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LICHTBLICK/236: Die Einbeziehung Inhaftierter in die Rentenversicherung steht vor dem Durchbruch


der lichtblick - Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
Heft Nr. 376 - 3/2018

Man traut ja kaum seinen eigenen Augen! Es ist endlich soweit.

Die Einbeziehung der Rentenversicherung für die Inhaftierten steht vor dem Durchbruch!


Von der Rentendiskussion der Gefangenen war schon viel die Rede. Neu ist aber, dass nun Bewegung in die Sache kommt. Kurz: Ist halt bäh und schmuddlig, aber bei der 89. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister wurde am 06./07. Juni 2018 beschlossen, dass die Einbeziehung der Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung auf den Weg gebracht werden soll.

Es war einer der Tagesordnungspunkte, die nach langer Wartezeit (nunmehr 41 Jahre !!) jetzt umgesetzt werden sollen. In dem Beschluss heißt es, dass die JuMiKo (Justizministerkonferenz) die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherung für grundsätzlich sinnvoll hält. Die Inhaftierten sind selbstverständlich der gleichen Meinung, hätten aber dafür sicherlich nicht 41 Jahre gebraucht!

Ohne die entsprechenden Petitionen des Komitees für Grundrechte und Demokratie wäre die Gesetzesvorlage noch nicht so weit vorgedrungen. Andere Menschenrechts- und Gefangenenhilfsorganisationen sehen die Einbeziehung der Gefangenenrente als notwendige Konsequenz aus dem Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip. Es kommt sonst einer Zusatzbestrafung gleich und widerspricht der Wiedereingliederung.

Diese bislang unvollständig gebliebene Einbeziehung in die Sozialversicherung bedeutet für viele Gefangene eine besondere Härte und ein uneingelöstes Versprechen der Politik.

Eine doppelte Strafe in Form von Altersarmut ist/wäre ungerecht. Zu jeder Zeit sollten Menschen die Möglichkeit bekommen, Rentenbeiträge einzuzahlen, um für das Alter vorsorgen zu können.

Auch Gefangenen muss eine solche Chance geboten werden. Es ist ein Teil des Resozialisierungsgedanken. Wer im Gefängnis an seiner straffreien Zukunft arbeiten kann, dem sollten keine Steine in den Weg gelegt werden. Außerdem gebe es auch einen Grund weniger, erneut straffällig zu werden. Es werden Millionengewinne in den deutschen Haftanstalten erwirtschaftet und kein Cent geht davon in die Rentenkasse.

Es muss endlich ein Umdenken stattfinden. Inhaftierte müssen wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Es ist ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und gegen das Sozialstaatsprinzip. Die Arbeitspflicht muss durch ein Recht auf Arbeit ersetzt werden. Nur wer freiwillig arbeitet, darf in die Rentenkasse einzahlen, wer arbeitet, muss angemessen entlohnt werden und wer arbeitet, muss Rentenansprüche erwerben dürfen.

In der Pressemitteilung der Justizverwaltung wird davon gesprochen, dass Rechtsgeschichte geschrieben wurde. Wir halten das für übertrieben. Erstens ist das Gesetz noch lange nicht verabschiedet und zweitens ist diese überzogene lange aufgeschobene Diskussion auch sehr traurig. Traurig, weil die Verantwortlichen es angesichts der elendigen zurückliegenden Zeiträume versäumt haben, die bekannte Problematik aufzuarbeiten.

Das hiermit eine zusätzliche Belastung der Länderhaushalte erfolgen wird, lässt sich nicht vermeiden. Nun heißt es warten, bis die Gesetzesvorlagen durchgebracht und verabschiedet werden. Mindestens zwei Jahre dürften eine realistische Zeitrechnung sein. Spannend ist dabei, welche Eckwerte zugrunde gelegt werden, damit keine Ungerechtigkeiten auftreten. Das damit ein eventueller Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung nicht ausgeschlossen werden kann, dürfte auch einsichtig sein.

Schon vor dem Inkrafttreten des StVollzG stand der Gefangene unter dem Schutz der Unfallversicherung. Das StVollzG hat ihn darüber hinaus lediglich in die Arbeitslosenversicherung einbezogen. Dagegen wird der ursprünglich für 1980 bzw. 1986 vorgesehene Anschluss an die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung erst durch ein besonderes Bundesgesetz vorgenommen (§ 198 Abs. 3 StVollzG).

Wegen der finanziellen Auswirkungen ist die Umsetzung immer wieder am Bundesrat gescheitert. Auch ein mehrmaliges Einschalten des Bundesverfassungsgerichts brachte keinen Erfolg, weil der "vorläufige Ausschluss" (welch ein Wort) der Gefangenen von der Rentenversicherung nicht gegen das Grundgesetz verstößt, da dem Gesetzgeber die Entscheidung allein darüber obliegt, welche Sozialisierungsmaßnahmen möglich und finanzierbar seien. Tja, so einfach ist das.

Im Rahmen seiner haushaltspolitischen Gesamtverantwortung habe man weitreichende Gestaltungsfreiheit. Diese eigenartige Entkoppelung ist aus sozialrechtlicher Betrachtung nicht nachzuvollziehen, weil es auch nicht ohne Folgen für die Familienangehörigen ist. Der Zugang zur krankenversicherungsrechtlichen Familienversicherung bliebe somit versperrt und die Nichteinbeziehung des "Hauptverdieners" in das soziale Sicherungssystem ist mit massiven Folgen für die Restfamilie verbunden.

Noch weisen die brüchigen Biografien bei den meisten Inhaftierten deutliche Fehlzeiten im Rentenverlauf aus und werden später nur durch soziale Transferleistungen ausgeglichen. Damit aber endlich die Einbeziehung der Rentenversicherung der Gefangenen umgesetzt wird, muss das Gesetz verabschiedet werden. Wir können nur hoffen, dass endlich deutlich bessere Zeiten anbrechen, damit sich das Arbeiten in der Haft etwas lohnt und ein wenig mehr Sinn macht.

A.H.

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Quelle:
der lichtblick, 50. Jahrgang, Heft Nr. 376 - 3/2018, Seite 26-27
Unzensierte Gefangenenzeitung der JVA Berlin-Tegel
Herausgeber: Redaktionsgemeinschaft der lichtblick
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2018

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