projekt für 2012: Die große Schau von Martine Aubry" [der Parteivorsitzenden der SP] vom 29. Mai im Nouvel Observateur schreibt Sylvain Courage: "Aubry benutzt den Majestätsplural 'wir'. Sie sagt: 'Wir sind bereit wie 1981 und 1997 Frankreich durch einem großen demokratischen Aufschwung neu aufzurichten'." Das Vorhaben der SP läuft darauf hinaus, dass die Partei die Macht übernehmen will, um die Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzuführen, die für die französische Bourgeoisie unabdingbar sind.

Den Umfragen zufolge würde die SP gewählt, wenn die Wahlen heute stattfänden. Nach den Rentenreformen ist Präsident Sarkozy äußerst unpopulär. Politiker aus dem rechten Spektrum wie Jean-Louis Borloo oder Dominique De Villepin denken daran, bei den Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Die neofaschistische Nationale Front (FN) erfreut sich nach dem rassistischen Burka-Verbot und der von Sarkozy angezettelten Debatte über "nationale Identität" stärkerer Zustimmung als zuvor. Das Verbot und die Debatte waren auch von der SP und ihren Satellitenparteien unterstützt worden.

Das Programm der SP ist in seiner grundsätzlichen Ausrichtung pessimistisch und enthält keinerlei ernsthafte Maßnahmen, um die Lebensumstände der Arbeiter zu verbessern. Es widerspiegelt die Angst der französischen Bourgeoisie vor den beginnenden Aufständen in Entwicklungsländern und dem Niedergang mittlerer imperialistischer Mächte wie Frankreich - und insbesondere die Furcht vor dem sich entwickelnden Klassenkampf, der sich vom Nahen Osten und Nordafrika her ausbreitet.

Die SP hat erkannt, dass die Grundlagen der wirtschaftlichen Stabilität Frankreichs der Periode nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs "völlig zerstört sind". Die wirtschaftliche Erholung Frankreichs und Europas war eng verbunden mit der Rolle, die die USA als beherrschende Weltmacht spielten, wobei der Dollar die internationale Leitwährung für den Handel bildete.

Der Niedergang des amerikanischen Kapitalismus sowie der Aufstieg von Entwicklungsländern mit ihren Niedriglöhnen, die mit Frankreich in Wettbewerb treten, waren wichtige Faktoren für den Niedergang der mittleren Mächte. Im Absatz 4 des Dokuments der SP wird festgestellt: "Das Auftauchen neuer Wirtschaftsgiganten, die ihren Anteil am materiellen Wohlstand verlangen, kombiniert mit einer Entwicklungstendenz, die die Natur ausbeutet, bringt die Welt an den Rand des Absturzes."

Im Absatz 5 spricht die SP von den gebrochenen Versprechen, die beim Fall der Berliner Mauer gemacht wurden. Dieses Bekenntnis von Seiten der SP ist bemerkenswert. Ist der Kapitalismus - im Gegensatz zu den Behauptungen der Zeit nach der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie - doch alles andere als ein stabiles System, das Jedermann die Freiheit garantiert.

Wie sich am Verhalten der Banken während der Wirtschaftskrise zeigte, greift er zu kriminellen Methoden, um Profit zu machen, indem er die sozialen Errungenschaften und demokratischen Rechte der Arbeiterklasse angreift. Die SP tut so, als ob es mehr oder weniger unvermeidlich sei, dass Frankreich und die Welt in eine Periode gesellschaftlichen Rückschritts eintreten.

Die SP ist nicht in der Lage, eine andere Alternative vorzuschlagen, weil sie - genau wie die Sozialdemokraten Giorgos Papandreou in Griechenland oder José Luis Zapatero in Spanien - mit den Sparprogrammen übereinstimmen. Im Absatz 7 zieht die SP letztlich eine verheerende Bilanz ihrer eigenen Geschichte. Sie versucht auf unehrliche Weise zu erklären, dass die sozialdemokratische Bewegung sich lediglich der "Passivität" schuldig gemacht habe. "Um den Profit zu erhöhen, haben marktwirtschaftliche Regierungen soziale Schutzbestimmungen und die Kaufkraft geschwächt - während einige Führer der Sozialdemokratie Europas passiv blieben."

Die SP lügt, wenn sie die gegen die Arbeiter gerichtete Politik der Sozialdemokraten als "Passivität" charakterisiert. In Wirklichkeit hat die SP seit ihrer Gründung in den 1970er Jahren immer dazu gedient, Arbeiterkämpfe zu unterdrücken und die kapitalistische Ordnung auf Kosten der Arbeiter aufrecht zu erhalten.

1983, zwei Jahre, nachdem die SP unter François Mitterand mit Hilfe der Kommunistischen Partei (KPF) die Macht übernommen hatte, verabschiedete sie ein Kürzungsprogramm gegen die Arbeiter. Dies führte zum Abwürgen der Streikwellen, die nach dem Generalstreik 1968 ausgebrochen waren. Das ermöglichte der Bourgeoisie vor allem in der französischen Stahlindustrie eine Politik der De-Industrialisierung und Privatisierung durchzusetzen.

Die SP-Regierung unter Premierminister Lionel Jospin, führte schließlich eine brutale Privatisierungspolitik durch. Jospin hatte das Amt übernommen, um die Präsidentschaft von Jacques Chirac zu stützen, die durch die Streiks von 1995 erschüttert war.

In der Wirtschafts- und der europäischen Schuldenkrise führen sämtliche sozialdemokratischen Regierungen jetzt heftige Angriffe auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiter durch. In Spanien und Griechenland waren sie alles andere als passiv. Vielmehr haben sie das Rentenalter heraufgesetzt und greifen die sozialen und Arbeitsbedingungen an.

Von Sozialdemokraten regierte Länder, tendieren immer mehr zu diktatorischen Regierungsformen. So schickte die spanische Regierung im letzten Jahr das Militär, um den Streik der Fluglotsen zu brechen, die griechische setzte Soldaten gegen Lastwagenfahrer ein genau wie Sarkozy die CRS-Bereitschaftspolizei gegen die Arbeiter der Ölraffinerien mobilisierte, die gegen die Rentenreform kämpften.

Das Stillschweigen der SP dazu unterstreicht die Tatsache, dass sie bereit ist, eine ähnliche Politik in Frankreich durchzuführen. Darüber hinaus verhält sich die SP als Komplizin bei den Sparmaßnahmen: In der Nationalversammlung stimmte sie für die Durchsetzung des Kürzungspakets in Griechenland.

Die SP kritisiert Sarkozys Außenpolitik im Mittelmeerraum, aber stimmt mit seiner wichtigsten Initiative in dieser Region überein: dem militärischen Angriff Frankreichs auf Libyen. Die SP schreibt daher. "Sarkozy hat Frankreichs Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt, indem er dem Mörder Gaddafi den Roten Teppich ausrollte, obwohl andere Demokratien ihn wegen seiner Taten verurteilten. Als er drei Jahre später richtig handelte, um das libysche Regime zu hindern, sein eigenes Volk anzugreifen, tat er dies zu spät...."

Auf diese Weise wiederholt die SP Sarkozys zynische Lüge - der zufolge der Krieg in Libyen notwendig ist, um Zivilisten zu schützen - um ihre Unterstützung für den Krieg in Libyen und die Bombardierung von Zivilisten durch Frankreich und die Nato zu rechtfertigen.

Die SP arbeitet an einer nationalistischen Wirtschaftspolitik, die zu erheblichen Spannungen im Welthandel führen würde. Sie entwickelt die Idee, dass mehr Unabhängigkeit von den USA nötig sei und wendet sich damit an Deutschland: "Für eine realistische Verteidigung unserer Wirtschaftsinteressen, die durch Länder mit Niedriglöhnen und durch geschützte Wirtschaftsräume [d .h. Protektionismus] bedroht sind! Um dies zu verwirklichen, lasst uns mutig die 'Zusammenarbeit verstärken', lasst uns eine Pioniergruppe unter der Führung von Frankreich und Deutschland bilden."

Die SP versucht, eine pseudosoziale Rechtfertigung für eine europäische Wirtschaftspolitik zu geben, die starke Züge von Autarkie trägt. Sie möchte den Zugang von Produkten aus Entwicklungsländern nach Europa blockieren, indem die europäischen Grenzen geschlossen werden.

Die Maßnahmen der SP liegen auf derselben Linie wie die von Nicolas Sarkozy. Die SP strebt eine jährliche Konferenz über Löhne mit den "Sozialpartnern", d.h. den Unternehmern, Gewerkschaften und dem Staat an, um einen Rahmen für die Lohnentwicklung zu schaffen.

Die Gewerkschaften haben sich an allen Maßnahmen der Sarkozy Regierung beteiligt, die sich gegen den Lebensstandard der Arbeiterklasse richteten. Die Gewerkschaften haben alles getan, um die Demonstrationen im Rahmen zu halten, um die Arbeiterklasse zu demoralisieren, damit sie die von der Regierung verlangten Reformen akzeptiert. So konnten die Rentenreform und der Kampf der Eisenbahner über die Bühne gebracht werden, ohne dass es zu einer politischen Explosion kam.

Neben den protektionistischen Maßnahmen kündigt die SP vor allem solche an, an denen deutlich wird, wie sehr sich ihre Politik gegen die Arbeiter richten wird. Als wolle sie unterstreichen, dass die De-Industrialisierung unter einer SP-Regierung fortgesetzt werden solle, schlägt sie vor, "die Kosten für Massenentlassungen für Unternehmen anzuheben, die Dividenden zahlen."

Sobald sie an die Regierung kommt, wird die SP genauso wie 1981 und 1997 eine noch weit rechtere Politik machen; als sie im Wahlkampf angekündigt hat. Um so bedeutsamer ist die Tatsache, dass ihr Programm für 2012 kein "linkes", sondern ein rechtes ist, das Krieg und Sparpolitik bei den Sozialausgaben befürwortet. Wenn die SP 2012 inmitten einer tiefen Krise des Weltkapitalismus an die Macht kommt, dann wäre das eine äußerst reaktionäre Regierung.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 25.06.2011
Frankreich: Sozialistische Partei beschließt ein Programm gegen die Arbeiterklasse
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2011