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MARXISTISCHE BLÄTTER/476: Zur hundertjährigen Geschichte des Internationalen Frauentages


Marxistische Blätter Heft 1-11

"Unser Märzentag"
Zur hundertjährigen Geschichte des Internationalen Frauentages

Von Gisela Notz


Am 19. März 1911 gingen unter dem Kampfruf "Heraus mit dem Frauenwahlrecht" mehr als eine Million Frauen auf die Straße und forderten soziale und politische Gleichberechtigung für alle Frauen. "Unser Märzentag", so ist der Aufruf der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der freien Gewerkschaften, der in der Zeitschrift "Die Gleichheit" vom 13. März 1911 erschien, überschrieben: "Genossinnen! Arbeitende Frauen und Mädchen! Der 19. März ist euer Tag. Er gilt eurem Recht. Hinter eurer Forderung steht die Sozialdemokratie, stehen die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Die sozialistischen Frauen aller Länder fühlen sich mit euch solidarisch. Der 19. März muss euer Ehrentag sein". Das Datum wurde gewählt, um an Ereignisse während der Revolution von 1848 in Berlin zu erinnern, an denen viele Arbeiterinnen beteiligt waren. Der internationale Frauentag wurde zum Internationalen Tag des Kampfes der Frauen für politische und ökonomische Rechte, gegen Krieg, Ausbeutung und Entrechtung. Erst später sollte es der 8. März werden.


Wir brauchen einen Internationalen Frauentag!

Sozialistinnen aus den USA haben Clara Zetkin vorgeschlagen, darauf hinzuwirken, dass ein weltweiter Frauentag durchgeführt wird. Das geht aus einem Brief der US-amerikanischen Journalistin Meta L. Stern, der in der "Gleichheit" vom 27. März 1911 abgedruckt ist, hervor.

Mehr als 100 Delegierte aus 17 Nationen, davon 12 aus Deutschland, nahmen am 27. August 1910 in Kopenhagen auf der II. Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen den Antrag, künftig einen Internationalen Frauentag durchzuführen, an. (1) Clara Zetkin, Käte Duncker und Genossinnen brachten den Antrag zur Abstimmung. Darin hieß es:

"Im Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag, der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient. Die Forderung muss in ihrem Zusammenhang mit der ganzen Frauenfrage der sozialistischen Auffassung gemäß beleuchtet werden. Der Frauentag muss einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten."

Clara Zetkin hatte im Vorfeld für diese Idee geworben. Leicht hatte sie es damit nicht immer, denn "Frauenrechtlerei" war den männlichen Genossen verhasst. Durch den weltweiten Internationalen Frauentag, den sie als neues Agitationsmittel werteten, erhofften sich die Aktivistinnen den außerparlamentarischen Druck für die Durchsetzung von Frauenrechten zu erhöhen. Dabei ging es in erster Linie um das uneingeschränkte Frauen wahlrecht als Ausdruck für die politische Emanzipation der Frauen. Damit unterschieden sie sich von den bürgerlichen "Schwestern", die sich mit einem "beschränkten Wahlrecht" zufrieden geben wollten, durch das die große Masse der Proletarierinnen weiter in politischer Rechtlosigkeit gehalten würde.(2) Die "Einführung des politischen Frauenwahlrechts" wurde von den sozialistischen Frauen in der Resolution von Kopenhagen in den Zusammenhang mit der "ganzen Frauenfrage" gestellt. Dazu gehörten Arbeiterinnenschutz, soziale Fürsorge für Mutter und Kind, die Gleichbehandlung von ledigen Müttern, die Bereitstellung von Kinderkrippen und Kindergärten, freie Schulmahlzeiten und Lehrmittelfreiheit und die internationale Solidarität. Aufgrund des bereits drohenden Ersten Weltkrieges stand der Kampf gegen Militarismus und Kapitalismus und für die Erhaltung des Weltfriedens ebenso auf der politischen Agenda. Ein bestimmtes Datum wurde damals noch nicht festgelegt. In Deutschland wurde der 19. März gewählt, weil die Arbeiterbewegung an diesem Tag die März-Gefallenen der Revolution von 1848 ehrte. Außerdem sollte an das Engagement der Frauen der Pariser Commune im März 1871 erinnert werden.


"Unser Märzentag"

Dem Beschluss von Kopenhagen schlossen sich in Deutschland sowohl der Parteivorstand der SPD als auch die Gewerkschaften an. In einem Brief von Gertrud Hanna, Leiterin des Arbeiterinnensekretariats der Generalkommission der Freien Gewerkschaften, vom 30. Januar 1911 an die Gewerkschaftspresse heißt es:

"Die Generalkommission ist in gemeinschaftlicher Sitzung mit dem Parteivorstand dem Beschluss der internationalen sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen beigetreten, in jedem Jahr an einem Tag Demonstrationsversammlungen zugunsten der Forderung auf Erzwingung des allgemeinen Frauenwahlrechts zu veranstalten. Für Deutschland ist als Versammlungstag für dieses Jahr der 19. März gewählt worden."

Clara Zetkin, die auch die sozialdemokratische Frauenzeitung "Die Gleichheit. Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen" herausgab, warb in der Ausgabe vom 13. März 1911 für "unseren Märzentag". Die Vorbereitungsarbeiten begannen bereits im Januar 1911. Gertrud Hanna erklärte in einem Aufruf an die Presse, "dass dieser Tag zu einer Massenkundgebung zugunsten des Frauenwahlrechts" werden sollte, an dem "keine Arbeiterin (...) den Versammlungen fernbleiben" durfte. Das Flugblatt, das zur Teilnahme an den Veranstaltungen des Frauentages mit der Forderung: "Her mit dem Frauen-Wahlrecht!" aufrief, wurde in einer Auflage von zweieinhalb Millionen Exemplaren gedruckt und verteilt.


"Heraus mit dem Frauenwahlrecht"

Der erste Internationale Frauentag wurde ein voller Erfolg. Unter dem Kampfruf "Heraus mit dem Frauenwahlrecht" gingen am 19. März 1911 Millionen von Frauen in USA, Deutschland, Schweiz, Dänemark und Österreich auf die Straße und forderten für alle Frauen soziale und politische Gleichberechtigung. In Deutschland nahmen ca. eine Million Frauen (und auch wenige Männer), die in SPD und Gewerkschaften organisiert waren, und auch viele Nichtorganisierte an den Veranstaltungen und Demonstrationen teil.

"Mit Stolz dürfen wir es niederschreiben. Dieser internationale Frauentag ist die wuchtigste Kundgebung für das Frauenwahlrecht gewesen, welche die Geschichte der Bewegung für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts bis heute verzeichnen kann", schrieb Clara Zetkin wenige Tage später in der "Gleichheit". Und auch in der sozialdemokratischen Zeitung "Vorwärts" vom 21. März 1911 wurde der Erfolg ausführlich beschrieben:

"Desgleichen hatte man noch nicht erlebt, dass die Frauen in solchen Massen mit der Forderung des allgemeinen Wahlrechts an die Öffentlichkeit traten. Alle Säle waren überfüllt. [...] Als die Versammlung zu Ende war und die Massen aus dem Saale strömten, wurde es natürlich etwas lebhafter auf der Straße. Man brachte ein tausendstimmiges Hoch auf das Frauenwahlrecht aus, und das verletzte, wie es schien, das zartbesaitete Gemüt der Polizei. Es waren an die zwanzig Mann aus einem nahegelegenen Haus herausgekommen, um die berühmte Ordnung wieder einmal aufrecht zu erhalten. Eine Genossin, die man offenbar für die Anstifterin des Wahlrechtshochrufes hielt, wurde sistiert (festgenommen G. )."

Mit Stolz berichtete der "Vorwärts" weiter, dass in Deutschland etliche führende Vertreterinnen des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung an den Veranstaltungen teilnahmen oder Grußadressen überbrachten. Minna Cauer und Lida Gustava Heymann waren darunter. Da die bürgerlichen Frauen sich hinter die Forderungen der proletarischen Bewegung stellten, war diese öffentlich dargestellte Einstimmigkeit möglich.

"Die Gleichheit" berichtete am 27.3.1911: "Zahlreiche Polizeimannschaften in der Nachbarschaft der Versammlungslokale bewahrten revolvergerüstet die Stadt vor dem Umsturz der Frauen." Allein in Groß-Berlin wurden 42 Veranstaltungen gezählt, die alle glänzend besucht waren. Bürgerliche Depeschenbüros schätzten die Zahl der TeilnehmerInnen auf 30.000 - "höchstwahrscheinlich gut über die Hälfte zu niedrig", vermutete "Die Gleichheit".

Die Teilnehmerinnen an den Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag verabschiedeten eine Resolution: "Die Forderung nach dem Frauenwahlrecht ist die notwendige Folge der durch die kapitalistische Produktionsweise bedingten wirtschaftlichen und sozialen Umwälzung, die die Stellung der Frau von Grunde aus umgewandelt hat. Zehn Millionen Frauen, die im gesellschaftlichen Produktionsprozess tätig sind, die Millionen Frauen, die als Mütter Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen, die als Hausfrauen die schwersten Pflichten übernehmen, erheben mit allem Nachdruck Anspruch auf soziale und politische Gleichberechtigung." Außer in Deutschland wurde der Frauentag 1911 in den USA, in der Schweiz, in Dänemark und Österreich veranstaltet. Bis zum Ersten Weltkrieg kamen Frankreich, Holland, Schweden, Russland und Böhmen hinzu.

Dieser 19. März war eine Provokation - nicht nur für die Herrschenden. Auch die sozialdemokratische Führung entwickelte starken Widerstand gegen einen jährlichen Kampftag. Sie hatte Angst, dass die Emanzipationsbestrebungen der Frauen an einem "eigenen" Tag zur Aufsplitterung der Interessen der Arbeiterklasse führen könnten. Nicht alle glaubten den Worten Clara Zetkins, dass "der Emanzipationskampf der Proletarierinnen nicht ein Kampf gegen die Männer der eigenen Klasse (ist), sondern ein Kampf im Verein mit den Männern ihrer Klasse gegen die kapitalistische Ausbeutung". Tatsächlich war die Frauenagitation zum Internationalen Frauentag zum Nutzen der gesamten Partei; die Zahl der weiblichen SPD-Mitglieder stieg von 82.000 im Jahre 1910 auf mehr als 107.000 im Jahre 1911.

In den folgenden Jahren erlebte die "Frauentags-Bewegung" Fortschritte, Rückschritte, Erfolge und Niederlagen. Je nachdem, wie es die herrschende politische Meinung wollte, wurde der Internationale Frauentag verboten, geduldet oder gar von oben verordnet.


Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen

Zum zweiten Internationalen Frauentag am 12. Mai 1912 hatte die SPD mit Unterstützung der freien Gewerkschaften alle Parteiorganisationen verpflichtet, Veranstaltungen abzuhalten. In Stuttgart sprach Rosa Luxemburg zum Thema "frauenwahlrecht und Klassenkampf". Scharf verurteilte sie die politische Rechtlosigkeit der Frauen und machte darauf aufmerksam, dass mehr als hundertfünfzigtausend gewerkschaftlich organisierte Arbeiterinnen die Kerntruppen des wirtschaftlich kämpfenden Proletariats bildeten. Bei einem Streik von 14.000 Textilarbeiterinnen, die am 11. Januar 1912 in Lawrence/Massachusetts gegen die elenden Arbeitsbedingungen, die Kinderarbeit und eine weitere Senkung der Hungerlöhne ihre Arbeit niedergelegt hatten, entstand das Lied der amerikanischen Frauenbewegung "Brot und Rosen", das bald auf der ganzen Welt gesungen wurde.

Trotz der gut besuchten Veranstaltungen und eindrucksvollen Straßendemonstrationen im Mai 1912 schlugen Mitglieder des Parteivorstandes der SPD vor, 1913 nur in größeren Städten und Industriezentren Veranstaltungen durchführen. Clara Zetkin schloss daraus, dass "in manchen Parteikreisen" noch eine ziemliche Abneigung gegen den Frauentag bestand. Die Genossinnen konnten sich durchsetzen und konfrontierten die Frauen am 2. März mit dem "Manifest der Internationale zur gegenwärtigen Lage", das auf dem außerordentlichen Sozialistenkongress am 24. und 25. November 1912 beschlossen worden war und die sozialistischen Parteien der Welt aufforderte, mit allen Mitteln für die Erhaltung des Friedens einzutreten.


Heraus mit dem Frauenwahlrecht

Dass der Frauentag 1914 überhaupt stattfinden konnte, war der führenden Gewerkschafterin und ersten (besoldeten) Frauensekretärin im Arbeitersekretariat Nürnberg, Helene Grünberg zu verdanken. Gegen die Entscheidung des Parteiausschusses brachte sie beim Jenaer SPD-Parteitag 1913 einen Antrag ein, in jedem Jahr einen Frauentag abzuhalten. Er wurde nach erbitterten Debatten angenommen.

So konnte der sozialistische Frauentag am 8. März 1914 durch die "rote Woche" eingeläutet werden. Er wurde zum Aktionstag gegen die drohende Kriegsgefahr und das Wettrüsten und mobilisierte massenhaft Frauen, auch solche, die vorher nie demonstriert hatten. Das Plakat "Frauen/Tag 8. März 1914 - Heraus mit dem Frauenwahlrecht", das heute noch oft am Internationalen Frauentag gezeigt wird, ist das erste Plakat mit dem Datum 8. März. In Deutschland durfte es damals nicht öffentlich aufgehängt werden, weil es der Berliner Polizeipräsident wegen der Schlagzeile "Heraus mit dem Frauenwahlrecht", in der er eine Beleidigung der Obrigkeit sah, beschlagnahmte.

Die Auslösung des Ersten Weltkrieges im August 1914 leitete eine neue Epoche in der Entwicklung der internationalen sozialistischen Frauenbewegung ein. Die gesamte sozialistische Internationale - und damit auch die Fraueninternationale - löste sich in ihre nationalen Bestandteile auf. Durch die von der SPD und von der ihnen nahestehenden Generalkommission der Gewerkschaften mitgetragene Burgfriedenspolitik waren kritische Veranstaltungen auch von den Organisationen der Arbeiterbewegung selbst nicht mehr erwünscht.

Schließlich wurden Internationale Frauentage in Deutschland von den Behörden verboten, Veranstaltungen fanden nur noch illegal statt und die Teilnehmerinnen mussten mit Repressalien durch Staat und Polizei rechnen. Nahezu alle sozialistischen Parteien in den kriegführenden Ländern bekannten sich zur Verteidigung des bürgerlich-kapitalistischen Staates, dessen Sturz sie bis dahin angestrebt hatten. Clara Zetkin verfasste Anfang November 1914 einen Aufruf "an die sozialistischen Frauen aller Länder", in dem sie sich entschieden gegen den Krieg und für breite Friedensaktionen aussprach. Auch Anita Augspurg und Lida G. Heymann, Vertreterinnen des radikalen Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung, verbreiteten einen Aufruf, gegen den Krieg zu protestieren und sofort eine internationale Frauenkonferenz in einem neutralen Land einzuberufen.

Gertrud Bäumer, führende Protagonistin im Bund Deutscher Frauenvereine, schuf aus patriotischer Motivation mit dem "Nationalen Frauendienst" ein Betätigungsfeld für konservative Frauen, dessen Ziel die "Aufrechterhaltung der Heimatfront" sein sollte. Dazu gehörte die Hilfe für notleidende Familien ebenso wie die Verteilung der Frauen auf Arbeitsplätze in der Kriegswirtschaft.

Zahlreiche sozialdemokratische Frauen in Deutschland folgten der Aufforderung. Der SPD-Parteivorstand rief gar die Arbeiterinnen dazu auf. Dafür erntete er harsche Kritik, (nicht nur) von Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und Käte Duncker. Diese vertraten die Meinung, dass es die erste und wichtigste Pflicht einer Sozialistin sei, die Massen für den Kampf gegen den Krieg zu gewinnen. Andere sozialdemokratische Frauen, z. B. Marie Juchacz, und Gewerkschafterinnen wie Gertrud Hanna folgten der Aufforderung und arbeiteten im "Nationalen Frauendienst" mit.


Kriegsfrauentage"

Clara Zetkin hatte als Internationale Sekretärin der SIW vorgeschlagen, 1915 einen zentralen Internationalen Frauentag in Schweden durchzuführen. Die Schwedinnen hätten gerne am 7. März Sozialistinnen aus der ganzen Welt empfangen, doch der Parteivorstand der SPD lehnte es ab, Genossinnen zu delegieren. Clara Zetkin konnte die Sozialistinnen der kriegsführenden Länder nur noch auffordern, Grußadressen zu senden, die den Friedenswillen und die internationale Solidarität betonten. Für das Jahr 1916 beschloss der Parteivorstand der SPD, trotz des tobenden Krieges, zwischen dem 12. und 26. März überall in Deutschland Versammlungen zum Internationalen Frauentag abzuhalten. Sie konnten nicht durchgeführt werden, weil ein Verbot verhängt wurde.

Nach der Parteispaltung in Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands (MSPD) und Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) im April 1917 schlossen sich viele Frauen der neugegründeten USPD an, weil sie die Kriegspolitik der SPD-Führung und die Bewilligung der Kriegskredite nicht weiter mittragen konnten. Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Luise Zietz, Käte Duncker und viele andere waren darunter. Aufgrund polizeilicher Beschränkungen konnten die von der USPD zum Internationalen Frauentag in der Zeit vom 5. bis 12. Mai 1917 vorgesehenen Frauenversammlungen, die der "Propaganda für das Staatsrecht der Frauen und für den Arbeiterinnenschutz" dienen sollten, nur noch als kleine geschlossene Veranstaltungen stattfinden.

Das nahende Kriegsende, die politischen Unruhen und die Revolutionswirren gaben schließlich auch der Frauenstimmrechtsbewegung neuen Aufschwung. Das vorher zerstrittene bürgerliche Lager - ausgenommen die "Gemäßigten" - schloss sich zusammen und begann mit der sozialdemokratischen Frauenbewegung zusammen zu arbeiten. Die Forderung nach dem Frauenwahlrecht wurde durch die im Reichstag vertretenen Parteien - außer der SPD - immer wieder abgelehnt.


Das allgemeine Wahlrecht ist durchgesetzt

Nach langen Kämpfen wurde den Frauen mit dem Ende des Kaiserreichs am 12. November 1918 durch die Erklärung des Rates der Volksbeauftragten das Wahlrecht zugesprochen. Darin hieß es eindeutig: "Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht [...] für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen." Am 9. Februar 1919 kommentierte die Abgeordnete Marie Juchacz (MSPD) die Einführung des Frauenwahlrechts in der ersten Rede, die je eine Frau vor einem deutschen Parlament gehalten hat: "Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist." Sie war sich sicher, dass die Frauen der Regierung nicht zu Dank verpflichtet waren. Bei der Verabschiedung der Weimarer Verfassung am 11. August 1919 versuchte keine Partei mehr, das Frauenstimmrecht anzutasten.

Nachdem sich das Spektrum der Parteien in Deutschland um die Jahreswende 1918/1919 um die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) erweitert hatte, wurden zwei internationale Frauentage durchgeführt: ein kommunistischer und ein sozialdemokratischer. Für das Jahr 1919 hatte die KPD den Internationale Frauentag unter der Losung: "Alle Macht den Räten! Alle Macht für den Sozialismus!" auf den 6. April festgelegt. Der Belagerungszustand machte öffentliche Kundgebungen an vielen Orten unmöglich. Wo sie stattfanden, wurde darauf hingewiesen; dass mit der Einführung des Frauenwahlrechts die Gleichberechtigung der Frauen noch lange nicht erreicht sei. Anders dachte die Parteiführung der MSPD: Auf der im Juni 1919 in Weimar tagenden Frauenkonferenz wurde der Antrag, den Internationalen Frauentag wieder einzuführen, auf Empfehlung Marie Juchacz', Mitglied im Parteivorstand, abgelehnt, weil sie und die Parteiführung die Meinung vertraten, dass mit der Durchsetzung des Frauenwahlrechts in Deutschland die Ziele des Internationalen Frauentages erreicht waren und nun dringendere Probleme anstünden.

Die Frauen an der parteipolitischen Basis waren anderer Meinung. Sie brachten 1920 den Antrag ein, der sozialistischen Internationale den Vorschlag zu unterbreiten, einen Internationalen Frauentag einzuberufen, der für den allgemeinen Weltfrieden eintreten solle. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Eine vom linken Flügel der proletarischen Frauenbewegung geprägte Tradition wollte man lieber nicht wieder aufzunehmen. So verzichtete die Parteiführung der MSPD auf Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag und überließ sie der KPD. dem linken Flügel der USPD und einzelnen Gewerkschafterinnen.


Der 8. März wird zum einheitlichen Datum

Im Juni 1921 beschloss die zweite Internationale Konferenz der Kommunistinnen unter Leitung von Clara Zetkin einstimmig, dass künftig der Internationale Frauentag einheitlich in der ganzen Welt am 8. März stattfinden sollte. Das Datum sollte an den 8. März 1917 erinnern, an dem die Textilarbeiterinnen in St. Petersburg unter dem Motto "Frieden und Brot!" gegen das zaristische Russland streikten und damit zur Auslösung der Februarrevolution am 12. März 1917 beitrugen. Veranstaltungen wurden nun in vielen Ländern, darunter Bulgarien, China, England, Estland, Finnland, Iran, Japan, Litauen, Polen und Rumänien, regelmäßig am 8. März durchgeführt. In Deutschland waren die Widerstände gegen kommunistische Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag auch in den folgenden Jahren groß. Es dauerte bis 1925, bis die SPD auf dem Heidelberger Parteitag beschloss, den Internationalen Frauentag "im Interesse der Arbeiterklasse aller Länder zur Verwirklichung des Sozialismus" als eine "Demonstration für den Weltfrieden und die internationale Solidarität" wieder einzuführen. Der sozialdemokratische internationale Gewerkschaftsbund folgte noch im gleichen Jahr dem Beschluss. Vom 7. bis 14. März 1926 konnte - ebenso wie in den folgenden Jahren - wieder ein offizieller Frauentag - getrennt von den Kommunist innen - stattfinden.

Die zentralen Themen während der Weimarer Republik waren, sowohl bei Kommunistinnen wie Sozialdemokratinnen und Gewerkschafterinnen, die Sicherung des Friedens, der Kampf gegen die wachsende faschistische Gefahr, die Weltwirtschaftskrise, die Erwerbslosigkeit, die Notverordnungen sowie die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Es entstand schon damals eine Massenbewegung für die Streichung des aus dem Jahre 1871 stammenden § 218 aus dem Strafgesetzbuch.

Nur ganz vereinzelt kam es zu gemeinsamen Aktionen von sozialdemokratischen, gewerkschaftlichen und kommunistischen Frauen. So wurde die Bündelung der Kräfte gegen den Naziterror versäumt. Für SPD- und Gewerkschaftsfrauen waren 1931 die letzten Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag vor der Machtübergabe an Hitler. Die letzte kommunistische Frauentagsveranstaltungen stand 1932 unter dem Motto: "Der Internationale Frauentag - ein Kampftag gegen Faschismus und Kriegsgefahr." Es war zu spät: KPD, SPD und Gewerkschaften und alle sozialistischen Frauenorganisationen in Deutschland wurden samt ihrer Presseorgane zwischen März und Juni 1933 verboten. Der Bund Deutscher Frauenvereine löste sich im Mai 1933 selbst auf, ohne sich gegen den Druck der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) aufzulehnen. Im September 1933 folgte der Deutsche Staatsbürgerinnenverband. An die Stelle des internationalen Frauentages trat nun der Muttertag.

Die bürgerlichen Parteien und Frauenverbände hatten schon lange den in den USA eingeführten Muttertag, der an jedem zweiten Sonntag im Mai stattfand, übernommen. An diesem Tag, den der Kongress der USA am 8. Mai 1914 zum Staatsfeiertag erhoben hatte, sollte an die aufopfernde Fürsorge der Mütter erinnert werden, um die sozialen und politischen Forderungen der Arbeiterinnen in den Hintergrund zu drängen. Die Idee verbreitete sich auch in Europa. Er wurde seit 1917 in der Schweiz und seit 1919 in Schweden begangen. In Deutschland wurde er mit Unterstützung der beiden christlichen Konfessionen seit dem 13. Mai 1923 gefeiert. Mit ihm verbanden sich von Anfang an kommerzielle, bevölkerungspolitische und militärpolitische Interessen. Die kommunistische und sozialdemokratische Arbeiterbewegung lehnte den Muttertag ab. Bei den Gewerkschaften spielte er nie eine Rolle. Sie verwiesen auf die Verlogenheit des Mutterkultes angesichts der Realität der proletarischen Mütter.


Faschistische Diktatur in Deutschland

Nach der Machtübernahme der Nazifaschisten am 30. Januar 1933 wurde der Muttertag auf den zweiten Sonntag im Mai gelegt und in den Rang eines offiziellen Feiertags erhoben. Viele der in SPD, KPD und Gewerkschaften organisierten Frauen, Jüdinnen, Sinti und Roma und andere, die sich zur Wehr setzten oder nicht anpassen wollten, wurden verfolgt, in Konzentrationslager gesteckt und ermordet, sofern sie nicht emigrieren oder untertauchen konnten. Der Internationale Frauentag wurde offiziell verboten. Frauen sollten sich auf ihre "natürlichen Funktion" als Ehefrau und Mutter besinnen und das hieß jetzt: "Dem Führer Kinder schenken."

In vielen Arbeiterfamilien vermochte sich der Muttertag auch nach 1933 nicht durchzusetzen, erst recht nicht der ihn durchdringende faschistische Geist. Die Idee des 8. März blieb lebendig, auch wenn es nicht mehr möglich war, dafür auf offener Straße zu demonstrieren. Eine breite internationale Frauenbewegung gegen Krieg und Faschismus konnte sich - trotz einiger Versuche - nicht formieren. Millionen Menschen, sowohl Soldaten als auch Männer, Frauen und Kinder aus der Zivilgesellschaft wurden ermordet. Viel zu viele Frauen haben Anpassungsleistungen erbracht und wieder andere waren Täterinnen - Akteurinnen im schlimmen Sinne.


Der Internationale Frauentag nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach der Spaltung in Ost- und Westzonen existierten wieder zwei Internationale Frauentage. Die Leiterin des zentralen Frauensekretariats der SPD, Herta Gotthelf, forderte dazu auf, den Tag wieder getrennt von den Kommunistinnen im April, Mai oder Juni zu begehen. Im Jahrbuch der SPD findet sich eine Meldung, dass 1947 (ohne festes Datum) in den drei Westzonen und in Berlin zum ersten Mal wieder der Internationale Frauentag der SPD abgehalten wurde. Bei den Kundgebungen, die auch in den folgenden Jahren an die Erhaltung des Weltfriedens mahnten, wurden Botschaften aus England, Skandinavien, Österreich und Holland verlesen. Teile der Partei und des Parteivorstandes standen den Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag nach wie vor skeptisch gegenüber. Die KPD und die Orts- und Landesgruppen des DFD blieben, bis sie 1956 vom Bundesverfassungsgericht verboten wurden, auch in den westlichen Besatzungszonen beim traditionellen 8. März.

Besonders schwer tat sich die neu gegründete Einheitsgewerkschaft in Deutschland (West). Sie sah den Internationalen Frauentag im Zusammenhang mit der sozialistischen Tradition und fürchtete daher Schwierigkeiten, diesen Tag den christlichen Kolleginnen als einen gewerkschaftlichen Tag nahe zu bringen. Berichte und Aufrufe des Deutschen Gewerkschaftsbundes und seiner Einzelgewerkschaften aus dieser Zeit existieren keine. Auch bei den Sozialdemokratinnen ging Mitte der 1950er und in den 1960er Jahren das zentrale Anliegen des internationalen Frauentages als politischer Tag zur Thematisierung von Frauenfragen zunehmend verloren. An vielen Orten fanden überhaupt keine Veranstaltungen mehr statt. Die Berufstätigkeit der Frauen stand zu dieser Zeit nicht im Mittelpunkt der SPD-Frauenpolitik. Sie trat für ein "Familiengehalt" ein, vor allem, wenn "schulpflichtige Kinder" im Haushalt lebten. Zudem war die Partei mit der Verabschiedung des Godesberger Programms am 15. November 1959 von der Arbeiterpartei zur Volkspartei geworden und hatte offensichtlich kein Interesse an traditionellen "kämpferischen" Frauentagen, zumal die Aktivistinnen der ersten Stunde meist nicht mehr am Leben waren und Clara Zetkin in Ungnade gefallen war, weil sie Kommunistin wurde.

In der sowjetischen Besatzungszone wurde ab 1946 der Frauentag wieder offiziell und nach der Gründung des Demokratischen Frauenbundes Deutschland (DFD) im März 1947 alljährlich als Kampftag der Frauen begangen. Nach der Gründung der DDR wurde er vor allem in den Betrieben zum festen Ritual. Er entwickelte sich vor dem Hintergrund der These, dass die Gleichberechtigung mit der sozialistischen Gesellschaftsordnung erreicht und die Rechte der Frauen weitgehend verwirklicht seien. Herausragende Leistungen von Frauen in der Produktion wurden zum Internationalen Frauentag gewürdigt. Es gab Orden und Ehrenzeichen, rote Nelken, Kaffeetafeln und Reden über die "Errungenschaften des Sozialismus". Clara Zetkin wurde zur Gallionsfigur. Die Clara-Zetkin-Medaille für "hervorragende Arbeiterinnen und Bäuerinnen, Aktivistinnen und Veteraninnen der Arbeiterbewegung ebenso wie für Frauen aus den Reihen der Intelligenz und aus anderen Schichten" wurde alljährlich am 8. März verliehen.


Der Einfluss der neuen Frauenbewegungen auf den Internationalen Frauentag

In Westdeutschland wurde er mit der Herausbildung der "neuen Frauenbewegungen" in den späten 1960er Jahren und zu Beginn der 1970er Jahre wieder "entdeckt".

Große Teile der autonomen Frauenbewegung identifizierten sich zunächst allerdings eher mit der auf den 30. April folgenden Walpurgisnacht als "ihrem Frauentag". Mit großen und lautstarken "Hexendemonstrationen" gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen und mit rauschenden Festen eroberten sich die Frauen in vielen Städten symbolisch die Nacht zurück.

Erst im Laufe der 1970er Jahre setzte sich der 8. März wieder durch. Dass autonome Feministinnen zunehmend ihre Distanz zu diesem Datum aufgaben, resultierte vor allem aus der Erkenntnis der neuen Frauenbewegungen, dass international der 8. März für Frauen ein politischer Feiertag und damit ein weltweit gemeinsames Identifikationsdatum ist. Feministische Gruppen begannen zusammen mit Frauen aus Institutionen, Parteien und Gewerkschaften den 8. März als Frauentag neu zu besetzen und ihn für gemeinsame Aktionen zu nutzen und aktuelle Forderungen zu thematisieren, wie die Kritik an der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung, das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und den Kampf gegen Gewalt an Frauen und Kindern.

Nachdem die UNO im Dezember 1977 beschloss, den 8. März als Internationalen Frauentag anzuerkennen und sich 1978 auch die Sozialistische Fraueninternationale in Vancouver, Kanada, anschloss, forderte die ASF-Bundeskonferenz im Mai 1979 den Parteivorstand der SPD auf, künftig wieder jedes Jahr am 8. März einen Internationalen Frauentag zu begehen. Einen Monat später stellten die Frauen auf der 10. Frauenkonferenz des DGB in Augsburg ebenfalls den Antrag. In den DGB-Mitteilungen für Frauen Nr. 6/79 wurden die Verwaltungsstellen durch die Abteilung Frauen aufgefordert, den 8. März 1980 als internationalen Frauentag zu nutzen und in enger Zusammenarbeit mit dem DGB und den Einzelgewerkschaften frauenrelevante Anliegen öffentlich zu machen. Auch die SPD lud nun wieder zu großen Veranstaltung mit prominenten RednerInnen ein.

Tatsächlich war für die Gewerkschaftsfrauen die Durchführung des internationalen Frauentages am 8. März 1980 mit erheblichen innerorganisatorischen Problemen verbunden: Am 19. Januar 1980 fasste der DGB-Bundesvorstand einen Beschluss, mit dem die DGB-Kreise angewiesen wurden, keine eigenen Veranstaltungen zum Frauentag durchzuführen und sich auch nicht an anderen Veranstaltungen zu beteiligen. Als Grund wurde die Wahrung des Prinzips der Einheitsgewerkschaft genannt. Die Presse, die sich sonst wenig um gewerkschaftliche Frauenarbeit kümmerte, griff die nun entstehende Kontroverse auf. Einige Gewerkschaften (z. B. die IG Metall) führten unter heftigen Bauchschmerzen dennoch Veranstaltungen durch. Die Gewerkschaftstage von ÖTV, HBV und IG Metall sowie Druck und Papier nahmen noch im gleichen Jahr Entschließungen oder Anträge an, die sich für die Durchführung der Internationalen Frauentage aussprachen. Das setzte den Bundesvorstand des DGB unter Druck. Er fällte im Dezember 1980 den Beschluss, dass "in Einzelfällen" und auf Beschluss der DGB - Kreisvorstände im Einvernehmen mit den DGB-Landesbezirken am 8. März gewerkschaftliche Veranstaltungen durchgeführt werden können. Es musste sich allerdings um eigenständige gewerkschaftliche Veranstaltungen handeln, an denen "andere gesellschaftliche Gruppen" nicht beteiligt werden durften. Ebenso musste darauf geachtet werden, "dass interessierte politische Gruppierungen die DGB-eigenen Veranstaltungen nicht missbrauchen können". Das war der Bundesfrauenkonferenz des DGB zu viel. Sie beschloss im Mai 1981, den Bundesvorstand aufzufordern, auf die DGB-Kreise einzuwirken, dass diese die Kreisfrauenausschüsse bei der Durchführung von Aktionen zum 8. März unterstützten. Die Proteste der Gewerkschaftsfrauen hatten Erfolg: Im Mai 1982 beim 12. ordentlichen Bundeskongress des DGB in Berlin wurde der Beschluss gefällt, dass der Internationale Frauentag Bestandteil der Arbeit des DGB sei und auf allen Ebenen begangen werden sollte. Seit diesem Zeitpunkt feiern Gewerkschaftsfrauen auch in den westlichen Bundesländern wieder jährlich offiziell am 8. März und nehmen damit eine alte Tradition der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung wieder auf. Sie waren überzeugt, dass ein besonderer Tag für den Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen nach wie vor notwendig war und in den 1980er Jahren sogar zunehmend an Aktualität gewann. Selbstverständlich waren politischer Inhalt und die Form der Durchführung nach beinahe 70 Jahren andere als 1911.


Wie ging es weiter?

Bald gab es Bündnisse zwischen Sozialdemokratinnen, Gewerkschafterinnen und autonomen Frauen. Der 8. März wurde wieder zur Plattform für Themen wie die Diskriminierung am Arbeitsplatz und in der Familie, zunehmende Erwerbslosigkeit, Präkarisierung der Arbeit. § 218, Militarisierung, Gewalt gegen Frauen und andere.

Ein herausragendes Ereignis war der Internationale Frauentag 1994. Vier Jahre nach der Wiedervereinigung wurde er zum FrauenStreikTag, bei dem sich mehr als eine Million Frauen bundesweit gegen fortbestehende und sich verschärfende Diskriminierungen engagierten. Der erste Aufruf zum Frauenstreik "Frauen sagen NEIN!" kam vom Streikkomitee Köln/Bonn und vom Unabhängigen Frauenverband in Berlin. Die Frauen wollten sich gegen den mit der Wiedervereinigung verbundenen Arbeitsplatzabbau und den Abbau von Sozialleistungen und Selbstbestimmungsmöglichkeiten wehren. Der Aufruf wurde von einer Vielzahl zum Teil prominenter Frauen aus allen gesellschaftlichen Zusammenhängen unterzeichnetet. Die Initiatorinnen des FrauenStreikTags gingen davon aus, dass ein erweiterter Arbeitsbegriff, wie er in der Frauenforschung schon lange diskutiert wird, auch eine Erweiterung des auf Lohnarbeit verengten Streikbegriffes notwendig machte. Der Frauenstreik richtete sich daher auf die Verweigerung der gesamten Arbeit in Produktion und Reproduktion. Die Gewerkschaftsfrauen schlossen sich mit ihren Forderungen denen der autonomen Feministinnen an. Zu betrieblichen Streiks riefen sie allerdings nicht auf. Unter den Losungen: "Uns reicht's. Ein scharfer Wind fegt über das Land" machten sie Vorschläge für vielfältige phantasievolle Aktionen in Betrieben, Verwaltungen, auf der Straße und überall dort, wo es notwendig erschien.

Überall in den ungefähr 60 Frauen-Streikkomitees in fast allen größeren und später auch kleineren Städten in Ost- und Westdeutschland saßen Kolleginnen. Es gab Meinungsverschiedenheiten und Konsens, Spaß und Ärger in den heterogenen Frauengruppen der beiden Vorbereitungskomitees. Einige Frauen schieden aus, weil ihnen der Aufruf zu radikal war, andere machten nicht mehr mit, weil sie es gerne radikaler gehabt hätten. Wieder andere kamen hinzu, weil sie von dem Gedanken des bundesweiten Frauenstreiks angesteckt worden waren. Ein breites, bundesweites Frauenbündnis war wiederbelebt worden und sollte auch für die Zukunft beibehalten werden.


Ist der Internationale Frauentag heute noch notwendig?

Gegen erhebliche Widerstände von vielen Seiten haben Gewerkschafterinnen, Sozialdemokratinnen, Kommunistinnen, Frauen aus Verbänden und aus autonomen Frauenbewegung den 8. März im Verlauf der 100-jährigen Geschichte immer wieder zu einem Tag der Frauen und weithin bekannt gemacht. Heute bedarf es keiner Rechtfertigung mehr, dass auch Einheitsgewerkschaften den Internationalen Frauentag feiern können. Dass er von so vielen gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam getragen wird, macht seine Stärke aus.

Was Frauen erreicht haben ist nur gelungen, weil Frauen innerhalb der Parlamente, der Parteien, Gewerkschaften und Verbände mit denen, die jenseits von traditionellen Partei- und Gewerkschaftsstrukturen in die Politik eingreifen wollen, zusammengearbeitet haben und in diesem Sinne an einem Strang zogen. Auch 2011 haben sich an vielen Orten Frauenbündnisse gebildet, die unter dem DGB-Motto "Heute für morgen Zeichen setzen" diesen Tag begehen. Einhundert Jahre Frauentag sollte Gelegenheit sein, für die Zukunft kritisch zu überlegen, wie und mit welchen Mitteln und welchen Aktionen und Bündnissen weiter gekämpft werden soll.

Der 8. März ist kein Muttertag und kein Gedenktag, sondern sollte weiter ein Internationaler Kampftag für die Rechte der Frauen, für eine humane Gesellschaft und für den Frieden auf der Welt bleiben. Denn die Antwort auf die "ganze Frauenfrage", mit der die Forderung zum ersten Internationalen Frauentag verbunden werden sollte, steht auch heute noch aus.


Gisela Notz, Dr., Berlin, Sozialwissenschaftlerin, Historikerin


Anmerkungen:

(1) Berichte und Resolutionen in: http://library.fes.de/zweiint/f21.pdf

(2) "Beschränktes Wahlrecht" - Clara Zetkin nannte es "Damenwahlrecht" - hieße, nur die Frauen der besitzenden Klasse würden es bekommen, bzw. das "Dreiklassenwahlrecht" würde auf Frauen und Männer ausgedehnt.


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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 1-11, 49. Jahrgang, S. 39-48
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2011