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IZ3W/348: Rezension - "Eine Hand allein kann nicht klatschen. Westsahara - mit Frauen im Gespräch"


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 345 - November/Dezember 2014

REZENSION
Weiblicher Widerstand in der Westsahara

von Katharina Forster



Die UN misst Frauen bei der Konfliktlösung und Friedenssicherung eine wichtige Rolle bei. Auch die Frauen in der Westsahara erweisen sich als wichtige Akteurinnen, die sich für die Unabhängigkeit ihres Landes einsetzen. Gundi Dick geht in ihrer Studie Eine Hand allein kann nicht klatschen auf ihre Situation ein. Dabei fragt sie nach der politischen und gesellschaftlichen Handlungsmacht der Frauen innerhalb der Gesellschaft. Ihnen wird ein »guter Status« zuerkannt, aber ihr politisches Engagement beschränkt sich vor allem auf die Basis; in höheren Ämtern sind sie unterrepräsentiert. Können sie sich also für eigene Belange einsetzen oder werden sie nur im Hinblick auf den Widerstand gefördert?

Bevor Dick auf diese Fragen eingeht, gibt sie einen historischen Überblick über den Konflikt in der Westsahara, der seit Anfang der 1970er Jahre andauert. In einem Geheimabkommen vergab Spanien zwei Drittel seines ehemaligen Kolonialgebiets an Marokko und ein Drittel an Mauretanien, statt ein Referendum über die Unabhängigkeit durchzuführen. Der Widerstand der sahrauischen Bevölkerung mündete in der Gründung der Polisario (Frente Popular para la Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro), die Krieg gegen die Besatzer führte. Seit einem Friedensabkommen mit Mauretanien 1979 steht das östliche Drittel unter Verwaltung der Polisario. In der Westsahara, in algerischen Flüchtlingslagern sowie im Exil versuchen sahrauische AktivistInnen, auf eine endgültige Lösung und die Unabhängigkeit der Westsahara hinzuwirken.

Frauen nehmen dabei eine wichtige Rolle ein: In den Flüchtlingslagern bauen sie Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen auf. Im besetzten Gebiet organisieren sie den Widerstand und leisten wichtige Aufklärungsarbeit, wobei sie immer riskieren, festgenommen zu werden. Wie beeinflusst das ihren Status? Dick plädiert dafür, bei einer wissenschaftlichen Betrachtung westliche Feminismuskonzepte und politisches Handeln zu entkoppeln. Denn die Aktivistinnen führen keinen Diskurs über Herrschaft, bei dem es um eine Veränderung der Geschlechterverhältnisse und die Emanzipation der Frauen innerhalb der Gesellschaft geht. Ihr politisches Handeln richtet sich gegen die marokkanische Besatzung. Widerstand wird durch die Loyalität mit der eigenen politischen, hauptsächlich männlichen Repräsentanz ausgedrückt. Und obwohl die Meinungen der Informantinnen über das Ausmaß ihrer Emanzipation differieren, blicken sie alle zuversichtlich in die Zukunft: Sahrauische Frauen seien wichtige Partnerinnen der Männer und würden dies durch ihr Engagement und ihre Stärke auch bleiben.

Dicks Studie gibt einen guten Einblick in sahrauische Gesellschaftsstrukturen und den Widerstand in einem Konflikt, der auf internationaler Ebene eine marginale Rolle spielt. Sehr eindrücklich sind dabei die Berichte einiger Frauen, die seit Mitte der 1970er Jahre in Flüchtlingslagern leben oder jahrelang inhaftiert und gefoltert wurden. Im Gespräch mit den Frauen wird deutlich, dass sie sich ihres guten Status bewusst sind, die individuelle Selbstbestimmung aber der kollektiven Unabhängigkeit unterordnen - bis diese erreicht ist.


Gundi Dick:
Eine Hand allein kann nicht klatschen.
Westsahara - mit Frauen im Gespräch.
Löcker, Wien 2014. 173 Seiten, 19,80 Euro.

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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 345 - November/Dezember 2014

von Barrieren und Behinderungen
Diskriminierung inklusive

Die Zahl der Menschen mit Behinderung liegt weltweit bei über einer Milliarde und ist damit deutlich höher als bisher angenommen. Rund 80 Prozent von ihnen leben im Globalen Süden. Hier sind Betroffene besonders benachteiligt, da Behinderung Armut schafft oder verfestigt. Umgekehrt sind schlechte Lebensbedingungen wie mangelhafte Ernährung und Gesundheitsfürsorge ebenso wie Kriege häufig die Ursache von Behinderungen.

Hinzu kommt überall Diskriminierung - im Süden wie im Norden. Deshalb beschäftigen wir uns in der aktuellen Ausgabe der iz3w auch mit grundlegenden Fragen: Ist oder wird ein Mensch behindert? Was ist mit "Inklusion" und "Disability Studies" gemeint? Mit welchen Diskriminierungen sehen sich Betroffene konfrontiert? Und welche Gegenstrategien und Selbstorganisationen gibt es, um Barrieren entgegen zu treten?

Der südnordfunk - die monatliche Radio-Magazinsendung des iz3w - ergänzt das Dossier mit Podcasts rund um das Thema Behinderung. Nachzuhören auf iz3w.org.


Inhaltsübersicht aus dem Themenschwerpunkt:

Dossier: von Barrieren und Behinderungen

Editorial

Kein Defekt, sondern Benachteiligung
Von einer inklusiven Gesellschaft sind Nord und Süd weit entfernt
von Jana Offergeld

Zurück zur sozialen Wirklichkeit
Was ist Behinderung? Kontroversen und ihr Hintergrund
von Michael Zander

Weder gottgefällig noch leistungskonform
Behindertenfeindlichkeit hat verschiedene Hintergründe
von Volker van der Locht

Unantastbar und unerreicht
Würde und Behinderung sind k/ein Gegensatz
von Nati Radtke und Udo Sierck

Konstruiert
Disability Studies: Wie wird Behinderung hergestellt?
von Swantje Köbsell

Mehr Ausgaben, weniger Einnahmen
Die ökonomische Situation von Menschen mit Behinderung ist schwierig
von Gabriele Weigt

Asexuelle Neutren
Wie Geschlecht und Behinderung zusammenhängen
von Nina Ewers zum Rode

Inklusion durch Radio
Ein mexikanisches Programm von und für Menschen mit Behinderung
von Mareike Lohr

Doppelt diskriminiert?
Bei Migration und Behinderung überschneiden sich Benachteiligungen
von Nausikaa Schirilla

»Ich will einfach nur Mensch sein!«
Interview mit dem pakistanischen Aktivisten Shafiq ur Rehman

»Man darf nicht romantisieren«
Interview mit Francis Müller über das Fotoprojekt »Minenopfer in Angola«


POLITIK UND ÖKONOMIE

Hefteditorial

Dschihadismus I: Ein Kalifat in Borno
Die Dschihadisten von Boko Haram erobern Teile Nigerias
von Norbert Rusch

Dschihadismus II: Erfolg macht erfolgreich
Der Islamische Staat errichtet in Irak und Syrien ein Terrorregime
von Thomas Schmidinger

Tschad I: »Die Prioritäten haben sich verschoben«
Interview mit dem tschadischen Abgeordneten Béral Mkaikoubou über die Rolle des Tschad in der Sahel-Region

Tschad II: Vom Outlaw zum Verbündeten
von Helga Dickow

Fidschi: Das Ende der CoupCulture?
Fidschis ethnischer Konflikt und die Demokratie
von Eberhard Weber

Australien: »An einem absoluten Tiefpunkt angelangt«
Interview über die australische Politik der Flüchtlingsabwehr

Senegal: Zwischen den Fronten
Frauen setzen sich für Frieden in der Casamance ein
von Martina Backes


KULTUR UND DEBATTE

Vietnam »Noch ein langer Weg«
Geschlechterdiskriminierung im sozialistischen Vietnam
von Christopher Wimmer

Literatur: Afrika verkomplizieren
Mit »Afropolitan« ist eine neue Literaturgattung entstanden
von Rosaly Magg

Film: Postkoloniale Ikone
»Concerning Violence« trivialisiert das Werk von Frantz Fanon
von Udo Wolter

Rezensionen

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Quelle:
iz3w Nr. 345 - November/Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2014