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ROTER BRANDENBURGER/034: Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg 1/14


Roter Brandenburger - Januar 2014
Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg



In dieser Ausgabe...
- Kommunisten und EU-Wahl
- Gefährliche Dummheit
- Wieder Setzen! Nazis blockieren!
- Wird Linkspartei Kriegspartei?
- Um die Ukraine von einer "Moskau-jüdischen Mafia" zu befreien?
- Das Lächeln wird vergehen
- Potsdam-Report - Ein Jahr im Sauseschritt
- Mutiges Ringen um die Arbeitermacht
- Brandenburger Nachrichten in Rot
- Die Partei mobilisieren!
- Europa erfindet die Zigeuner
- Anzeigen! Impressum

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Kommunisten und EU-Wahl

Die Bundestagswahlen 2013 sind Vergangenheit. Die vermeintlichen Hauptkontrahenten entscheiden nun als potentielle Koalition darüber, was die Wähler wollten. Da freut man sich richtig auf die so genannten Europawahlen 2014. Da werden doch um ein Vielfaches mehr Wahlurnengänger verarscht. Das einzig tatsächlich Interessante daran ist: Die Kommunisten beteiligen sich an den Wahlen zum Europaparlament, aktiv und passiv! Nanu? Erkennt nicht jeder Kommunist (der die Bezeichnung verdient) selbstverständlich in der Europäischen Union das Konstrukt einer gewissen Gruppe von Großkapitalisten (Monopolunternehmen und Großbanken) zwecks Herrschaft über bisher 28 Staaten und Staatsvölker? Einem Konstrukt welches zum mörderischen Überfluss auch noch offensichtlich das preußisch-deutsche Gen des Dranges gen Osten in sich trägt! Ist es angesichts dessen nicht ein tiefer Widerspruch, wenn die DKP ihre Mitglieder und Gleichgesinnten nicht nur zur Wahlbeteiligung sondern auch zum Wahlkampf und selbst zur Kandidatur aufruft?

Ohne Zweifel, es ist ein Widerspruch. Das ganze Leben besteht aus Widersprüchen. Nur spießige Opportunisten versuchen fortwährend Widersprüchen auszuweichen oder sich den Realitäten zu unterwerfen. Die EU ist eine Realität. Sie bringt armen Menschen und Völkern längst viel Unheil und bereichert die ohnehin schon Besitzenden wie auch die stärkeren Staaten. Mit ihrem Drang gen Osten, der ununterbrochenen Kriegsbeteiligung von EU-Mitgliedsstaaten sowie dem Weltmachtstreben dieses Staatenbundes, vertieft sie die sichtbar gewachsene Weltkriegsgefahr auf unserer bedrohten Erde. Kommunisten sind - ganz im Sinne ihrer geistigen Väter Marx, Engels und Lenin - Realisten. Realismus ist Grundvoraussetzung zweckmäßiger Politik. Und man darf sich nicht von den Opportunisten täuschen lassen, die ihre Jämmerlichkeit mit dem Begriff Realismus zu tarnen versuchen. Kommunisten sind aber nicht nur betrachtende Realisten sondern vor allem Veränderer. Sie kämpfen für die Veränderung von Verhältnissen und Strukturen, die Ausbeutung der arbeitenden Menschen und soziale Unterdrückung bewirken und die Jahrzehnt für Jahrzehnt Millionen Menschen den Tod bringen.

Das Problem ist, die Kommunisten können die Menschheit nicht befreien - das können die armen Klassen und Völker nur selbst tun. Doch gerade über die EU grassieren tatsächlich in ganz Europa unglaubliche Illusionen. Die werden von Parteien, die sich oft auch noch sozialistisch nennen, in verantwortungsloser Weise geschürt. Es kommt also darauf an, die Wahrheit über die EU in den Völkern überhaupt erst einmal zu verbreiten! Auch damit die EU-Realität die Europäer nicht (wie einst die Realität der "Weimarer Republik" die Deutschen) geradewegs in den Faschismus treibt. Ansätze dazu zeigen sich seit Jahren in Hülle und Fülle. Die Wahrheit über die EU zu verbreiten ist eine revolutionäre Tat - wenn auch Dogmatiker und Anarchisten andere Kampfformen lieben. Solche Leute halten sich für den Nabel der Welt. Aber revolutionäre Veränderungen sind nur möglich, wenn sie dem Willen einer Volkmehrheit entsprechen.

Die Wahlbeteiligung der DKP bietet nicht nur Möglichkeiten, an Hand der Wirklichkeit die Wahrheit über die EU bekannt zu machen. Sie verpflichtet geradezu dazu, in der ganzen Partei den imperialistischen Charakter dieses Staatenbundes vollends zu klären. Es bedarf der Wahlabsprachen aller antiimperialistischen bzw. kommunistischen Parteien der EU-Länder, was hoffentlich zu einem Kraftzuwachs dieser Bewegung führt. Manche übersehen offenbar, dass die internationale Zusammenarbeit der Kommunisten eine Grundlage der internationalen Solidarität der Ausgebeuteten und Unterdrückten bildet. In diesem Fall also die Zusammenarbeit der Kommunisten der EU-Länder für die Solidarität (statt Nationalismus!) der Ausgebeuteten und Unterdrückten der EU-Staaten. Schließlich bringt die Ausarbeitung klarer und verständlicher Vorschläge und Forderungen der Kommunisten für die weitere Entwicklung Europas (nicht nur der EU) einen notwendigen ideologischen Klärungsprozess voran. Es ist dem Klassenfeind zumindest teilweise gelungen, Kommunisten als Antisemiten zu verleumden, nur weil sie eindeutig gegen den friedensfeindlichen Kurs Israels in Nahost stehen. Der Kampf gegen eine großkapitalistisch strukturierte und geführte EU darf nicht zu dem Eindruck führen, Kommunisten wären "Antieuropäer". Internationalismus ist ein unantastbares Grundprinzip von Kommunisten. Ein Kommunist, der dem Einfluss von Nationalismus oder Rassismus unterliegt, ist keiner. Sinnvoll und zweckmäßig wäre ein Europa solidarischer Völker. Verhängnisvoll ist ein Europa vom Großkapital sozial unterdrückten und ausgebeuteten Völker.

Hans Stahl

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Gefährliche Dummheit
von Gerhard Hoffmann

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Wieder Setzen! Nazis blockieren!

Sit down again! - Block Nazis! - Gegen Opfermythos und Naziaufmarsch

Sie lassen nicht locker: Seit vielen Jahren versammeln sich Nazis am und um den 13. Februar in Dresden zu einem sogenannten "Trauermarsch". Am Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg wollen sie die Geschichte verdrehen und verbreiten den Mythos von der "unschuldigen Stadt". Die von der Stadt betriebene problematische Tradition des "stillen Gedenkens" bietet zusätzlich Anschlusspunkte, und so konnte sich in Dresden zeitweilig der größte Naziaufmarsch Europas etablieren. Durch die solidarische Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Bündnispartner_innen konnte das gemeinsame Ziel erreicht und die Nazis in Dresden gleich im ersten Anlauf gestoppt werden. Auch in den folgenden Jahren haben tausende Gegendemonstrant_innen Zivilen Ungehorsam geleistet und sich damit gegen Rassismus und Geschichtsrevisionismus positioniert. Mit ihrem Engagement setzten sie ein klares Zeichen: Damit kommt ihr hier nicht durch! Die deutlich ansteigende Beteiligung aus Dresden konnte die abnehmende bundesweite Mobilisierung ausgleichen. Nachdem sich 2012 ca. 1500 Neonazis zum Fackelmarsch versammelten, waren es 2013 noch ca. 800. Eines steht fest: der nationalistische Großaufmarsch ist und bleibt Geschichte!

Das Bündnis "Nazifrei! - Dresden stellt sich quer" war von Beginn an mehr als ein reines Aktionsbündnis. Zu unserer Erfolgsgeschichte gehört auch der Mahngang "Täter-Spuren". Mit ihm ist es uns gelungen, für die NS-Geschichte Dresdens zu sensibilisieren und einen Kontrapunkt zur offiziellen städtischen Erinnerungspolitik zu setzen. Um den Gedenkdiskurs in Dresden auch in Zukunft mit einer kritischen Perspektive zu begleiten, werden wir dieses Projekt fortführen.

Dem großen Engagement tausender Antifaschist_innen steht bis heute staatliche Repression entgegen. Immer noch kriminalisieren sächsische Behörden unseren Protest durch Ermittlungs- und Gerichtsverfahren. Dabei schreckte die Dresdner Staatsanwaltschaft nicht vor Beweismittelunterdrückung zurück und Polizist_innen tätigten Falschaussagen vor Gericht. Dass sie damit selbst bei der berüchtigten sächsischen Justiz nicht durchkommen, verdeutlichen Freisprüche und zahlreiche Verfahrenseinstellungen in den sogenannten "Blockadeprozessen". Dennoch beharrt der Freistaat auf dieser Strategie der Einschüchterung. Dahinter steht die fatale Extremismusdoktrin, welche antifaschistisches Engagement mit Naziaktivitäten gleichsetzt. Vor dem Hintergrund des institutionellen Versagens bei den NSU-Morden ist dies umso skandalöser. Für uns steht fest: Antifaschismus können wir nicht dem Staat überlassen! Wir stehen weiterhin zusammen für Antifaschismus und gegen jeden Versuch autoritärer Einschüchterung.

Dresden hat immer noch eine hohe Symbolkraft für die Rechte Szene. Weiterhin melden Nazis über das ganze Jahr Aufmärsche und Kundgebungen an. Für uns als Bündnis "Nazifrei! - Dresden stellt sich quer" steht fest: Wir werden wieder einschreiten, wenn Nazis im Februar erneut versuchen, Geschichte zu verklären und ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten. Die Erfahrung hat gezeigt: Sie zu ignorieren macht sie stärker. Wir waren bisher erfolgreich - wir werden es auch 2014 sein.

Unsere Strategie bleibt dabei das Erfolgskonzept der Blockade. Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen.

Wir sind solidarisch mit allen, die unser Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern. Dabei bleibt es!

Und es bleibt auch dabei: Ziviler Ungehorsam ist unser Recht, Blockaden sind legitim.

Mach mit! Sei dabei - No pasaran!
Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

weitere Infos unter
www.dresden-nazifrei.com
www.dkpbrandenburg.de

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Wird Linkspartei Kriegspartei?

Außer der Linkspartei sind alle Parteien des Bundestages für Kriegsbeteiligungen der Bundesrepublik seit der Liquidierung der DDR verantwortlich. Ob beim Krieg zur Zersplitterung Jugoslawiens, beim Krieg in Afghanistan, bei der Unterstützung der häufigen Kriege ihrer Bundesgenossen des NATO-Kriegspaktes, ob mit der Zustimmung zur Stationierung ausländischer Truppen und sogar von Kernwaffen auf deutschem Boden auch nach dem angeblichen Ende des "Kalten Krieges" und der Auflösung des Warschauer Vertrages - stets trugen währenddessen CDU/CSU oder SPD, Gelbe oder Grüne in diesem Staat die Regierungsverantwortung. Als einzige Bundestagspartei hat die Linkspartei die Forderung nach Auflösung der NATO in ihrem Parteiprogramm. Als einzige stellt sie sich allen kriegerischen Auslandseinsätzen des deutschen Militärs entgegen. Sie ist also die einzige deutsche Bundestagspartei, die wenigstens der Pflicht nachkommt, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Denn die Kriege und Kriegsgefahren haben doch nach der Abschaffung sozialistisch orientierter Staaten in Europa keineswegs abgenommen. Ganz im Gegenteil - was übrigens denkwilligen Menschen Vor Augen führen sollte, dass frühere Gefahren ebenfalls nicht von den sozialistischen Ländern ausgingen.

Wer vergegenwärtigt sich in dieser reaktionären Republik eigentlich der unglaublichen Provokation, die von der Beteiligung Von US-Truppen, Von deutschen und ukrainischen Militäreinheiten am Manöver nahe der Grenzen Russlands und von Belarus ausging? Der deutsche Außenminister nahm in Kiew an Demonstrationen teil, auf denen der Rücktritt der ukrainischen Regierung verlangt wurde. Noch frecher geht es kaum ohne Krieg. Warum begreift hier niemand, dass ein Sieg "des Westens" im Krieg gegen Syrien, nach Libyen usw., nicht mehr zugelassen werden darf? Dass der mörderische Einsatz von Drohnen in anderen Ländern (denen nicht einmal der Krieg erklärt wurde) nicht unentwegt unbeantwortet bleiben wird? Dass der Flug des US-B 52-Bombers durch chinesisches Flugkontrollgebiet ein Flug an der Grenze eines Krieges ist, von dem der NATO-Staat Deutschland durchaus betroffen sein würde? Woche für Woche ereilen uns dergleichen Nachrichten. Und der heutige Durchschnittsdeutsche glaubt dennoch "wenn seit 5 Uhr 45 zurück geschossen" wird, irgendwelche Untermenschen hätten dann wieder unser völlig unschuldiges Vaterland angegriffen. Kriege fallen aber nicht vom Himmel, sondern sind Ergebnis von Jahren provokatorischer Politik. Kriegen muss vorgebeugt werden.

Und nun finde ich ein Buch der Linkspartei von 128 Seiten unter dem Titel "Linke Außenpolitik - Reformperspektiven". Es wurde herausgegeben von Stefan Liebig und Gerry Woop und mit einem Vorwort von Gregor Gysi versehen. In dem Buch vertreten mehrere Funktionäre der Linkspartei deutlich unterschiedliche Standpunkte zur bisherigen Antikriegspolitik ihrer Partei. Sie stehen offenbar unter dem Eindruck, dass eine Antikriegspartei im heutigen Deutschland als nichtregierungsfähig angesehen und behandelt wird. Statt diesen Fakt zu nutzen, um die Verhältnisse in der Bundesrepublik bloßzustellen, wird mehrfach empfohlen, "undogmatisch" mit NATO, Bundeswehrkriegseinsätzen und auch dem eigenen Parteiprogramm umzugehen, um dann als regierungsfähig akzeptiert zu werden. Unsereins ist von diesem primitiven Opportunismus nicht überrascht, sind doch Vorstöße dieser Art in der Linkspartei keine Seltenheit. Auch empfindet man die Entwicklungstendenz in dieser Partei zu einer typisch sozialdemokratischen immer schmerzhafter. Was ich in dieser von Kriegsherden gezeichneten Zeit von dieser Tendenz halte, will ich lieber nicht aufschreiben. Noch hoffe ich, die Mitglieder dieser Partei werden Funktionäre in die Wüste schicken, die nicht einmal im Kampf gegen Militarismus und Krieg zuverlässig sind. Auch glaube ich noch, die Wähler werden es der Linkspartei nicht danken, wenn sie auf ihr wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP verzichtet. Denn eigentlich müssten die tragischen Folgen der Entwicklung der Sozialdemokratie von einer Arbeiterpartei zu einer dem Großkapital hörigen Kriegspartei abschreckend genug sein.

H.St.

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Um die Ukraine von einer "Moskau-jüdischen Mafia zu befreien?
Protestbündnis für Europa - und Deutschland?
von Hans Georg, www.nrhz.de

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Das Lächeln wird vergehen

So richtig aufgefallen ist es nicht, dass es keine Regierung gab. Nach drei Monaten Dampfplaudern von nur noch amtierenden Ministern, ist nun wieder eine da. Geführt wird sie zum dritten Mal von der stolz lächelnden Alleskannzlerin. Ab jetzt wird von einem Kompetenzkonglomerat richtig rangeklotzt, soll Weisgemacht werden. Da verkrümelt sich der, der so vehement gegen die Beantragung der Einleitung eines NPD-Verbotsverfahrens polemisierte und mit seinen Diensten so gar nichts Substanzielles zum NSU-Skandal beizusteuern vermochte, auf den Acker. Nein, Landwirtschaftsminister wurde der. Der neue Innenminister ist ein alter, mit Erfahrung im Amte. Er hatte sich beim Militär versucht, glücklos. Eben noch Generalsekretärin einer Partei, haben wir nun eine noch bessere Arbeitsministerin als wir ohnehin schon hatten. Die anderen beiden Generalsekretäre können plötzlich und unerwartet Gesundheit und Verkehr. Da springt einem doch Postengeschacher ins Gesicht. Dass der bisherige Umweltminister ins Kanzleramt gepfiffen wurde, ist verständlich, trat er einfach zu offensichtlich und ehrlich für die Profitinteressen der Energiekonzerne ein. Der bisherige Kanzleramtschef war wohl zu forsch beim Abbügeln der NSA-Schnüffelei unserer allseits geliebten Freunde. Wir werden ihn sicher irgendwo "in der Wirtschaft" wiederfinden. Ein Brett vor dem Kopf schützt nicht davor, ein Barett auf den Kopf zu bekommen oder einen Stahlhelm und Verteidigungsministerin zu werden. Das L im Namen hat sie, Vielleicht, ja vielleicht wird sie in diesem Amte zur Lysistrata (gr. die Heersauflöserin)? Eher nicht, denn Kampfdrohnen braucht das Land und die Rüstungsexporte. Die USA-Atomwaffen werden in deutschen Depots stationiert bleiben. Nicht die Ministerin, der militärisch-industrielle Komplex bestimmt die Linie, wenngleich der CDU Fraktionsvorsitzende vor ihr "Männchen baute" und militärisch grüßte. Der Außenminister kann nichts anderes, als den Wünschen der Chefin mit den zur Raute gefalteten Händen zu entsprechen und an der europäisch dominierten Klitschko-Ukraine herumbasteln zu müssen. Schließlich heißt es im Vertrag der Großen Koalition: "Zudem wollen wir künftig eine Anlaufhemmung bei bestimmten Auslandssachverhalten hinsichtlich der Festsetzungsverjährung einführen, wenn diese nicht korrekt erklärt werden kann." Und der Superminister? Einen Dreck wird der sich erinnern, dass er irgendwann einmal von einer Großen Koalition für die kleinen Leute schwafelte. Aus Platzgründen ist die Aufzählung unvollständig. Das Heer der Regierungslakaien steht, die Posten sind regierungstreu besetzt, die Einkünfte stehen fest. Ein paar mehr Staatssekretäre sind es geworden, schließlich hat es ja eine Große Koalition. Es ließe sich zynisch fragen, weshalb eigentlich damals im September 2013 eine Wahl stattfand, da doch alles bleibt, wie es war. Die Antwort dürfte eindeutig ausfallen: Es wird schlimmer als es war. Darauf wettet

Till

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Potsdam-Report

Ein Jahr im Sauseschritt

Nun ist wieder ein Jahr vergangen. Ehe man sich umsieht, saust alles an einem vorbei. Weiß man noch was so vor einemJahr los war? Deshalb möchte ich das vergangene Jahr aus Potsdamer Sicht kurz vorbei ziehen lassen. Seit über einem Jahr melde ich mich zu Potsdamer Themen zu Wort. Seit Oktober mit festem Platz.

Vielfältig waren diese Themen. Anfang des Jahres ging es vor allem um den etablierten Antikommunismus. Nach den Bestrebungen, die Wiederaufstellung des Lenindenkmales in der Hegelallee zu verbieten, ging es um den 2006 verstorbenen Antifaschisten und Schriftsteller Otto Wiesner. Auf Vorschlag der Partei die Linke und der Fraktion Die Andere sollte ein Platz nach ihm benannt werden. Ein "historisches Gutachten" bescheinigte ihm "Erunwürdigkeit". In die gleiche Richtung gingen die Pläne, das Babelsberger "Karl-Liebknecht-Stadion" umzubenennen. Zum Glück scheint sich bisher kein Sponsor gefunden zu haben, nach dem das Stadion benannt werden könnte.

Vielleicht wurde er auch durch den Widerstand der Fans davon abgehalten.

Im September wurde in der Gedenkstätte Lindenstraße das letzte "Modul" der Ausstellung, die Zeit von 1933 bis 1945, eröffnet. Man hatte nur "vergessen", dazu die Fraktion Die Andere und die VVN/BdA einzuladen. An der Erarbeitung der Ausstellung waren die Opferverbände dieser Zeit nicht oder nur gering beteiligt worden.

Eine besondere Bedeutung hatte der Tag von Potsdam, der sich 2013 zum Achtzigsten mal jährte. Vor dem Hintergrund der Bestrebungen, die Garnisionkirche wieder aufzubauen, musste besonders an diesen Tag gedacht werden.

Erfreulich war der fast gelungene "Schilda-Sreich" der Fraktion Die Andere. Sie stellten folgenden Antrag an die Stadtverordnetenversammlung: "Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen: Der Oberbürgermeister wird beauftragt, zu prüfen:

- ob der Fuhrpark der Stadtverwaltung Potsdam durch Dienstpferde ergänzt oder ersetzt werden kann.

- welche Kosten ggf. für Anschaffung und Haltung der Pferde sowie die Errichtung und Nutzung des Langen Stalls als Stall und Reithalle (inkl. angrenzender Stadträume als Koppeln und Auslaufflächen) entstehen." Dass sie mit ihrem Antrag nicht so falsch lagen, zeigte das Abstimmungsergebnis im Hauptausschuss. Der Antrag scheiterte zwar, aber mit 18 ja zu 19 nein-Stimmen.

Besondere Aufmerksamkeit bekam natürlich die Garnisionkirche. Für ihren Wideraufbau verlegt und verengt die Stadt eine große und verkehrsreiche Straße. Die Bundesregierung verspricht der Stiftung für den Wideraufbau 12,5 Millionen Euro für die Kopie eines nicht mehr vorhandenen Bauwerkes. Dabei fehlt es angeblich an Geld für die Erhaltung der vorhandenen Kirchen und Schlösser. Die Friedenskirche am Park Sanssouci benötigt dringend ein neues Dach. Und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten will jährlich eine Millionen Euro von Potsdam oder einen Parkeintritt einführen. O.g. Geld wäre also besser an anderer Stelle aufgehoben.

Ein feierlicher Augenblick war die Einweihung des Denkmals auf dem Gelände des freiLands zum Tag der Befreiung. Ein Projekt, das wesentlich durch das Wirken der jungen Leute im Jugendprojekt freiLand zu Stande kam.

Und zu guter Letzt geht es immer wieder um Prioritäten in dieser Stadt. Altpreußisches Disneyland oder eine über die Zeit sich entwickelte Stadt. Toter Schlosspark oder Hotel-Mercure-Hochhaus und Weiße Flotte. Schwimmbad im Zentrum, für alle gut erreichbar oder j.w.d. Ein Fußballplatz mit Duschen und Umkleideräumen neben einem Park oder "idyllische" Randzonen beim Babelsberger Park. Viele Entwicklungen laufen noch. Ob sie in den kommenden Kommunalwahlkämpfen eine Rolle spielen wird sich zeigen. Die DKP-Gruppe Potsdam will sich nach Kräften zu Wort melden und die Finger in die Wunden legen.

Auf ein spannendes Jahr 2014.

Frank Novoce

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AUS DEM GESCHICHTSBUCH

Mutiges Ringen um die Arbeitermacht in der Provinz Brandenburg 1918/19

Den Sturz der kaiserlichen Regierung in Deutschland wollten die revolutionären Arbeiter der Industrieorte Hennigsdorf, Spandau und Velten nutzen, um eine wirkliche Arbeitermacht zu entwickeln. Ausgangspunkt war die Machtübernahme der Hennigsdorfer und Veltener Betriebe durch einen zentralen Arbeiterrat, der sich aus Vertretern aller Fabriken in beiden Orten zusammensetzte.

Ähnlich wie bei der Firma Schwarzkopf und in anderen Berliner Großbetrieben erkämpften sich die Hennigsdorfer AEG-Werktätigen weitgehende Kontrollrechte in der Mitbestimmung bei der Betriebsführung. Einstellungen und Entlassungen durften nur mit Zustimmung des Betriebsrates vorgenommen werden.

Aber schon auf einer der ersten Betriebsversammlungen wurde auch die geschickte Taktik der SPD-Führung sichtbar. Ein Gewerkschaftsführer namens Köhler forderte die Arbeiter und Angestellten auf, zu arbeiten, was die Knochen ergeben, da ja nun die Betriebe den Arbeitern gehören. Wer dieser Argumentation folgte, und in Hennigsdorf waren das nicht wenige Arbeiter, stand den Forderungen der Spartakusgruppe zur Weiterführung der Revolution skeptisch gegenüber, dennoch wurde ein kommunaler Arbeiterrat in Hennigsdorf gebildet. Am 9. November 1918 wurde in Velten auf einer Versammlung, die von ca. 1000 Einwohnern, besucht war, ein provisorischer Arbeiter- und Soldatenrat gebildet. Einen Tag später wurde der Rat auf einer Einwohnerversammlung offiziell gewählt. Die bürgerliche "Veltener Zeitung" wurde zum Publikationsorgan des Arbeiter- und Soldatenrates bestimmt. Aber ebenso wie im Nachbarkreis Niederbanirm, wo am 17. November 1918 129 Delegierte aus 67 Orten auf einer Kreiskonferenz der Arbeiter- und Soldatenräte forderten, die Landräte zu ersetzen und an die Stelle der Gemeindevertretungen örtliche Arbeiter- und Soldatenräte treten zu lassen, blieben auch in Velten die Beschlüsse des kommunalen Rates weitgehend auf dem Papier stehen. So änderte sich der reaktionäre Charakter der "Veltener Zeitung" keineswegs. Das Blatt bedauerte den unrühmlichen Abgang des Kaisers, anstatt die revolutionären Ereignisse in Velten, Bötzow, Hennigsdorf und Marwitz gebührend zu würdigen.

Das Verharren in der bürgerlichen Demokratie, die mangelnde Bereitschaft, die errungene Macht auszuüben, zu erweitern und zu festigen, war typisch für Deutschland. Bereits am 6. Dezember 1918 zeigten Vertreter des sorgsam erhaltenen kaiserlichen Staatsapparates wie sie die ihnen gewährte Demokratie zu nutzen gedachten. Sie organisierten am 6. Dezember des Jahres einen Putsch gegen die Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin und Umgebung. Eine Welle der Empörung, insbesondere über den Mord an 14 Demonstranten in der Berliner Chausseestr., erfasste die Berliner Großbetriebe, deren Belegschaften am 7. Dezember 1918 die Arbeit niederlegten. Auch die Arbeiter und Angestellten der AEG-Hennigsdorf beteiligten sich geschlossen an dem eintägigen Proteststreik. Folgende an den Rat der Volksbeauftragten gerichtete Resolution beweist den Zorn der Werktätigen. "Endunterzeichnete erlauben sich, nachfolgende Resolution zur Kenntnis zu bringen: 10.000 im Wald bei Schulzendorf versammelte Arbeiter und Angestellte der AEG-Werke Hennigsdorf protestieren durch ihre einmütige Arbeitsniederlegung gegen das am Freitag dem 6. Dezember angerichtete Blutvergießen unter friedlichen Demonstranten. Die Versammelten verlangen, dass in Zukunft keine bewaffneten Truppen oder Sicherheitsmannschaften Demonstranten entgegengestellt werden, da ein solches Vorgehen dem Geist der Revolution nicht entspricht. Wir fordern die Brüder im Waffenrock auf, sich niemals und von keiner Seite zu derartigen Handlungen_ hinreißen zu lassen. Die Versammelten bringen zum Ausdruck, dass mit dieser Demonstration keiner politischen Partei Unterstützung gewährt werden soll. Die Arbeiter- und Angestelltenräte und -Ausschüsse der AEG-Hennigsdorf. Im Auftrage: Heinrich Weber".

Der Kurzstreik beweist eindeutig, dass es in der Berliner und Brandenburger Arbeiterschaft starke Kräfte gab, die sich dem Wüten einer konterrevolutionären missbrauchten Soldateska entgegenzusteuern, bereit waren. Der Revolutionsverlauf zeigt aber auch, dass die Machtfrage falsch eingeschätzt wurde, dass die Werktätigen den SPD und USPD Führern ihr Vertrauen entgegenbrachten, das bewusst missbraucht wurde.

Der Spartakusgruppe in der AEG-Hennigsdorf war es nicht gelungen, bestimmenden Einfluss auf das Geschehen in Bezug auf das Wirken des Arbeiterrates zu gewinnen. Der Versuch der Spartakusgruppen in Hennigsdorf und Velten innerhalb der USPD zu wirken, um diese Partei in eine marxistische Kampfpartei umzugestalten, hatte sich als untauglich erwiesen. Die leitenden Funktionäre der USPD verzichteten, wie die SPD-Führung, auf die Weiterführung der Revolution im Land. Im Ergebnis dieser Erkenntnis entschlossen sich die Spartakusmitglieder in Reinickendorf, Tegel und Wittenau sowie in Hennigsdorf und Velten, sich unmittelbar nach der Gründung der KPD sich als KPD-Unterbezirk Reinickendorf zu konstituieren. In Hennigsdorf und Velten wurden Ortsgruppen der KPD gegründet. Maßgeblichen Anteil daran hatten Gustav Gersinski in Velten und Paul Schreier in Hennigsdorf. Er kannte Karl Liebknecht persönlich, der entscheidenden Anteil an seiner politischen Entwicklung hatte.

Mit den Berliner Januarkämpfen 1919 stand die junge KPD vor einer Aufgabe, die sie noch nicht bewältigen konnte. Bei der Verteidigung des Vorwärtsgebäudes in Berlin leisteten neben anderen Revolutionären auch Hennigsdorfer Kommunisten erbitterten Widerstand gegen die konterrevolutionären Truppen. So hat Hilde Steinbrink sich am Maschinengewehr unerschrocken eingesetzt Sie schuf ein Beispiel für die Kampfbereitschaft der proletarischen Frauen im Sinne von Clara Zetkin und Rosa Luxemburg.

Aus dem Industrieort hatte sich nur eine Minderheit an den Januarkämpfen von 1919 beteiligt. Die Kämpfer hatten sich dennoch die Achtung und Solidarität eines Teils der Arbeiter erworben. Davon zeugt die Resolution des Arbeiterrates der AEG-Henigsdorf vom 18. Februar 1919, in welcher der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verurteilt und die Bestrafung ihrer Mörder gefordert wurde: "Mit immer tiefer gehender Entrüstung verfolgt die hiesige Arbeiterschaft die jüngsten politischen Ereignisse. Sie verurteilt aufs schärfste die provozierende Haltung des Militärs und der militärischen Führer, insbesondere das Vorgehen des Obersten Reinhard in der Untersuchung gegen Radek. Sie fordern die Regierung auf, endlich die Untersuchung gegen die Mörder des Genossen Liebknecht und der Genossin Luxemburg zu führen."

Dr. Günter Wehner


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Besetzung des Vorwärts-Gebäudes, 06. Januar 1919
- Berlin 16.12.1918, Demonstration vor dem Rätekongress in Berlin, 16.12.2018

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Brandenburger Nachrichten in Rot
[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Die Partei mobilisieren!

Die erste Phase der Mitgliedsbuchneuausgabe ist vorerst abgeschlossen. Nahezu alle Grundorganisationen haben, die Erfassungsbögen ausgeteilt und Gespräche mit den Mitgliedern geführt. In den meisten Grundorganisationen sind die Mitgliederversammlungen bereits durchgeführt worden und Genossen, die weniger aktiv in den Grundorganisationen sind, wurden aufgesucht.

Diese Besuche und Gespräche sind sehr wichtig, nicht nur, weil wir um den 100-prozentigen Erhalt unserer Mitgliedschaft ringen, sondern weil wir die Gelegenheit nutzen wollen, um die Genossen über die Entwicklung der Partei zu informieren und zu erfahren, was sie bewegt, was sie von der Partei erwarten, ob sie Probleme mit der Partei haben, was sie von der Gruppenarbeit abhält und ob wir etwas tun können, um sie wieder stärker einzubinden. Nicht wenige dieser Genossen können sich wegen ihres hohen Alters nicht mehr regelmäßig am Gruppenleben beteiligen. Auch für sie ist es ganz wichtig über diesen Weg auf dem Laufenden zu bleiben. Sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer Partei und wir brauchen ihre Meinungen und Erfahrungen!

Die Ausgabe der Bücher ist 2013 abgeschlossen, so dass wir uns auf die zweite Phase, eine Offensive zur Stärkung der Partei, konzentrieren. Um am LLL-Wochenende im Januar 2014 erfolgreich in die zweite Phase der Mitgliedsbuchneuausgabe, unsere Kampagne, starten zu können, sind in den Gliederungen nun außerdem mindestens zwei Schritte zu tun:

Wir führen auf allen Ebenen, wo es möglich ist, Gespräche mit der SDAJ und anderen jungen Genossen. Wir informieren uns dabei über die Ergebnisse des 21. Bundeskongresses der SDAJ und informieren unsererseits über die geplante Kampagne zur Stärkung der Partei. Wir überlegen, an welchen Punkten wir zusammen wirken können.

Wir mobilisieren möglichst viele Genossen und Freunde zum politischen Jahresauftakt, dem Luxemburg-Liebknecht-Wochenende nach Berlin. Das Wochenende am 11./12. Januar 2014 steht 100 Jahre nach Beginn des 1. Weltkrieges im Zeichen des Antimilitarismus. Dafür mobilisieren wir mit der UZ-Extra.

Die Landesmitgliederversammlung am 30. November hat sich zum Ziel gesetzt, bis Mai 2014 je Grundorganisation fünf neue Mitglieder zu gewinnen.

Detlef Krüger
stellvertretender Landesvorsitzender

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Der rote Bücherwurm empfiehlt

Europa erfindet die Zigeuner

Eine Geschichte von Faszination und Verachtung

Von Klaus-Michael Bogdal


Klaus Michael Bogdal, geboren 1948, ist Professor für Germanistik an der Universität Bielefeld. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht. Schon 1978 erregte der Autor die Gemüter der Fachgelehrten mit dem Werk "Schaurige Bilder. Der Arbeiter im Blick des Bürgers am Beispiel des Naturalismus". Das Eigene und die Darstellung des Fremden ist auch Thema seines 2011 herausgegebenen Bandes "Europa erfindet die Zigeuner", das einer Geschichte von Abgrenzung, Fremdbestimmung und Verachtung nachgeht. Noch heute ist in Deutschland der abwertende Name Zigeuner üblich. Er stammt vermutlich aus dem byzantinischen Wort atingani - die Unberührten. Darunter versteht man die unterste Schicht der indischen Gesellschaft. Sinti (Deutschland) und Roma sind Selbstbezeichnungen. Rom heißt auf Romanes: Mensch. Der Autor verwendet meist die Bezeichnungen "Rom-Völker und Romgruppen", weil sie seiner Meinung nach die umfassendsten möglichen Bezeichnungen sind. Schließlich leben sie seit mehr als fünfhundert Jahren über ganz Europa zerstreut in kleinen "Völkern" ohne Land.

Das Buch "zeichnet die Geschichte der Darstellungen der Zigeuner in der europäischen Literatur und Kunst vom Spätmittelalter bis heute nach." Über die Kultur der Romvölker war nur sehr wenig in Erfahrung zu bringen, weil deren Lebensweisen lange auf mündlich überlieferten Traditionen beruhten. Statt dessen gibt es viele schriftliche Zeugnisse, die von außen über sie berichten, neben Chroniken, Gerichtsdokumenten und ethnographischen Arbeiten sind das vor allem literarische Texte. Man erfährt hier mehr über die Verfasser, ihre Vorstellungen, Ängste und Abwehrmechanismen als über das Leben der Romvölker. Selbst die Romantiker, die von dem "Zigeunerleben" fasziniert waren, benutzten sie nur als Material für die damals beliebten Schauerromane. Die "Zigeuner" paßten in ihr Bild von Freiheit und Abenteuer. Mit der Vagabundenliteratur Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beginnen Annäherungen an die "Zigeuner". Die proletarisch revolutionären Arbeiterschriftsteller, die "Solidarität als eine Stärke der Schwachen" verstanden, betrachteten sie als gleichwertige Menschen. Beispielhaft für diese Haltung steht das Jugendbuch "Ede und Unku" von Alex Wedding (Grete Weiskopf). Die ersten schriftlichen Selbstzeugnisse entstanden nach 1945. Es sind ergreifende autobiographische Texte und fiktive Darstellungen von großer poetischer Kraft.

Die europäische Geschichte "der Romvölker beginnt mit den Chroniken. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts berichteten sie mehrfach über noch nie gesehene unbekannte Fremde, seltsame schwarze Menschen, die an den Toren der Städte um Einlaß baten. Ihre nebulöse Herkunft gab Anlaß zu Phantasien und märchenhaften Schilderungen über ihre Abstammung. Das änderte sich mit der Entdeckung der "Zigeunersprache, für die sich später der Begriff Romanes durchsetzte". Gegen Endes des 18. Jahrhunderts entdeckten Sprachwissenschaftler ihre nahe Verwandtschaft mit dem altindischen Sanskrit. Leider führte dieses Wissen nur bei ganz wenigen Vertretern der "aufgeklärten" Wissenschaftler zu einem veränderten Blick auf die "Zigeuner".

Bogdal geht den Ursachen nach für den jahrhundertelangen abgrundtiefen Haß. Lange Zeit hielten die Europäer "Zigeuner" für Vorboten der gefürchteten Tartaren. Ihre andersartige Erscheinung und Lebensweise war eine Herausforderung für die "ständische und bodenständige Gesellschaft" - eine Gegenkultur, die Machtstrukturen in Frage stellte und gleichzeitig für eine überwundene Stufe der menschlichen Entwicklung gehalten wurde. Es gab immer wieder Versuche, die "Zigeuner" zu einzugliedern. Sie scheiterten, weil sie als Zwangsmaßnahmen nur einem Ziel dienten, der Auslöschung ihrer Kultur. Gute Ansätze gab es in den sozialistischen Staaten. Der Autor entdeckt erschreckende Gemeinsamkeiten in "der Wahrnehmung, Identitätszuschreibung, Aufnahme und Ausgrenzung" zwischen den europäischen Nationen. Eine traurige Bilanz.

Die Geschichte der europäischen "Zigeuner" ist eine Geschichte von Verachtung, Ausgrenzung und Verfolgung, die in den Vernichtungslagern der Faschisten ihren Höhepunkt fand. Das Buch gibt Zeugnis von dem "zerstörerischen Potential" der europäischen "Kulturgesellschaften". Klaus-Michael Bogdal hat ein Buch über die Geschichte geschrieben, "die fortschreitet, ohne Fortschritte hervorzubringen", über die Geschichte "vom Gerücht bis zur akademischen Wissenschaft" - ein soziologisches, psychologisches und literarisches Meisterwerk! Es ist das erste Buch über die Romvölker aus gesamteuropäscher Sicht. Wer hat was aus der Geschichte gelernt, wenn sich in Deutschland inzwischen alte und neue Faschisten mit staatlicher Unterstützung die Hände reichen dürfen? Als mit dem Ende des Sozialismus in Europa wieder Tausende Roma zur Flucht gezwungen wurden, "wendete sich der deutsche Innenminister gegen die sogenannte Armutswanderung aus dem Osten und meinte die Roma".

Das vorliegende Werk erhielt zu Recht den Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung 2013!

Ulla Ermen



Klaus-Michael Bogdal
Europa erfindet die Zigeuner
Eine Geschichte von Faszination und Verachtung
Suhrkamp Verlag Berlin 2011
590 Seiten - Ausgabe geb.: 24,90 EURO

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IMPRESSUM

Herausgeber: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Landesvorstand Brandenburg
Anschrift der Redaktion "Roter Brandenburger" & des Herausgebers:
c/o Brigitte Müller, Schulwinkel 5, 14621 Wansdorf
Internet: www.dkpbrandenburg.de
e-mail: rb@dkpbrandenburg.de
Fax/Anrufbeantworter: 033231/60661

V.i.S.d.P: Brigitte Müller
Layout: Frank Novoce
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Redaktionsschluss für Nr. 02/2014: 15. Januar 2014

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Quelle:
Roter Brandenburger 1/2014, 19. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2014