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GRASWURZELREVOLUTION/1710: Das A-Z des Café Klatsch


graswurzelrevolution 424, Dezember 2017
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Das A-Z des Café Klatsch

von Nika Müller


Im September 2017 hat das Wiesbadener Café Klatsch, eine selbstverwaltete Kneipe, ihren 33en Geburtstag gefeiert. Zur Schnapszahl hat das Kollektiv ein Büchlein geschrieben, das wie ein Stichwörterbuch aufgebaut ist und aus dem selbstverwalteten Alltag plaudert.(1) Nika Müller, eine der sechszehn Kollektivist*innen und Mitglied der Redaktionsgruppe erzählt, wie der Text zustande kam.


"Wie, du arbeitest immer noch als Kellnerin im Cafe Klatsch?" Diese Frage habe ich in den letzten zwei Jahren oft zu hören, bekommen. Sie trägt sowas wie Empörung in sich, die Frage könnte wohl auch so gemeint sein: "Wie, du machst immer noch nichts Richtiges, studierst nicht, passt dich nicht an?!".

Am Anfang habe ich noch enthusiastisch auf diese Frage reagiert, voller sprudelnder Energie von meiner Begeisterung für Selbstverwaltung geredet. Irgendwann war ich es leid, mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich keinen geraden Weg hinlege, dass ich wie so oft ein bisschen aus dem Schema raus falle.

JA, ich bin noch in der Stadt, in der ich groß geworden bin, ich habe die Schule abgebrochen, weil ich es für richtig gehalten habe, ich arbeite seitdem in einem Kollektivbetrieb, der mir einen Raum schenkt mich zu entfalten, der mir eine Gemeinschaft gibt, in der ich mich bewegen möchte. Eine Arbeit, in der ich emotional oft an meine Grenzen stoße, in der ich die Möglichkeit habe mich zwischenmenschlich, politisch, kulturell und eben auch gastronomisch auszuleben.

Die Frage, ob ich noch immer im Klatsch arbeite, hat mir aber auch gezeigt, dass viele gar nicht wissen, dass der Job im Klatsch nicht einfach "nur" ein Kellnerjob ist. Sondern so viel mehr bedeutet. Deshalb ist es mir wichtig geworden, dass wir als Kollektiv unsere Arbeit mehr nach Außen tragen. Ein großes Wirrwarr an Gedanken, wie wir das anstellen können, war die Folge.

Dann kam die Idee auf, ein kleines Büchlein zu schreiben, ein A-Z - im Urlaub unter einer Kokosnusspalme in Mexiko. Sofort ging es los, für jeden Buchstaben einen passenden Begriff zu finden: A wie Arbeit, S wie Selbstverwaltung, P wie Plenum.

Als der Vorschlag nach mehreren Gesprächen zwischen Tür und Angel zum ersten Mal aufs Plenum gebracht wurde, fielen die Reaktionen wie erwartet unterschiedlich aus, die einen voller Freude und Lust mitzuschreiben, einige waren eher abwesend, so nach dem Motto "ja, macht ihr mal, schreiben ist eh nicht so mein Ding". Andere wiederum waren mit den Gedanken bei anderen Projekten, bei ihrem Studium oder in Persönliches verstrickt.

Daraufhin entstand eine kleine A-Z Redaktionsgruppe, die voller Lust bei der Sache war und das kleine Büchlein unbedingt bis zum großen 33 Jahre Café Klatsch Straßenfest fertig stellen wollte. Es war schön immer wieder Kollektivist*innen bis spät in der Nacht an der Theke sitzen zu sehen, wie sie konzentriert und voller Leidenschaft an ihren Texten rumbastelten.

Der Moment, als wir die 500 A-Z Exemplare in der Hand hielten war überwältigend, wir hatten ein kleines Büchlein über unseren Laden, über unsere Arbeit, über unser Miteinander und über unsere Überzeugungen raus gebracht.

Nun können es alle lesen. Alle die Interesse haben, sich über Selbstverwaltung im Rahmen Café Klatsch zu informieren und zu verstehen, was es für jeden einzelnen bedeuten kann. Obwohl das Büchlein auch Konfliktpunkte anreißt, steckt es voller Hoffnung, voller Hoffnung sich einen Raum in der Gesellschaft zu schaffen, in dem man sich bewegen möchte.


Anmerkung:

(1) GWR-Leser*innen können es per Mail an
info@cafeklalsch-wiesbaden.de für 2,50 Euro zuzüglich Porto bestellen.

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Quelle:
graswurzelrevolution, 46. Jahrgang, Nr. 424, Dezember 2017, S. 17
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
Breul 43, D-48143 Münster
Telefon: 0251/482 90-57, Fax: 0251/482 90-32
E-Mail: redaktion@graswurzel.net
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2017

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