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GLEICHHEIT/5245: Beweise für israelische Kriegsverbrechen im Gazastreifen häufen sich


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Beweise für israelische Kriegsverbrechen im Gazastreifen häufen sich während der fortgesetzten Feuerpause

Von Chris Marsden
19. August 2014



Freitag war der zweite Tag der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. Zugleich wurden die Gespräche zwischen Premierminister Benjamin Netanjahu und allen drei Hauptfraktionen der Palästinenser fortgesetzt, zu denen die Fatah und der Islamische Dschihad gehören,

In den Gesprächen, bei denen Ägypten vermittelte, gaben alle drei palästinensischen Gruppen Stellungnahmen ab, in denen sie behaupteten, dass ein Durchbruch möglich sei. Am Freitagmorgen sagte zudem Umweltminister Amir Peretz, dass sich das Land "im Endstadium von Verhandlungen befindet, mitten im wichtigsten Stadium."

Sowohl die Obama-Regierung in den Vereinigten Staaten als auch die europäischen Mächte üben Druck aus, damit eine Lösung im Gazakonflikt gefunden werde. Obwohl sie den Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung unterstützen, beunruhigt sie, dass ihr Verbündeter Israel den gesamten Nahen Osten destabilisiert und eine wachsende weltweite Protestbewegung gegen den Krieg befeuert.

Belege für Spannungen zwischen Tel Aviv und Washington lieferten Berichte des Wall Street Journals. Die Zeitung behauptete, die Höhe ziviler Opfer habe das Verhältnis verschlechtert. Sie erklärte, der israelische Verteidigungsminister ginge so weit, dass er über militärische Kanäle zusätzliche Waffen beschaffe ohne dass das Weiße Haus davon Kenntnis erhielte. Damit löste die Zeitung eine offizielle Untersuchung aus, in deren Folge das Pentagon angewiesen wurde, sich mit dem Weißen Haus und dem Außenministerium abzusprechen, bevor es auf neue israelische Anfragen eingehe.

Am Donnerstag sagte Marie Harf, die Sprecherin des US-Außenministeriums, der Presse: "Wir glaubten, Israel könnte mehr tun, um zivile Opfer zu vermeiden (...) Aufgrund der Krise im Gazastreifen haben wir zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, wie wir sie auch in jeder anderen Krise ergriffen haben würden."

"Die von uns aufgewandte zusätzliche Vorsicht ist nicht dauerhaft. (...) Das Bekenntnis der Vereinigten Staaten zu Israels Sicherheit ist unerschütterlich", fügte sie hinzu.

Die Palästinenser bemühen sich um den Wiederaufbau eines Flug- und wenn möglich auch eines Seehafens. Diplomaten aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben Berichten zufolge im Austausch für Garantien, dass die Hamas nicht wiederbewaffnet werde einen sicheren Seeweg vom Gazastreifen nach Zypern offeriert, welcher Zugang zum internationalen Handel bieten würde. Ebenso wurde für den 1. September eine Geberkonferenz in Aussicht gestellt.

Dessen ungeachtet wurden am Donnerstag die israelischen Luftschläge fortgesetzt, während Netanjahu gleichzeitig den Führern örtlicher Behörden versprach, dass selbst sporadische Raketenangriffe aus dem Gazastreifen aufs Massivste vergolten werden würden.

Etwa zehntausend Israelis demonstrierten am Donnerstag auf dem Rabin-Platz, um die Regierung und die israelische Armee zur Fortsetzung des Krieges zu drängen. Diese Position wird von vielen rechtsstehenden politischen Verbündeten und Rivalen Netanjahus eingenommen, darunter die Partei Jisra'el Beitenu (Unser Haus Israel), die von Avigdor Lieberman geführt wird.

Dank der Kampfpause erlangten Berichte über israelische Kriegsverbrechen Aufmerksamkeit. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen berief Professor William Schabas zum Leiter einer Kommission, die Israels Militäroperationen im Gazastreifen untersuchen soll.

Rund zweitausend Palästinenser wurden bei den jüngsten Kämpfen getötet und zehntausend verletzt, die meisten von ihnen Zivilisten. Dem stehen 64 israelische Soldaten und drei Zivilisten gegenüber. Unter den palästinensischen Toten befinden sich 459 Kinder - eine höhere Zahl, als in den beiden vorherigen Gazakonflikten zusammengerechnet.

Zu den Verbrechen, die untersucht werden, gehört auch die Vorgehensweise des israelischen Militärs, Wohnhäuser aufgrund des Verdachts zu bombardieren, sie seien von der Hamas und anderen als "Kommandozentralen oder als Waffenlager genutzt worden, sowie der israelische Angriff auf die im Süden des Gazastreifens gelegene Stadt Rafah vom 1. August.

Am Freitag stellte der britische Guardian die Ergebnisse einer Untersuchung vor, die gemeinsam vom Palästinensischen Zentrum für Menschenrechte (PCHR) und Al Mezan (beide aus Gaza), der Al-Haq (aus der Westbank), der israelischen Menschenrechtsgruppe B'Tselem sowie dem UNO-Amt für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) durchgeführt worden ist. Sie zeigt auf, dass mindestens 59 palästinensische Familien während des vierwöchigen Beschusses durch Israel mehrfache Opfer zu beklagen hatten. Der jüngste unter den Toten war zehn Tage alt (Hala Abu Madi), der älteste 97 Jahre (Abdel al-Masri).

Der Guardian bemerkt, dass "in Familien, in denen vier oder mehr Menschen starben, insgesamt 479 Menschen getötet wurden, darunter 212 Kinder unter achtzehn Jahren und fünfzehn Menschen im Alter von sechzig und darüber." Zu den angeführten Tötungen gehören:

• Ein Angriff vom 16. Juli, in welchem vier Jungen, Mitglieder der Al-Bakr-Familie, getötet wurden, als sie am Strand spielten.

• Ein Angriff vom 9. Juli, bei dem acht Mitglieder der Abu Dscharad-Familie während des Beschusses ihres Wohnhauses getötet wurden. Dabei wurden drei Erwachsene und drei Kinder, darunter ein fünf Monate alter Säugling und zwei junge Mädchen, "in Stücke gerissen."

• Ein Angriff vom 21. Juli, bei dem elf Mitglieder der Sijam-Familie getötet und neun verletzt wurden. Vier weitere Familienmitglieder wurden am folgenden Tag bei einem weiteren Angriff, getötet.

• Ein Angriff am selben Tag, bei dem neun Mitglieder der Al-Kassas-Familie tötete. Die Mutter, Schadia, erklärte: "Ich sah meine Töchter, als sie auf der Bahre hereingetragen wurden. Sie waren in Stücke gerissen. Wir konnten sie an ihren Gesichtern nicht erkennen, lediglich an ihren Kleidungsstücken. Wir begruben acht Leichen in einem Grab, weil wir die Leichenteile nicht zuordnen konnten."

• Ein Angriff vom 23. Juli, dem 26 Mitglieder der Abu Dschame-Familie zum Opfer fielen.

• Der Tod von 38 Mitgliedern der Al-Nadschar-Familie durch vier einzelne Angriffe.

Amod Harel berichtete in der Zeitung Ha'aretz, dass die israelische Armee während der "Operation Protective Edge" ("Operation Solider Fels") allein in den drei ersten Kampfwochen mindestens 32.000 Geschosse einsetzte, davon viele in dicht besiedelten Gebieten.

Am 20. Juli wurden beispielsweise in der Wohngegend von Schudschajeh, im Osten der Stadt Gaza gelegen, in weniger als einer Stunde 600 Artilleriegeschosse abgefeuert, um Truppen unter Feuer zu nehmen.

Während eines Vorfalls, der sich am 1. August in Rafah ereignete und der das größte Interesse der Untersuchungskommission für die Kriegsverbrechen auf sich zog, wurden über 1.000 Artilleriegeschosse abgefeuert und 40 Luftschläge ausgeführt. 130 bis 150 Menschen wurden getötet, vornehmlich Zivilisten. Dies erfolgte drei Stunden nach der Bekanntgabe einer angeblichen Gefangennahme von Leutnant Hadar Goldin durch die Hamas. Später wurde zugegeben, dass er tatsächlich schon tot war.

Harel berichtet, dass ein hochrangiger Offizier " den Journalisten gestern sagte, dass die Truppen in Gaza mit 43.000 Artilleriegeschossen ausgestattet wurden (...) Bei der Operation Cast Lead im Jahr 2009 setzte die israelische Armee etwa 8.000 Artilleriegeschosse ein."

Am 12. August zitierte Rasha Abou Jalal in Al Monitor Ärzte und Menschenrechtsaktivisten, die aussagten, "sie hätten schlüssige Beweise, dass Israel ähnlich wie bei den beiden vorhergehenden Kriegen gegen Gaza 2008/09 und 2012, während seiner militärischen Aggression im Gazastreifen international verbotene Waffen gegen Zivilisten einsetzte,."

Während einer Pressekonferenz am 13. Juli im Al-Shifa-Krankenhaus sagte der norwegische Arzt Erik Fosse: "Viele der Opfer, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, bestätigen, dass Israel international verbotenen Waffen der DIME-Spezifikation eingesetzt hat. [DIME = Dense Inert Metal Explosive; Sprengstoff mit dichtem, inerten Metall]

DIME-Geschosse verursachen den Verlust von Gliedmaßen und erzeugen Wunden, die nicht mehr behandelbar sind. Sie töten ihre Opfer durch die Amputation von Gliedmaßen und beinhalten das krebserregende Schwermetall Wolfram.

"Während des zweistündigen Aufenthaltes von Al-Monitor im Krankenhaus beobachteten wir die Ankunft von elf Zivilisten, die alle amputierte Glieder hatten, acht von ihnen starben kurz nach ihrem Eintreffen. Die Amputationsstellen wiesen ähnliche spezifische Muster auf. Die Haut war verkohlt und das Gewebe extrem beschädigt, wobei die Knochen aussahen, als ob sie abgesägt worden wären", schreibt Jalal.

Dr. Ayman al-Sahbani sagte: "Die israelische Armee setzte tatsächlich DIME-Waffen ein, wie der spezifische Geruch einiger ins Krankenhaus eingelieferter Leichen mit amputierten Gliedmaßen aufweist. Wir sahen Wunden, die nicht mehr behandelbar sind." Er ergänzte: "Einige Leichen trafen kopflos im Krankenhaus ein, andere waren dermaßen zerquetscht, als ob ein großer Felsbrocken auf sie gefallen wäre."

Imad al-Gharbawi, ein freiwilliger medizinischer Helfer, sagte Al-Monitor, dass beim Heraustragen der Toten und Verwundeten aus ihren Häusern "die Körper in unsern Händen auseinanderfielen, als wir sie aus dem Schutt herauszogen, und ihre Verbrennungen und Wunden sonderten einen befremdlichen und ungewohnten Gestank ab."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 19.08.2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2014