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MARXISTISCHE BLÄTTER/375: Die Bundeswehr im Krieg


Marxistische Blätter Heft 6-08

"Friedensgefallene" und Tapferkeitsorden:
Die Bundeswehr im Krieg

Von Arno Neuber


Am 16. Oktober 2008 verlängerte der Bundestag das Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der NATO-Truppe ISAF.

Laut Antrag der Bundesregierung ist es nach wie vor Auftrag der Bundeswehr, "Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit so zu unterstützen, dass sowohl die afghanischen Staatsorgane als auch das Personal der Vereinten Nationen und anderes internationales Zivilpersonal, insbesondere solches, das dem Wiederaufbau und humanitären Aufgaben nachgeht, in einem sicheren Umfeld arbeiten können".

Die Bundesregierung schickte deshalb bei der abschließenden Lesung wiederum die Entwicklungshilfeministerin an die Parlamentsfront. Ihr blieb es vorbehalten, den Krieg als alleinige Angelegenheit der USA darzustellen. Die Bundeswehr hat dagegen offenbar ausschließlich Pädagogen und Psychologen an den Hindukusch verlegt.

Heidemarie Wieczorek-Zeul: "Ich habe der Verlängerung dieses Einsatzes im Kabinett zugestimmt, und ich tue das auch als Abgeordnete. Das Ziel ist, die Eigenverantwortung der afghanischen Seite und damit der Menschen zu stärken und ihnen Hoffnung zu geben."

An mangelnder Information kann es nicht liegen. Im Juni legte die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), von der sich die Bundesregierung beraten lässt, eine Studie vor, die eine ernüchternde Bilanz zieht und dem Propagandageschwafel der Regierung ein recht ungeschminktes Bild afghanischer Realitäten gegenüberstellt.

Danach sind die staatlichen Institutionen in Afghanistan fest in der Hand von "demokratiefeindlichen Kräften", die Bevölkerung ist von jeder Mitwirkung ausgeschlossen, Wahlen sind lediglich eine Scheinveranstaltung, die politischen Parteien kalt gestellt, das Parlament nur "ein untergeordnetes Glied des Staates". Selbst das Regierungskabinett sei nichts anderes als "eine Zustimmungsmaschine ohne politische Bedeutung". Die SWP-Studie kommt daher zu dem Schluss, dass "ein bedeutender Teil der Aufständischen" die Regierung wegen ihrer antidemokratischen Politik und ihrer Korruptheit bekämpft.

In einem Bericht von "Acbar", einer Vereinigung von 94 afghanischen und ausländischen Nichtregierungsorganisationen, ist davon die Rede, dass 40 Prozent der Hilfsgelder für Afghanistan in die westlichen Geberländer zurückfließen, da sie an Dienstleistungen und Material aus den entsprechenden Ländern gebunden sind. Ausländische Berater, die in großem Stil eingeflogen werden, verdienen in einem Monat zehn mal mehr als ein Afghane, der den gleichen Job macht, in einem Jahr. "Caritas international" berichtet daher, in der afghanischen Bevölkerung herrsche die Meinung vor, "dass an der nachhaltigen Entwicklung des Landes kein Interesse besteht".

Die Verteilung der eingesetzten Mittel untermauert diesen Eindruck: Die Militärkosten betragen ein Vielfaches der zugesagten Aufbauhilfe. Schließlich geht es beim Krieg in Afghanistan nicht um die sozialen und demokratischen Bedürfnisse der Afghaninnen und Afghanen, sondern "um die militärische Durchsetzung geostrategischer Interessen, die sich um die Kontrolle des Nahen/Mittleren Ostens und Zentralasiens mit den größten Erdöl- und Erdgasressourcen der Welt drehen" (Bundesausschuss Friedensratschlag in einer Pressemitteilung vom 28.10.08).

Und wenn es um einen so hohen Einsatz geht, gilt die Feststellung in einer Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung besonders, "dass der Erfolgsmesser für die NATO nicht mehr in ihrer Effizienz bei der Absicherung politischer Transformationsprozesse besteht, sondern vor allem im Erfolg ihrer militärischen Operationen.

Deshalb hält die Bundesregierung eisern an dem Prinzip fest: Wenn Soldaten und Waffen nicht helfen, dann müssen eben mehr Soldaten und mehr Waffen her. So wurde das deutsche Afghanistankorps erneut um 1.000 Soldaten vergrößert.

In den letzten zwei Jahren sind die ISAF-Truppen damit von 32.000 auf 53.000 Soldaten aufgestockt worden. Ergebnis: Der Widerstand ist stärker geworden.

Der britische Luftwaffen-Brigadegeneral in Afghanistan, Mark Carleton-Smith, kam deshalb in einem Interview mit der "Sunday Times" zu dem Schluss: "Wir werden diesen Krieg nicht gewinnen."

Möglicherweise reicht es der NATO, ihn nicht zu verlieren. In Berlin jedenfalls spielt man auf Zeit. SPD-Fraktionschef Struck ist sich sicher, dass die Bundeswehr "noch mindestens zehn Jahre dort bleiben muss, und der Leiter des so genannten Provincial Reconstruction Teams der Bundeswehr in Nordafghanistan, Oberst Rainer Buske, plant noch weiter: "Eine Generation oder länger werden wir hier aushalten müssen."

Dass der Kriegseinsatz in Afghanistan auf keine Sympathien bei den Bundesbürgern stößt, hat sich mittlerweile sogar in der CSU herumgesprochen, deren neuer Generalsekretär zu Guttenberg noch vor einem Jahr Bundeswehr-Instrukteure in den Süden Afghanistans schicken wollte.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer verlangte in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" von Kanzlerin Merkel eine Perspektive für das Ende des Afghanistan-Einsatzes "in absehbarer Zeit".

Dagegen bereitet man im "Verteidigungs"ministerium mittels bewährter Salamitaktik die Öffentlichkeit auf eine härtere Gangart vor.

"Wenn es in den vergangenen Jahren den Eindruck gegeben hat, dass dies eine Art bewaffneter Entwicklungshilfe-Einsatz ist, dann ist es notwendig, dass man dies korrigiert. Daraus dann aber ein Bekenntnis zu machen, ist mir zu weitgehend (...) Die Situation dort ist hochgefährlich, unser Einsatz ist robust, aber es ist nicht das, was man landläufig mit Krieg verbindet." (Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt in einem Interview mit den BNN vom 31.10.08)

Was man landläufig mit Krieg verbindet, weiß der gewandte Staatssekretär auch, beispielsweise Kampfpanzer und Artillerie. "Mit diesen Waffen könnte man auf den Beschuss durch die Taliban mit großer Feuerkraft reagieren." Das allerdings würde die Opfer unter der Zivilbevölkerung noch weiter erhöhen und mit Sicherheit den Widerstand der Aufständischen. "Es gibt aber eine Grenze der Zurückhaltung - und die ist überschritten, wenn es um die Einsatzfähigkeit und den Schutz unserer Soldaten geht."

Damit diese "Zurückhaltung" aufgegeben werden kann, muss die Bundeswehr als Opfer stilisiert werden. Bei der Trauerfeier für zwei getötete Bundeswehrsoldaten am 24. Oktober sprach Jung zum ersten Mal von "Gefallenen". Der Krieg, den es bislang nicht geben durfte, dringt Stück für Stück auch in den offiziellen Sprachgebrauch. Generalinspekteur Schneiderhahn, der bei solchen Gelegenheiten den Eltern getöteter Soldaten mit auf den Weg gibt, dass sie "stolz sein können auf ihren Buben, dass er in dem fernen Land Deutschland verteidigt habe", hat ohnehin seine Probleme mit dem politischen Versteckspiel. "Warum nicht die soldatische Sprache benutzen, wenn es den Kameraden hilft, Motivation zu finden? Warum nicht sagen, jemand ist verwundet oder gefallen - wenn man sie mit diesen Worten heraushebt aus dem Kreis jener, die sich mit ihrem Dienstfahrzeug bei einem Unfall in der Heimat verletzen?" (Die Zeit, 30.10.08)

Das Gegenstück zum Kriegsgefallenen ist der Kriegsheld. Anfang Oktober hat Bundespräsident Köhler daher der Einführung eines "Ehrenkreuzes der Bundeswehr für Tapferkeit" zugestimmt. Erstmals hat die Bundeswehr damit einen Orden für militärisches Heldentum.

Dieses Heldenkreuz wird zahlreiche Träger finden müssen, wenn die Bundesregierung bei ihrer Eskalationspolitik bleibt.

Inzwischen kommt nämlich selbst der vom Westen etablierte Präsident Afghanistans nicht mehr umhin, das Debakel beim Namen zu nennen.

Bei einer Konferenz am 29. Oktober in Kabul erklärte er, die Situation habe sich seit seinem Amtsantritt verschlechtert. "Unsere Straßen sind nicht sicher, wir können nicht nach Kandahar reisen oder nach Herat." Als er Präsident wurde, "war das Leben gut - das ist jetzt nicht mehr der Fall". (ND, 30.10.08)

Nachdem der Afghanistan-Einsatz den Bundestag mit 442 Ja- und 96 Neinstimmen bei 32 Enthaltungen passiert hatte, stand auf der Tagesordnung des Bundestages die Änderung des "Gesetzes über das Deutsche Rote Kreuz vom 9. Dezember 1937". Ohne Debatte und ohne Widerhall in der Öffentlichkeit beschloss das Parlament ein Gesetz, das es der Bundeswehr ermöglicht, ziviles Sanitätspersonal zwangsweise zur Unterstützung des Sanitätsdienstes der Truppe zu verpflichten. Das sei zwar bislang noch nicht vorgekommen, erläuterte eine DRK-Sprecherin der Presse, aber die Gesetzesbegründung stellt klar, dass sich das DRK (und andere Hilfsdienste) "dieser Aufgabe nicht entziehen kann".

Pikant ist nicht nur die Gleichzeitigkeit der Beschlussfassung über Afghanistanmandat und DRK-Gesetz - jüngst hatte der Bundeswehrverband vor einer "Kündigungswelle von Piloten und Ärzten", gewarnt, die mit den zunehmenden Auslandseinsätzen der Bundeswehr begründet wird.

Inzwischen hat das Bundeskabinett auch das zweite Afghanistan-Mandat, den Einsatz der Bundeswehr im US-geführten Krieg unter der Bezeichnung Operation Enduring Freedom, um 13 Monate verlängert (die Parlamentsentscheidung fand nach Redaktionsschluss statt). Das Bundeswehr-Kontingent wurde von 1.400 auf 800) Soldaten reduziert, das Kommando Spezialkräfte (KSK) ist nicht mehr im Mandat enthalten.

Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass die Elite-Kämpfer des KSK in der Vergangenheit auch im Rahmen von ISAF aktiv waren und dass das KSK eine Einheit ist, die auch außerhalb von NATO oder EU unter rein deutschem Kommando eingesetzt werden kann.

Möglicherweise wird das Parlament in diesem Jahr auch noch über den Einsatz von AWACS-Überwachungsflugzeugen der NATO in Afghanistan entscheiden, zu deren Besatzung deutsche Soldaten gehören. Vorsorglich hat man in Berlin bereits die Legende gestreut, die AWACS hätten die Aufgabe, den zivilen Luftverkehr am Hindukusch zu koordinieren. Was dort fliegt sind allerdings im Wesentlichen Kampfflugzeuge, Truppentransporter, Kampf- und Transporthubschrauber der USA und der NATO sowie unbemannte Drohnen, die Waffen oder Überwachungsgerät tragen. Die Ziele für Bombenangriffe werden von speziell geschulten Soldaten zugewiesen, die AWACS aber sorgen dafür, "den Kampfflugzeugen die Box frei zu räumen", wie es bei den Militärs heißt.

Peter Strutinsky hat in Auswertung der Demonstrationen gegen den Afghanistan-Krieg überzeugend dargelegt, dass "Umfragewerte auf seiner Seite zu haben (...) noch lange nichts mit Meinungsführerschaft oder 'Hegemonie' zu tun" hat und Umfrageergebnisse keine (notwendige) Bewegung ersetzen (UZ, 31.10.08). Eine "Spiegel-Umfrage nach der Bundestags-Entscheidung ergab, dass 57 Prozent der Befragten den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan für einen Kriegseinsatz und nur 30 Prozent für einen humanitären Einsatz halten. Weil die Bundesregierung die Dinge anders darstellt, fühlen sich nur 15 Prozent richtig informiert und 85 Prozent sind der Meinung, dass aus politischen Gründen beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr "verschiedene Dinge verschwiegen werden". Es bleibt die Aufgabe, aus dem verbreiteten Unbehagen im Lande eine machtvolle Bewegung gegen den Krieg in Afghanistan und den Einsatz der Bundeswehr als globale Interventionsarmee zu entwickeln.

Andere verbinden mit ihrer Kritik an den Worthülsen der Regierungsoffiziellen ganz andere Ziele. Wenn der höchste deutsche Soldat in Afghanistan, Generalmajor Domröse, erklärt, man müsse sich endlich "vom Mantra eines reinen Peacekeeping-Einsatzes verabschieden", dann vergisst er nicht die Forderung nach einem "robusteren" Einsatz nachzuschieben.


Expeditions-Marine

Nicht robust genug kann es auch dem Chef der Bundesmarine, Vizeadmiral Wolfgang Nolting, zugehen.

Mit dem Marine-Einsatz vor der Küste Libanons hat die Bundesregierung zum ersten Mal Soldaten in den Nahen Osten geschickt und damit eines der großen Tabus bei der Militarisierung deutscher Außenpolitik gebrochen. Die Marine ist für Nolting das ideale Mittel zur Durchsetzung von Interessen, die sich aus "Deutschlands Position als Exportweltmeister" ergeben. Schließlich "bieten internationale Gewässer die Vorteile des hoheitsfreien Raumes. Hier können See- und Seeluftstreitkräfte ungehindert operieren." (Nolting, auf der Homepage der Bundeswehr)

Der Mann ist ausgesprochen ehrgeizig. Penetrant drängt er bei jeder Gelegenheit auf eine Änderung des Grundgesetzes, damit die Marine weltweit auch "ihren Fähigkeiten gemäß handeln" darf. Ihn nervt, dass eine "politisch bestimmte Verfassungsinterpretation (...) die Möglichkeiten der Seestreitkräfte stark" einschränkt. (Europäische Sicherheit 9/2008)

Und die Bundesregierung gibt dem Vizeadmiral Gelegenheit, sich weiter "auszuzeichnen". Derzeit drängt sich die Marine regelrecht nach dem von den UN legitimierten Einsatz vor Somalias Küste. Schiffe aus zahlreichen Nationen wollen dort auf "Piratenjagd" gehen. Die Marine beteiligt sich gleich an drei Flottenverbänden: Unter NATO-Kommando, unter der Flagge der Europäischen Union und an einer Einheit, die im Rahmen von OEF operiert.

"Verteidigungs"minister Jung hat durchblicken lassen, dass der Einsatz auch auf die Küste Kenias ausgedehnt werden könnte. "Bei Bedarf" kann der NATO-Flottenverband auch andernorts westliche Seemacht demonstrieren und "kurzfristig in Krisengebiete geschickt werden", teilte das Presse- und Informationszentrum Marine mit. Die Marine ist also auf gutem Kurs zur "Expeditionary Navy", wie der Marineinspekteur sich ausdrückt.


Rüstungskosten

Eine Bundeswehr, die als Instrument deutscher Interessen weltweit einsetzbar ist, hat nicht nur politisch ihren Preis.

"Verteidigungsminister Jung begründete im Bundestag den erhöhten Finanzbedarf der Truppe mit ihren Auslandseinsätzen - insbesondere der Beteiligung am Krieg in Afghanistan - und mit den gegenüber NATO und EU eingegangenen Verpflichtungen. Deutschland will bei der Militarisierung der EU nicht einfach nur dabei sein, man will die EU-Militärpolitik "prägen". Deshalb beteiligt man sich gleich an vier der offiziell 13 "Schlachtgruppen" (battle groups) der EU und hat mit Frankreich und Polen bereits Vereinbarungen über die Aufstellung einer so genannten "Weimarer battle group" ab 2013 getroffen. Stolz ist man in Berlin, dass Deutschland neben Frankreich und Großbritannien das einzige Land ist, das sowohl ein großes Operation Headquarter (OHQ) für die Führung von EU-Militäreinsätzen, als auch ein verlegbares Hauptquartier für das Einsatzland (Force Headquarter - FHQ) zur Verfügung stellen kann. Gleichzeitig ist Deutschland einer der größten Truppensteller und Beitragszahler für die schnelle Eingreiftruppe der NATO (Response Force).

Im kommenden Jahr soll deshalb der Rüstungshaushalt auf offiziell 31,1 Mrd. Euro aufgestockt werden, eine Steigerung um rund 1,6 Mrd. Euro (5,6%). Nach NATO-Kriterien sind es sogar 33,5 Mrd. Die Große Koalition hat es damit geschafft, den Rüstungshaushalt seit 2006 um mehr als 3,2 Mrd. Euro in die Höhe zu treiben. Dazu hatte die Regierung Schröder-Fischer noch sieben Jahre gebraucht.

Dennoch klagt der Generalinspekteur über die "engen finanziellen Rahmenbedingungen", die "eine strukturelle Vollausstattung der Streitkräfte mit modernem Gerät kurz- und mittelfristig nicht" möglich mache.

Auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke hat die Bundesregierung am 22. Oktober die bisherigen Ausgaben für die Auslandseinsätze der Bundeswehr mit 10,6 Mrd. Euro seit 1992 angegeben. Die volle Wahrheit ist das nicht. Aufgelistet werden nämlich nur die so genannten "einsatzbedingten Mehrkosten".

Die Ausrüstung der Bundeswehr mit Waffen und Gerät für weltweite Einsätze verschlingt wesentlich höhere Milliardensummen. Der "Bundeswehrplan 2009" des Generalinspekteurs listet fast 100 große Beschaffungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 89 Mrd. Euro auf. Um sie zu finanzieren, müssen die direkten Rüstungsinvestitionen in den nächsten Jahren weiter drastisch gesteigert werden.

Der Löwenanteil der Rüstungsmilliarden landet dabei in den Kassen eines exklusiven Clubs von Monopolisten. Dazu gehören die EADS (Flugzeuge, Hubschrauber, Lenkwaffen, Satelliten), die Panzerbauer Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann (KMW) und der Marinekonzern ThyssenKrupp. Rund zwei Drittel des Beschaffungsetats der Bundeswehr kassiert allein die EADS. Und auch der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall bewertet mit Blick auf die Rüstung "die globalen Geschäftsaussichten sehr optimistisch". Allein die Beschaffung des Schützenpanzers Puma wird rund 4,7 Mrd. Euro kosten. Die Gewinne teilen sich Rheinmetall und KMW.

"Brutal, robust, voll zynischen Hohns gegen alle Argumente und Methoden einer sozusagen feineren Gesinnung" beschreibt Karl Liebknecht im April 1913 die Rüstungsindustrie. "Ungeheuerlich in ihren Kräften, unersättlich in ihren Ansprüchen, leidenschaftlich in ihrem Profitwillen. Gefüttert mit den sauren Groschen der Armen, die sie in süße Millionen für Geldfürsten wandelt".

Kaum weniger unpatriotisch als zu Liebknechts Zeiten gebärden sich die Rüstungsbosse der Berliner Republik. Ihre staatlich geförderte Monopolposition macht es ihnen leicht, unaufhörlich an der Preisschraube zu drehen. So soll der Eurofighter, der Ende der 90er Jahre noch mit 13 Mrd. Euro veranschlagt war, nun rund 22 Mrd. kosten. In Großbritannien will man deshalb die superteuren Vögel weiter verkaufen, um den Rüstungshaushalt zu entlasten. Als Abnehmer sind Japan, Saudi-Arabien und Indien im Gespräch. Und auch der Militärtransporter Airbus A400M macht Schlagzeilen. Nicht nur, dass der Erstflug sich um bis zu zwei Jahre verzögern soll, der Preis steigt ebenfalls. Spekulationen über Mehrkosten von bis zu 700 Millionen Euro seien noch zu niedrig, heißt es in Branchenkreisen.

Der Schützenpanzer Puma, von "Verteidigungs"minister Jung als weltweit modernster Schützenpanzer gepriesen, soll mit dem Militär-Airbus in die Einsatzgebiete der Bundeswehr geflogen werden. Wegen Gewichtsüberschreitung ist er allerdings nicht mehr komplett transportierbar und auch die Preisgrenze wurde inzwischen um mehr als 450 Millionen Euro überschritten. Und der Stolz der Marine, die vier neuen Fregatten F125, die speziell für weltweite Kanonenbootpolitik vorgesehen sind, verteuerte sich innerhalb von zwei Jahren um 500 Millionen Euro. Selbst die Privatisierung von Aufgabenbereichen der Bundeswehr, die nicht zum militärischen Kerngeschäft gehören, haben nicht wie geplant zu Kostenreduzierungen geführt, sondern wurden zum lukrativen Geschäft für Privatfirmen. Die Kosten für Betreiberverträge sind in den letzten zwei Jahren um fast 900 Millionen Euro gestiegen, ohne dass sich für die Bundeswehr daraus eine entsprechende Einsparung ergeben hätte.

Wenn Deutschland seinen Kurs der forcierten Militarisierung beibehalten und vom derzeit gerne festgestellten Machtverlust der USA profitieren will, wird viel Geld in den Militärhaushalt umgeleitet werden müssen. Der Generalinspekteur plant mit jährlichen Steigerungsraten von 500 Millionen Euro. Den Machtansprüchen der Militärs reicht das allerdings nicht.


Arno Neuber, Karlsruhe, Angestellter.


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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 6-08, 46. Jahrgang, S. 16-21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2009