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GLEICHHEIT/4430: IWF-Chefin warnt - Konflikt China-Japan bedroht Weltwirtschaft


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

IWF-Chefin warnt:
Konflikt China-Japan bedroht Weltwirtschaft

Von John Chan
10. Oktober 2012



Der Internationale Währungsfond (IWF) hat vor den Folgen für die globale Wirtschaft gewarnt, wenn sich die Spannungen zwischen China und Japan wegen der umstrittenen Senkaku/Diaoyu-Inseln im ostchinesischen Meer weiter verschärften. China und Japan sind die zweit- und drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.

IWF-Chefin Christine Lagarde erklärte vergangenen Mittwoch in Washington: "Sowohl China, wie auch Japan" seien für die Weltwirtschaft "entscheidende Triebkräfte", sie dürften sich "wegen territorialer Streitigkeiten nicht überwerfen". Wegen der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten, sagte Lagarde, "braucht die globale Wirtschaft den konzentrierten Einsatz Japans und Chinas".

Gleichzeitig mit Lagardes Äußerungen wurden die Wachstumsaussichten für die Entwicklungsländer Asiens durch die Asian Development Bank (ADB) von 6,9 Prozent im April auf nur noch 6,1 Prozent herabgestuft. Die Bank warnte, eine Verschlimmerung der europäischen Schuldenkrise oder drastische Haushaltskürzungen in den USA hätten für Asien "schlimme Folgen". Selbst ohne einen größeren globalen Schock, erklärte die ADB, würde ein plötzlicher Kapitalabzug die Region schwer in Mitleidenschaft ziehen.

Lagarde wird diese Woche in Tokio zu den Jahresversammlungen von IWF und Weltbank erwartet, die zusammengenommen die größte Zusammenkunft von hohen Finanzvertretern und Bankern der Welt darstellen. Etwa zwanzigtausend Teilnehmer werden erwartet.

Mehrere große chinesische Staatsbanken gaben Dienstag vergangener Woche bekannt, dass sie in diesem Monat an keiner Konferenz der IWF, der Weltbank oder der Finanzindustrie in Osaka teilnehmen würden. Ein Sprecher von Chinas Landwirtschaftsbank sagte den Medien, der offensichtliche Grund für den kollektiven Boykott der chinesischen Banken liege "ganz klar (....) in den japanisch-chinesischen Beziehungen".

Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern verschlechtern sich rapide, seitdem Ministerpräsident Yhoshihiko Noda die Senkaku-Indeln letzten Monat ihren japanischen Privatbesitzern formell abkaufte. Die chinesische Regierung verurteilte den Kauf und schickte Beobachtungsschiffe und Fischerboote in die Gegend.

Beide Regierungen stacheln bewusst reaktionären Nationalismus an, weil ihre Wirtschaften nur langsam wachsen und die sozialen Spannungen sich verschärfen. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hat für die jüngsten anti-japanischen Proteste grünes Licht gegeben. Bei diesen Protesten wurden japanische Staatsbürger gewalttätig angegriffen, und Rufe nach Krieg und zum Boykott japanischer Waren wurden laut.

Japanische Autohersteller mussten ihre Produktionszahlen in China, dem größten Automarkt der Welt, drastisch nach unten revidieren. Toyota-Verkäufe sollen gegenüber dem Vorjahr um vierzig Prozent abgestürzt sein. Die Financial Times berichtete letzte Woche, dass der japanische Marktanteil am chinesischen Automarkt von 26,6 Prozent 2009 auf 22,8 Prozent gefallen sei, was die deutschen Autohersteller zum ersten Mal in die Lage versetzte, an Japan vorbeizuziehen.

Japanische Reedereien berichten über ungewöhnlich lange Abfertigungszeiten, weil die chinesischen Zollbehörden japanische Importe zu verlangsamen suchen. Japan Airlines musste seine Flüge nach China zurückfahren, weil das chinesische Tourismusbüro eine Reisewarnung für Japan ausgesprochen hat und Zehntausende Flüge storniert worden waren. China hat auch Gespräche mit Japan und Südkorea über eine Freihandelszone auf Eis gelegt.

Die Ratingagentur Standard & Poor's warnte letzten Mittwoch, wenn die politische Konfrontation zwischen China und Japan andauere, und die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sich weiter verschlechterten, könnte "Japans Makroökonomie Schaden nehmen, und die Kreditqualität bewerteter japanischer Unternehmen könnte auf breiter Front leiden".

Das Handelsvolumen zwischen Japan und China gehört zu den größten der Welt und beträgt ca. 340 Milliarden US-Dollar (270,6 Mrd. Euro) im Jahr. Japan ist Chinas größter Investor, und China ist Japans größter Handelspartner. China ist inzwischen auch der größte Finanzier des japanischen Staatsdefizits und hält japanische Staatspapiere im Wert von ca. achtzehn Billionen Yen oder 230 Milliarden Dollar. Seit 2010 sind sie um siebzig Prozent angestiegen.

Diese gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit hält Peking und Tokio aber nicht davon ab, ihren Disput gefährlich auszuweiten. Der japanische Ministerpräsident Noda wies letzten Monat darauf hin, dass Auslandsinvestitionen für Chinas Wirtschaftswachstum entscheidend seien, und dass China wirtschaftlichen Schaden erlitte, wenn japanische Firmen nicht mehr in China investierten.

Nodas Entscheidung, die Senkaku-Inseln zu "verstaatlichen", war hauptsächlich ein symbolischer Akt, weil Japan die Inseln bereits kontrolliert. Aber die Regierung griff zu rechtem Nationalismus, um von scharfen sozialen Gegensätzen abzulenken. Noda muss sich in den nächsten Monaten Wahlen stellen. In Umfragen genießt seine Regierung nur noch zwanzig Prozent Unterstützung. Das liegt vor allem an seiner Absicht, die Mehrwertsteuer zu verdoppeln, und an seiner Entscheidung, Atomkraftwerke wieder anzufahren.

Die oppositionelle Liberaldemokratische Partei (LDP) nimmt gegenüber China sogar eine noch kriegerischere Haltung ein, besonders seitdem Ex-Ministerpräsident Shinzo Abe Parteiführer ist. Der rechte Tokioter Gouverneur Shintaro Ishihara, der als erster vorgeschlagen hatte, die Senkakus zu kaufen, schlägt jetzt sogar vor, provokativ Gebäude auf den Inseln zu errichten.

China und Japan beharkten sich Ende September vor der UN-Vollversammlung gegenseitig wegen des Inselstreits. Der chinesische Außenminister Yang Jiechi sagte vor der UN, Japan habe die Diaoyu-Inseln im japanisch-chinesischen Krieg 1895 "gestohlen". Er verurteilte Japans Insel-"Verstaatlichung" als "völlig illegalen und ungültigen" Akt, der "die Souveränität Chinas grob verletzt". Er erklärte, Japan leugne mit seinem Vorgehen "unmittelbar das Ergebnis des anti-faschistischen Weltkriegs" (ein Hinweis auf die Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg), und bedrohe damit indirekt die internationale Nachkriegsordnung.

Japans stellvertretender UN-Botschafter Kazuo Kodama entgegnete, die Senkaku-Inseln seien auf Grundlage historischer Fakten und internationalen Rechts "ganz klar ein integraler Bestandteil des Territoriums Japans". Er behauptete, Japan habe schon vor dem Krieg von 1895 begonnen, die Inseln zu erkunden, während China und Taiwan erst in den 1970er Jahren begonnen hätten, Anspruch auf die Inseln zu erheben.

US-Außenministerin Hillary Clinton hatte sich am 24. September mit dem chinesischen Außenminister Yang getroffen und empfahl ihm, "einen kühlen Kopf zu bewahren", weil die Stabilität in Asien entscheidend für die Weltwirtschaft sei. Clintons Bemerkungen sind allerdings völlig zynisch. Die Obama-Regierung ermutigt ihren Verbündeten Japan, eine aggressivere Haltung gegen China einzunehmen. Das ist Bestandteil der Bemühungen, Chinas Einfluss in Asien zurückzudrängen. Die Regierung in Washington erklärt sich in dem Senkaku/Diaoyu-Konflikt als neutral, fügt aber im gleichen Atemzug hinzu, im Fall eines militärischen Konflikt um die Inseln sähe sie sich verpflichtet, Japan zu Hilfe zu kommen.

Obwohl China und Japan gegenseitig wirtschaftlich voneinander abhängig sind, verschärft sich die Kontroverse um die Inseln im Ostchinesischen Meer weiter. Dies birgt die Gefahr, dass die gesamte globale Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Wie in den 1930er Jahren verschärft die globale Finanzkrise geopolitische Spannungen, und diese Spannungen wiederum heizen die wirtschaftlichen Probleme an und beschleunigen das Abgleiten in Depression und Krieg.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 10.10.2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2012