iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 364 - Januar/Februar 2018
1968 international
Editorial zum Themenschwerpunkt
»Für mich wichtig an der Bewegung von 1968 war die Ermutigung der iranischen Studentenbewegung durch im Ausland studierende Iranerinnen und Iraner, die mit dieser Bewegung in Kontakt gekommen waren. Dies war eine wichtige Inspirationsquelle für den Wunsch, das Regime des Schahs zu stürzen. Der Kontakt mit der 68er-Bewegung gab auch wichtige Anstöße, das Ausbildungssystem im Iran zu modernisieren. Auf den Sturz des Schahs folgte die Errichtung der Diktatur der Ajatollahs. Ich konnte 1987 dank glücklicher Umstände aus dem Gefängnis im Iran nach Deutschland fliehen. Hier traf ich auf viele dieser ehemaligen 68er, die mir nun halfen, in Deutschland eine sichere Bleibe zu finden. Auch der Arzt, der meine durch die Folter verursachten Leiden behandelte und dabei viel Zeit und Mühe investierte, gehörte der 68er-Generation an.«
Mit diesen Worten beschreibt der heute in Konstanz lebende ehemalige Studentenaktivist Ali Schirasi einen oft in Vergessenheit geratenen, aber enorm wichtigen Aspekt von 1968: die internationale Solidarität. Heute gilt Solidarität als ein aus der Zeit gefallener Old-School-Begriff. Die damit verbundenen Demoparolen werden allenfalls noch ironisch zitiert - gerade von jenen, die sie früher voller Inbrunst skandierten. Doch im Jahr 1968, nach zwei Weltkriegen, war es revolutionär, eine über alle nationalen Grenzen hinausreichende Solidarität konkret zu gestalten. Es blieb nicht beim bloßen Theoretisieren, sondern es ging um ganz praktische Unterstützung, etwa wenn westdeutsche Wohngemeinschaften Vietnamkriegs-Deserteuren aus den USA Unterschlupf boten. Die Entstehung eines solchen Grenzen sprengenden solidarischen Geistes ist eine Zäsur gewesen, die bis heute zumindest einen Teil der Gesellschaft prägt - zum Beispiel uns im iz3w.
*
Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 364 - Januar/Februar 2018
1968 international
- ein grenzenloser Aufbruch
2018 jähren sich die Proteste der Studentenbewegungen von 1968 zum fünfzigsten Mal. Die hiesigen Rückblicke werden vor allem die Ereignisse in Westeuropa und Nordamerika thematisieren. Doch dabei wird übersehen, dass die Protestbewegungen und die davon ausgehenden gesellschaftlichen Entwicklungen weltweit viele Länder prägten, und zwar auf allen Kontinenten.
In unserem umfangreichen Themenschwerpunkt blicken wir auf fünfzig Jahre internationale Solidarität zurück und fragen: Warum waren gerade die antikolonialen Bewegungen und DenkerInnen der "Dritten Welt" so bedeutend für die Aufbrüche von 1968? Was bleibt von ihnen bis heute, in politischer, kultureller und lebensweltlicher Hinsicht?
1968 war auch für das iz3w ein ganz besonderes Jahr: Im Frühjahr versammelten sich in Freiburg erstmals junge Studierende, um eine "Lobby für die Dritte Welt" zu bilden. Seither hat sich vieles geändert, doch der Wille zur radikalen Umgestaltung der globalen Verhältnisse ist bis heute im iz3w höchst lebendig.
*
INHALTSÜBERSICHT
50 Jahre, 500 Aktive, 5.000 AutorInnen
Hefteditorial
Themenschwerpunkt: 1968 international
Editorial zum Themenschwerpunkt
»1968 war ein beschissenes Jahr«
Ein Gespräch über die Bedeutung und die Folgen einer Revolte
Eine Metapher, keine Wendemarke
Die Rolle der Dritten Welt für und während »1968«
von Arif Dirlik
»Kommt herunter vom Balkon«
Beobachtungen aus der 68er-Bewegung in der BRD und in Südostasien
von Rainer Werning
Das einflussreiche Jahr
Jugend, Linke und Gegenkultur im uruguayischen 1968
von Vania Markarian
»Das Blut der Löwen«
Kongolesische Studierende und das globale '68
von Pedro Monaville
»Im Feuer des Kampfes«
Die französische 68er-Bewegung und ihre antikolonialen Bezüge
von Eva Beckershoff
Der verspätete Aufstand
Warum es 1968 in Südafrika relativ ruhig blieb
von Hanno Plass
Kein Nebenwiderspruch
Warum 1968 der Chicana-Feminismus notwendig wurde
von Anna Sophia Clemens
Gefahr für die Nation
1968 endete für die Frauenbewegungen Japans und Indonesiens nicht gut
von Claudia Derichs
Kommunen, Kunst und Kinderläden
Der Bewegungszyklus der 1968er Jahre als globale Kulturrevolution
von Jens Kastner
Alles ändert sich die ganze Zeit
Ein Blick auf 50 Jahre iz3w aus Sicht einer jungen Generation
von Larissa Schober und Theresa Weck
POLITIK UND ÖKONOMIE
Klimapolitik: AktivistInnen auf der Klimakonferenz in Bonn»
»RWE soll Schutzmaßnahmen bezahlen«
Interview mit Saul Luciano Lliuya aus Peru
»Es ist alles durcheinander«
Interview mit Makereta Waqavonovono aus Fidschi
Lateinamerika: Gefahrengebiet Umweltschutz
Nirgendwo werden mehr UmweltaktivistInnen ermordet als in Lateinamerika
von Kristina Dietz
Marokko: Casablanca, Rabat und Marrakesch
Ein Streifzug durch marokkanische Metropolen
von Sebastian Prothmann
Indien: Panzer gegen kritisches Denken
Der Kampf um die Universitäten in Indien
von Christa Wichterich
KULTUR UND DEBATTE
Musik: »Do You Know Who I Am?
«Rom*nja-Musiker*innen wenden sich gegen Exotisierung
von Antje Meichsner
Rezensionen
Jeffrey Herf:
Undeclared Wars with Israel
Lutz Taufer:
Über Grenzen
Movements:
Journal für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung
Thomas Wagner:
Die Angstmacher
*
Quelle:
iz3w Nr. 364 - Januar/Februar 2018
Herausgeberin: Aktion Dritte Welt e.V. - informationszentrum 3. welt
Postfach 5328, Kronenstr. 16a (Hinterhaus)
79020 Freiburg i. Br.
Telefon: 0761/740 03, Fax: 0761/70 98 66
E-Mail: info@iz3w.org
Internet: www.iz3w.org
iz3w erscheint sechs Mal im Jahr.
Das Einzelheft kostet 5,30 Euro plus Porto.
Das Jahresabonnement kostet im Inland 31,80 Euro,
für SchülerInnen, StudentInnen, Wehr- und Zivildienstleistende 25,80 Euro
Förderabonnement ab 52,00 Euro
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2018
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang