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GLEICHHEIT/5477: Departementswahlen in Frankreich


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Departementswahlen in Frankreich:
Neue Niederlage für Sozialistische Partei, Neofaschisten gewinnen Stimmen

Von Antoine Lerougetel
25. März 2015


Die amtierende Sozialistische Partei (PS) erhielt im ersten Wahlgang der französischen Departementswahlen am Sonntag nur 21,85 Prozent der Stimmen. Auf diese Weise wurde die Regierung von Präsident Francois Hollande für ihre Austeritäts- und Kriegspolitik abgestraft. Dass Marine Le Pens neofaschistischer Front National (FN) 25,19 Prozent der Stimmen erhielt und sich 50,17 Prozent der Wahlberechtigten enthielten, zeigt den Bankrott des politischen Establishments Frankreichs und dessen Entfremdung von der breiten Masse der arbeitenden Bevölkerung.

Die Union für eine Volksbewegung (UMP) des ehemaligen konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy, die mit der Mitte-Rechts-Partei Union der Demokraten und Unabhängigen (UDI) verbündet ist, wurde mit 29,4 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Der FN hatte eigentlich gehofft, im ersten Wahlgang stärkste Partei zu werden, wie er es letztes Jahr in der Kommunal- und der Europawahl geworden war. Die UMP und mit ihr verbündete konservative Parteien erhielten insgesamt 36 Prozent.

Allerdings konnte der FN durch die Teilnahme an den Kommunalwahlen sein Ziel erreichen, sich in ganz Frankreich zu etablieren, auch in vielen Gebieten, in denen er zuvor nicht vertreten war. Der FN liegt in 43 der 98 Departements, in denen er zur Wahl antritt, in Führung und wird im zweiten Wahlgang in 1.100 der 2.054 französischen Kantone antreten - der nächst niedrigeren Verwaltungsebene nach den Departements. Er kann in den Departements Vaucluse, Gard und Aisne und sogar in der ehemaligen Hochburg der Sozialistischen Partei Pas-de-Calais mit einer Mehrheit der Sitze rechnen.

Die PS kam zusammen mit ihren langjährigen politischen Anhängseln wie der stalinistischen Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF), den Grünen und Jean-Luc Melenchons Linkspartei ebenfalls auf 36 Prozent. Dass diese langjährigen Verteidiger der Ordnung sich gezwungen sahen, in einigen Regionen unabhängig von der PS anzutreten, zeigt, wie unpopulär sie und Hollande persönlich mittlerweile sind.

In anderen Regionen traten sie jedoch zusammen mit der PS an. Diese Tatsache widerlegt die Behauptung, sie seien eine Alternative zur PS-Regierung - eine Behauptung, der die arbeitende Bevölkerung immer weniger Glauben schenkt, da sie nicht nur gegenüber der PS, sondern auch gegenüber ihren Verbündeten zutiefst desillusioniert ist.

Der zweite Wahlgang in den Kantonen, in dem die Zusammensetzung der Departementsräte festgelegt wird, findet am Sonntag statt. Der Vorsitzende der PS, Jean-Christophe Cambadélis, rief zur Zusammenarbeit mit der UMP auf, um "sich dem FN überall in den Weg zu stellen". Der nationale Sekretär der KPF, Pierre Laurent, schloss sich dieser Forderung an.

Jeder Kanton innerhalb der Departements wählt einen Mann und eine Frau, die zwei verschiedenen, miteinander verbündeten Parteien angehören können, in den Departementsrat. Ein Paar wird direkt im ersten Wahlgang gewählt, wenn es mindestens 50 Prozent der Stimmen erhält. Andernfalls treten die beiden Paare mit dem höchsten Stimmanteil in der Stichwahl an, zusammen mit allen anderen Paaren, die von mehr als 12,5 Prozent der Wahlberechtigten gewählt wurden. Wenn nur die Hälfte der Wähler tatsächlich ihre Stimmen abgeben, bedeutet das, dass sie nur fünfundzwanzig Prozent der Stimmen brauchen.

Auf dieser Grundlage verlor die PS 524 Kantone, mehr als ein Viertel der Gesamtmenge. Sie wird voraussichtlich nur noch in zwanzig der 61 Departements, die sie momentan verwaltet, stärkste Kraft werden und ungefähr fünfzehn ihrer historischen Hochburgen verlieren - darunter die Departements Nord, Pas-de-Calais und Seine-et-Marne.

Die Departementsräte, die momentan gewählt werden, sollen in der kommenden Periode massive Kürzungen durchsetzen, ganz gleich, wie sie politisch zusammengesetzt sein werden. Aufgrund von Haushaltskürzungen, die die PS auf nationaler Ebene durchgesetzt hat, werden staatliche Subventionen in Höhe von elf Milliarden Euro an Kommunalregierungen gestrichen. Diese Kürzungen werden verheerende Folgen für Infrastruktur und das Gesundheitswesen haben, u. a. die Entlassung von Tausenden von Beschäftigten im Bereich der Infrastruktur und medizinischen Einrichtungen.

Das Ergebnis der Wahl zeigt, wie tief die Kluft zwischen der Arbeiterklasse und der PS und ihren politischen und gewerkschaftlichen Anhängseln ist. Diese Kräfte haben ständig daran gearbeitet, den massiven Widerstand der Arbeiterklasse gegen den Sparkurs der PS und der Europäischen Union zu unterdrücken, der unter anderem zu Massenentlassungen und Kürzungen der Sozialausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe geführt hat. Die politische Unterdrückung der Arbeiterklasse ermöglicht es dem FN, sich als die einzige oppositionelle Kraft darzustellen und mit demagogischer Kritik an der PS und Appellen an ausländerfeindlichen Chauvinismus Stimmen zu gewinnen und stärker zu werden.

Vertreter der PS versuchten, die Niederlage möglichst positiv darzustellen. Sie erklärten, sie seien erleichtert, dass der FN nicht stärkste Kraft geworden sei, sondern hinter der konservativen UMP nur zweitstärkste.

Valls erklärte: "Die Rechtsextremen sind nicht die führende politische Organisation in Frankreich... Darauf bin ich stolz, weil ich persönlich hart dafür gekämpft habe." Sein Büro teilte den Medien mit, dass er sich nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse zur Feier eine Zigarre angezündet habe.

Valls Triumphgeschrei ist angesichts der Katastrophe für seine eigene Partei absurd, und die Behauptung, er habe einen politischen Kampf gegen den FN geführt, ist ein Betrug. Das ganze politische Establishment in Frankreich - die UMP, die Valls als Bollwerk gegen den FN ansieht, aber auch die PS und die pseudolinken Parteien - propagieren immer rechtere, undemokratischere und autoritäre Law-and-Order-Ansichten.

Sarkozy rückte in den letzten Tagen des Wahlkampfs scharf nach rechts und übernahm rassistische Themen, die ansonsten der FN bevorzugt. Er forderte ein härteres Vorgehen gegen Immigranten und ein Verbot von Ersatzmahlzeiten in Schulen, die die religiösen Vorstellungen von Kindern berücksichtigen, wie koschere oder halal zubereitete Speisen. Mit der letzten Forderung stieß er in die gleiche Kerbe wie der FN mit seiner Forderung nach "Bevorzugung der eigenen Nation."

Sarkozy, der als Präsident so unpopulär war, dass er 2012 nach einer Amtszeit abgewählt wurde, gibt sich große Mühe, die zerstrittenen Fraktionen innerhalb der UMP zusammenzuhalten, von denen viele ein Bündnis mit dem FN befürworten.

Die PS selbst hat, mit Unterstützung der KPF und der pseudolinken Parteien, das Burkaverbot und das Verbot von Kopftüchern in öffentlichen Schulen für Muslime unterstützt und Massenabschiebungen von Roma durchgeführt und so zur Legitimierung des FN beigetragen. Dabei wurde sie von der KPF und den pseudolinken Parteien unterstützt. Jetzt versuchen diese Kräfte, die drohende Wahlniederlage der PS zu minimieren, indem sie sich um sie scharen.

Benoit Hamon, ein Führer der "Rebellen"-Fraktion der PS (Frondeur), die sich gelegentlich gegen die Kürzungspolitik ausspricht, riet der Regierung, "die Linke zu vereinen."

Patrick Apel-Muller schrieb in der stalinistischen Tageszeitung L'Humanité, die PS habe "attraktive Versprechen gemacht, die sie leider nicht eingehalten hat" und rief seine Leser auf, auf einen politischen Kurswechsel der PS zu warten, da "das amtierende Duo [Hollande und Valls] die Botschaft nicht einfach überhören kann."

In Wirklichkeit erklärte Valls jedoch arrogant, die PS werde ihre unpopuläre Politik weiterführen, "wie auch immer der zweite Wahlgang am nächsten Sonntag ausgeht."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 25.03.2015
Departementswahlen in Frankreich:
Neue Niederlage für Sozialistische Partei, Neofaschisten gewinnen Stimmen
http://www.wsws.org/de/articles/2015/03/25/depa-m25.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2015

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