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GLEICHHEIT/4534: Zum Tod des SPD-Politikers Peter Struck (1943-2012)


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Zum Tod des SPD-Politikers Peter Struck (1943-2012)

Von Sven Heymanns
5. Januar 2013



Am 19. Dezember 2012 verstarb der frühere Bundesverteidigungsminister und langjährige Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Peter Struck. Im Alter von 69 Jahren erlag er in Berlin einem Herzinfarkt.

Mit seinem Ausspruch, "die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland" werde "auch am Hindukusch verteidigt", brachte er die neue aggressive deutsche Außenpolitik unter der rot-grünen Bundesregierung von Gerhard Schröder prägnant zum Ausdruck. Als Verteidigungsminister setzte er den Krieg der Bundeswehr in Afghanistan nicht einfach nur fort. Vielmehr forcierte er in seiner Amtszeit die Umgestaltung der Bundeswehr zu einer flexiblen und weltweit einsatzbaren Eingreiftruppe des deutschen Imperialismus.

Struck wurde 1943 als Sohn eines Soldaten und einer Kioskbesitzerin in Göttingen geboren. Während sein Vater, der sich nach dem Krieg zum Betriebsleiter hocharbeitete, nach den Erfahrungen im Dritten Reich von Parteien nichts mehr wissen wollte, trat Struck 1964 der SPD bei. Nach dem Abitur zwei Jahre zuvor hatte er mit dem Jura-Studium begonnen, das er schließlich mit einer Promotion abschloss.

Zunächst machte Struck Karriere in der Verwaltung. Anfang der 1970er Jahre war er Regierungsrat in Hamburg, zeitweilig auch persönlicher Referent des Präsidenten der Universität Hamburg. Ab 1973 war Struck im niedersächsischen Uelzen als stellvertretender Stadtdirektor tätig.

Beinahe 50 Jahre lang war Struck Mitglied der SPD. Von 1980 bis 2009 saß er für die Partei ununterbrochen im Deutschen Bundestag. Nicht selten wurde er als "Parteisoldat" bezeichnet, zumal die Führungsspitze auf seine Loyalität zählen konnte. 1990 übernahm er den Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion.

Von 1998 bis 2002 und noch einmal von 2005 bis 2009 war Peter Struck Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag. In dieser Zeit hatte er die Aufgabe, der SPD in der Regierung den Rücken freizuhalten und die nötigen Mehrheiten für ihre zunehmend arbeiterfeindliche Politik zu organisieren. In seine zweite Amtszeit als Fraktionsvorsitzender fiel u.a. die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre, die unter den SPD-Abgeordneten auf erhebliche Vorbehalte stieß.

Seine größte Bekanntheit erlangte Struck jedoch in seiner Zeit als Bundesverteidigungsminister in der zweiten Legislaturperiode der rot-grünen Regierung Schröder-Fischer von 2002 bis 2005.

Auf der Trauerfeier in Uelzen stellte dementsprechend die Bundeswehr ein Großes Ehrengeleit. Unter den Gästen befanden sich die früheren sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder sowie weitere hochrangige SPD-Politiker wie Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Kurt Beck sowie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

Der amtierende Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hob in seiner Trauerrede insbesondere die Rolle Strucks bei der Umgestaltung der Bundeswehr hervor. "Wie kaum ein anderer verkörperte Peter Struck den Wandel der Verteidigungspolitik unseres Landes." Und: "Peter Struck bereitete den Weg der Bundeswehr von einer Armee für den Einsatz hin zu einer Armee im Einsatz."

Als Struck seinen Platz am Kabinettstisch im Juli 2002 - zunächst widerwillig - einnahm, standen deutsche Soldaten gerade seit einem halben Jahr in Afghanistan. Im Laufe seiner Amtszeit wurde die Zahl der dort stationierten Truppen massiv erhöht. Während der ISAF-Einsatz noch im Dezember 2001 eine Obergrenze von 1.200 Bundeswehrsoldaten vorsah, wurde deren Zahl ein Jahr später auf 2.500 mehr als verdoppelt. Als Struck seinen Posten als Verteidigungsminister verließ, waren bis zu 3.000 deutsche Soldaten am Hindukusch stationiert.

Doch das Engagement deutscher Truppen im Ausland nahm nicht nur quantitativ ungekannte Ausmaße an. Mit der Aufstellung neuer Verteidigungspolitischer Richtlinien im Jahr 2003 hatte Peter Struck entscheidenden Anteil an der Umgestaltung der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren, flexiblen Interventionsarmee.

Seit ihrer Aufstellung 1955 hatte die Bundeswehr offiziell stets der Landesverteidigung gedient. Dem Wortlaut des Grundgesetzes nach hat sich dieser Auftrag nicht verändert. Um die Interessen des deutschen Imperialismus trotzdem weltweit wirksam vertreten zu können, bedurfte es neben einer militärischen Umgestaltung der Armee auch einer politischen und juristischen Legitimation. Der Begriff der "Landesverteidigung" wurde zwar beibehalten, aber extrem offensiv ausgelegt.

Die von Struck am 21. März 2003 herausgegeben Verteidigungspolitischen Richtlinien fassen dies wie folgt: "Nach Artikel 87a des Grundgesetzes stellt der Bund Streitkräfte zur Verteidigung auf. Verteidigung heute umfasst allerdings mehr als die herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen gegen einen konventionellen Angriff. Sie schließt die Verhütung von Konflikten und Krisen, die gemeinsame Bewältigung von Krisen und die Krisennachsorge ein. Dementsprechend lässt sich Verteidigung geografisch nicht mehr eingrenzen, sondern trägt zur Wahrung unserer Sicherheit bei, wo immer diese gefährdet ist."

Demgemäß sollten bei der Finanzierung durch den Wehretat diejenigen Teile der Bundeswehr den Vorrang erhalten, die auf den Einsatz ausgerichtet waren: "Der Erhalt und die Verbesserung der militärischen Kernfähigkeiten hat Vorrang. Die diesem Ziel nicht unmittelbar dienenden Einrichtungen und Leistungen der Bundeswehr werden einer kritischen Überprüfung unterzogen."

An dieser Stelle wird deutlich, dass die von Strucks Nachfolgern Franz-Josef Jung (CDU), Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Thomas de Maizière vorangetriebene Bundeswehrreform bereits unter Rot-Grün ihren Anfang und ihre offensive Ausrichtung genommen hatte.

Deutlicher wurde diese Ausrichtung noch einmal in den "Grundzügen der Konzeption der Bundeswehr" formuliert, die Struck 2004 herausgab. Hier konkretisierte er, was er ein Jahr zuvor in den Verteidigungspolitischen Richtlinien umrissen hatte: "Eine strikt einsatzorientierte Neuausrichtung." Dazu sollten insgesamt 35.000 Soldaten als "Eingreifkräfte" weltweit verfügbar gemacht werden - an bis zu fünf verschiedenen Orten gleichzeitig.

Auch einem Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren, wie er 2012 vom Bundesverfassungsgericht schließlich erlaubt wurde, leisteten Strucks Verteidigungspolitische Richtlinien Vorschub. Es heißt darin: "Zum Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen wird die Bundeswehr Kräfte und Mittel entsprechend dem Risiko bereithalten. Auch wenn dies vorrangig eine Aufgabe für Kräfte der inneren Sicherheit ist, werden die Streitkräfte im Rahmen der geltenden Gesetze immer dann zur Verfügung stehen, wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen oder wenn der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie kritischer Infrastruktur nur durch die Bundeswehr gewährleistet werden kann."

Heute, mehr als sieben Jahre nach dem Ende der rot-grünen Bundesregierung und der Amtszeit von Peter Struck als Verteidigungsminister, wird klar, worauf die genannten Veränderungen abzielten: eine offensive Ausrichtung der Bundeswehr als Instrument des deutschen Imperialismus war eine grundlegende Voraussetzung für die Zuspitzung der Konflikte unter den Großmächten um die Neuaufteilung der Welt. Sie machte ein militärisches Eingreifen etwa in Syrien erst möglich, um die Interessen der deutschen Bourgeoisie gegen ihre Rivalen zu behaupten.

Zugleich ist unter den Bedingungen der verschärften sozialen Gegensätze der Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren für die herrschende Klasse zu einer realistischen Option geworden, um mögliche Aufstände der Bevölkerung niederzuschlagen.

In dieser Hinsicht hat der "Parteisoldat" Peter Struck seine politischen Aufgaben im Sinne der deutschen Bourgeoisie geradezu vorbildlich erfüllt.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.01.2013
Zum Tod des SPD-Politikers Peter Struck (1943-2012)
http://www.wsws.org/de/articles/2013/jan2013/stru-j05.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2013