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GLEICHHEIT/4319: Weltweite soziale Ungleichheit größer als bisher angenommen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Weltweite soziale Ungleichheit größer als bisher angenommen

Von Ernst Wolff
26. Juli 2012



Superreiche verstecken zurzeit zwischen 21 und 32 Billionen US-Dollar in Steueroasen wie der Schweiz oder den Cayman Islands. Das berichtete am Wochenende das Tax Justice Network (Netzwerk zur Förderung der Steuergerechtigkeit), eine NGO mit Sitz in London. Autor der Studie ist James Henry, ein ehemaliger Chef-Volkswirt der Unternehmensberatung McKinsey und Experte für Steuerparadiese.

Henry stützt sich bei seinen Erhebungen auf Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Vereinten Nationen und der Zentralbanken. Gegenstand seiner Studie waren ausschließlich Finanzvermögen. Sachwerte wie Immobilien, Goldbestände oder Privatyachten wurden nicht berücksichtigt.

Die Zahlen enthüllen, dass high networth individuals (Superreiche mit einem Vermögen von über 50 Mio. Dollar) weltweit erheblich höhere Beträge in Steueroasen versteckt haben als bisher angenommen. Außerdem zeigen sie, dass sich die Konzentration des globalen Reichtums in immer weniger Händen rasant beschleunigt hat.

2005 hatte das geschätzte Off-Shore-Vermögen der Superreichen noch 11,5 Billionen Dollar betragen. Inzwischen hat es sich verdoppelt bis verdreifacht. Heute besitzen die oberen zehn Prozent der Weltbevölkerung 84 Prozent der Vermögen, während auf die untere Hälfte nur ein Prozent entfällt. Auf die allerreichste Gruppe von nur 92.000 Personen - das sind 0,01 Promille (ein Hunderttausendstel) der Weltbevölkerung - kommen der Studie zufolge versteckte Finanzwerte in Höhe von mehr als neun Billionen Dollar.

Das rapide Anwachsen dieser Vermögen in den vergangenen sieben Jahren zeigt, dass die weltweite Krise des Kapitalismus der Finanzelite keinesfalls geschadet hat. Im Gegenteil: Während in den fortgeschrittenen Ländern immer mehr Menschen durch staatliche Sparprogramme in Not geraten und Millionen in den Entwicklungsländern ein Leben in Armut fristen, haben die Superreichen die finanziellen und wirtschaftlichen Turbulenzen der vergangenen Jahre genutzt, um ihren Wohlstand nach Kräften zu mehren und ihr Geld vor dem Zugriff der Finanzbehörden zu verstecken.

Begünstigt werden sie dabei durch eine Steuergesetzgebung, die es ihnen durch juristische Schlupflöcher ermöglicht, mit professioneller Hilfe riesige Summen in sogenannte Offshore-Steuerparadiese zu schaffen.

Während Menschen mit geringem Einkommen vom Staat steuerlich strikt überwacht und Jahr für Jahr unerbittlich zur Kasse gebeten werden, steht den Superreichen eine global agierende Schar hochbezahlter Vermögens- und Anlageberater der internationalen Großbanken zur Seite, die im Geschäft der professionellen Steuerhinterziehung hervorragend geschult ist und kräftig daran mitverdient. Allein die vier größten britischen Banken - HSBC, Barclays, Lloyds und die Royal Bank of Scotland - verfügen über 1.200 Niederlassungen in Steuerparadiesen.

Henrys Angaben zufolge haben die zehn größten privaten Finanzinstitute, darunter auch die Deutsche Bank, 2010 mehr als 6,25 Billionen Offshore-Dollar verwaltet. Vor dem Crash von 2007 lag der Betrag noch bei 2,34 Billionen Dollar.

Besonders schwer treffen Steuerflucht und Steuerhinterziehung die Entwicklungsländer. In den vergangenen vierzig Jahren haben die reichsten Bürger aus 139 Entwicklungsstaaten nicht deklarierte Vermögen von geschätzten 7,3 bis 9,3 Billionen US-Dollar in Steueroasen versteckt. Ihr Offshore-Vermögen ist häufig größer als die Staatsverschuldung der jeweiligen Länder und trägt unter anderem dazu bei, dass für dringend notwendige staatliche Gesundheits- und Ausbildungsausgaben kein Geld zur Verfügung steht.

Deutschland rangiert in der Liste der Länder mit den meisten Superreichen hinter den USA und China an dritter Stelle. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte das Vermögen der obersten ein Prozent vor kurzem ebenfalls von 23 Prozent auf 34 Prozent korrigiert, da sehr reiche Haushalte in den Untersuchungen des DIW bisher nicht bzw. untererfasst waren.

Das durch die Studie aufgedeckte gigantische Ausmaß der versteckten Vermögen legt Henry zufolge nahe, dass die bisher angelegten Maßstäbe für Ungleichheit, die sich im Allgemeinen auf die Haushaltseinkommen bezogen, den wirklichen Graben zwischen Arm und Reich "dramatisch unterschätzen".

Der Autor der Studie stimmt mit dem britischen Ökonomen und Journalisten Stewart Lansley [1] überein, der in seinem jüngst veröffentlichten Buch "The cost of Inequality" (Die Kosten der Ungleichheit) schreibt: "Es besteht absolut kein Zweifel, dass sämtliche Statistiken über Einkommen und Vermögen an der Spitze der Gesellschaft das Problem unterschätzen."

Die weltweite soziale Ungleichheit ist heute nicht nur viel schlimmer als alle offiziellen Statistiken bisher belegen, sie hat auch - global betrachtet - ein in der bisherigen Geschichte der Menschheit noch nicht dagewesenes Ausmaß erreicht.

Anmerkung:
[1] http://www.stewartlansley.co.uk/

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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.07.2012
Weltweite soziale Ungleichheit größer als bisher angenommen
http://www.wsws.org/de/2012/jul2012/ungl-j26.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2012