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GLEICHHEIT/5521: Polnische Präsidentenwahl im Zeichen der Konfrontation mit Russland


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Polnische Präsidentenwahl im Zeichen der Konfrontation mit Russland

Von Markus Salzmann
9. Mai 2015


Am 10. Mai findet in Polen die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Als Favorit gilt Amtsinhaber Bronislaw Komorowski von der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO), die mit Ewa Kopacz auch die Ministerpräsidentin stellt. Sein wichtigster Herausforderer ist Andrzej Duda von der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Im Februar galt Komorowski noch als uneinholbar. Doch inzwischen sind seine Umfragewerte stark gesunken. Es wird damit gerechnet, dass es am 24. Mai zu einer Stichwahl kommt. Die letzten Umfragen sagen Komorowski rund 40 und Duda rund 30 Prozent der Stimmen voraus. Polnische Präsidentenwahlen sind allerdings schon öfter überraschend ausgegangen.

Die Macht liegt in Polen zwar bei der vom Parlament gewählten Regierung, der Präsident hat aber wichtige Befugnisse. So ist er Oberbefehlshaber der Armee und legt gemeinsam mit dem Außenministerium die Außen- und Verteidigungspolitik fest. Darüber hinaus ernennt er den Chef der Zentralbank und hat die Möglichkeit, Gesetzentwürfe der Regierung abzulehnen. Präsident Lech Kaczyński (PiS) hatte zwischen 2007 und 2010 mehrmals wichtige Gesetze der Regierung von Donald Tusk (PO) gestoppt.

Die Präsidentenwahl gilt außerdem als Test für die Parlamentswahl, die im Oktober stattfindet.

Der Wahlkampf war von Stimmungsmache gegen Russland und militärischer Aufrüstung geprägt. Er drehte sich fast ausschließlich um die Frage, "wer Polen besser vor Putin schützt". Darin unterschieden sich die beiden führenden Kandidaten kaum.

Komorowski, Sprössling eines alten polnischen Adelsgeschlechts und praktizierender Katholik, unterhält beste Kontakte zur Armee. Gemeinsam mit der Regierung hat er vor drei Wochen ein milliardenschweres Rüstungsprogramm auf den Weg gebracht.

Bis 2022 sollen Milliarden für amerikanische Patriot-Raketen und 70 französische Kampfhubschrauber vom Typ Caracal ausgegeben werden. Die Kosten der Hubschrauber werden auf 4 Milliarden Euro geschätzt, die der Flugabwehrraketen auf 6,5 Milliarden Euro. Komorowski hatte bereits 2011 vorgeschlagen, einen polnischen Raketenschild zu errichten. Er soll Teil des Verteidigungssystems der Nato sein und im Ernstfall durch Patriot-Raketen aus anderen europäischen Ländern ergänzt werden, die innerhalb von 48 Stunden in Polen sind.

Neben den baltischen Staaten zählt Polen innerhalb der EU zu den übelsten Scharfmachern gegen Moskau. Es bemüht sich, in dieser Hinsicht nicht nur Berlin, sondern auch Washington zu überholen. So erklärte der inzwischen nach Brüssel gewechselte Ministerpräsident Donald Tusk im vergangenen Jahr, Polen stehe in der Auseinandersetzung mit Moskau "immer einen Schritt vor der EU und einen halben vor den USA".

Vor kurzem gab Komorowski seine Zustimmung zur Bildung einer gemeinsamen polnisch-litauisch-ukrainischen Militäreinheit, deren Kommando im polnischen Lublin stationiert ist. Sie soll 4500 Mann umfassen und 2017 voll einsatzfähig sein. Die Brigade soll an internationalen Einsätzen teilnehmen und, wie Komorowski ausdrücklich erklärte, die Ukraine im Kampf gegen Russland unterstützen.

Die Kosten für die massive Aufrüstung werden der polnischen Bevölkerung aufgebürdet. Komorowski und die PO-Regierung wollen nach den Wahlen die Reform der polnischen Kohleindustrie in Angriff nehmen. Der Kohlekonzern Weglowa hatte bereits im Januar angekündigt, vier von 15 Bergwerken zu schließen und 5000 Arbeitsplätze abzubauen. Nach zweiwöchigen Protesten der Bergleute [1] hatte Regierungschefin Kopacz die Kohlereform aber vorläufig auf Eis gelegt.

Auch umfangreiche Angriffe auf die Renten und das Gesundheitssystem sind nach den Wahlen geplant. Auch in dieser Frage sind sich PO und PiS weitgehend einig.

Der 42-jährige PiS-Kandidat Duda war in der Regierung von Jaroslaw Kaczynski Vize-Justizminister. Außerdem war er Unterstaatssekretär in der Kanzlei von Präsident Lech Kaczyński, des Zwillingsbruders von Jaroslaw. Die PiS, die ihre Basis vor allem in ärmeren, tief katholischen Schichten auf dem Land und in Kleinstädten hat, gibt sich zwar sozialer als die PO, die die großstädtischen und wirtschaftlichen Eliten vertritt. Aber auch Duda tritt für soziale Angriffe ein und hat eine Rentenreform angekündigt.

In der Feindschaft gegen Russland versucht die PiS Komorowski zu übertreffen. Der ehemalige Innenminister Ludwik Dorn, ein Gründungsmitglied der PiS, erklärte in der Gazeta Wyborcza, ein strategisches Ziel seines Landes sei die offizielle Aufkündigung der Nato-Russland-Akte von 1997. Die Nato hatte darin zugesagt, keine größeren Kampfverbände östlich von Deutschland zu stationieren

Von den zehn weiteren Kandidaten, die zur Präsidentenwahl antreten, wird nur dem Rockmusiker Pawel Kukiz ein zweistelliges Ergebnis zugetraut. Er hat vor allem unter jüngeren Wählern mit scharfen Angriffen auf "die da oben" Unterstützung gewonnen. Alle anderen Kandidaten zeigen, wie weit nach rechts das gesamte politische Spektrum in Polen gerückt ist.

Für den Bund der Demokratischen Linken (SLD), der aus der ehemaligen stalinistischen Staatspartei hervorgegangen ist und von 1995 bis 2005 mit Aleksander Kwaşniewski den Präsidenten stellte, tritt Magdalena Ogórek an. Die parteilose Kirchenhistorikerin vertritt ein neoliberales Programm und fordert niedrigere Steuern für Unternehmen. An der Militarisierung setzt sie aus, dass zu viele Rüstungsgüter im Ausland gekauft würden und nicht bei der "heimischen" Rüstungsindustrie. Sie liegt in den Umfragen bei drei bis vier Prozent.


Anmerkung:
[1] https://www.wsws.org/de/articles/2015/02/18/pole-f18.html

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Quelle:
World Socialist Web Site, 09.05.2015
Polnische Präsidentenwahl im Zeichen der Konfrontation mit Russland
http://www.wsws.org/de/articles/2015/05/09/pole-m09.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2015

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