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GLEICHHEIT/4025: Atomwissenschaftler in Teheran ermordet


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Atomwissenschaftler in Teheran ermordet

Von Alex Lantier
13. Januar 2012


Am 11. Januar wurde in Teheran der 32jährige Atomwissenschaftler Professor Mostafa Ahmadi Roshan durch einen Bombenanschlag getötet. Augenzeugen hatten beobachtet, wie Motorradfahrer vor der Explosion einen Magnetsprengstoffkörper an seinem Auto befestigt hatten.

Der Leibwächter Roshans, der den Wagen fuhr, soll ebenfalls getötet und ein 85jähriger Passant soll verwundet worden sein. Die Motorradfahrer konnten im Verkehrsgewühl entkommen.

BBC-Journalisten in Teheran berichteten, dass es sich um eine hochentwickelte Bombe handelte: "Es war ein gezielt angebrachter Sprengsatz, der eine oder mehrere Personen töten sollte. Er war so klein, dass er nicht sehr weit gehört werden konnte."

Roshan war Professor an einer technischen Universität in Teheran und als Geschäftsführer für die Urananreicherungsanlage in Natans verantwortlich. Er hatte sich Berichten zufolge wenige Tage vor seiner Ermordung mit Inspektoren der Internationalen Atombehörde (IAEA) getroffen. Das Attentat auf ihn war der vierte Mord an iranischen Atomwissenschaftlern seit 2010.

Die USA, Israel und europäische Regierungen beschuldigen Iran, Atomwaffen bauen zu wollen und betreiben ein Ölembargo gegen das Land, um dessen Währung und Wirtschaft zu untergraben. Sie haben deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nichts - auch keinen Krieg - ausschließen, um Iran daran zu hindern, sich solche Waffen zu verschaffen. Iran behauptet jedoch, sein Atomprogramm diene der friedlichen Energieerzeugung und medizinischen Zwecken.

Der Vizegouverneur von Teheran, Safar Ali Baratlo, beschuldigt die israelische Regierung wegen des Anschlags. "Der Sprengkörper war eine Magnetbombe des gleichen Typs, der schon bei früheren Attentaten gegen Wissenschaftler benutzt worden ist. Sie ist das Werk der Zionisten", sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur Fars. Er vermutet, dass der Anschlag auch dazu dienen solle, Menschen davon abzuhalten, sich an den Parlamentswahlen im März zu beteiligen: "Es scheint, als ob die Zionisten sich bemühen, die Sicherheit vor den Wahlen so stark zu unterhöhlen, dass sich die Leute nicht massenhaft daran beteiligen."

Israelische Quellen bestätigen, dass es eine gezielte Mordkampagne gegen iranische Wissenschaftler gibt, übernehmen aber nicht ausdrücklich die Verantwortung für den Anschlag vom Mittwoch. Mickey Segal, ein ehemaliger Direktor des israelischen Geheimdienstes, sagte: "Im Iran sind in letzter Zeit viele schlimme Dinge passiert. Iran befindet sich unter wachsendem Druck und der jüngste Mordanschlag erhöht diesen Druck auf das iranische Regime."

Am Tag vor dem Mord machte der israelische Militärchef General Benny Gantz die weithin als Drohung verstandene Aussage, dass es im Iran weitere Anschläge geben würde. Er teilte einem israelischen Parlamentsausschuss mit, dass 2012 "ein kritisches Jahr" für den Iran werde, "in dem ihm unnatürliche Dinge zustoßen" könnten.

Vertreter der USA reagierten auf den jüngsten Anschlag, indem sie Teheran beschuldigten. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, sagte, sie habe keine "Informationen der einen oder anderen Art zu geben." Außenministerin Hillary Clinton griff den Iran wegen seiner "provokativen Rhetorik" an und fügte hinzu, sie wolle "kategorisch verneinen", dass die USA in irgendwelche Gewaltmaßnahmen gegen Iran verwickelt seien.

Derartige Beteuerungen sind politisch belanglos. Selbst die bürgerliche Presse in den USA erkennt an, dass die Westmächte eine eskalierende Terrorkampagne betreiben, um die nukleare Infrastruktur des Iran zu zerstören.

Theodore Karasik, ein Sicherheitsexperte am Institut für Militärische Analysen des Nahen Ostens und der Golfregion, sagte zur New York Times, dass Magnetbomben, "sauber, leicht und wirksam" seien und daher gewöhnlich für verdeckte Operationen eingesetzt würden. Die Times schloss daraus, dass der Mordanschlag "in ein Muster verdeckter Operationen des Westens und seiner Verbündeten der vergangenen zwei Jahre passt und darauf abzielt, das Nuklearprogramm des Iran "zu schädigen und zu verzögern".

Die rechtsgerichtete französische Tageszeitung Le Figaro schrieb dazu: "Die USA und Israel haben vielfältige Sabotageakte gegen empfindliche Nukleareinrichtungen ausgeführt, sowie gezielte Tötungen iranischer Nuklearexperten in Auftrag gegeben." Die Zeitung zitierte einen irakischen Sicherheitsverantwortlichen, der sagte, der israelische Geheimdienst Mossad benutze "die irakische Region Kurdistan, die von Agenten durchsetzt ist. Die Israelis setzen kurdische Gegner des iranischen Regimes ein, die in die kurdischen Gebiete des Irak geflohen sind."

Die Presse hält sich jedoch vollkommen bedeckt, was die kriminelle und rücksichtslose Politik und die Heuchelei der US-Regierung angeht, die einerseits einen "Krieg gegen den Terror" führt, aber andererseits terroristische Aktionen gegen Regimes unternimmt, die es beseitigen will. Die USA und ihre Verbündeten führen eine gezielte Terrorkampagne gegen iranische Wissenschaftler durch und wollen das iranische Regime so reizen, dass es im Gegenzug einen Vorwand für einen Angriff der USA, Israels oder der Nato liefert.

Im Januar 2010 brachte eine ferngezündete Bombe Massoud Ali Mohammadi, einen Atomwissenschaftler der Universität Teheran, um. Im November 2010 töteten zwei Autobomben von der Sorte, die am Mittwoch Roshans Leben auslöschte, den Atomingenieur und Professor der Shahid Behest Universität Maschid Schahriari und verwundeten den Dekan der Physik-Fakultät der Imam Hossein Universität Fereydoun Abbasi. Im Juli 2011 erschossen Bewaffnete in Teheran den Kernphysiker Dr. Darioush Rezai, der Berichten zufolge an der Konstruktion von Schaltern beteiligt war, die für Nuklearsprengköpfe benötigt werden.

Auch auf iranischen Militärstützpunkten fanden unerklärliche Explosionen statt. Am 12. November 2011 zerstörte eine Explosion die Basis der Revolutionsgarden bei Bid Kaneh, wobei 17 Menschen ums Leben kamen. Eine weitere Explosion zerstörte eine Urananreicherungsanlage in Isfahan.

Teheran beschuldigte die Westmächte auch, den Computerviraus Stuxnet eingeschleust zu haben, der Ende 2010 entdeckt wurde und Zentrifugen und Computersystem der Nuklearanlagen, darunter die von Natans, schwer beschädigte. Im Februar letzten Jahres wurde berichtet, dass auf der Abschiedsparty anlässlich der Pensionierung des israelischen Generals Gabi Ashkenazi ein Video gezeigt wurde, in dem sowohl der Stuxnet Virus als auch die Bombardierung einer syrischen Nuklearanlage in der Region Deirez-Zor als Erfolge des israelischen Geheimdienstes gefeiert wurden.

Im letzten Monat berichtete Art Keller, ein ehemaliger CIA-Offizier, der sich mit Iran beschäftigt hatte, der Los Angeles Times: "Wir sind definitiv dafür verantwortlich. Es ist ganz und gar die Aufgab e der [CIA-]Abteilung für Nichtverbreitung [von Atomwaffen] alles zu tun, was nötig ist,...um Irans Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu verzögern."

Die Ermordung von Roshan bringt die Welt und die Region am Persischen Golf einen Schritt näher an einen katastrophalen regionalen und möglicherweise weltweiten Krieg. Der russische stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow teilte vorgestern der Nachrichtenagentur ITAR Tass mit, dass ein Militärschlag gegen den Iran "ein großer Fehler und ein eklatanter Missgriff" wäre, denn er würde "die Grundlagen des internationalen Systems erschüttern."


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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.01.2012
Atomwissenschaftler in Teheran ermordet
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2012