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ROTFUCHS/093: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 139 - August 2009


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

12. Jahrgang, Nr. 139, August 2009



Inhalt
Kriminelle Kriminalisierer
Wahlköder und Seelenmassage
Boß der Schlapphüte als SPD-Spitzenkandidat
Angie hinter Gittern?
Herbert Mies zieht Bilanz
Globkes langer Schatten
Kein Sturz vom Baugerüst
Todesschüsse aus dem Westen
"Brüder und Schwestern"
Konrad Henleins Nachfolger bleiben gefährlich
Wie die Domowina zerschlagen wurde
Polenfeindliches Machwerk
Zurückweichen und Selbstvernichtung
Moralisch-politischer Ausverkauf
WTA: Aufklärer höchsten Niveaus
"Grüner Luchs" in der Oberlausitz
Zwischen Brimborium und Angst
Fairer Meinungsstreit unter Marxisten
"Erziehungsanstalt" für Renitente
Cocktail aus Seifenblasen
RF-Extra Wortmeldung eines 21jährigen PDL-Genossen
RF-Extra Der KPP unsere Solidarität!
Der Größte aller Ponzis
BRD-Polizisten als Exportschlager
Bundeswehr forciert "Auslandsstandorte"
Gesichtslose Killer
NASA und USA-Weltraumstrategie
Über Daniel Ortega und die FSLN
Hoffnungen für Palästina?
Ein Besuch im Moskauer Richard-Sorge-Museum
Als Wahlbeobachter in Südossetien
Eine Rose für Varvarin
Auskünfte über Wilhelm Pieck
Das Lied vom großen Mann
Bekenntnisse eines Aufrechten
Lehrerin mit Leib und Seele
Narben und Schmisse
Archie und das Provinz-Theater
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Die Ausnahme und die Regel

Unlängst haben wir einen außergewöhnlichen Menschen auf seinem letzten Weg begleitet: den langjährigen RF-Gestalter Egon Schansker. In der Rede, die auf ihn gehalten wurde, hieß es, der aus Niedersachsen stammende und in Westberlin politisch aktiv gewordene frühere Schriftsetzer sei ein autodidaktisch gebildeter Marxist und ein durch nichts zu beirrender klassenbewußter Arbeiter gewesen. Menschen dieser Art sind nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Das gilt für beide Teile Deutschlands.

Angesichts eines konterrevolutionären Prozesses, der im Anschluß der DDR an die BRD gipfelte, stellten Treugebliebene erschrocken fest, wie sehr sich ihre Reihen gelichtet hatten. Viele, die sich noch kurz zuvor auf stolzen Rossen zeigten und der Partei grenzenlose Ergebenheit beteuerten, waren über Nacht verschwunden. Die gesellschaftliche Umwälzung hatte sie, um mit Lenin zu sprechen, als "schmutzigen Schaum" an die Oberfläche gespült. Natürlich gab es nicht wenige Enttäuschte, Verzweifelte und Zornige, die einer Führung vertraut hatten, welche sich in der Stunde der Not als leitungsunfähig und orientierungslos erwies. Mancher Hasenfuß war einfach aus Angst davongelaufen. Karrieristen standen wie eh und je Gewehr bei Fuß, um sich den neuen Herren anzudienen.

Doch neben viel Schatten war da auch Licht: Der Kern standhafter Marxisten harrte aus, sammelte sich nach dem ersten Schock aufs neue, wenn auch vorerst in verschiedenen Parteien oder ohne solche Bindung. Wahre Genossen verteidigten in stürmischen und schweren Tagen unwandelbar ihre Weltanschauung, wobei sie sich neuen Einsichten nicht verschlossen.

In der DDR waren die Ideen von Marx, Engels und Lenin die herrschende Ideologie, das theoretische Fundament der sozialistischen Gesellschaft. Der Marxismus wurde überall gelehrt, ob an Schulen und Hochschulen, in Betrieben und Einrichtungen, Parteien und Massenorganisationen oder bei den bewaffneten Organen. Zehntausende absolvierten höhere Bildungseinrichtungen der SED und der befreundeten Parteien, der Gewerkschaften und des Jugendverbandes. Hinzu kamen das Parteilehrjahr und ähnliche Zirkel. Wurden deren Hörer und Teilnehmer dadurch automatisch zu Marxisten? Eines steht fest: So manche Erkenntnis haftet bis heute. Doch nicht jeder, der sich solches Wissen aneignete, bezog damit zugleich auch einen festen Klassenstandpunkt. Oft geschah die Vermittlung formal und ging nicht unter die Haut.

Anstelle einer massengestützten Vorhutpartei, wie sie Lenin im Auge hatte, entwickelte sich die SED zu einer diffusen Mitgliederpartei der 2,3 Millionen. Dabei verlor sie jene politische Leuchtkraft, welche sie in den Aufbruchsjahren ausgezeichnet hatte. Zu ihren gravierendsten strategischen Fehlern gehörte die frühzeitige Aufgabe des Kurses der ideologischen Verschmelzung von Kommunisten und Sozialisten. Die Sozialistische Einheitspartei, deren positive Traditionen es aufzugreifen und zu bewahren gilt, hatte sich im April 1946 auf dem grandiosen Vereinigungsparteitag ausdrücklich zum Marxismus bekannt. Die dort beschlossene Linie hätte man - auch mit Blick auf viele ehrliche Sozialdemokraten im Westen - langfristiger fortsetzen und vertiefen sollen. Statt dessen wurde schon Anfang der 70er Jahre die Parole ausgegeben, alle SED-Mitglieder seien fortan als Kommunisten zu betrachten. Das war linksradikaler Voluntarismus! Ich erinnere mich an propagandistische Großveranstaltungen der Partei, auf denen ich im Namen der 7321 oder 5479 "Kommunisten" des Kreises Soundso willkommen geheißen wurde.

In der alten BRD knüpfte man direkt an Hitlers mörderische Kommunistenhatz an. Dort wurden bereits 1956 die KPD verboten und Zehntausende Genossen auf rechtsbrecherische Weise juristisch verfolgt, bevor man Mitglieder der 1968 zugelassenen DKP mit Berufsverboten überzog. Die politische Führung der BRD machte von Beginn an kein Hehl daraus, daß der Antikommunismus ihre Leitideologie ist. Das gilt von Adenauer bis Merkel, aber auch für die Brandts, Schmidts, Schröders, Münteferings und Steinmeiers.

Es ist zu befürchten, daß Spitzen der Linkspartei - allen voran die in ihr verbliebenen Kaufmanns und Weckessers - perspektivisch eine Vereinigung mit der SPD auf der Basis des Sozialdemokratismus anstreben.

Gebildete und standhafte Marxisten gibt es in Ost und West nach wie vor, auch wenn viele der Besten bereits gestorben sind. Inzwischen haben wir uns von der Illusion befreit, der Schein sei das Wesen der Dinge. Und wir wissen: Nicht Masse, sondern Klasse zählt. Menschen wie Egon Schansker, die sich für andere aufopfern, bleiben vorerst die Ausnahme. Dafür, daß sie eines Tages zur Regel werden - und auf dem Weg dorthin war man in der DDR zweifellos ein Stück vorangekommen - treten wir an.

Klaus Steiniger

Raute

Ein ehemaliger Offizier der DDR-Grenztruppen zum Wahnsinn mit Methode

Kriminelle Kriminalisierer

Seit dem 7. Oktober 1949, dem Gründungstag der DDR, hieß das erklärte Ziel sämtlicher Bundesregierungen: Dieser Staat muß weg! Weg von der geographischen Darstellung zunächst, heute weg aus der Geschichte, weg aus positiven Erinnerungen. Zur Vertreibung seines Geistes bedient man sich jedes Mittels, allen voran Falschdarstellungen und Verleumdungen. Über Ursachen für die Notwendigkeit der Grenzsicherung zur BRD wird wohlweislich der Mantel des Schweigens gebreitet.

Es ist befremdlich, wie in der Nähe der kleinen Ortschaft Geisa der Kalte Krieg vehement fortgesetzt wird. Auf dem Gelände von Point Alpha errichtete man einer "vietnamkriegserprobten" US-Einheit ein Denkmal. Der Leitspruch und der Kampfauftrag dieses Aufklärungsverbandes belegen den aggressiven Stationierungszweck unmittelbar an der Staatsgrenze der DDR. Die Darstellungen suggerieren dem unbedarften Besucher ein "lustiges Soldatenleben" mit vielen Freizeitangeboten. Der wahre Hintergrund des Einsatzes an der Trennlinie von Warschauer Vertrag und NATO wird damit kaschiert.

Man muß an dieser Stelle daran erinnern, daß die NATO bereits am 4. April 1949 gegründet wurde, der Warschauer Vertrag aber erst am 14. Mai 1955 unterzeichnet worden ist. Oder wer weiß schon, daß die Adenauer-Regierung bereits 1958 für die Ausrüstung der Bundeswehr mit Trägersystemen für nukleare Kurzstreckenraketen optierte. Bei der Stabsübung "Fallex 66" am 17. Oktober 1966 probte das Bonner Kabinett mit rund 1500 Bundestagsbediensteten im Regierungsbunker bei Ahrweiler (Eifel) den "Ernstfall". Das Szenario endete mit dem Beschluß, Kernwaffen einzusetzen. Dabei wurde die totale Vernichtung Europas billigend in Kauf genommen.

Wie und womit sind wohl Hintergründe und Ziele der dann durchgeführten NATO-Manöver unter Bundeswehrbeteiligung wie "Wintershield" (Januar 1960), "Panthersprung" (Januar 1967), "Großer Rösselsprung" (September 1969), "Schneller Wechsel" (September 1974), "Standhafte Chatten" (September 1977) oder "St. Georg" (September 1980) sowie die gesamte "Autumn Force"-Serie, um nur einige zu nennen, zu erklären? Oder war es auch nur ein Zufall, daß sich während des US-Manövers "Global Shield 81" innerhalb von zehn Minuten 400 Kampfflugzeuge, von 70 Luftwaffenstützpunkten der USA auf der ganzen Welt aus gestartet, in der Luft befanden? Was wollte man damit wohl demonstrieren? Ebenso ist es doch offensichtlich, daß zwischen der vom damaligen US-Präsidenten James Carter am 25. Juli 1980 erlassenen "Presidential Directive Number 59", welche dem "Kernwaffenerstschlag" Vorrang gegenüber allen anderen Varianten eines Nuklearwaffeneinsatzes einräumte, und der bereits am 12. Dezember 1979 durch den NATO-Rat beschlossenen Stationierung von zusätzlichen 464 Marschflugkörpern "Cruise Missiles" und 108 "Pershing II"-Raketen in fünf europäischen Mitgliedsstaaten ein unmittelbarer Zusammenhang bestand.

Was soll also diese Einseitigkeit und Verlogenheit im "Haus auf der Grenze" und auf dem Gelände des "Point Alpha"? Warum spricht man der DDR, die von über 100 Staaten der Erde diplomatisch anerkannt war, das Recht ab, ihre Grenzen so zu sichern, wie sie es für angemessen gehalten hat? Was soll das Geschrei über die "Mauer"? Andere Grenzen, u. a. die der USA zu Mexiko oder die Israels zu Palästina, finden nur selten Erwähnung. Wozu auch? Es geht den Gegnern des Sozialismus um die Abrechnung mit einer verhaßten Gesellschaftsordnung.

Wer sich in Gefahr begibt, kann darin umkommen! So hart das auch klingen mag, aber alle sogenannten Maueropfer haben die Gefährdung ihres eigenen Lebens wissentlich in Kauf genommen. Die in jeder Armee der Welt geltende "Schußwaffengebrauchsbestimmung" heute als "Schießbefehl" auszulegen, ist Rufmord gegenüber allen Grenzsoldaten, die der DDR ehrlich gedient haben. Keiner von uns war ein schießwütiges, willenloses Monster in Uniform.

Es ist legitim, sich mit der Vergangenheit und daraus abzuleitenden historischen Erfahrungen zu beschäftigen. Die Aufarbeitung darf jedoch nicht zur Farce werden - und genau das geschieht seit 20 Jahren in den sogenannten Grenzmuseen. Damit ist ihnen jeder museale Wert abzusprechen. Man diffamiert bewußt uns Grenzer der DDR, während man auf der anderen Seite den Biedermann in Uniform zeigt, der nur seine Dienstvorschriften befolgte. Auch dann, wenn eine bewußt in Szene gesetzte Provokation begangen oder ein Angehöriger der DDR-Grenztruppen in angeblicher Notwehr erschossen wurde. Alles im Namen der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Kein Wort von Brandanschlägen, Viehvergiftungen oder anderen Diversionsakten Anfang der 50er Jahre seitens jener Gruppierungen, die vom Territorium der BRD aus operierten und so mit ausdrücklicher Billigung der Bundesregierung handelten.

Es gibt keinerlei Unterlagen, aus denen hervorgeht, daß jemals ein uniformierter Grenzschützer der BRD durch DDR-Grenzer oder eine von West nach Ost wechselnde Person sein Leben verloren hat. So wie die Angehörigen des Bundesgrenzschutzes, des Zollgrenzdienstes oder der Bayerischen Grenzpolizei nach geltendem Recht der BRD gehandelt haben, so haben die Grenztruppen der DDR ebenfalls ihren gesetzlichen Auftrag erfüllt. Und was für die eine Seite legitim war, wird der anderen zum Vorwurf gemacht und juristisch verfolgt.

Die Stationierung einer US-Aufklärungseinheit (wie oben beschrieben) und deren Tätigwerden an der Grenze zur DDR haben sicher keinem Selbstzweck gedient. Es fehlt andererseits jeder Nachweis, daß eine Kampfeinheit der Sowjetarmee, ähnlich wie die "Black Horse", in unmittelbarer Nähe der Staatsgrenze der DDR zur BRD stationiert worden wäre.

Wer das alles noch immer nicht nüchtern betrachtet, wird auch in Zukunft ein Problem haben, hinter die Kulissen der psychologischen Kriegführung im Sinne von "Point Alpha" und dem "Haus auf der Grenze" zu blicken. Wer das vermag, wird indes erkennen, daß der Wahnsinn Methode hat. Heute wird in vielen Bereichen des "deutsch-deutschen Miteinanders" alles getan, eine wirkliche Annäherung von Ost und West zu verhindern. Das empfindet man auch auf dem Gelände und in den Räumen der erwähnten "Gedenkstätten". Im kleinen "Grenzmuseum" des Städtchens Tann/Rhön wird ein Besucher, der selbst in den Grenztruppen der DDR gedient hat, gleichfalls den Eindruck der Einseitigkeit und Dämonisierung nicht los. Die "Zonengrenze", erfährt man dort, sei nie als Staatsgrenze anerkannt worden.

Die Sieger entscheiden stets, wie Geschichte zu interpretieren ist. Besonders im Vorfeld gewisser Jahrestage und im Wahlkampf von Parteien, deren antikommunistische Angebote sich in Unverfrorenheit überschlagen, wird kein Versuch ausgelassen, den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden und dessen Grenzsicherung noch hysterischer als bisher zu kriminalisieren. Da kann man nur sagen: kriminelle Kriminalisierer.

Dipl.-Historiker Wolfgang Kutz, Oberstleutnant a. D., Brehna

Raute

Warum die BRD-Oberen lügen, daß sich die Balken biegen

Wahlköder und Seelenmassage

Bundesdeutsche Politik überschlägt sich in "Jubiläen". Eines wird nicht offiziell begangen: 60 Jahre Kalter Krieg gegen die DDR. Doch er verfängt immer weniger. Schon vor der Krise waren 73 % der Ostdeutschen der Auffassung, Sozialismus sei eine gute Sache, müsse das nächste Mal nur besser gemacht werden.

Frau Merkel befand, daß dies so nicht bleiben dürfe, weshalb ihr nichts Besseres einfiel, als zu sagen: "Wahrheit bedeutet eben auch, Verklärung entgegenzuwirken." Jedenfalls sind die Vergleiche, die Menschen mit den Erfahrungen von zwei Systemen unvermindert anstellen, für bundesdeutsche Politik und Medien Grund genug, den Kalten Krieg gegen die DDR sogar noch "anzuheizen". Er soll helfen, die Öffentlichkeit der BRD möglichst bis zu den Bundestagswahlen von den Folgen der tiefgreifenden Krise des eigenen Systems maximal abzulenken. Frau Merkel hatte sich mit Blick auf die bevorstehende "Erneuerung" des Parlaments schon 2007 weit aus dem Fenster des Bundeskanzleramtes gelehnt: "Ich möchte, daß die Menschen in zwei Jahren sagen können: 2009 geht es uns noch besser als 2007."

Auf Verklärungstrip, behauptete sie auch: "Der Aufschwung kommt bestimmt bei den Menschen an." Und als die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten schon nicht mehr zu übersehen waren, versprach sie immer noch, "die Grundlagen des Aufschwungs weiter zu stärken, damit die Menschen auf mehr Wohlstand setzen können". Erst im Herbst 2008 wurde eine neue Sprachregelung eingeführt. Nun war von einer "Konjunkturdelle" die Rede. Dann hieß es, die Rezession sei aus den USA "eingeschleppt". Bald meinte die Kanzlerin: "So eine ernste Lage hatten wir noch nie", orakelte jedoch unverdrossen, die Krise werde Deutschland "vielleicht nur leicht berühren".

Doch schon bald mußte eine staatsmonopolistische Lösung her. Im Rekordtempo beschloß die Bundestagsmehrheit, einen Rettungsschirm für die Finanzhaie aufzuspannen. Die Kleinigkeit von 480 Milliarden Euro wurde lockergemacht. Um den Kapitalismus als System aus der Schußlinie zu ziehen, erklärte man nun, keiner sei an der Krise schuld. Höchstens einzelne Manager hätten "versagt". Als Motiv wurde "Gier" genannt. SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier wiegelte ab: "Wer nach Schuld fragt, liegt falsch, wir müssen in die Zukunft blicken."

Zum Jahreswechsel 2008/2009 wurde verstärkt Seelenmassage betrieben. Der Bundespräsident, ein Mann vom Fach, vermittelte "Zuversicht", daß "wir die Herausforderungen meistern werden". Er sei froh über die "Gelassenheit", die er "überall im Lande erlebt" habe. Dann forderte er die Maßlosen zum Maßhalten auf: "Wir brauchen Anstand, Bescheidenheit und Maß." Das zielte vor allem auf den "Rest" der Bevölkerung. Auch die Bundeskanzlerin hob die "Verantwortung aller" bei der Krisenbewältigung hervor. Und Angela Merkel entdeckte sofort die wahren Ursachen des Geschehens: "Man hätte einfach eine schwäbische Hausfrau fragen sollen. Sie hätte uns eine ebenso kurze wie richtige Lebensweisheit gesagt: 'Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben. Das ist der Kern der Krise.' Köhler pflichtete ihr bei: "Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt."

Um die Hilfsbereitschaft der Regierung für das Finanzkapital zu rechtfertigen, wurde nun "Schicksalsgemeinschaft" angesagt. Deutsche-Bank-Chef Ackermann verkündete: "Wir sitzen alle in einem Boot."

Betrügerische Verheißungen machten die Runde. Gutsherr zu Guttenberg, z. Zt. als Wirtschaftsminister verwendet, sah schon mal die Talsohle der Krise. Dann schränkte er ein, sie werde "noch in diesem Jahr erreicht". Die Kanzlerin und der Herr von und zu beteuern abwechselnd: "Mut, Kraft und Zuversicht sind im Land gut ausgeprägt." Das Schlimmste sei "wohl überstanden". Frau Merkel weiß gar: "Deutschland wird gestärkt aus der Krise hervorgehen."

Die Regierung sucht den Eindruck zu erwecken, sie habe alles im Griff. Demgegenüber kommentierte "Der Spiegel": Der jüngste Konjunkturgipfel habe wie ein "Beerdigungskaffee" gewirkt. Alles läuft darauf hinaus, daß die Regierung eine bisher nicht bekannte Qualität der Umverteilung von unten nach oben vorbereitet. Nach den Bundestagswahlen wird zugeschlagen.

Unter Arbeitern und Angestellten wächst die Angst, den Job zu verlieren. Die Zahl der Erwerbslosen und Kurzarbeiter erhöht sich. Wut und Zorn nehmen zu. Vorerst noch dumpf und nicht direkt gegen das System gerichtet. DGB-Chef Sommer aber hat Angst: "Wenn die immensen Kosten der Krise nach den Wahlen ... abgewälzt werden, entsteht ein Gebräu, das explosiv sein kann." Der Herr zu Guttenberg will nicht, daß eine "derartige Situation herbeigeredet" wird. "Financial Times Deutschland" bemerkt dazu: "Die Ruhe ist nicht die einer zufriedenen Gesellschaft. Es ist die Ruhe vor dem Sturm."

Unterdessen wird Wahlspeck en gros verteilt. Die "größte Rentenerhöhung" aller Zeiten wird beschlossen, obwohl die Kassen angeblich leer sind. Um deutlich zu machen, daß es sich um einen Wahlköder handelt, kündigt man zugleich künftige Nullrunden an. Die Abwrackprämie für Autos hat einen Kaufstopp für Gebrauchtwagen und ernste Absatzprobleme für die Branche schon in nächster Zukunft zur Folge. Die Reparaturwerkstätten sind auf Durststrecken eingestellt.

SPD-Finanzminister Steinbrück verspricht mit Blick auf sein vermutliches Ausscheiden nach den Wahlen das Blaue vom Himmel: "Ich schließe Steuererhöhungen aus." Frau Merkel will eine Senkung der Unternehmenssteuer sowie Entlastungen "für den Zeitraum 2010 bis 2013", also nach den Wahlen. Die Kanzlerin platzt vor Großspurigkeit: "Im Jahr 2010 wird der seit langem größte Schritt zur Entlastung der Bürger getan." Gemeint ist die Entlastung ihrer Geldbeutel.

All das sind hohle Phrasen. Tatsächlich stehen Steuerausfälle von 300 bis 350 Milliarden Euro ins bundesdeutsche Haus. Von der Neuverschuldung, auf die Herr Steinbrück spezialisiert ist, ganz zu schweigen.

"Der Spiegel" meint: "Eine Mischung aus Realitätsblindheit und Roßtäuscherei. Sie sind eine schwere Hypothek für die nächste Regierung, die nicht nur mit der dramatischen Lage der Staatsfinanzen fertig werden muß, sondern auch mit dem Vorwurf, die Bürger mal wieder belogen zu haben."

Da wirkt die Behauptung der Kanzlerin ebenso grotesk wie borniert, die DDR habe auf "einem alles durchdringenden Leben in Lüge" gefußt. Der unverdächtige "Spiegel" stellt demgegenüber fest: "Die Geschichte der Republik ist eine Geschichte der Wahllügen." Gemeint ist die BRD. Dort werden am 26. September die Netze eingeholt.

Prof. Dr. Georg Grasnick

Raute

Schröders Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier will Bundeskanzler werden

Boß der Schlapphüte als SPD-Spitzenkandidat

Na endlich! Offensichtlich ist das Personenroulette in der "Volkspartei" SPD zum Stillstand gekommen. Der Gewinner ist Frank-Walter Steinmeier, und inzwischen liegt auch der genaue Fahrplan vor, das SPD-Wahlprogramm. Man verspricht, sozial und demokratisch anzupacken - mit Frankie an der Spitze, dem sich gequält fröhlich gebenden Schattenmann, der nicht für Zuckerbäckerei, sondern für die Koordinierung der Geheimdienste Schröder zur Seite stand. "Es entscheidet sich, wie es nach der Krise in unserem Land weitergeht", lockt der Kandidat frisch und froh in die SPD-Wahlfalle. "Unser Regierungsprogramm ist ein Angebot an die gesamte Gesellschaft. Es richtet sich an alle, die unser Land besser, gerechter und menschlicher machen wollen."

Hoppla - wir stehen erst am Beginn der Krise! Oder?

Steinmeier, das Schlitzohr mit dem Weichmachersound, sagt frank und frei: "Ja zum Afghanistan-Engagement." Sind wir hier etwa beim Theater? Und wer spielt welche Rolle?

Als Schmankerl quält sich die SPD fast am Schluß ihres Programms zu der Aussage durch:

"Drohende Aufrüstung weltweit verlangt nach einer neuen Entspannungspolitik." Das liest sich aber in den einschlägigen Druckerzeugnissen der Bundeswehr, die parlamentarisch von der SPD beaufsichtigt wird, ganz anders. Ihr Magazin "Y" bebildert den Seehecht DM2A4, den "schwergewichtigsten modernen Torpedo" insbesondere für die U-Boot-Klasse 212A der bundesdeutschen Marine, und spricht von der verbesserten Exportvariante. Das produzierende Rüstungsunternehmen Atlas-Elektronik GmbH hat seinen Sitz in Bremen.

Der Y-Leser erfährt überdies: "1980 genehmigte der Deutsche Bundestag die Beschaffung von 322 Flugzeugen als Nachfolger für den Starfighter. Nach mehr als 25 Jahren werden 2010 die ersten Euro-Fighter in der Jagdbomberrolle den Tornado in Nörvenich ersetzen." Der Preis je Euro-Fighter beträgt 85 Millionen Euro, wird mitgeteilt. Dann heißt es: "Das Jagdgeschwader 74 in Neuburg a. d. Donau ist der zweite Verband, der mit dem Euro-Fighter ausgestattet wurde."

Vor der Ausmusterung der alten Flugzeugtypen am 22. Mai 1991 verlor die Bundeswehr insgesamt 292 Maschinen.

In bezug auf Afghanistan stellt das Magazin "Die Bundeswehr" fest, das Parlament habe der Stationierung von bald 4500 Deutschen am Hindukusch zugestimmt. Derzeit seien es noch 3800 Soldaten und Offiziere, die nach Auskunft der SPD-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Ulrike Merten in fremden Ländern ihren Dienst "politisch notwendig, militärisch sinnvoll und moralisch begründet" ausüben. Was nun, Herr Steinmeier? Steht da nicht in Ihrem Wahlprogramm schwarz auf weiß: "Wer für internationale Abrüstung und eine konsequente Friedenspolitik ist, muß SPD wählen." Was für ein unverfrorener Bluff!

Schrankenloser Waffenexport - ausgeführt von Rheinmetall, Mercedes, MAN und anderen Unternehmen des bundesdeutschen Kapitals - hat die BRD zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt gemacht.

Was ist da glaubwürdig, Herr Steinmeier?

Die NATO-Bürokratie fließt mit einem hohen BRD-Anteil geradezu über. "Die Bundeswehr" offenbart: "Heute sitzen 22.000 Beamte im Brüsseler NATO-Hauptquartier. Dagegen stehen 66.000 Soldaten im Einsatz. Das SPD-Wahlprogramm aber verkündet unverdrossen: "Weniger Bürokratie. Wir setzen uns für weitere Erleichterungen im Verwaltungsverfahren ein." Wie viele SPD-Genossen gehören eigentlich Aufsichtsräten an und haben auf diese Weise den ganzen Krisenschlamassel samt astronomischer Schuldensummen mit verursacht?

Also Aufräumen in der eigenen Partei, die sich mit den Begriffen sozial und demokratisch schmückt, oder es geht rapide weiter bergab, wie das die Resultate der EU-Wahl bereits gezeigt haben.

Ach ja, das SPD-Programm enthält auch noch eine deutliche Absage: "Mit den Linken nicht!" Na denn! Guten Rutsch in die Bedeutungslosigkeit, Geheimdienstkoordinator Steinmeier!

Hans Horn

Raute

Angie hinter Gittern?

Unter der Schlagzeile "Angela Merkel im Stasi-Gefängnis" führte die stark CDU-lastige "Schweriner Volkszeitung" - heute ein regionales Konzernblatt in Mecklenburg - am 6. Mai ihre Leser in die Irre.

Als ich diese reaktionäre Postille in Händen hielt, traute ich ob einer solchen Information zunächst meinen Augen nicht. Die Kanzlerin im Knast! Tatsächlich sah man Angela Merkel diesmal mit verbissenen Gesichtszügen statt des sonst für die Presse zur Schau gestellten Lächelns. Sie blickte grimmig aus dem Käfig. Ich dachte, mich tritt ein Pferd. Donnerwetter, so sprach ich vor mich hin. Das hat's doch noch nie gegeben, daß einer bundespolitischen Persönlichkeit in diesem Land mit solcher Aufmerksamkeit begegnet wird. Bisher waren vor allem Kommunisten, Sozialisten oder andere politisch Linkslastige die Zielscheiben der natürlich völlig unabhängigen BRD-Justiz. Hat daran etwa jemand gedreht?

Unwillkürlich schoß mir der Gedanke durch den Kopf: Befindet sich meine einstige mittelbare Nachbarin, die Templiner Mitschülerin eines meiner Söhne jetzt etwa in einer derart prekären Situation? Hat man der frommen Angela, die sich als Pfarrerstochter gesellschaftspolitisch so stark ins Zeug legte, nach ihrem steilen Karrieristenflug am Ende doch noch einen Strick aus ihrer einstigen Verstrickung in den "Kommunismus" gedreht?

Gemach! Mein Irrtum klärte sich sofort auf, als ich den Begleittext las. An der Seite des "Muster-Knaben" - eines Musters ohne Wert - hatte Frau Merkel die mit soviel Haß geschaffene und mit antikommunistischer Häme bedachte einstige "Stasi-Hölle" in Berlin-Hohenschönhausen besichtigt. Sie wollte dieses "Relikt der Grausamkeit" aus DDR-Tagen mit eigenen Augen betrachten. Dafür posierte sie hinter Gittern. Schließlich ist sich die frühere FDJ-Agitatorin und heutige Verweserin des imperialistischen deutschen Staates im Superwahljahr 2009 eine solche Einlage schuldig.

So zum Teil der "Ausstellung" geworden, stöhnte Angela Merkel in die Kameras: "Die DDR war ein Unrechtsstaat." Mag die Kanzlerin ruhig in ihrer bizarren Gedankenwelt verharren: Doch in einer Frage muß man ihr zustimmen: Sicher war es Unrecht, Leuten ihres Schlages auf Kosten der Arbeiter und Bauern der DDR goldene Treppen zu bauen. So wahr ihr Gott helfe!

Walter Krüger, Dudinghausen

Raute

Lebensstationen eines standhaften Kommunisten

Herbert Mies zieht Bilanz

Neben Max Reimann und Kurt Bachmann ist Herbert Mies eine der drei herausragenden Führungspersönlichkeiten, die Westdeutschlands kommunistische Bewegung seit 1945 hervorgebracht hat. Er war Leiter des Zentralbüros der von den Adenauers und Globkes frühzeitig verbotenen westdeutschen FDJ, gehörte dem Politbüro der in die Illegalität getriebenen KPD an und stand 17 Jahre an der Spitze der DKP. Dabei konnte er sich auf viele erfahrene, bewährte und kenntnisreiche Mitstreiter stützen.

Jetzt hat der inzwischen 80jährige Marxist-Leninist seine Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Kontrastierend mit der faden Gesichtslosigkeit manch anderer Darstellungen wirkt die persönliche und politische Bilanz des Lenin-Friedenspreisträgers Herbert Mies, den auch die UdSSR, die DDR und andere sozialistische Staaten mit höchsten Auszeichnungen ehrten, wie ein reinigendes Gewitter. Der klassenbewußte Mannheimer Arbeiterjunge, der später zu einem Führer der internationalen kommunistischen Bewegung werden sollte, macht tatsächlich Nägel mit Köpfen. Er vermeidet nutzlose Allgemeinplätze ebenso wie platte Schönfärberei. Dort, wo es auf Wahrhaftigkeit ankommt, schlägt er keine Haken. Möglicherweise könnte der eine oder andere Leser zu dem Eindruck gelangen, bisweilen sei ein Schuß zuviel Selbstdarstellung im Spiel. Doch dem sei entgegengehalten: Dem Verfasser des spannenden Lebensberichts kommt es auf ein Höchstmaß an Authentizität an - und da muß er unweigerlich immer wieder selbst in den Zeugenstand. Herbert Mies hat die Universitäten des Klassenkampfes absolviert und auf der Moskauer Parteihochschule solides Klassiker-Wissen erworben. Damit weiß er ebenso behutsam wie wirkungsvoll umzugehen. In der Auseinandersetzung mit dem Klassenfeind bedient er sich des schweren Säbels, im Umgang mit Irrenden und Abtrünnigen aus den eigenen Reihen kommt bisweilen auch das Florett zum Einsatz. Herbert Mies bestreitet die Verdienste des einen oder anderen in zurückliegender Zeit nicht.

Packende Schilderungen wechseln mit sensiblen Betrachtungen. Im Unterschied zu manchen, die sich mit Klarheit in derlei Fragen schwertun, nennt er die Dinge beim Namen. So bekennt er sich rückhaltlos zur Sowjetunion, zur DDR und zur proletarischen Weltanschauung, verzichtet aber nicht auf ihm wichtig erscheinende Nuancen und Einschränkungen. Unmißverständlich verweist der angesehene Experte für die Geschichte der Arbeiterbewegung seiner engeren Mannheimer Region, in die er 1990 nach einem Herzinfarkt zurückgekehrt ist, auf Halbheiten und Defizite. Auch unzulässige Einmischungsversuche anderer Parteien - so der Führungen von SED und KPdSU - in die inneren Angelegenheiten der DKP kommen zur Sprache.

Dort, wo Grund zum Stolz auf seinerzeit Geleistetes besteht - erwähnt seien hier nur die mit umfassender Unterstützung von Sportlern, Künstlern und Ensembles sozialistischer Länder, vor allem der DDR, ausgerichteten grandiosen UZ-Pressefeste, an denen stets Hunderttausende teilnahmen -, klingt berechtigte Genugtuung an. Wenn aber Negatives, Rückschläge und Mißerfolge zu vermelden sind, macht der Autor deutlich, wo der Hase im Pfeffer liegt. Bei klarer Hervorhebung der einstmals starken Positionen der DKP in Gewerkschaften, Betriebsräten, Jugend- und Studentenorganisationen, der Friedensbewegung sowie auf kommunaler Ebene wird auch ihre Achillesferse benannt: die eklatante Schwäche der Partei bei landesweiten Wahlen. Im Kampf um Bundestagsmandate ging sie mit einem Anteil von höchstens 0,3 % stets leer aus. Die gleichgeschaltete antikommunistische Hetze fast aller Kontrahenten, die stets bestrebt waren, die DKP als eine "ferngesteuerte Kraft", als "Fremdkörper" im politischen Organismus der BRD darzustellen, blieb all die Jahre nicht ohne Wirkung.

Tragisch mutet die Schilderung des bis heute nicht überwundenen Niedergangs der lange Zeit keineswegs einflußarmen, weil organisatorisch und ideologisch einheitlichen DKP in den späten 80er Jahren an. Gorbatschows phrasenreiches Geschwätz von Glasnost und Perestrojka, das auch in der DDR viele Genossen nicht durchschauten, verfing bei einem zwar minoritären, aber dennoch bedeutenden Teil der Kader und Mitglieder. Die spalterischen und zersetzenden Aktivitäten der sogenannten Erneuerer-Strömung unter Führung des Hamburger Bezirksvorsitzenden und heutigen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrke sowie anderer Reformisten, die bald schon ihrer Partei den Rücken kehrten, um unter neuen Dächern ihr Heil zu suchen, stellten die DKP etliche Male vor existenzbedrohende Krisen und Zerreißproben. Fatal wirkte sich dann die Niederlage des Sozialismus in der UdSSR, der DDR und den übrigen sozialistischen Staaten Europas aus. Im Gefolge der Konterrevolution, die vor allem vom Westen Deutschlands ausging, wurde die DKP zahlenmäßig dezimiert und ideologisch weiter geschwächt. Wie ernst es um sie stand, offenbarte der Bonner Parteitag im März 1990. Den Delegierten war das hintergründige "Angebot" Gregor Gysis zugegangen, die DKP aufzulösen und individuell der PDS beizutreten. Mit nur einer Stimme Mehrheit wurde dieses Ansinnen durch die Delegierten abgelehnt.

Sicher gibt es in der Darstellung von Herbert Mies, dem wir uns auf das freundschaftlichste verbunden fühlen, auch Passagen, die nicht auf die Zustimmung jedes Lesers stoßen werden. So etwas ist normal und erscheint dem Rezensenten daher zweitrangig. Diese Autobiographie ist ein informatives, interessantes, parteiliches und hervorragend geschriebenes Geschichtsbuch, das in die Hände jedes deutschen Kommunisten und revolutionären Sozialisten gehört.

Klaus Steiniger


Herbert Mies: "Mit einem Ziel vor Augen".
Erinnerungen. Vorwort von Egon Krenz,
Verlag am Park, Berlin 2009, 350 Seiten,
19,90 Euro, ISBN 9-783897-931794
Auch zu beziehen über: Neue Impulse Verlag
GmbH, Hoffnungstraße 18, 45127 Essen,
Tel. 0 20 12 48 64 82


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Vor 65 Jahren - am 18. August 1944 - wurde der große deutsche Arbeiterführer Ernst Thälmann in Buchenwald ermordet. Unsere Aufnahme zeigt die Porträtbüste des Vorsitzenden der KPD vor der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte am Rande des Kleistparks von Frankfurt (Oder).

Raute

Globkes langer Schatten

Im Juni-"Rotfuchs" erschien unter der Überschrift "Gehlens und Globkes Rechtsstaat" ein bemerkenswerter Beitrag, gestützt auf eine Leserzuschrift.

Im Herbst 2008 bekam ich eine Einladung zur Voraufführung einer Dokumentation von ARTE/WDR unter dem Titel "Der Mann hinter Adenauer: Hans Maria Globke". Am 8. Oktober wurde dann der Beitrag erstmals ausgestrahlt. Mit Sicherheit haben ihn viele RF-Leser gesehen.

Ich aber hatte Gelegenheit, an der Diskussion teilnehmen zu können, die der Voraufführung folgte. Und das war sehr aufschlußreich. Als Gesprächsteilnehmer standen die Filmautoren, Journalisten der Redaktionen ARTE und WDR und ein Historiker von der Universität Gießen zur Verfügung. Ganz ohne Wertung wurde vom Podium aus ausdrücklich betont: allesamt Westdeutsche. Ich glaube, auch im Publikum waren wir aus dem Osten die absolute Minderheit.

Als erfahrener DDR-Bürger geriet ich bald in Zweifel, ob ich denn nicht "im falschen Film" gesessen habe. Das meiste hatte ich doch schon mal gehört oder gelesen. Zum Beispiel bei Albert Norden auf einer Pressekonferenz des Nationalrats der Nationalen Front, im Braunbuch der DDR oder auch in den Sendungen des Deutschen Soldatensenders, der sich kürzlich in dem vom "RotFuchs" rezensierten Buch "Stopp NATO!" ("Die NATO im Brennglas", RF 6/2009, S. 19) aus dem Verlag Wiljo Heinen ganz offiziell vorstellte. Übrigens wurde er zum ersten Mal von einer Insider-Feder beschrieben.

Damals qualifizierten die Westmedien das alles als böswillige "kommunistische Propaganda" oder "absurde Zonenlügen" ab. Um so verblüffender ist da ein kurzes Zitat aus der ARTE-Presseinformation: "... Globke, der bestinformierte Mann in Bonn, kontrollierte die Geheimdienste und holte Hitlers Generäle in die Führungsspitze der Bundeswehr."

Und im "arteMAGAZIN" heißt es: "Hans Maria Globke, seit 1953 Staatssekretär im Bundeskanzleramt, war die rechte Hand des ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Mit Globke fiel von Anfang an der lange Schatten des gerade überwundenen NS-Regimes auf die junge BRD, denn der Jurist war einst Mitkommentator der Nürnberger Rassegesetze und Beamter im Reichsinnenministerium." Anders hatte es Albert Norden seinerzeit auch nicht dargestellt.

Und noch eine Zusatzbemerkung: Die Erstausstrahlung der ARTE-Dokumentation erfolgte nicht nur in Deutschland, sondern zeitgleich auch in Frankreich, wo Globke lange Zeit als unerwünschte Person gegolten hatte.

Ist es nicht überfällig, die gegenwärtige Debatte um den angeblichen "Unrechtsstaat DDR" mit der vermeintlichen Rechtsstaatlichkeit der BRD in Beziehung zu setzen? Den Zeitzeugen der Gründung der beiden deutschen Staaten sind bekanntlich biologische Grenzen gesetzt. Wer vermittelt dann jüngeren Bundesbürgern die historischen Wahrheiten von gestern?

Oberst a. D. Dr. Dieter Langer, Königs Wusterhausen

Raute

Wie eine BZ-Redakteurin den 17. Juni 1953 erlebte

Niemand stürzte mich vom Baugerüst

Dem im RF 137 erschienenen Beitrag aus der Feder des Schriftstellers Max Zimmering möchte ich aus etwas anderer Sicht einige Details hinzufügen.

Damals wohnte ich in Berlin-Grünau und arbeitete in der eigens eingerichteten Aufbau-Redaktion der "Berliner Zeitung". Der Leiter war Gerhard Bengsch. Der 17. Juni wurde offensichtlich schon am 16. vorbereitet. Da hörten wir in der Redaktion, die sich in der Jägerstraße befand, lautes Gegröle. Ein Demonstrationszug bewegte sich, aus der Gegend Leipziger Straße kommend, die Friedrichstraße entlang. Vorneweg marschierten etwa 300 Leute in fleckenlos-neuen Maureranzügen. Sie gaben den Ton an. Das waren mit Sicherheit keine Bauarbeiter aus dem Osten. Von denen liefen auch einige hinterher. Ich rannte schnell auf die Straße, kannte ich doch durch meine Tätigkeit sehr viele Maurer aus der Stalinallee, um deren Normen es ja im Besonderen ging. Ich konnte keinen einzigen entdecken und fand statt dessen nur einen von der Baustelle Opernhaus. Der nannte als Motiv für seine Teilnahme, daß er die Schwiegereltern in Rumänien nicht besuchen dürfe.

Anderntags ging ich um 10 Uhr vormittags zur S-Bahn, um in die Redaktion zu gelangen. Doch nichts fuhr! Statt dessen bewegte sich auf der Straße Auto an Auto in Richtung Zentrum. Ich versuchte es per Anhalter, was zu DDR-Zeiten durchaus üblich war. Aber keine der Limousinen hielt. Offensichtlich hatte die Partei aus anderen Regionen Hilfe nach Berlin beordert, was mir durchaus verständlich erschien. Als dann die ersten sowjetischen Panzer in die Innenstadt rollten, gab ich es auf. Ich traute mir nicht zu, die 30 km bis zur Redaktion zu Fuß zurückzulegen.

Die Trüppchen, welche Max Zimmering auf der Straße gesehen hat, waren sicher auch Leute, die mit der S-Bahn hatten fahren wollen und nun versuchten, ihre vermutlich näher gelegenen Betriebe auf diese Weise zu erreichen. Was sich dann im Innern Berlins ereignet hat, ist von Max Zimmering geschildert worden. Am nächsten Tag fuhr die S-Bahn wieder. In der Redaktion herrschte Ratlosigkeit. Wir mußten zuerst in Erfahrung bringen, wie es auf der Baustelle Stalinallee aussah. Es gab allerdings keine roten Fahnen an den Häusern - das muß Zimmering nachträglich eingefallen sein -, denn zu dieser Zeit wurde noch gebaut, und niemand wohnte bereits dort. Das weiß ich genau, weil ich ja jeden Tag auf dieser Baustelle zu tun hatte. Nun sollte ich an jenem 18. Juni wieder dorthin, um die Situation zu erkunden. Mir war mulmig. Würde man mich angreifen, vielleicht sogar vom Gerüst werfen?

Ich fiel nicht vom Gerüst, sondern aus allen Wolken. In ihrer Kluft standen die Brigaden wie immer da, maulten nur, was denn heute los sei, niemand würde ihnen Arbeit zuteilen. Offensichtlich hatten sie das Ausmaß der Ereignisse des Vortages nicht gewollt. Es ging doch nur um die Normen, darüber sollte gesprochen werden, aber nicht so.

In den nächsten Tagen schliefen wir alle in der Redaktion, um notfalls unser Gebäude zu schützen. Aber die Lage blieb ruhig. Dann bot uns Stefan Heym an, unter dem Motto "Offen gesagt" Lageberichte zu schreiben. Die Chefredaktion akzeptierte das. Da ich im selben Stadtteil wie der Schriftsteller wohnte, brachte ich ihm öfter Material, das wir recherchiert hatten. So z. B. über die Frauen in der Großbäckerei Bötzowstraße, die sich erfolgreich gegen Eindringlinge gewehrt hatten. Eine von ihnen mokierte sich über die schmutzigen Stiefel eines Sowjetsoldaten. Der drehte sich um und antwortete: "Schuhe schmutzig, aber Kopf sauber." Das wurde dann der Titel des Buches, das Stefan Heym zunächst zum 17. Juni verfaßte. Er hat es dann noch zweimal umgeschrieben. Die beiden späteren Fassungen kenne ich nicht. Es wäre aber sicher ganz interessant zu erfahren, wie der bekannte Literat in den Mainstream eingeschwenkt ist. Oder?

Soweit meine Sicht auf die Ereignisse. Unterschätzt hat unsere Führung damals offensichtlich das Ausmaß koordinierter Vorbereitungen des Feindes. Denn nicht nur in Berlin, sondern auch an vielen anderen wichtigen Orten begann der Putsch ja zur gleichen Zeit. Ich habe das später z. B. in Buna nachgeprüft. Da haben die Historiker noch viel Arbeit.

Gisela Tews

Raute

Als der DDR-Grenzer Gerhard Hofert im Klassenkampf fiel

Todesschüsse aus dem Westen

Anfang August 1949. Im Grenzpolizei-Kommando Schlagbrügge, an der Straße von Schönberg nach Ratzeburg gelegen, verstaut Volkspolizei-Wachtmeister Gerhard Hofert ein paar Sachen in einer Reisetasche. Anstrengende Tage und Nächte des Dienstes an der Grenze zur britischen Besatzungszone liegen hinter ihm und seinen Kameraden. Die Grenze oder Demarkationslinie (wie sie damals hieß) ist noch offen, nur von wenigen VP-Angehörigen bewacht. Lediglich Steine und Pfähle markieren den alten Grenzverlauf zwischen Mecklenburg und Schleswig-Holstein. Deshalb versucht fast täglich eine große Anzahl Menschen von Ost nach West und West nach Ost zu wechseln, von denen viele keinesfalls friedliche Absichten hegen. Schmuggler und Schieber sind darunter, die sich auf unehrliche Weise bereichern wollen, aber auch Kriminelle der verschiedensten Art. Ganze Banden unternehmen immer wieder Versuche, wichtige Güter - Maschinen, Textilien, Lebensmittel, Buntmetalle - aus der sowjetischen Zone nach dem Westen zu bringen, um sie dort mit hohem Gewinn abzusetzen. Doch auch politische Verbrecher treiben ihr Handwerk, sie wollen den Aufbau einer neuen gesellschaftlichen Ordnung in Ostdeutschland sabotieren und schädigen. Der vom kapitalistischen Westen begonnene Kalte Krieg macht die Grenze zu einem Brennpunkt der Auseinandersetzung zwischen West und Ost.

Diese Situation verlangt von den zur Grenzsicherung eingesetzten Volkspolizisten zu jeder Zeit hohen Einsatz. Deshalb ist Gerhard Hofert froh, ein paar Tage daheim in Fürstenberg ausspannen zu können. Er freut sich auf das Wiedersehen mit seiner jungen Frau Lilli, mit der er seit zwei Jahren verheiratet ist, besonders jedoch auf seinen kleinen Sohn Helmut, den er leider nur hin und wieder sehen kann.

Während Gerhard in Gedanken schon bei seiner Familie weilt, löst der Kommandoleiter Alarm aus. Der Grenzer läßt alles stehen und liegen, eilt zur Waffenkammer, empfängt seinen Karabiner und die Munition. Dann wird er mit seinen Kameraden schnell eingewiesen. Ein Mann treibe sich im Grenzabschnitt herum, offensichtlich jener, der sich unter dem Namen "Michels" schon seit einiger Zeit im westlichen Mecklenburg aufhält. Es ist bekannt, daß er in den Gaststätten Westzigaretten verteilt und freigiebig "Runden schmeißt". Dabei fordert er die Bauern immer wieder auf, die Ernte nicht "an die Roten" abzuliefern, sondern auf dem schwarzen Markt zu verkaufen oder sie "nach drüben" zu bringen. Er könne dorthin "Wege und Türen öffnen". Und er schimpft und geifert auf die Grenzpolizisten, besonders die Offiziere.

Gerhard Hofert begibt sich in den ihm befohlenen Postenbereich und trifft schon kurz darauf auf einen Fremden, welcher der Gesuchte sein könnte. Er erklärt ihm, daß er vorläufig festgenommen sei. Doch der Mann schlägt dem Wachtmeister vor, "die Knarre wegzuschmeißen" und mit ihm "nach drüben" zu gehen. Hofert zögert keinen Moment, packt den Grenzverletzer. Doch dieser zieht plötzlich eine Pistole und drückt ab. Gerhard Hofert bricht tot zusammen. Zwei herbeieilende Kameraden überwältigen den Mörder.

Gerhard Hofert ist gerade 25 Jahre alt geworden. Geboren am 2. Februar 1924 wuchs er bei seinen Großeltern auf, da seine Mutter frühzeitig verstarb. Den Vater verlor er im faschistischen Krieg, er fiel an der Ostfront. 1944 holten die Nazis auch Gerhard zur Wehrmacht, aber er wollte nicht für Hitler und das deutsche Kapital sterben. Er desertierte, und der Großvater versteckte ihn bis zur Befreiung durch die Rote Armee bei sich in Fürstenberg. Danach erlernte Gerhard den Beruf eines Schlossers, bis er im März 1949 die Entscheidung traf, Volkspolizist zu werden und an die Grenze zu gehen. Gerhard Hofert war der erste von 25 Grenzern der DDR, die im Dienst von Feinden des Sozialismus feige und hinterhältig ermordet wurden.

Günter Freyer

Raute

"Brüder und Schwestern"

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Was steckt hinter dem "sudetendeutsch-tschechischen Konflikt"?

Konrad Henleins Nachfolger bleiben gefährlich

Anfang Juni 2009 fand in Augsburg der 60. Sudetendeutsche Tag statt. Wie zu erwarten, gab es wieder massive Angriffe auf Tschechien. Franz Pany, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, warf Staatspräsident Vaclav Klaus eine "antieuropäische Haltung" und das Festhalten an den Benes-Dekreten vor. Bernd Posselt, Sprecher der "Sudetendeutschen Volksgruppe", kündigte eine von beiden Seiten zu besetzende "Wahrheitskommission" an. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer, jetzt oberster Schutzpatron der sudetendeutschen Revanchisten, will nach Prag reisen, um dort "kontroverse Fragen" anzusprechen. Die kollektive Vertreibung der Sudetendeutschen auf der Grundlage der Benes-Dekrete bleibe Unrecht, verkündete er. Diese dürften in einem Europa der Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde nicht für immer gültig bleiben.

Lassen wir die Geschichte sprechen. Die sudetendeutsch-tschechische Tragödie nahm aus meiner Sicht mit dem Friedensvertrag von Saint Germain vom 10. September 1919 zwischen der Entente und Österreich ihren Anfang. Österreich mußte auf den Anschluß an das Deutsche Reich verzichten, der Trennung von Ungarn zustimmen, die neuen Staaten Tschechoslowakei und Polen sowie die Königreiche der Serben, Kroaten und Slowenen anerkennen. Gegen den Willen der dort ansässigen deutschen Bevölkerung wurde das Sudetenland in die CSR eingegliedert. Die im Oktober 1918 gebildete tschechoslowakische bürgerliche Republik wurde zu einem Vielvölkerstaat mit 9,75 Millionen Tschechen und Slowaken, 3,32 Millionen Deutschen, 720.000 Ungarn, 100.000 Polen sowie Ukrainern und Angehörigen anderer nationaler Gruppen.

Auch ein selbständiger Staat, der von den Sudetendeutschen gefordert wurde, wäre mit der genannten Bevölkerungszahl denkbar gewesen. Versuche, zu eigener Regierungsfähigkeit zu gelangen, wurden von Prag nicht zugelassen. Zögerlich kam man dem Vorschlag des USA-Präsidenten Woodrow Wilson nach, der in seiner Friedensdeklaration vom 18. Januar 1918 gefordert hatte, den Völkern der österreichisch-ungarischen Monarchie die nationale Autonomie einzuräumen. So gab es in der CSR auch Deutsch als Amtssprache sowie deutsche Schulen, Theater, Kinos und Firmen. Das Wahlrecht bei Teilnahme auch deutscher Parteien war gewährleistet.

Die von dem Reichenberger Turnlehrer Konrad Henlein organisierte Sudetendeutsche Heimatfront (SHF), die sich später zur Sudetendeutschen Partei (SDP) formierte, nahm am Wahlkampf in aggressiver Form teil. Bereits 1935 konnte die Henlein-Partei 68 % der deutschen Wählerschaft hinter sich bringen. Ihre Zielsetzung war am Ende eindeutig: Ablehnung einer nationalen Autonomie im Verband des tschechoslowakischen Staates, Verzicht auf staatliche Selbständigkeit, Anschluß an das Deutsche Reich, "Heim ins Reich!"

Hitler paßte diese Zielsetzung ausgezeichnet in sein Konzept. Mit Hilfe seiner "Fünften Kolonne", wie der ehemalige tschechoslowakische Ministerpräsident Zeman die Anhänger der Henlein-Partei bezeichnete, wollten die deutschen Faschisten das Sudetenland - ein mit industriellen Ressourcen ausgestattetes Gebiet - an sich reißen.

Es kam zum Münchner Abkommen, dem Triumph Hitlers, der zugleich das Eingeständnis des Versagens der westlichen imperialistischen Mächte und Verrat am tschechoslowakischen Volk war. Mit dem 29. September 1938 gehörte der "Sudetengau" zum Deutschen Reich. Die Henlein-Anhänger unter den Sudetendeutschen begrüßten die "Befreier" mit frenetischem Jubel. Doch dieser Coup war nur die Vorstufe zur Zerschlagung der übrigen Tschechoslowakei im März 1939. Die meisten Sudetendeutschen feierten den Einmarsch der faschistischen Truppen in Prag genauso enthusiastisch wie den ein halbes Jahr zuvor erfolgten Anschluß ihres Gebiets an das Deutsche Reich.

Nach sechs Jahren unbeschreiblicher Erniedrigung und Qual kam 1945 für das tschechische Volk dann die Befreiung gerade auch aus jenem Land, dessen Hilfe zur Verhinderung des faschistischen Überfalls Benes 1938 abgelehnt hatte: der UdSSR. Es ist verständlich, daß sich angesichts der durch die Okkupanten begangenen Grausamkeiten - denken wir nur an Lidice, Theresienstadt, die Ermordung Julius Fuciks und Abertausender anderer Patrioten - Haß auf "die Deutschen" entwickelte, der nach dem Einzug der Befreier auch zu bedauerlichen Ausschreitungen gegenüber Sudetendeutschen führte. Es gab Exzesse. Von offizieller tschechischer Seite waren sie nicht organisiert, sondern ereigneten sich außerhalb ihrer Kontrolle. Schon wenige Wochen nach der Niederwerfung Hitlerdeutschlands, als die Einheiten General Ludvik Svobodas - in der Sowjetunion aufgestellte Verbände - den Ordnungsdienst übernahmen, setzte eine gewisse Beruhigung der Lage ein.

Ziehen wir das Fazit: Im Grunde genommen waren Tschechen wie Sudetendeutsche Spielball von Mächten, die das Völkerrecht mit Füßen traten und von der Weltherrschaft träumten. Oder auch von Politikern, die nicht begriffen hatten, daß man einen Aggressor international rechtzeitig in die Schranken weisen muß.

Angemerkt sei auch, daß die sogenannten Benes-Dekrete nicht Ausdruck eigenmächtigen Handelns waren, sondern in Absprache mit den Siegermächten formuliert wurden. Nicht beantwortbar ist die Frage - unterstellt, alles hätte nicht so stattgefunden -, wie sich die Sudetendeutschen angesichts der heutigen Entwicklung in der BRD verhalten würden, wären sie Bürger des tschechoslowakischen Staates geblieben.

Was beide Völker erleben mußten, ist inzwischen Geschichte. Ein Zurück gibt es nicht. Neue Generationen sind herangewachsen, die - um Vergangenes wissend - dazu in der Lage sein sollten, positive Schlüsse aus der Chronik des deutsch-tschechischen Verhältnisses für ein friedliches Miteinander zu ziehen.

Dr. Rudolf Dix

Raute

Wie die deutschen Faschisten die Domowina zerschlugen

Ungebrochener sorbischer Widerstand

Sehr erfreulich und verdienstvoll ist, daß der "RotFuchs" in Nr. 136 an den sorbischen Patrioten und Demokraten Dr. Jan Cyz erinnert. Der Artikel brachte den Lesern der Zeitschrift einen großen Teil des Lebens und Kampfes dieses Antifaschisten nahe. Haben Sie Dank für Ihre Veröffentlichung!

Als Kind habe ich Dr. Cyz noch persönlich erleben können. Er war ein enger Freund meines Großvaters Jan Skala, der bis zum Berufsverbot durch Goebbels 12 Jahre als Chefredakteur der "Kulturwehr", der Zeitschrift des Verbandes der nationalen Minderheiten in Deutschland, tätig war. Nach dem tragischem Tod Jan Skalas hat Dr. Cyz unmittelbar nach Kriegsende meine Großmutter Else Skala bei der Sicherung des Überlebens unserer Familie tatkräftig unterstützt. Ich möchte einige Details aus seinem Leben hier darlegen.

Als die Faschisten an die Macht kamen, gingen Dr. Cyz, Pawol Nedo, Jan Skala, Mercin Nowak-Njechornski, Marko Smoler und andere in der zweiten Jahreshälfte 1933 daran, auf die neue Situation zu reagieren. Der Reichstagsbrand (27.2.1933), die Notverordnung, willkürliche Verhaftungen, die Errichtung des "Muster"-Konzentrationslagers Dachau (März 1933) und die Politik der "Gleichschaltung" machten ihnen rasch klar, daß im Nazi-Reich Brutalität vor Legalität ging.

Die Sorben sollten vor allem durch Zeitungsverbote, Zwangsversetzungen von Lehrern, Verbot der Teilnahme sorbischer Kinder an tschechoslowakischen Ferienlagern und Haussuchungen bei engagierten Vertretern ihrer eigenständigen Bewegung eingeschüchtert werden.

Gestützt auf nationalbewußte Angehörige des sorbischen Volkes gingen Skala und seine Freunde daran, mit der Domowina und in ihr einen Weg zu suchen, das sorbische Volk nicht untergehen zu lassen. In einem dafür bedeutsamen Artikel erinnerte Skala daran: "Die Sorben haben ihre zur freiheitlichen Entwicklung erforderlichen Volkstumsrechte seit dem Jahre 1848 ununterbrochen geltend gemacht." Kulturelle Entrechtung, Assimilation, soziale Deklassierung durch die Jahrhunderte haben es nicht vermocht, "die slawische Individualität ­... der Lausitzer Serben zu enteignen oder gar restlos zu zerstören". Diese politische Aussage Skalas ist insofern beachtenswert, als zu dieser Zeit alle deutschen Parteien bereits verboten waren oder sich selbst aufgelöst hatten.

Besonders gefährlich für die Sorben war die vom Breslauer Professor Steller 1935 verbreitete Behauptung, bei den Sorben finde sich nichts Slawisches, sie seien Teil des deutschen Volkstums und lediglich wendisch sprechende Deutsche. Diese Formulierung findet sich kurz darauf in einer von den Nazis ausgearbeiteten Satzung der Domowina. Unmittelbar nach deren Erhalt berief der Domowina-Vorsitzende Nedo für den 19. Januar 1936 eine Konferenz von Vertrauensleuten nach Radibor ein. Die Anwesenden mußten mit Gestapospitzeln rechnen und wußten, schon für eine unbedachte Formulierung könne man ins KZ oder Zuchthaus kommen. Vor allem Skala und der katholische Theologe Alojs Andricki äußerten sich dennoch furchtlos und offen gegen die Nazi-Satzung. Sie wurde einmütig abgelehnt. Dieser Widerstand verhinderte die Integration der Domowina in das faschistische System.

Als Reaktion darauf beschlossen Reichsregierung und NSDAP: "Die Domowina wird gezwungen" die ... Satzung anzunehmen; dem Domowina-Vorsitzenden "wird ein Ultimatum gestellt"; bei Nichtannahme "werden alle Veranstaltungen von der Polizei verboten". Hauptversammlung und Vorstand der Domowina lehnten erneut konsequent die Benennung der Domowina als Bund "wendisch sprechender Deutscher" ab. "Die Erfüllung dieser Forderung (würde) eine Verantwortungslosigkeit sondergleichen dem sorbischem Volkstum gegenüber bedeuten." Mit Würde, Mut und Standhaftigkeit widerstand die Domowina unter Führung von Nedo und Dr. Cyz rassistischer und antislawischer Terrorisierung. Jan Skala hatte am Zustandekommen des Widerstands einen unverwechselbaren Anteil.

Am 18. März 1937 verbot der Chef der Wenden-Abteilung die Domowina, weil deren Tätigkeit "als gegen die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung gerichtet angesehen" wird. Am 15. August jenes Jahres besetzte die Gestapo das Sorbische Haus in Bautzen, verhaftete Dr. Jan Cyz, beschlagnahmte Schriftstücke und das Vermögen der Domowina. Im Januar 1938 wurde auch Jan Skala festgenommen und gemeinsam mit Dr. Cyz und Jurij Mercink der "Vorbereitung zum Hochverrat" angeklagt. Doch am 1. Juni 1939 stellte der Volksgerichtshof in Berlin das Verfahren in der Strafsache gegen die drei führenden Sorben ein. Die Anklage, sie hätten gemeinsam das Ziel verfolgt, die Lausitz vom Deutschen Reich loszureißen und sie dem tschechischen Staat einzuverleiben, wobei sie mit Hilfe ausländischer Zeitungen und panslawistischer Vereinigungen unwahre Nachrichten über die Behandlung der Sorben durch den deutschen Staat verbreitet hätten, konnte trotz des in großem Umfang beschlagnahmten Schriftgutes nicht bewiesen werden.

Dr. habil. Peter Kroh, Neubrandenburg

Raute

Ein polenfeindliches Machwerk

Das hier ist ein Plakat der NPD, welches unsere Stadt während der Kampagne zu den Europaparlamentswahlen "zierte". Es ist weder Julius Streichers "Stürmer" entnommen, noch stammt es aus der Giftküche des Propagandaministeriums von Josef Goebbels. Dieses Machwerk sah man in den Straßen der "Europastadt Görlitz/Zgorzelec". Sie liegt an der polnischen Grenze und lebt kulturell wie wirtschaftlich ganz erheblich auch von den Besuchern aus dem Land östlich der Neiße.

Beschämend: Die Oberen von Görlitz, das sich erst unlängst um den Titel der Kulturhauptstadt Europas beworben hatte, waren offenbar außerstande, gegen diese empörende Hetze vorzugehen. Natürlich finden sich nicht alle Görlitzer mit dem polenfeindlichen Elaborat ab. Protest regte sich. Doch die NPD ging mit ihrer zum Ausländerhaß aufstachelnden Parole auf Wählerfang. Man darf sich keinen Illusionen hingeben: Der Chauvinismus erzielt in bestimmten Kreisen Wirkung.

Selbst wenn auf Protest von Görlitzer Bürgern die Plakate abgenommen worden wären, bliebe der Vorgang ein ungeheurer Skandal. Er besteht darin, daß so etwas in den Augen der Stadtoberen überhaupt als "akzeptabel" betrachtet worden ist.

Bernd Gutte, Görlitz

Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Print-Ausgabe des Rotfuchs enthält eine Abbildung eines NDP-Plakats mit dem Aufdruck: "Polen-Invasion stoppen!"

Raute

Aus der Rede von Ronald M. Schernikau auf dem letzten Schriftstellerkongreß der DDR Anfang März 1990

Zurückweichen und Selbstvernichtung

Ich bin Ronald M. Schernikau, komme aus Westberlin, bin seit dem 1. September 1989 DDR-Bürger, habe drei Bücher veröffentlich und bin Kommunist.

Die Dummheit von Kommunisten halte ich für kein Argument gegen den Kommunismus. Der Sieg des Feindes versetzt mich nicht in Traurigkeit, eine Niederlage ist eine Niederlage, das sind Angelegenheiten bloß eines Jahrhunderts. Was mich verblüfft, ist die vollkommene Wehrlosigkeit, mit der dem Westen Einlaß gewährt wird, das einverständige, ganz selbstverständliche Zurückweichen, die Selbstvernichtung der Kommunisten. Ich habe jeglichen Glauben verloren heißt doch: Ich bin bereit, mich dem Westen vollkommen zu überlassen.

Kaum ist Honecker gestürzt, da lösen die Universitäten den Marxismus auf, da wirbt die DEWAG für David Bowie (immerhin), da druckt die "FF dabei" Horoskope, und die Schriftsteller gründen Beratungsstellen für Leser oder gleich eine SPD. Wo haben sie ihre Geschichtsbücher gelassen? Die Kommunisten verschenken ihre Verlage, die ungarische Regierung richtet in ihrem Land einen Radiosender der CIA ein, und der Schriftstellerverband der DDR protestiert gegen die Subventionen, die er vom Staat erhält. Sie sind allesamt verrückt geworden.

Die DDR hat den Beweis erbracht, daß die Zeitungsredakteure, wenn man sie nur läßt, nicht klügere Zeitungen machen, sondern dümmere. Früher stand in den Zeitungen gar nichts, heute steht das Falsche drin; die Welt handelt absurd, wenn sie uns vor solch furchtbare Wahl stellt, aber wenn ich es muß, wähle ich den ersten Zustand.

Die DDR hat sich wehrlos gemacht, systematisch, mit offenen Augen. Endlich können wir auch die Erfahrungen der Linken im Westen verwerten! Das heißt: Wir werden sie bitter nötig haben, wer die Gewerkschaft fordert, wird den Unternehmerverband kriegen. Wer den Videorekorder will, wird die Videofilme kriegen, wer die Buntheit des Westens will, wird die Verzweiflung des Westens kriegen, wer Bananen essen will, muß Schwarze verhungern lassen, wer die Spaltung Europas überwinden will, muß den Westen siegen lassen.

Meine Damen und Herren, Sie wissen noch nichts von dem Maß an Unterwerfung, das der Westen jedem einzelnen seiner Bewohner abverlangt. Was Sie vorerst begriffen haben: Der Westen ist stark. Sie haben, statt das gute Geschäft ihrer schlechten Regierung zu fördern, die Feinde der Regierung ins Land geholt.

Die Strategie des Zurückrollens ist aufgegangen. Der Westen hat gesiegt. Er hat gesiegt, weil seine Herrschaftsformen sozialdemokratisch geworden sind. Die spätkapitalistische Ökonomie braucht für ihre Existenz keine Rechtfertigung mehr, ihre Mechanismen setzen sich durch, ob wir wollen oder nicht. Wie anachronistisch wirkt ein Zentralkomitee gegen die Weltbank, wie einzig sinnvoll aber auch.

Am 9. November 1989 hat in Deutschland die Konterrevolution gesiegt. Ich glaube nicht, daß man ohne diese Erkenntnis in der Zukunft wird Bücher schreiben können.

Vielen Dank.

Raute

Wie auf Anbiederung Bedachte den 13. August 1961 kommentierten

Moralisch-politischer Ausverkauf

Wer in zugespitzten Klassenkampfsituationen keine klaren Optionen trifft, gerät dadurch nicht nur ins Torkeln, sondern auch zwangsläufig zwischen die Fronten. Wer den Marxismus pluralistischer Sterndeuterei opfert, verläßt den Boden historisch exakter Bewertung von Tatsachen, Tendenzen und Abläufen.

So ist es dem PDS-Parteivorstand am 13. August 2001 mit seiner Erklärung zum 40. Jahrestag des "Mauerbaus" ergangen. Das "inhumane Grenzregime" sei "zum Kainsmal der DDR und des Ostblocks" geworden, heißt es dort biblisch-nebulös. Demgegenüber habe der 9. November 1989, mit dem die Konterrevolution zur Liquidierung der DDR als Staat eingeleitet wurde, "das Tor zur deutschen Einigung und zur Überwindung der bipolaren Nachkriegsordnung aufgestoßen". Man beachte: Hier wird imperialistischer Unipolarität das Wort geredet!

Besonders stolz war man auf den "Bruch mit der SED", der auf dem Sonderparteitag im Dezember 1989 vollzogen wurde. Was rechtfertigt eigentlich diesen "Stolz" auf die historisch unsinnige Trennung vom Erbe einer Partei, die bei all ihren Fehlern und Schwächen sowie selbst angesichts des kläglichen Debakels am Ende immerhin für 40 Jahre Sozialismus in der DDR - die größte Errungenschaft in der Geschichte der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung - einstand? Die PDS habe sich "vom Stalinismus der SED unwiderruflich befreit", heißt es in der zitierten Erklärung. Hat sie sich nicht statt dessen - und zwar entgegen dem Willen vieler ihrer Mitglieder - von Marx, Engels und Lenin getrennt?

Auch das Zufeldeziehen gegen einen nicht näher definierten "Stalinismus" wirkt in Wahrheit wie ein antikommunistischer Schlachtruf. Wo bestimmte Leute nach ihrer Abkehr vom wissenschaftlichen und praktizierten Sozialismus inzwischen gelandet sind, wurde schon damals angedeutet: Man habe sich von der "SED-Vergangenheit gelöst" und zu einer "kritisch mit ihrer eigenen Geschichte umgehenden demokratischen und rechtsstaatlich verläßlichen Partei entwickelt", liest man in dem Dokument. Wer aber kontrolliert die "Verläßlichkeit" im Sinne des offenbar völlig klassenindifferenten "Rechtsstaates" der bundesdeutschen Bourgeoisie?

Das Bekenntnis zum Kapitalismus wurde in der hier zitierten ideologischen Kapitulationsurkunde noch deutlicher: "Der Mauerbau war der in Beton gegossene Nachweis der Unterlegenheit des stalinistisch geprägten Sozialismustyps in der DDR gegenüber dem realen Kapitalismustyp in der Bundesrepublik." Das steht dort schwarz auf weiß.

Können sich Leute, die Sozialisten sein wollen, noch tiefer vor der inzwischen Bankrott anmeldenden deutschen Ausbeuterklasse verbeugen?

Und weiter wird die haarsträubende These aufgestellt: "Die Errichtung der Berliner Mauer war keine Lösung, um die Existenz der DDR zu retten." Der "Machterhalt der SED" sei lediglich "auf Kosten der eingemauerten Bevölkerung der DDR erfolgt". Kein Zweifel: Die Verfasser dieses jetzt acht Jahre alten Papiers hätten den sozialistischen deutschen Staat, wären sie am Drücker gewesen, schon viel früher an das "rechtsstaatliche" Kapital der BRD abgeliefert. Besonders unappetitlich fiel auch eine zum selben Zeitpunkt veröffentlichte Erklärung aus, die Petra Pau, Carola Freundl und Harald Wolf, der heutige Stellvertreter Wowereits, im Namen der seinerzeitigen PDS-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses abgaben: "Die Mauer hat das Volk der DDR elementarer Menschenrechte beraubt", ließen die drei Genannten vom Stapel. Eine Einschätzung, die übrigens von der UNO-Menschenrechtskommission nicht geteilt wurde.

Und: Fragen wir doch heute einmal jene, welche die DDR als deren Bürger bewußt erlebt haben, danach, was sie zu dieser These "linker" Antikommunisten zu sagen haben.

K. S.

Raute

Wie die WTA die Kastanien aus dem gegnerischen Feuer holte

Aufklärer höchsten Niveaus

Leiter und Mitarbeiter der Wissenschaftlich-technischen Aufklärung (WTA) der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS haben mit der Herausgabe eines Buches die Aufgabenstellungen und Arbeitsgebiete ihres Bereichs offengelegt. Sie geben einen tiefen Einblick in die geheimdienstliche wissenschaftlich-technische Aufklärung der DDR und deren Verhältnis zur Volkswirtschaft. Ausgehend von ihrer politischen und internen Verantwortung im MfS der DDR stellen die Autoren dar, wie mit vielfältigen nachrichtendienstlichen Mitteln, Maßnahmen und Methoden die Forschung und Entwicklung, vor allem aber die Industrie des sozialistischen deutschen Staates unterstützt wurden.

Das hier besprochene Buch liefert eine zusammenfassende Darstellung der geheimdienstlichen Tätigkeit, die allen volkswirtschaftlichen Schlüsselbereichen zugute kam. In einzelnen Kapiteln wird das z. B. für die Elektrotechnik und Elektronik, vor allem die Mikroelektronik, die Datenverarbeitung und die Nachrichtentechnik, die Metallurgie und den Maschinenbau, die chemische Industrie, die Biologie, die Energietechnologie, insbesondere die Atomenergie, und nicht zuletzt für die Militärtechnik beschrieben.

In kompetenter Weise wird für diese Schlüsseltechnologien die bislang der Öffentlichkeit nicht bekannte Unterstützung der DDR-Wirtschaft in der Zeit der 60er bis zum Ende der 80er Jahre durch geheimdienstliche wissenschaftlichtechnische Informationen dargelegt. Es handelt sich also um Details und Vorgänge, die zu DDR-Zeiten strengster Geheimhaltung unterlagen.

Deutlich wird, wie intensiv die WTA mit den volkswirtschaftlichen Prozessen und Zielen verflochten war. Eine große Zahl hervorragender Wissenschaftler, Ingenieure, Technologen, wirtschaftsleitender Kader und Praktiker hat die internen Informationen für neue Lösungen und schnelleres Erreichen der gesteckten Ziele genutzt, wobei sie in vielfältiger Weise selbst wissenschaftlich-technische Kreativität an den Tag legten. Schließlich waren die am besten ausgebildeten Kräfte in den Bereichen der Auswertung tätig und auch dazu in der Lage, Tausende von Informationen zu nutzen und darüber hinaus eigene Schlußfolgerungen für die Bedingungen der DDR und des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zu ziehen.

Die Art und Weise der Zusammenarbeit des Sektors Wissenschaft und Technik der HVA mit diesen Auswertern wird detailliert beschrieben, was verdeutlicht, daß und wie sich die dafür ausgewählten Kräfte oftmals weit über ihr eigenes Aufgabengebiet hinaus für die Nutzung und Umsetzung der internen Informationen engagiert haben.

Eindringlich wird die verläßliche Tätigkeit vieler ungenannt Bleibender hervorgehoben, die im kapitalistischen Ausland für die DDR Informationen, Muster und Dokumentationen beschafft und sich mit ihrem persönlichen Einsatz für weitreichende perspektivische Schritte eingesetzt haben.

Die Autoren würdigen diese verdienstvollen Männer und Frauen, die sowohl außer Landes am Beginn der geheimdienstlichen Beschaffung als auch im Lande selbst bei der Umsetzung und Nutzung des Materials wirkten.

Mit dem hier rezensierten Buch werden erstmals öffentlich die Methoden der Aufgabenabstimmung zwischen den staatlich-wirtschaftsleitenden Organen und Beschaffern wie Auswertern beschrieben, die unter dem strengen Regime der Geheimhaltung standen. In ihrem gesamten Vorgehen steckt eine eigenständige und erfolgreiche Weiterentwicklung geheimdienstlicher Tätigkeit, wofür die Verantwortlichen des Sektors Wissenschaft und Technik Anerkennung verdienen.

Am Beispiel ausgewählter Schwerpunkte der auf diese Weise unterstützten Planprojekte der DDR haben die Autoren deutlich herausgearbeitet, wie die WTA erfolgreich gegen die Isolierung der DDR in der internationalen Arbeitsteilung vorging. Dadurch konnte der Schaden, der die Bevölkerung des Arbeiter-und-Bauern-Staates durch die gnadenlose Embargopolitik der führenden imperialistischen Mächte treffen sollte, in entscheidenden Technologiebereichen wesentlich verringert werden. Darin bestand die Aufgabe der WTA gegen den von westlicher Seite geführten Wirtschaftskrieg.

Viele Planaufgaben wurden durch die Einflußnahme des Sektors Wissenschaft und Technik vorfristig oder mit höherer Zielsetzung erfüllt. Aber trotz dieser Anstrengungen bestand keine Möglichkeit, den dogmatischen Stil der Wirtschaftsführung und politische Erstarrungserscheinungen zu überwinden.

Die Autoren waren sich dessen bewußt und machen das auch deutlich, daß sie mit der Beschaffung und Auswertung interner Materialien in eine besondere Verantwortung für wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidungen eingebunden waren, sie zum Teil sogar eigenverantwortlich zu tragen hatten. Die WTA hat mehrfach auf hohen staatlichen Leitungsebenen richtungsbestimmende Klärungen und zusätzliche materielltechnische wie finanzielle Mittelbereitstellungen herbeigeführt. In einigen Fällen wurden dadurch sogar perspektivische Projekte von großer Tragweite beeinflußt, was zu tiefgreifenden Änderungen bereits geplanter technischer Systeme und schon gesetzter Planziele in allen RGW-Ländern führte.

Seitens der DDR-Führung wurden die Ergebnisse der Unterstützung der Industrie sowie der Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen regelmäßig durch ökonomische Bewertungen bestätigt. Obwohl von Jahr zu Jahr strengere Maßstäbe angelegt wurden, belief sich in letzter Zeit der jährliche volkswirtschaftliche Nutzen auf über 1,5 Mrd. Mark der DDR. Das vorliegende Buch erbringt auch den Nachweis, daß die WTA der einzige Geheimdienstzweig ist, der an Hand solcher Kriterien bewertet wurde.

Es ist weltweit nicht üblich, daß Geheimdienste über ihre Arbeitsmethoden, Ziele, Erfolge und Mißerfolge öffentlich berichten. Das aber haben die Verfasser bewußt und mit großer Sachlichkeit getan. Die Arbeit ist ihnen bestens gelungen. Das Buch besitzt hohen Wert als Beitrag zur Geschichtsdarstellung der DDR.

Dr. Dr. h. c. Herbert Weiz

Unser Autor war Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates und Minister für Wissenschaft und Technik der DDR.


H. Müller, M. Süß, H. Vogel: Die Industriespionage der DDR.
Die wissenschaftlichtechnische Aufklärung der HVA,
Band II der Geschichte der HVA, edition ost, Berlin 2009,
14,90 Euro, ISBN 978-3-360-01099-5

Raute

BRD-Kriegsspiele in der annektierten DDR

"Grüner Luchs" in der Oberlausitz

Unter der Überschrift "Auf alle Situationen vorbereitet" veröffentlichte das Bundeswehrorgan "aktuell" folgenden Beitrag über die Bekämpfung "irregulärer Kräfte":

Am Vormittag des 4. Mai. Es ist kühl im waldreichen Mittelland der Atlantikinsel Zylantis. Das maritime Klima beschert dem Inselstaat einmal mehr einen kalten Frühling. Doch die Führung der Insel plagen im Moment andere Sorgen: Irreguläre Kräfte gefährden im Zentrum der Insel die politische Stabilität des Landes, ein Umsturz droht.

Durch das dornenreiche Gestrüpp eines Kiefernwaldes schreitet ein Soldatenkordon in Schützenreihe - weiße Überwürfe über vertrautem Flecktarnmuster der Bundeswehr. Es sind Soldaten der Zylantis Defence Forces, der Streitkräfte des Inselstaates. Sie durchkämmen systematisch einen Geländeabschnitt auf der Suche nach irregulären Kräften. Unterstützt werden sie durch Truppen der ZFOR, die von der internationalen Gemeinschaft als Streitmacht auf die Insel gebeten wurden, um die politische Situation des Landes und die Regierung zu stabilisieren.

Soweit das Einsatzszenario, denn natürlich gibt es im richtigen Leben weder den Inselstaat Zylantis im Atlantik, noch hat der Deutsche Bundestag der Bundeswehr einen weiteren Einsatzauftrag erteilt. In der Realität liegt das Waldstück nordwestlich der Ortschaft Rietschen auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Oberlausitz nahe der deutsch-polnischen Grenze. Mit über 160 Quadratkilometern Fläche ist der Übungsplatz viertgrößtes Übungsgelände der Bundeswehr in Deutschland. In der waldreichen Landschaft liegen vereinzelt aufgelassene Ortschaften und Gebäudegruppen, wie beispielsweise Bärwalde im Südwesten - Schauplatz der Operation "Red Village", einer Häuserkampfübung am Morgen.

"Die Luftlandebrigade 31 bewegt sich in Szenarien von Operationen gegen irreguläre Kräfte", erläutert Hauptmann Sascha B. das Übungsszenario. "Wir versuchen den Gegner heute nicht zu vernichten, sondern zunächst festzusetzen, unter der Auflage der rechtlichen Rahmenbedingungen, denen wir unterliegen. Das macht die Sache aus infanteristischen Gesichtspunkten deutlich herausfordernder."

Das bedeutet: Wenn Soldaten früher ein Haus, in dem sich gegnerische Kräfte aufhalten, zerstört hätten, sollen sie es heute einkreisen und die Gegner überwältigen. Um die weitläufigen, mehrstöckigen Plattenbauten Bärwaldes einschließen und durchsuchen zu können, ist ein ganzes Fallschirmjägerbataillon gebunden.

Fast zwei Wochen lang war die Luftlandebrigade 31 auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz auf der Großübung "Grüner Luchs 2009". Das Ziel: Bekämpfung irregulärer Kräfte - eine Kernkompetenz der Brigade aus dem niedersächsischen Oldenburg. "Ein Thema, das uns künftig immer wieder begegnen wird, ist dabei die Unterstützung von Sicherheitskräften in Staaten, in denen wir mit deren Autorisierung eingesetzt werden", erklärt der Kommandeur der Luftlandebrigade 31, Brigadegeneral Frank Leidenberger. "Für die Brigade ist es bei dieser Übung meine Absicht, das obere Spektrum der möglichen Operationen gegen irreguläre Kräfte zu üben. Das heißt: Wir haben identifizierte irreguläre Kräfte, gegen die die Gewaltanwendung dann auch grundsätzlich autorisiert ist."

Auf dem Gefechtsstand geht es zu wie in einem Bienenstock: Ständiges Kommen und Gehen, Offiziere stehen über Kartentische gebeugt, koordinieren, telefonieren, im Hintergrund sind die verschiedenen Funkkreise der laufenden Übung zu hören. Der Brigadestab hat in einem Zeltsystem mit mehreren 100 Quadratmetern neben den festen Gebäuden des Lagers Haide Stellung bezogen. Der Gefechtsstand ist eine Sicherheitszone in der Sicherheitszone, von Stacheldraht umgeben, zwei Posten sichern den Zugang, spanische Reiter blockieren die Einfahrt, von einem Turm aus beobachtet ein Maschinengewehrschütze das Gelände.

Mit großem logistischem Aufwand haben die Fallschirmjägerbataillone 313 und 373 aus Seedorf und weitere Einheiten der Brigade wie das Luftlandeunterstützungsbataillon 272 aus Oldenburg in die Lausitz verlegt. Mehrere hundert Fahrzeuge und weit mehr als 2000 Soldaten haben sich Ende April in Marsch gesetzt. Die Truppen sind auf mehrere Lager des Übungsplatzes verteilt. Am Nachmittag ein Besuch bei der Quick Reaction Force (QRF) der Brigade im Lager Werdeck, die vom Fallschirmjägerbataillon 313 gestellt wird. Auf den Fluren der Unterkunft Rucksäcke, Stiefel zum Lüften, am Morgen noch waren die Soldaten bei der Operation "Red Village" im Gefecht.

"Da wir nicht unvorbereitet in Situationen kommen wollen, haben wir Standard-Operationsverfahren, die vorgeübt werden", erläutert Leutnant Andreas G., Zugführer in der 2. Kompanie. "Wir arbeiten mit echten Lageinformationen aus dem Einsatz und bereiten uns so effizient wie möglich vor, so gefechtsnah wie möglich."

Zurück in Haide. Leitungsbesprechung auf dem Gefechtsstand. Zur Dienstaufsicht ist auch Generalmajor Hans-Werner Fritz eingeflogen, der Kommandeur der Division Spezielle Operationen (DSO) aus Regensburg, der die Brigade unterstellt ist. Die Bataillonskommandeure erläutern ihre Vorhaben der Folgetage.

Am nächsten Morgen ist aus dem Bienenstock ein Wespennest geworden: Die Operation "Green Impact" ist angelaufen, der Höhepunkt der Übung: Die Aufklärungskräfte der Brigade haben irreguläre Kräfte in der Ortschaft Jablonsk ausgemacht, gleichzeitig soll die Übergabe von sogenannten Manpads, schultergestützten Panzerfäusten und Luftabwehrraketen, an die irregulären Kräfte auf dem Flugplatz Preschen verhindert werden. Das geht nicht ohne Close Air Support, Luftnahunterstützung durch "Tornados" vom Jagdbombergeschwader 33 aus Büchel.

Die Bewegliche Befehlsstelle des Brigadekommandeurs verlegt als letztes zum Flugplatz Preschen, einem alten Militärflughafen der ehemaligen NVA, 20 Kilometer nördlich von Haide. Bei ihrem Eintreffen ist die Operation bereits in vollem Gange: In mehreren Wellen setzen vier Hubschrauber vom Typ Bell UH-1D und zwei Transporthubschrauber vom Typ CH-53 die Soldaten der QRF mit ihren "Wiesel"-Waffenträgern auf einer großen Wiese südlich der Landebahn ab.

Schnell ziehen die Soldaten im Wald unter. Zuvor haben bereits "Tornado"-Jagdbomber einen Bunker, in dem sich irreguläre Kräfte aufgehalten haben, zerstört. Die Luft vibriert vom Rotorenlärm, Gras wirbelt umher, es riecht nach verbranntem Petroleum. Aus der Ferne beobachten Anwohner das Geschehen. Die Kommandeure Fritz und Leidenberger schweben in ihrem Verbindungshubschrauber Bö 105 über dem Schauplatz. Man hört vereinzelt Schüsse.

Nach der Landung sehen sich die Generale die Stellungen der QRF am Waldrand an. Der Führer der Landezone meldet die Lage, der Divisions- und der Brigadekommandeur sind zufrieden. Das Lob General Leidenbergers: "Es war o. k. Die sind ja auch fit!"

Stefan Bitterle (gekürzt)

Raute

Warum Politiker und Medien des Kapitals so auf die Pauke hauen

Zwischen Brimborium und Angst

Mit großem Brimborium wurde der 60. Jahrestag des BRD-Grundgesetzes durch die Medien der Bourgeoisie als Nonplusultra an Demokratie und Freiheit gewürdigt. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit setzt man den angeblichen Rechtsstaat BRD ins Verhältnis zum ebenso angeblichen Unrechtsstaat DDR. Dabei vergaß man wohlweislich, daß die Bonner Pseudoverfassung den Bürgern buchstäblich übergestülpt wurde. Niemand hatte die Möglichkeit, über den Entwurf zu debattieren oder abzustimmen. Die Bürger der DDR hingegen wußten, daß mit der Anschlußentscheidung der mehrheitlich landesverräterischen letzten Volkskammer dieses Grundgesetz nun auch für sie Gültigkeit haben würde, während sich die von ihnen in freier und geheimer Wahl beschlossene Verfassung der DDR in Makulatur verwandelte. Bei den Wahlen vom 18. März 1990 hat sich dann eine Überzahl Ostdeutscher den Boden ihrer in der DDR gewohnten sozialen Sicherheit selbst unter den Füßen weggezogen. Ich staune über immer häufiger geäußerte Meinungen, die da lauten: Wenn ich 1989/90 gewußt hätte, was auf mich zukommt, dann wäre meine Entscheidung anders gewesen. Wie läßt sich erklären, daß so viele Menschen, die eigentlich hätten vorgewarnt sein sollen, den heuchlerischen Versprechungen Kohls und anderer Heilsbringer des Imperialismus auf den Leim gegangen sind? War das politische Naivität? Glaubte die Mehrheit wirklich, zum sicheren Arbeitsplatz, zur billigen Wohnung, zur verläßlichen Kinderbetreuung und zur unentgeltlichen medizinischen Fürsorge nun auch noch das Westgeld zu bekommen, das allgemeinen Reichtum und uneingeschränkte Freiheit ermöglichen sollte? Welcher Hartz-IV-Empfänger kann denn heute von dieser Freiheit Gebrauch machen?

Im übrigen ist der Freiheitsbegriff eine klassengebundene Kategorie. FDP-Mann Westerwelle und seine Partei der Besserverdienenden verstehen darunter etwas völlig anderes als der einstige Braunkohlekumpel aus der Lausitz, der wie 50.000 seiner Kollegen nach 1990 auf die Straße geflogen ist. Der damalige Staatssekretär im Bonner Finanzministerium und heutige Bundespräsident Horst Köhler war es bekanntlich, der dem deutschen Kapital einen Freibeuterbrief zu Raub und Plünderung des DDR-Vermögens ausgestellt hat. Die Folge: eine nahezu totale Deindustrialisierung weiter Regionen des Ostens, die zu einer Arbeitslosigkeit nie gekannten Ausmaßes geführt hat. Dieses Wort war ja in der DDR absolut unbekannt. Das scheinen manche bereits vergessen zu haben. Heute sind Tafel und Suppenküche angesagt. Wo bleiben da das gemeinsame Schamgefühl, das Sichaufbäumen, der kollektive Widerstand?

Ohne Zweifel zeigen der potenzierte Haß gegen alles, was DDR war, und ständig neue Latrinenparolen eine gewisse Wirkung. Nach wie vor wird die Geschichte als Karikatur dargestellt. Fanatische Antikommunisten aus dem Westen wollen uns erklären, wie wir in der DDR gelebt haben. Zugleich beziehen geschworene Feinde des Sozialismus, die vorsätzlich gegen Gesetze der DDR verstoßen haben und dafür gerichtlich zur Verantwortung gezogen wurden, üppige "Opferrenten". Wann wird endlich die miteinander verwobene Geschichte beider deutscher Staaten aufgearbeitet? Wann öffnet man die Archive jener imperialistischen Geheimdienste, die nichts unversucht ließen, der DDR das Wasser abzugraben? Unsere Sicherheitsorgane haben doch nicht gegen ein Phantom gekämpft! Der sozialistische deutsche Staat hatte tatsächliche Feinde und das nicht zu knapp, wie sich spätestens 1989/90 herausstellte. An der Verfälschung der Geschichte nehmen sogar hochrangige Politiker der Partei Die Linke teil. Deren sächsische Landesvorsitzende, die Europaabgeordnete Cornelia Ernst, hat mit den berüchtigten 20 Thesen zum Herbst 1989 im Gleichschritt mit Helmut Holter einen negativen Höhepunkt geschaffen. Wie müssen sich da Birthler und Knabe fühlen, daß ihnen ausgerechnet von dieser Seite Konkurrenz beim Haßgesang auf die DDR erwächst!

Wenn unsere Klassenfeinde 20 Jahre nach dem staatlichen Untergang der DDR diese auf solche Weise schmähen, dann kann nur Angst dahinterstecken. Schreiende Angst vor dem "Gespenst" einer Alternative zur Herrschaft des Kapitals. Doch um Veränderungen zu erzwingen, ist neben dem dazu erforderlichen gesellschaftlichen Klima vor allem eine politische Kraft erforderlich, die die Führung im Kampf zu übernehmen befähigt ist. Die Linkspartei in ihrer gegenwärtigen Verfaßtheit dürfte diese Kraft wohl kaum sein. Ich denke dabei auch an ihre oft auf örtlicher Ebene betriebene Politik. Zu erwähnen wäre die Befürwortung der Privatisierung städtischer Wohnungen sowie kommunaler Krankenhäuser. Haben solche vermeintlichen Linkspolitiker jemals danach gefragt, warum private Investoren Objekte dieser Art kaufen wollen? Ist ihnen wirklich nicht bewußt, daß es den Kapitalisten nicht um Gesundmachen, sondern um Profitmachen geht?

Seit wann ist ein Ausbeuter ein Menschenfreund? Ich empfehle Politikern dieses Schlages, gelegentlich mal wieder Marx zu lesen und dabei sogar den Versuch zu unternehmen, ihn zu begreifen. Offenbar hat bei manchen ihr einstiger Besuch von Parteischulen der SED oder der KPdSU nicht ausgereicht, um das dort Vermittelte auch wirklich zu erfassen.

Horst Franzkowiak

Unser Autor war 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Hoyerswerda.

Raute

Sind Kriterien einer revolutionären Situation bereits gegeben?

Fairer Meinungsstreit unter Marxisten

Götz Dieckmann hat in einem interessanten Artikel (RF 137) die Frage behandelt, was im Rahmen der marxistischen Revolutionstheorie die Kriterien einer revolutionären Situation sind. Er verbindet dies mit der Feststellung, daß sich "Genosse Meißner bezüglich der Faktoren, die sie (die revolutionäre Situation - H. M.) auslösen, theoretisch im Irrtum" befinde. Ich habe zwar diesen Irrtum nicht konkret benannt gefunden, halte aber die problembezogenen Überlegungen von Götz Dieckmann für sehr wichtig. Wegen der Bedeutsamkeit des Themas für unsere Strategie und Taktik, aber auch für die stetige Weiterführung Marxschen theoretischen Denkens möchte ich einige Aspekte hinzufügen.

Die von Lenin formulierten und im RF-Artikel zitierten Kriterien einer revolutionären Situation gelten uneingeschränkt auch für heute. Wesentlich ist jedoch, welche Schlußfolgerungen wir daraus ziehen. Lenins erstes und wohl bekanntestes Kriterium besteht darin, daß die unten nicht mehr in der alten Weise leben wollen und daß die oben in der alten Weise nicht mehr leben können. Lenin gründet hier auf Marx und Engels, bei denen es heißt: Die Produktivkräfte "dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Zivilisation und der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse ... sie gefährden die Existenz des bürgerlichen Eigentums" (MEW, Bd. 4, S. 468). Oder "es tritt offen hervor, daß die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse der Gesellschaft zu bleiben" (ebenda, S. 473). Die Schlußfolgerung von Götz Dieckmann lautet: "In der gegenwärtigen verheerenden Weltwirtschaftskrise ... ist das offenkundig der Fall". Ist das wirklich so?

Um nicht auf eigene bereits mehrfach publizierte Gesichtspunkte zurückzugreifen, sei aus dem Leitartikel von Klaus Steiniger im gleichen RF-Heft zitiert, "daß eine Überzahl Ausgebeuteter in diesem Land derzeit kein Klassenbewußtsein besitzt". Steiniger stellt treffsicher fest: "Trotz aller Verelendungs- und Krisenzeichen lebt die Mehrheit der deutschen Lohnabhängigen noch immer auf dem Niveau der internationalen Arbeiteraristokratie. So werden zwar ökonomische Konflikte ausgetragen, ein politischer Generalangriff auf die Festen des Kapitals aber erscheint vorerst wenig wahrscheinlich". Also kann der Schlußfolgerung, daß das erste Leninsche Kriterium einer revolutionären Situation infolge der Weltwirtschaftskrise schon "offenkundig der Fall" sei, nicht zugestimmt werden.

Als zweites Kriterium nennt Lenin: "Die Not und das Elend der unterdrückten Klassen verschärfen sich über das gewöhnliche Maß hinaus." Genosse Dieckmann stellt dazu berechtigt fest, daß das "bisher in Deutschland nicht der Fall ist". Aber daran wird sofort die Frage geknüpft, wie die Stimmung sein wird, wenn die Konsequenzen der Krise unübersehbar zutage treten, wenn die Leute realisieren, daß nur sie, ihre Kinder und Enkel die Kosten der milliardenschweren "Schutzschirme" und "Rettungspakete" zu tragen haben. Eine gute Frage! Wie werden denn die sozial Benachteiligten reagieren, werden sie mehrheitlich reagieren, und wann werden sie reagieren? Als Element einer in absehbarer Zeit bevorstehenden revolutionären Situation ist davon jedenfalls zunächst nichts erkennbar.

Als Drittes verweist Lenin darauf, daß infolge der ersten beiden Faktoren sich die Aktivität der Massen erheblich steigert, daß sie durch die ganze Krisensituation zu selbständigem historischem Handeln gedrängt werden. Die Schlußfolgerung Götz Dieckmanns im RF: "Auch Letzteres ist im Gange." Ist ein solcher Prozeß wirklich schon angelaufen?

Es zeigt sich, daß der Disput nicht um die von Lenin exakt gefaßten Kriterien einer revolutionären Situation geht, sondern um die Konsequenzen, die für unsere heutige Lage daraus zu ziehen sind. Die von Götz Dieckmann gezogenen Schlußfolgerungen halte ich nicht für realitätsnah.

Darüber hinaus sollte man diese Überlegungen weiterführen. Da sich die kapitalistischen Widersprüche auch nach der Weltwirtschaftskrise weiter vertiefen werden, wird es zu verschärften sozialen Auseinandersetzungen und Umbrüchen kommen. Das übrige Konfliktpotential von Krisenerscheinungen, wie drohende Klimakatastrophe, Energiekrise, Ressourcenerschöpfung, Hungerkatastrophen usw., wird dazu beitragen. Da sind dann verschiedene Entwicklungswege möglich. Wenn die politischen und ökonomischen "Eliten" über genügend Intelligenz und Flexibilität verfügen, werden sie vorübergehend soziale Zugeständnisse machen, die Lage wird sich zunächst einmal beruhigen, und die widerspruchsvolle Entwicklung des bestehenden Systems setzt sich vorerst fort. Wenn die Herrschenden nicht über diese Intelligenz verfügen und glauben, mit Gewalt jede Unzufriedenheit unterdrücken zu können, dann besitzen sie zwar die dazu erforderlichen polizeilichen, geheimdienstlichen und letztlich militärischen Mittel, würden aber den Widerstand komprimieren und verstärken. Ob das enden würde wie Paris 1871 oder wie der Oktober 1917, ist nicht vorhersehbar.

All solche Überlegungen sind notwendigerweise spekulativ. Nicht spekulativ aber - weil aus historischer Erfahrung und politischer Praxis abgeleitet - ist die Tatsache, daß in all diesen möglichen Fällen die Interessen der Volksmassen nur mit Erfolg oder auch Teilerfolgen durchgesetzt werden können, wenn die antikapitalistischen Aktivitäten eine Massenbasis finden und von einer zielstrebigen, einheitlich handelnden und gut organisierten politischen Kraft ihre Orientierung erhalten. Zu einer solchen durchsetzungsfähigen Kraft müssen sich die durchaus vorhandenen, aber noch zersplitterten und z. T. zerstrittenen linken Formationen - von den kommunistischen Parteien bis zur Partei Die Linke - entwickeln, da die alte Herrschaft "niemals, nicht einmal in einer Krisenepoche, "zu Fall kommt", wenn man sie nicht "zu Fall bringt". (Lenin, LW, Bd. 21, S. 207).

Prof. Dr. Herbert Meißner

Raute

Wie die "Berliner Zeitung" die Rolle der PDS einschätzt

"Erziehungsanstalt" für renitente DDR-Bürger

Vor einigen Monaten erreichte uns ein Achtungszeichen besonderer Art: In der "Berliner Zeitung" vom 15. Mai war Brigitte Fehrle unter der Schlagzeile "Wechselstimmung" für die PDS und deren Exponenten des Lobes voll. Sie schrieb: "Was sich 1989/90 zunächst als SED/PDS, später als PDS gründete, war mehr als eine Partei. Es war gewissermaßen eine Selbsthilfegruppe. Sie hat dazu beigetragen, daß die ehemaligen überzeugten DDR-Bürger den Westen verstehen und akzeptieren lernen."

Auch in der brandenburgischen Landeshauptstadt hat sich eine aus vier Autoren der durch die Linkspartei herausgegebenen Monatszeitung "Potsdams andere Seiten" bestehende "Selbsthilfegruppe" dieser Art konstituiert. Unter dem Titel "Die DDR - wie wir sie sehen" liefern Sascha Krämer, Stefan Wollenberg, Pete Heuer und Tino Erstling den Beweis verblüffender Unbekümmertheit. Schon bald nach dem "Beitritt" - wie die Sieger den Anschluß der DDR an die BRD zu bezeichnen pflegen - hatte Roland Claus einen "behutsamen Imagewechsel der Partei" angemahnt. Der ist inzwischen längst vollzogen worden, so daß es sich auch erübrigt, weiterhin "behutsam" vorzugehen. Ganz am Anfang erklärte Gregor Gysi: "Wir sind angekommen." Es folgte Gabi Zimmer mit dem klugen Spruch: "Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur übriggeblieben." Wenn auch diese kühne Weiterentwicklung des Marxismus Erstaunen auslösen mußte, blieb die zeitweilige Parteivorsitzende und spätere Europaabgeordnete "behutsam". Dann wurde sie allerdings deutlicher, als sie den Spruch "Ich liebe Deutschland" prägte, was nicht allzu weit von "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein" lag. Damit konnten sich nicht einmal die inzwischen "global" denkenden "übriggebliebenen Kapitalisten" so recht anfreunden.

Die vier erwähnten Schreiber in "Potsdams andere Seiten" verkünden nun - besser spät, als gar nicht - ganz offen, was "die Partei", konkreter gesagt deren "Reformer", eigentlich von Beginn an im Auge hatten. Sie wollen "ihren Beitrag leisten, der zukünftig gesamtdeutsch und generationenübergreifend Akzeptanz findet". Gewiß "Akzeptanz" ist wichtig, ob diese - wenn man nicht lediglich anstehende Wahlen im Auge hat - indes ausreicht, wirklich vorwärtsweisend zu sein, fragt sich.

Wenn noch bei Friedrich Engels "alle Geschichte die Geschichte von Klassenkämpfen war", so wird der fulminante Angriff der "Eliten" auf die "lohnabhängig Beschäftigten" - unsere potentiellen Wähler - in dem erwähnten Beitrag der PaS eher wie eine Ausnahme behandelt, einfach nicht mehr erwähnt, schon gar nicht als Klassenkampf gewertet. Man kann Engels zwar abschwören, doch die Bemühungen unserer angehenden Theoretiker, die nackte Realität des erbitterten Zusammenpralls von "Leiharbeitern" und "Leistungsträgern" einfach zu negieren, bleibt schwierig.

Das ist auch der renommierten "Berliner Zeitung" nicht entgangen. "Die PDS samt Gregor Gysi und Lothar Bisky ist als Integrationsbeauftragte für die gedeihliche Entwicklung des vereinten Deutschland nicht hoch genug zu schätzen", heißt es in dem bürgerlichen Blatt. Als "Integrationsbeauftragte" benannt zu werden, klingt wie eine hämische Denunziation. So weit wollten die Verfasser des Beitrags "Die DDR - wie wir sie sehen" in "Potsdams andere Seiten" möglicherweise doch nicht gehen. Wir wissen aber, daß es in Sachsen unter Federführung der Landesvorsitzenden Cornelia Ernst mit den 20 Thesen der Gruppe "Herbst 89" "Bemühungen" in diesem Sinne gegeben hat. Somit dreht es sich hier nicht um die Potsdamer Vier, sondern um den Eindruck, den diese Partei in der "freiheitlichdemokratischen" Gesellschaft nun einmal hervorruft. Genauer gesagt darum, daß ihr Beitrag zu dieser "gedeihlichen Entwicklung" von der bundesdeutschen Öffentlichkeit nicht gebührend gewürdigt und anerkannt wird.

Doch die BZ will für die LINKE noch eine Lanze brechen: "Die PDS war in diesem Sinne erfolgreich. Sie hat Wahlen gewonnen, war an Regierungen beteiligt - im Osten, dort, wo sie Partei und Erziehungsanstalt (!) zugleich war." Dem Fußvolk blieb nur, die Mitgliedsbeiträge als Kurtaxe zu verrechnen oder von der AOK vergüten zu lassen, wenigstens aber von der Steuer abzusetzen. So gab es von der überparteilich auftretenden BZ ein kleines Trostpflaster: die "Erziehungsanstalt" und ergänzend von Potsdamer Seite den "Respekt" der vier Autoren vor den "vielen älteren Mitgliedern unserer Partei, die sich für den Sozialismus auf deutschem Boden eingesetzt haben". Vor den Wahlen fährt diesen Schmusekurs übrigens auch die CDU. Sie verkündet, "die Menschen" hätten "Großes geleistet", nur vom Politbüro sei alles zunichte gemacht worden.

Ergänzend erfahren wir aus dem PaS-Beitrag den "Fakt, daß aktuellen Studien zufolge das Herrschaftssystem der DDR von den Menschen vergleichsweise milde wahrgenommen wird". Da fragt man sich etwas beklommen, ob das so bleiben dürfe oder sich ebenfalls ändern müsse. Im Streben nach "gesamtdeutscher Akzeptanz" wird der Lichtblick jedoch sofort relativiert, denn der Respekt unserer vier Autoren gilt selbstverständlich auch "denjenigen, die sich gegen stalinistische Deformationen zur Wehr gesetzt haben": so der Malerin Bohley, der angeblichen Luxemburg-Verehrerin und späteren CDU-Bundestagsabgeordneten Lengsfeld, dem "Abrüstungsminister" Eppelmann. Mit anderen Worten: jener idyllischen "Respektgesellschaft 2009", die sich da zusammengeschoben hat.

Die in "Potsdams andere Seiten" als "Vordenker" in Erscheinung treten wollten, erweisen sich eigentlich als friedliche Nachhut, deren ideologisches Gepäck im Troß zu verstauen wäre, bei den Marktschreiern eines "Neuanfangs". Er hat uns neben der täglichen Raffgier der ohnedies Schönen und Reichen eine Ausweitung des deutschen Berufsprofils gebracht. Etliche Tätigkeiten sind neu entstanden oder wiedergeboren: Callgirl, Hausierer, Marktschreier, Brooker, Zuhälter, Dienstmädchen, Dominas und Wahrsagerinnen. Das Wort Schlepper ist nicht so ganz neu, da mußte man nur die "Fluchthelfer" umbenennen.

Nach der Lesart der BZ-Artiklerin Brigitte Fehrle zählte man unsere vier Potsdamer Autoren zum pädagogischen Personal der durch sie benannten "Erziehungsanstalt". Sie soll hartnäckig "überzeugte DDR-Bürger" zur Räson bringen. Ihnen muß eingebleut werden, "den Westen akzeptieren zu lernen". Das geschieht allerdings mit unterschiedlichem Erfolg, gibt es doch jede Menge renitenter und resistenter Mitglieder der Partei Die Linke, die zu ewigen Insassen werden könnten. Ihnen droht damit lebenslängliche Um-"Erziehung". Am Ende wüßten sie - wie einst die Gefangenen in den Stalinschen Lagern - gar nicht zu sagen, warum sie eigentlich "eingesessen" haben. Das Diskussionsangebot wäre dann nur noch Bestandteil des Therapieprogramms einer "Erziehungsanstalt", die sich nicht scheut, langsam zur Tafel-Bewegung zu werden.

"Lafontaines Textbausteine zum internationalen Finanzkapitalismus jedenfalls entbehren nicht einer gewissen Plausibilität", resümierte die "Berliner Zeitung". Dem hätten unsere "Selbsthilfegruppen" an der Basis sicher nichts hinzuzufügen. Es bleibt zu hoffen, daß auch die vier Potsdamer Erziehungshelfer diese oscargekrönten "Textbausteine" - sagen wir - "vergleichsweise milde wahrnehmen" werden.

Walter Ruge

Raute

Glückwunsch nach Brüssel und Lissabon

Bei den Wahlen zum Europaparlament hat die Partei der Arbeit Belgiens (PTB) - sie gibt die vom RF wiederholt zitierte Wochenzeitung "Solidaire" heraus - einen bemerkenswerten Erfolg errungen: Im Unterschied zu anderen linken Parteien des Kontinents, die - wie z. B. in Deutschland - zurückfielen oder stagnierten, vermochte die PTB mehr als 1 % der Stimmen (knapp 70.000) zu erringen, was eine Verdoppelung gegenüber den letzten Europawahlen darstellt.

Auch die unverrückbar auf marxistisch-leninistischen Positionen stehende Portugiesische Kommunistische Partei (PCP), auf die mehr als 10,6 % des Votums entfielen und die wiederum mit zwei Abgeordneten in das Europaparlament einzieht, konnte den Anteil für sie abgegebener Stimmen deutlich steigern. RF

Raute

Wie Anne Wills Millionenpublikum an der Nase herumgeführt wurde

Cocktail aus Seifenblasen

Arbeitsplätze um jeden Preis? So lautete der Titel der Anne-Will-Talkshow, die durchschnittlich 3,6 Millionen Zuschauer hat. Am 7. Juni durfte sich dort Frank-Walter Steinmeier über sein Verständnis moderner Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik verbreiten. Gegen Ende der Sendung saß dem SPDler ein 50jähriger Arbeitsloser aus Mecklenburg-Vorpommern gegenüber, der seine ebenso umfangreichen wie vergeblichen Versuche schilderte, auf dem "ersten Arbeitsmarkt" eine Stelle zu ergattern.

Nur eines wolle er, von Will danach befragt, nicht mehr: Leiharbeit. "Für mich ist, das mal hart ausgedrückt, die Zeitarbeit eine Form moderner Sklaverei ... im Dumpinglohnbereich. Ich werde sie möglichst umgehen ... normalerweise gehört sie nach meiner Meinung von Staats wegen verboten", antwortete er. Will wandte sich mit Verweis auf die Agenda 2010 wieder dem Kanzlerkandidaten und damit einem der Urheber dieses Sklaventums zu: "Verhält er sich dann streng genommen falsch?" Steinmeier meinte nun plötzlich, da sich die Amtszeit der großen Koalition vorläufig ihrem Ende zuneigt, Lücken erkannt zu haben, "wo Leiharbeit auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden" müsse. "Aber vor allem, und da bleibt meine Auffassung wie bisher, müssen wir dafür sorgen, daß Mindestlöhne auch im Bereich der Leiharbeit gelten." Dafür heimste der SPD-Kanzlerkandidat Applaus ein.

"Die Bundesregierung redet seit Jahren über die Einführung eines Mindestlohns, bisher ist da definitiv nichts passiert", warf der arbeitsuchende Gast ein.

Darauf Steinmeier: "Aber Sie wissen schon, daß es nicht an uns scheitert." "Das habe ich Ihnen nicht vorgehalten", entgegnete sein Widerpart. Er hätte es tun können - und zwar zu Recht.

Ein Beispiel: Im März 2007 brachte die Bundestagsfraktion der Linkspartei den Gesetzentwurf "Deutschland braucht Mindestlöhne" (Drucksache 16/4845) ein. "Armutslöhne sind ungerecht und unsozial", heißt es dort. "Wer voll arbeitet, muß davon leben können." Steinmeiers Betroffenheit erwies sich als heuchlerisch: Der Antrag wurde nämlich Anfang Juni 2007 im Ausschuß für Arbeit und Soziales mit den Stimmen seiner SPD und ihrer Schwestern im neoliberalen Geist - CDU/CSU und FDP - abgelehnt.

Die routinierte Art Steinmeiers, die Unwahrheit zu sagen, konnte allerdings nur jene verblüffen, die Affären wie die um Murat Kurnaz und el Masri bereits vergessen haben. 2007 stellte der Sonderausschuß des Europaparlaments zur Untersuchung der schweren USA-Menschenrechtsverletzungen beim sogenannten Anti-Terror-Kampf fest, "daß die Bundesregierung im Jahr 2002 das Angebot der Vereinigten Staaten zur Freilassung von Murat Kurnaz aus Guantánamo nicht angenommen hat, obwohl sie damals schon wußte, daß er völlig unschuldig ist und nicht mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden kann." Auch dies stritt der damalige Kanzleramtsminister im BND-Untersuchungsausschuß rundweg ab.

Gleiches passierte im Fall el-Masri, der Ende 2003 für mehrere Monate vom US-Geheimdienst verschleppt wurde. Nachdem es der Bundesregierung nicht gelungen war, diesen Ausschuß zu verhindern, bezichtigte Steinmeier dessen Befürworter, damit "Anti-Amerikanismus" hoffähig zu machen. Von der Verschleppung el-Masris wollten alle "Geheimen" samt ihrem obersten Dienstherrn erst im nachhinein erfahren haben, obwohl Indizien das Gegenteil besagten. Daß Steinmeier später Informationen unterdrückt hat, steht für den Grünen Ströbele jedenfalls fest: "Es gibt gravierende Beweise, daß er Wissen hatte, welches er hätte weitergeben müssen." Zur Frage einer deutschen Kriegsbeteiligung in Irak, von Schröder und seiner SPD-Gefolgschaft ebenfalls hartnäckig geleugnet, fand zu Guttenberg, zu jener Zeit noch CSU-Generalsekretär, deutliche Worte: "Steinmeier muß endlich aus dem Nebel der Halbwahrheiten heraustreten und zugeben, daß die SPD über Jahre hinweg ein falsches Bild gezeichnet hat."

Zurück zu Anne Wills Talkshow, wo der Kanzlerbewerber inzwischen auf einen theatralischen Abgang zusteuerte. Nachdem der Hartz-IV-Gast nochmals bekräftigt hatte, daß er lieber gestern als heute arbeiten würde, gab sich der Außenminister als Arbeitsvermittler: "... dann lassen Sie uns doch mal folgendes vereinbaren. Ich hab' da zwei, drei Ideen, was Rostock angeht ... Wenn Sie bereit sind, solche Angebote ganz ernsthaft zu prüfen und auch bereit sind anzupacken, dann will ich mich gerne in den nächsten Tagen bemühen und Frau Will wird dann in drei Wochen ... nachhorchen, ob das funktioniert hat oder nicht ... da bin ich mir sicher, daß ..." Der Rest ging im Applaus des handzahmen Publikums unter. Dem Arbeitsplatzbesitzer in spe von Steinmeiers Gnaden stand die Freude ins Gesicht geschrieben.

Bei allem Verständnis für den Langzeitarbeitslosen - interessanter wäre eine Replik an Steinmeier gewesen: Wieso nur ich, was ist mit den anderen vier oder fünf Millionen, die eine Arbeit suchen? Aber dann wäre ihm möglicherweise von der Arbeitslosenverwaltung des SPD-Ministerkollegen Scholz die Hartz-Diät entzogen worden.

Raimon Brete, Chemnitz

Raute

RF-Extra

Weshalb ich als Kommunist noch immer Mitglied der Partei Die Linke bin

Ein 21 jähriger Zittauer hat das Wort

Als ich im Jahr 2005 als 17jähriger in die damalige PDS eintrat, war ich mir dieses Schrittes wohl bewußt. Sicher bedingt durch meine Besuche auf Parteitagen, die gründliche Lektüre der entsprechenden Parteidokumente und nicht zuletzt durch persönliche Gespräche mit älteren Genossen war ich der Überzeugung, meine politische Heimat gefunden zu haben. Die PDS präsentierte sich (mit Ausnahme einiger Landesverbände) weitgehend als "sozialistische Opposition" und betrachtete sich als ostdeutsche Interessenvertreterin.

Ich will und kann nicht verschweigen, daß sich viele der damaligen Beweggründe, dieser Partei beizutreten, bald als Illusionen herausstellten. Ihr Anspruch, den Sozialismus "als Ziel, Weg und Wertesystem", wie es in sämtlichen Programmen hieß, tatsächlich auch nach außen zu vertreten und damit à la Tucholsky aus "einer Sage eine Tue" zu machen, erwies sich nur zu oft als leere Sprechblase. Oder wie ist es anders zu erklären, daß Abgeordnete der PDS/PDL in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern neoliberale Politik mittragen, daß in Dresden kommunales Eigentum in immensen Größenordnungen verscherbelt wird (WOBA-Verkauf), daß in Sachsen und Thüringen Anti-DDR-Resolutionen verabschiedet werden (wohl aber gegen die Empfehlung der Bundespartei und unter massivem Protest der Basis!), daß aus der einst klar antikapitalistischen Haltung plötzlich "über den Kapitalismus hinausreichende Alternativen" geworden sind?

Vielleicht habe ich mich zu spät mit der Geschichte jener Partei beschäftigt, deren Mitglied ich nun bin. Sehr bewußt habe ich meinen Eintritt in die Nachfolgepartei der SED erklärt, welche die wohl bisher größte Leistung in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung vollbracht hat: den Aufbau eines sozialistischen Staates auf deutschem Boden, der trotz all seiner Fehler und Unvollkommenheiten eine äußerst bedeutende Errungenschaft unserer Genossen darstellt. Darauf können wir stolz sein!

Zunehmend werde ich dessen gewahr, wie systematisch von Beginn an dieses Erbe der DDR ausgelöscht werden sollte. Bereits auf dem Sonderparteitag der damaligen SED/PDS im Dezember 1989 wurde der bis heute gültige "Gründungskonsens" getroffen, der den Bruch mit dem "Stalinismus als System" erklärte. Niemand konnte mir bis zum heutigen Tag den Begriff "Stalinismus" stichhaltig bestimmen, und auch ich selbst habe als Student der Geschichtswissenschaft keine solche Definition gefunden. Es bleibt also festzuhalten, daß es sich hier um einen antikommunistischen Kampfbegriff handelt, der bis in die "Programmatischen Eckpunkte" der neuen PDL (die noch kein Parteiprogramm darstellen!) vorgedrungen ist. Übrigens findet sich darin bisher noch kein einziges Mal der Begriff "Sozialismus". Ein Zeichen?

Unzählige Male hat sich die PDS für ihre DDR-Vergangenheit "beim Volk" entschuldigt, für Dinge, die sie gar nicht verantworten muß, ohne dabei zu bemerken, wie weit sie sich der herrschenden bürgerlichen Blockpartei CDUCSUSPDFDPGrüne bereits angenähert hat.

Nicht zuletzt war bereits der Parteiname PDS mehr als fragwürdig. Die Tautologie "demokratischer Sozialismus" kann in diesem Zusammenhang nur dazu dienen, den 1989/90 zu Fall gebrachten Sozialismus als undemokratisch zu delegitimieren und das Märchen vom "diktatorischen Unrechtsstaat DDR" weiter zu verbreiten. Ein Sozialismus ohne Demokratie ist keiner. Bei allen Unvollkommenheiten des sozialistischen deutschen Staates behaupte ich, daß dieser weit demokratischer verfaßt war als jener Staat, der seit dem Anschluß der DDR an die BRD im Osten Deutschlands existiert und der in diesem Jahr seine fragwürdigen Jubiläen feiert. Warum also bin ich noch immer Mitglied dieser Partei? Ich möchte nicht verschweigen, daß ich nicht nur einmal an einen Austritt und damit verbundenen Wechsel in eine marxistische Partei wie beispielsweise die DKP gedacht habe. Trotzdem bin ich bis zum heutigen Tag und wohl auch noch darüber hinaus PDL-Mitglied.

Mit der Vereinigung von PDS und WASG im Sommer 2007 ergaben sich neue Chancen. Der Parteiname Die Linke kann für vieles stehen: für die Linie eines ADAV (Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein) oder einer SPD von 1875, für den revolutionären Weg einer KPD von 1919 oder den revisionistisch-militaristischen Weg einer SPD von 1914/1918. Wird die neue Partei eine Partei Liebknechts und Luxemburgs oder eine Partei Noskes und Eberts? Wird sie in der Tradition Schumachers und Brandts stehen oder aber in jener Thälmanns und Piecks? Wird sie den Kapitalismus reparieren oder ihn überwinden wollen? Wird sie ein sozialdemokratischer Phönix aus der Asche oder sich zu einer konsequent sozialistischen Partei entwickeln?

Vorerst handelt es sich bei der PDL weder um eine sozialdemokratische noch um eine sozialistische Partei. Sie wird sich aber entscheiden müssen. Und um sich nicht selbst überflüssig zu machen, wird an einer klaren antikapitalistischen Ausrichtung kein Weg vorbeiführen. Noch ist nicht aller Tage Abend. Die Basis verweigert sich zunehmend dem Kurs der Entschuldigungsfraktion à la Pau, Brie und leider vielfach auch Gysi. Sie fordert eine differenziertere Haltung zum Sozialismus der DDR, der letztlich für viele einen Teil der eigenen Lebensgeschichte darstellt.

Innerhalb der PDL existieren einige marxistische Zusammenschlüsse, auf deren Einfluß es in der vor uns stehenden Programmdebatte ankommen wird. Allen voran die Kommunistische Plattform, die eine hervorragende Arbeit leistet und damit Sozialisten und Kommunisten inner- wie außerhalb der Partei eine Basis bietet. Sie versucht antikapitalistische linke Kräfte aus unterschiedlichen Parteien und Zusammenschlüssen zu bündeln. Durch die Zusammenarbeit mit DKP, KPD und anderen linken Organisationen kann in Zukunft ein Potential geschaffen werden, welches in der programmatischen Ausrichtung der PDL ausschlaggebend sein dürfte. Die zeitweilig hervorragende Zusammenarbeit auf kommunaler und Landesebene beispielsweise durch für Mitglieder der DKP, der KPD und Parteilose geöffnete Listen der PDL muß unbedingt fortgesetzt werden. Gemeinsame Veranstaltungen, wie sie in der Vergangenheit bereits durchgeführt wurden, sollten häufiger stattfinden und noch mehr Genossen der Basis angeboten werden. Das vorhandene Potential der älteren Genossen muß stärker als bisher genutzt werden, damit sie ihre Erfahrungen und Meinungen den jüngeren und jungen Generationen übermitteln können, um sie vor "Geschichtsaufarbeitung" à la Hubertus Knabe zu bewahren. Nur mündige aufgeklärte junge Sozialisten und Kommunisten können das Erbe der älteren Genossen fortführen.

Dazu bedarf es aber deren Wissen und Urteilsvermögen. Der oftmals auch in der PDL aufbrechende Gegensatz zwischen Alt und Jung kann in diesem Zusammenhang nur destruktiv wirken.

Welches sind die Eckpfeiler, die die Programmatik der PDL tragen müßten, damit sie tatsächlich noch "meine" Partei ist?

Das klare antikapitalistische Bekenntnis darf nicht fehlen. Um sozialistische Politik betreiben zu können, müssen die Produktionsverhältnisse radikal verändert werden. An einer "Expropriation der Expropriateure" führt langfristig kein Weg vorbei. Nur öffentliches, also staatliches und genossenschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln kann dauerhaft kapitalistische Ausbeutung aufheben. Nur auf diesem Wege ist das demokratiefeindliche Primat der Wirtschaft vor der Politik zu beseitigen.

Absolut notwendig ist eine konsequent antimilitaristische Politik der neuen Linkspartei. Sie muß sich weiterhin jeder Form von Kriegseinsätzen im In- und Ausland verweigern. Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt. Zu den wichtigsten Forderungen auf diesem Gebiet zählen weltweite Abrüstung und Auflösung der NATO. Es gilt: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Die Partei muß sich konsequent gegen jede Form von Rassismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit aussprechen. Faschistische Parteien wie NPD und DVU müssen ebenso verboten werden wie sämtliche Landsmannschaften und andere revanchistische Organisationen (Zentren gegen Vertreibung etc.). Noch deutlicher als bisher muß sie sich gegen jede Form von Diskriminierung aussprechen. Homophobie, Sexismus und Ausländerfeindlichkeit nehmen in unserer Gesellschaft immer mehr zu. Sie sorgen für eine fortschreitende schleichende Faschisierung. Die Wahlergebnisse insbesondere in Ostdeutschland für NPD und DVU bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs.

Die PDL muß sich zumindest für geraume Zeit klarer als bisher auf die Oppositionsrolle festlegen. Die Spielräume sozialistischer Politik im gegenwärtigen kapitalistischen System sind so gering, daß es zu einem großen Vertrauensverlust bei der Bevölkerung führen kann, sich in jedweder Form an Landesregierungen zu beteiligen. Da es ohnehin nur mit Unterstützung der SPD gelingen dürfte (bei der das "S" wohl "sozialdemagogisch" heißen soll), eine stabile Regierung aufzubauen, steht eine solche Rolle für die PDL m. E. nirgends zur Debatte. Sollte die Partei weiter an Sozialabbau und gegen die Arbeitenden gerichteter Politik mitwirken, wie in einigen ostdeutschen Bundesländern geschehen oder angestrebt, macht sie sich unglaubwürdig und damit überflüssig.

Die PDL muß sich endlich zu ihrer Geschichte bekennen und den Sozialismus, wie er in der DDR bestand, differenziert und wohlwollend bewerten. Entschuldigungsorgien und verurteilende Erklärungen der Partei-Rechten müssen unterbunden werden. Nur wenn dies gelingt, ist sie in der Lage, Fehler der Vergangenheit in Zukunft zu vermeiden und positive Erfahrungen zu nutzen. In diesem Zusammenhang sollte die PDL auch gegen Demagogen und Volksverhetzer vom Schlage eines Hubertus Knabe und einer Marianne Birthler sowie Renegaten wie Günter Schabowski offensiver auftreten und beispielsweise einfordern, die massive Vergeudung von Steuergeldern in Gestalt der MfS-Unterlagenbehörde zu beenden. Die ahistorische, unwissenschaftliche Gleichsetzung der "beiden deutschen Diktaturen" und die damit einhergehende Verharmlosung des Hitlerfaschismus müssen aufhören.

Nur wenn sich die PDL stärker auf die Wurzeln von 1918/19 besinnt und bereit ist, diese auch offen zu benennen und im Sinne Liebknechts und Luxemburgs, Thälmanns und Piecks zu wirken, ohne Marx und Lenin aus dem Spiel zu lassen, hat sie als demokratisch organisierte sozialistische Partei in Deutschland eine Zukunft. Bleibt dies jedoch aus, wird sie nicht mehr meine Partei sein, so daß ich die notwendigen Schlüsse ziehen müßte. Momentan steckt in der "Linken" aber (noch) ein überaus großes Potential, auf dessen Nutzung es ankommt. Dies kann jedoch nur mit Hilfe vieler engagierter Genossinnen und Genossen inner- und außerhalb der PDL gelingen.

Packen wir's an! Trotz alledem!

Dominik Gläsner, Zittau

Raute

Neue Vorhutpartei wurzelt in Traditionen der Arbeiterbewegung Polens

Der KPP unsere Solidarität!

Gegenwärtig sind die polnischen Kommunisten überwiegend in der Kommunistischen Partei Polens organisiert. Das ist eine neue Partei, die im Dezember 2002 im oberschlesischen Dabrowa Gornicza gegründet wurde. Der Beschluß zur Konstituierung wurde gefaßt, nachdem der Oberste Gerichtshof der Republik den früheren Bund Polnischer Kommunisten "Proletariat" aufgelöst hatte. Die neue Partei setzt die Traditionen der polnischen revolutionären Arbeiterbewegung fort. Die KPP ist eine Kaderpartei mit etwa 3000 Mitgliedern. Ihre Hauptzentren befinden sich vor allem in Oberschlesien, Warschau, Wroclaw, Kielce und Rzeszów. Die Mehrzahl der Genossen sind frühere Angehörige der PVAP, die sich zur kommunistischen Ideologie bekennen. Eine andere Gruppe der Partei sind Angehörige der jungen Generation, Studenten, Schüler, junge Arbeiter, die enttäuscht und mit den brutalen Bedingungen des Kapitalismus konfrontiert sind. Sie sehen in der kommunistischen Ideologie eine Möglichkeit zur Überwindung dieser Verhältnisse. Die Führung der KPP hofft auf eine weitere Verjüngung der Partei. Darüber hinaus gibt es in Polen zahlreiche nichtparteigebundene Kommunisten und Sympathisanten, die in der Gesellschaft der Polnischen Marxisten mitarbeiten. Das sind vor allem Wissenschaftler, Intellektuelle. Viele Kommunisten betätigen sich politisch in Klubs der Linksveteranen oder sind nicht organisiert. Sie wirken individuell, z. B. bei Parlaments- und Kommunalwahlen, äußern ihre Meinung in der Presse und anderen Medien. Eine besondere Gruppe bilden Angehörige der früheren Polnischen Volksarmee, vor allem Offiziere.

Die KPP ist gut organisiert. Sie unterhält zwei Sekretariate: das Warschauer leitet der Vorsitzende Józef Lachut und das in Dabrowa Gornicza der Generalsekretär Marian Indelak. Sie organisieren die Arbeit des Zentralkomitees und der gesamten Partei.

Die KPP gibt die Monatszeitung "BRZASK" (Morgenröte) heraus, deren Chefredakteur zur Parteileitung gehört. In ihr werden aktuelle Dokumente der KPP, Materialien der internationalen kommunistischen Bewegung und andere Informationen, theoretische Artikel und Beiträge zum Parteileben veröffentlicht. Außerdem gehören Flugblätter, Plakate und Konferenzprotokolle zu den Darstellungsformen der Partei. Die Mitgliedsbeiträge betragen 5 bis 10 Zloty im Monat. Die zentralen Organe der Partei treten einmal im Quartal zusammen, das Präsidium berät mindestens einmal in zwei Wochen. Das ZK trifft mit den Leitungen der Bezirksorganisationen regelmäßig zusammen, wodurch die innerparteiliche Verbindung verbessert wird.

Die organisatorische Hauptaufgabe ist die Stabilisierung und Entwicklung der Partei. Langsam entstehen neue Grundorganisationen sowie Kreis- und Wojewodschaftskomitees.

Eine wichtige Aufgabe ist die Entwicklung des Bundes der Kommunistischen Jugend. Unsere Genossen suchen und finden Kontakte zu Gewerkschaften und gesellschaftlichen Organisationen, um den Einfluß der kommunistischen Ideologie zu erhöhen.

Erforderlich ist die ständige Arbeit an und mit den grundlegenden Dokumenten der KPP wie der programmatischen Deklaration, dem Parteistatut, mit Beschlüssen des ZK und der Parteitage. Während auf aktuelle Geschehnisse mit Flugblättern reagiert wird, stellen wir Fragen der Strategie und Taktik der Partei anhand theoretischer Konferenzmaterialien dar. Eng damit verbunden ist die propagandistische Arbeit. Eine wichtige Rolle spielt hier die oben erwähnte "BRZASK"-Redaktion sowie die Teilnahme an Massenveranstaltungen zum 1. Mai, zum 22. Juli - dem Tag der Wiedergeburt Volkspolens - zum 7. November (Oktoberrevolution) und zum 13. Oktober (dem Jubiläum der 1943 in der Sowjetunion entstandenen Polnischen Volksarmee). Mit Kranzniederlegungen wird an die historischen Ereignisse erinnert und deren Rolle für die Gegenwart unterstrichen.

Aktivisten der KPP nehmen auch an öffentlichen Debatten teil. Hauptaufgabe bleibt der Kampf gegen das kapitalistische System und für den Sozialismus.

Eine wichtige theoretische als auch organisatorische Aufgabe ist die Verteidigung des historischen Erbes Volkspolens, die Erklärung seiner Errungenschaften gegenüber der jungen Generation. Das ist besonders wichtig, weil die großbürgerliche Hetze seine historischen Leistungen verunglimpft und die Geschichte Volkspolens verfälscht oder negiert. Es ist sehr schwierig, weil durch die Massenmedien im Dienste der Bourgeoisie und sogenannte wissenschaftlichen Arbeiten ein ständiger Strom der Lügen fließt, der insbesondere auf das Bewußtsein junger Leute zielt. Unsere Sache ist es, dieser Verfälschung der Geschichte Volkspolens und der herausragenden Rolle der Kommunisten entgegenzutreten.

Zu den aktuellen Aufgaben gehört der Kampf um die Einheit der Arbeiterbewegung. Dabei gilt es zwei Aspekte zu beachten: einen inneren und einen äußeren. Die KPP ringt um die Überwindung der Zersplitterung auf der Linken. Es gibt zahlreiche Konferenzen und Diskussionen mit anderen Strömungen der polnischen Arbeiterbewegung, mit Sozialisten, Anarchisten, Trotzkisten, Grünen wie auch mit verschiedenen Gewerkschaften. Die KPP zählt Revisionismus, Opportunismus, Solidarnosc-Denken und religiöse Vorurteile zu den Hauptursachen der Niederlage der polnischen Arbeiterbewegung in den letzten Jahrzehnten. Schritt für Schritt entsteht eine organisatorische und theoretische antikapitalistische Plattform als Verständigungsbasis der Linkskräfte.

Das ist auch von internationaler Bedeutung. Die KPP nahm und nimmt aktiv an Beratungen der kommunistischen und Arbeiterparteien, an Kongressen der Bruderparteien, an theoretischen Konferenzen, z. B. in Brüssel, Prag, Athen, Berlin, Toronto und Moskau, teil. Regelmäßig werden Zeitungen und andere Materialien ausgetauscht. Mitglieder anderer Parteien kommen zu Debatten nach Polen. Die KPP unterstützt Bestrebungen zur Formierung einer neuen Kommunistischen Internationale. Diese ist in der gegenwärtigen Epoche im Kampf gegen Kapitalismus und für Sozialismus erforderlich.

Über aktuelle Aufgaben der KPP sprach Genosse Józef Lachut in der Redaktion der "BRZASK". Er betonte, daß die KPP eine legale Partei in Polen ist. Sie arbeitet im Rahmen der Verfassung und der Gesetze der Republik. Sie ist durch das Parteibezirksgericht in Warschau unter der Nummer 153 des offiziellen Parteiregisters zugelassen und darf sich auf dem gesamten Gebiet Polens betätigen.

Zu Mißverständnissen führt Artikel 13 der Verfassung, in dem es heißt: "Untersagt sind Parteien und andere Organisationen, die sich in ihren Programmen auf totalitäre Methoden und die Praxis des Nazismus, des Faschismus und des Kommunismus berufen ..."

Unter diesen juristischen Gegebenheiten mußten die Kommunisten ihr Statut so formulieren, daß eine gerichtliche Intervention ausgeschlossen bleibt. Parteisymbol ist die Rote Fahne, auf der Hammer und Sichel im Roten Stern eingezeichnet sind. Parteihymne ist die Internationale.

Natürlich ist und bleibt die legale Existenz der KPP ein Stachel im Fleisch der verschiedenen bürgerlich-rechten und rechtsextremen Parteien. Wie bereits Anfang 2002 mit dem Verbot des Bundes der Polnischen Kommunisten "Proletariat", drängen sie permanent auf die Liquidierung der Kommunistischen Partei. Im vergangenen Jahr wurde das Internetportal "Die Linke ohne Zensur" geschlossen.

Das ist ein Beispiel dafür, wie die Meinungsfreiheit durch den "demokratischen" Staat beschränkt wird. Jedem Erfolg der Kommunisten im Kampf gegen das bestehende System begegnen die Kapitalisten und deren staatliche Lakaien mit der Begrenzung der Informationsmöglichkeiten für die Partei. Erwähnenswert ist, daß derartige Maßnahmen jedoch nicht gegen verdeckte oder sogar offen faschistische Positionen und Organisationen angewandt werden.

Die KPP ist die Fortsetzung aller progressiven kommunistischen Strömungen Polens - das gilt sowohl für die alte KPP als auch für die in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegründete Polnische Arbeiterpartei (PPR) und das kommunistische Erbe der PVAP.

Es besteht eine Zusammenarbeit der KPP mit der Polnischen Arbeiterpartei, die eng mit einer gesamtpolnischen radikalen Gewerkschaft sowie mit verschiedenen Organisationen und Parteien im Rahmen des Kongresses der Linksverständigung und auf der Basis der Unabhängigkeit und Selbständigkeit verbunden ist.

Keine Beziehungen unterhält die KPP zur Allianz der Demokratischen Linken. Diese ist in letzter Zeit in die Parlamentarische Linke umgestaltet worden. Sie wurde zu einer bürgerlich-demokratischen Partei. Seit 1989 erfüllt sie die Rolle einer Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung. Offiziell ist sie als sozialdemokratische Partei entstanden, aber auf reaktionären ideologischen Fundamenten. Sie spielte eine aktive Rolle bei der Privatisierung des sozialistischen Vermögens und des Gesundheitswesens; sie bekennt sich zum Kapitalismus, unterstützt die NATO sowie das Engagement Polens in den imperialistisch-neokolonialen Kriegen der USA in Irak und Afghanistan. Eine besonders üble Rolle spielten hierbei Aleksander Kwasniewski und Leszek Miller. Sie sowie die gesamte sozialdemokratische Fraktion im Parlament erwarben sich große "Verdienste" bei der Beseitigung jeglicher Möglichkeiten für das polnische Proletariat, politisch und ökonomisch aktiv zu handeln. Mit ihrer Hilfe gewann der Kapitalismus an Boden und Stärke, während die polnischen Werktätigen ihre sozialen Rechte und die Errungenschaften Volkspolens verloren.

Erschwert wird die Situation vor allem auch durch die Zersplitterung der polnischen Arbeiterklasse. Gewerkschaftsorganisationen gibt es nur in alten Betrieben und Industriezweigen. Die Mitgliederzahl sinkt rapide. In neuen Unternehmen gibt es in der Regel keine Gewerkschaft, weil die Bosse das nicht wünschen. Geschwächt wurde die Effektivität des Kampfes der Gewerkschaften auch durch die Opportunisten und Kollaborateure der "Solidarnosc". Dank bürgerlicher Parteien und der katholischen Kirche existiert diese noch immer.

Der KPP-Vorsitzende, Genosse Józef Lachut, sagte zum Schluß seiner Ausführungen, daß es in Polen nicht leicht sei, Kommunist zu sein. Es gebe großen Druck und sogar brutale Verfolgung und Diskriminierung durch den Staat und lokale Behörden. Wer sich zu einer Gewerkschaft bekennt, hat Schwierigkeiten im Betrieb und muß mit dem Verlust der Arbeitsplatzes rechnen. Noch schlimmer ist es bei Kommunisten, vor allem jungen, die keine Beschäftigung finden. Sie müssen in den meisten Fällen emigrieren oder leben unter extrem zugespitzten sozialen Bedingungen. Dazu gehören selbst diplomierte Hochschulabsolventen. Nichtsdestoweniger setzen die polnischen Kommunisten ihren Kampf fort. In Weiterführung progressiver revolutionärer Traditionen und trotz komplizierter Bedingungen halten sie die rote Fahne hoch und folgen der Losung: Kopf hoch - nicht die Hände!

Am 4. Oktober 2008 fand in Warschau der 2. Kongreß der polnischen Linksverständigung statt. Józef Lachut sprach über das Programm und die ideologische Plattform dieser Vereinigung. Kritisch betrachtet wurden die bürgerlich-demokratische Linke und deren Anhänger. Es wurde festgestellt, daß sie durch ihre probourgeoise Position und Politik das Vertrauen des Volkes verliert. Sie balanciert jetzt an der 5-%-Grenze der Wählerunterstützung und könnte bei den nächsten Wahlen von der Parlamentsszene gestrichen werden.

Die neue vereinigte Linke muß für die Interessen der Arbeiter und der anderen Werktätigen eintreten und nicht für die der Bourgeoisie.

Ihre Hauptforderungen sollten sein:

35-Stunden-Arbeitswoche; Beseitigung der Arbeitslosigkeit; Bewahrung und Anhebung des Lebensniveaus der Volksmassen; ehrlicher Lohn für gute Arbeit, Minimallohn: 68 % des Durchschnittsverdienstes; keine Einkommenssteuer für Rentner und Pensionäre; Aufhebung der Privatisierung und Renationalisierung des Volksvermögens; Trennung von Staat und Kirche; Verwaltungsreform in Richtung echter Demokratisierung.

Das sind die aktuellen und nächsten Aufgaben der polnischen Kommunisten zu Beginn des 21. Jahrhunderts.


Diesen Vortrag hielt Prof. Zbigniew Wiktor, Wroclaw, vor den RF-Regionalgruppen Chemnitz-Zwickau-Plauen und Dresden.

Ende RF-Extra

Raute

Wie der Dollar zur Weltbetrugswährung wurde

Der Größte aller Ponzis

Was ist ein Ponzi? Charles Ponzi, ein italienischer Einwanderer, war einer der größten Betrüger in der USA-Geschichte. Der Begriff "Ponzi" ist dort bis heute eine gebräuchliche Bezeichnung für Schneeballsysteme und Pyramidenspiele. Investoren werden durch Versprechen hoher Renditen angelockt, die auch eine Zeitlang gezahlt werden, allerdings von Geldern neuer Investoren, welche auf dieselben Versprechungen hereinfallen und abermals auf Kosten weiterer Nachfolger zeitweilig solide Einkommen genießen, bis der Geldstrom versiegt und die Betrugskette reißt.

Privat-Ponzis wie Bernard Madoff, der in den USA zu 150 Jahren Haft verurteilt wurde, sind indes nur kleine Fische im großen Ozean des Finanz-Tsunamis, der vom Währungsbetrug in Geldnot geratener Regierungen angetrieben wird. Zur Zeit der napoleonischen Kriege wurden die Banknoten verschiedener Kontinentalmächte durch unablässiges Drucken zu bloßen Papierfetzen. Die Hyperinflation in Deutschland (1921/22) ist ein weiteres Beispiel totalen Währungsverfalls, wenn die Staatskassen leer sind, aber Geld in Umlauf gebracht werden muß, um die Wirtschaft in Gang zu halten.

Heute steht eine Welt, die noch vor kurzem an die grenzenlose Hausse des Kapitalismus glaubte, fassungslos vor zerbrochenen Illusionen. Achtzig Jahre nach der "Großen Depression" von 1929 bis 1939, die im 2. Weltkrieg mündete, droht eine neue Weltwirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes.

Wie konnte es zu diesem Fiasko kommen? Eine Erklärung muß nicht lange gesucht werden. Die Handels- und Investitionspolitik der Nachkriegsjahre basierte auf dem amerikanischen Dollar, der von 1944 bis 1971 zu 25 % mit Gold gedeckt war. Nach Kündigung des Gold-Austausch-Standards durch Präsident Richard Nixon im August 1971 schleuste das amerikanische Zentralbanksystem unbegrenzte Dollarmengen ohne Deckung in die Weltwirtschaft. Wachstum auf Pump hieß die Devise. Wenn Marktstrukturen schließlich unter der Schuldenlast zusammenbrechen, ist eine Krise der Märkte und Finanzen das unvermeidliche Ergebnis.

Nach 1971 degenerierte das US-Währungssystem zu einem profitgetriebenen Staats-Ponzi, der zeitweilig ewiges Wirtschaftswachstum und Wohlstand vorgaukelte, aber schließlich die gesamte kapitalistische Konstruktion zum Einstürzen brachte.

Bereits in den 60er Jahren - nach dem Koreakrieg und während des Vietnamkriegs - warnte Kenneth J. Galbraith: "Wir können im Ausland nichts unternehmen, was wir finanziell nicht tragen können."

Die Federal Reserve, die keine Zentralbank im üblichen Sinne, sondern ein als solche funktionierendes Konglomerat von zwölf Privatbanken ist, "deckte" die wachsenden Leistungsbilanz-Defizite der USA mit immer neuen Noten-Emissionen, die sich fatal auf die Stabilität des Dollars auswirkten.

1976 konstatierte der belgische Ökonom Robert Triffin: "Zwischen 1970 und 1972 wuchsen die Weltwährungsreserven um soviel an wie nie zuvor."

Die inflationären Dollarmengen, welche die US-Währung untergruben, führten weltweit zu drastischen Preissteigerungen für Rohstoffe. Washington ignorierte die langjährigen Ermahnungen der führenden Handelsmächte Europas und Asiens, sich der Gefahr einer Inflation bewußt zu sein.

Reagans bevorzugter Wirtschaftsberater war Alan Greenspan, der dem Präsidenten empfahl, das Staatsdefizit fortan aus öffentlichen Kassen aufzufüllen. Das infame Sozialversicherungsgesetz von 1983 gab dem USA-Kongreß freie Hand, bis zum Jahr 1992 über die Gelder des Sozialen Trust-Fonds zu verfügen. Die republikanische Mehrheit unter Abgeordneten und Senatoren garantierte den Erfolg des Greenspan-Plans. 1987 wurde dieses "Finanzgenie" von Reagan zum Vorsitzenden des Federal-Reserve-Systems ernannt.

Von da ab rannte der Ponzi hemmungslos. In nur fünf Jahren - von 1997 bis 2002 - wuchsen die weltweiten Dollarreserven um 32 % auf 14 Billionen. Die Bereicherungsgier unerfahrener Investoren, angefeuert vom großzügigen Kredit-Ponzi, trieb die Aktienkurse wahnwitzig in die Höhe. Der unvermeidliche Zusammenbruch des Aktienmarktes im Jahr 2000 reduzierte den "Marktwert" der Anteile um 7,8 Billionen Dollar. USA-Haushalte büßten 12 % ihres Papier-Wohlstands ein.

Mit George W. Bush im Weißen Haus mußte der "billige Dollar" zur Verwirklichung solcher Wahlversprechen wie Steuersenkungen für hohe Einkommen, niedrige Zinsen für Investoren und großzügige Farmsubsidien herhalten. Außerdem verschlangen die kostspieligen Angriffskriege in Irak und Afghanistan Unsummen. Im Frühjahr 2004 betrug das USA-Handelsbilanzdefizit 543 Milliarden Dollar oder fast fünf Prozent des Bruttosozialprodukts der Vereinigten Staaten.

Greenspans Währungs-Ponzi kam den Bankiers und Finanzgewaltigen der Wall Street zugute, die immer verwegener mit geborgtem Kapital spekulierten.

Der Wechselkurs des Euro zum Dollar war 2004 um mehr als 20 % gestiegen. Die Europäische Zentralbank beklagte sich über einen Ansturm auf den Euro und warnte vor Inflation. Greenspan hielt dem entgegen, seine Währungspolitik sei die Grundlage weltweiten Wirtschaftswachstums. Dieses erfolgte auf Pump und hing total von der inflationären Geldschöpfung, vom Ponzi, ab.

Jahrelang trugen die nach Krediten dürstenden Unternehmen die Schuldenlast mit, flossen doch die erzielten Profite in die Taschen von Aktionären und Investoren. Als der Ponzi stoppte, kamen Produktion und Handel ganz plötzlich zum Stillstand, gab es doch keine Reserven mehr, auf die man hätte zurückgreifen können. Die inflationsbewußten Europäer sahen ihre Exportmärkte schrumpfen. Der Exportweltmeister BRD erlebte den größten Einbruch aller Zeiten. Und was für die Geschäftswelt galt, traf auch auf defizitäre Staatskassen zu.

Die Notendruckprressen wurden zwar Mitte 2008 auf Verlangen ausländischer Dollarbesitzer vorerst gestoppt, aber die "weisen Männer" der US-Finanzpolitik griffen erneut auf die Greenspan-Idee zurück, staatliche Reserven anzuzapfen. Unter dem Vorwand, die Wirtschaftskrise zu stoppen, ging es in Wirklichkeit darum, verspekulierte Bankiers, Hypothekenmakler und Versicherungskonzerne vor dem Bankrott zu retten. Credo: Privatisierung der Profite, Sozialisierung der Verluste.

Als allerdings die enormen staatlichen Rettungssummen von 750 Milliarden Dollar unter Bush und zusätzlichen 789 Milliarden Dollar unter Obama das Schuldenloch nicht annähernd zu stopfen vermochten, mußte der Ponzi zur Neuankurbelung der Wirtschaft wieder in Gang gesetzt werden.

Am 16. Dezember 2008 kündigte Fed-Vorsitzender Ben Bernanke eine Senkung der Zinsen auf null bis ein Viertel Prozent an und offerierte den Bankiers unbegrenzten Kredit gegen egal welche Sicherheiten, um die Bücher von "giftigen Einlagen" zu säubern. Das Federal Open Market Committee, das die Entscheidungsgewalt über die Geld- und Finanzpolitik besitzt, stimmte dem zu. Weltweite Depression erschien als die größere Gefahr für die Stabilität des kapitalistischen System als die drohende Hyperinflation des Dollars.

Jetzt läuft der Ponzi wieder auf Hochtouren. Aber es ist zweifelhaft, ob die neuen Kreditspritzen den erlahmten Wirtschaftsgaul wieder auf die Beine bringen.

Dr. Vera Butler, Melbourne

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BRD-Polizisten als Exportschlager

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Bundeswehr forciert "Auslandsstandorte"

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Von "Grünen Baretten" und "Delta-Force" zu gesichtslosen Killern

Washingtons "unkonventionelle Kriegführung"

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Ist Reagans "Sternenkriegs"-Konzept tatsächlich begraben worden?

NASA und USA-Weltraumstrategie

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Was ist 30 Jahre nach dem Sieg vom Sandinismus geblieben?

Über Daniel Ortega und die FSLN

Am 19. Juli 1979 siegte die Sandinistische Revolution in Nicaragua. Sie jagte den Diktator Somoza zum Teufel. Am gleichen Tag übernahm die im Juni 1979 in Costa Rica gegründete Nationale Regierungsjunta die Geschäfte. In ihr waren alle Lager vertreten, von der FSLN mit Daniel Ortega bis zur bürgerlichen Allianz FAO mit Alfonso Robelo. Die Beteiligten hatten das von der FSLN am 29. Mai verkündete Programm des Nationalen Wiederaufbaus anerkannt. Trotzdem kam es zum Streit. 1981 verließen Chamorro und Robelo die Regierung, letzterer trat ins gegenrevolutionäre Contra-Direktorium ein.

Die FSLN regierte fortan allein. Sie organisierte die Alphabetisierung, gestaltete Gesundheitswesen und Volksbildung um. Landarbeiter erhielten Boden aus den Somoza-Besitztümern. Kooperativen entstanden. Somoza-Betriebe wurden Arbeitereigentum. Für 1984 setzte die FSLN Wahlen an, die sie gewann. Daniel Ortega wurde Präsident. 1987 trat die von der FSLN initiierte neue Verfassung in Kraft.

Der nicaraguanischen Oligarchie und der US-Administration war die Sandinistische Revolution ein Dorn im Auge. Sie organisierten den Contrakrieg und boykottierten die Wirtschaft. Als die Führung der Sowjetunion 1987 die Sandinisten fallen ließ und die Contras den Frieden in der gesamten zentralamerikanischen Region untergruben, sah die sandinistische Regierung den einzigen Ausweg darin, mit deren Führung zu verhandeln. Für den Frieden bezahlte die FSLN jedoch mit dem Verlust der Macht. Sie verlor 1990 die Wahlen gegen eine Allianz aus 17 Parteien, die von Violeta Chamorro angeführt wurde.

Was ist vom Sandinismus geblieben? Die Gesprächsrunde der "Langen Nacht" im Deutschlandfunk im September 1995 antwortete: "zerstörte Träume". Andere sagen: "Danielismus und Neoliberalismus". Wir meinen: Alles.

Der Sandinismus ist die Vision der nicaraguanischen Patrioten von einem Gemeinwesen, in dem Milch und Honig fließen, das unabhängig und souverän ist und das in einer großen Bruderschaft mit den lateinamerikanischen und karibischen Völkern zusammenlebt. Die Ideen Sandinos sind die von Bolívar, Sucre, Martí und anderen, die sich gegen den europäischen Kolonialismus und nordamerikanischen Interventionismus sowie die eigene Oligarchie wehrten. Der Sandinismus ist ein Ideengemisch aus Humanismus, Christentum und Marxismus.

1990 ging in Nicaragua kein Gesellschaftssystem unter. Eine politische Kraft, die zur damaligen Zeit noch keine Partei war, verlor die Wahl. 1991 gründete sich aus der politisch-militärischen Organisation FSLN die Partei FSLN. Diese brauchte 16 Jahre, bis sie über Wahlen wieder an die Macht kam. Ihre linken Kritiker aus Deutschland dürften wohl ein paar Jahre länger brauchen, ehe ihnen das gelingen wird.

In der FSLN setzten Richtungskämpfe ein. Auf dem I. Kongreß 1991 standen zwei strategische Linien zur Debatte. Die von Sergio Ramirez, dem Vizepräsidenten der ersten Ortega-Regierung, repräsentierte vertrat ein reformistisches Konzept. Die andere, von Daniel Ortega verfolgte, wollte "der neoliberalen Politik eine revolutionäre Antwort geben". Die Ortega-Richtung setzte sich durch. In der FSLN-Fraktion der Nationalversammlung war das Kräfteverhältnis anders. Von den 38 Abgeordneten hielten 30 zu Ramirez. Sie begannen gegen die Parteilinie zu arbeiten. 1995 spaltete Ramirez die Fraktion und gründete den Flügel der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS). Ihm folgten Dora Marie Tellez, Monica Baltodano, Victor Hugo Tinoco und andere. Die MRS-Gruppierung der Fraktion verschenkte die Sitze der FSLN im Obersten Wahlrat, im Obersten Gerichtshof und in der Generalstaatsanwaltschaft an bürgerliche Splitterparteien der zerfallenen Allianz von Frau Chamorro.

1996 erhielt die FSLN bei der Präsidentschaftswahl 42 Prozent der Stimmen. Sie sah wie der sichere Sieger aus. Dann zauberte der Oberste Wahlrat 54 Prozent für die Liberale Partei (PLC) Arnoldo Alemans aus dem Hut. Das Land stand vor einer politischen Krise.

Sollte ein Präsident, der aus Wahlbetrug hervorgegangen war, eingeführt werden, oder mußten Neuwahlen stattfinden? In dieser Situation bot die PLC der FSLN einen Vertrag an: Wenn die FSLN das Wahlergebnis anerkenne, erhalte sie im Gegenzug ihre Sitze in den Instanzen zurück, und die Ergebnisse der Agrarreform würden nicht annulliert. Darauf ging die FSLN ein. Der MRS-Flügel hatte die Ränke verloren. 1998 trat Ramirez von allen politischen Ämtern zurück.

Im Mai 2006 schlossen die Sandinistischen Erneuerer in Miami mit den drei bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten einen Deal. Im Falle eines zweiten Wahlgangs wollten sie den Favoriten der US-Administration Eduardo Montealegre unterstützen. Sie landeten im neoliberalen Lager und mit ihnen die Mitglieder der Historischen Nationalleitung Henry Ruiz und Victor Tirado. Das ist bedauerlich. Traurig ist auch, daß deutsche Linke sich von ihnen beraten lassen, wenn es um die FSLN geht. Heute wird die MRS von Stiftungen aus den USA und dem EU-Raum finanziert.

Im November 2006 wählten 38 Prozent der Nicaraguaner Daniel Ortega zu ihrem Präsidenten. Die FSLN, die heute annähernd 100.000 Mitglieder bei 5,5 Millionen Einwohnern hat, nahm das sandinistische Projekt wieder auf. Sie konnte bei den Munizipalwahlen 2008 ihre Positionen ausbauen. Der Traum vom Bruderbund der lateinamerikanischen und karibischen Völker nimmt in der Bolivarianischen Alternative der Amerikas (ALBA) Gestalt an. Die FSLN treibt abermals die Umgestaltung der Gesellschaft voran. Es entstanden die Räte der Bürgermacht als Organe der direkten Demokratie. In der Alphabetisierung soll noch in diesem Jahr der Stand von 1990 erreicht werden. Das Gesundheitswesen wurde neu geordnet. In Bildung und Gesundheit helfen kubanische Freunde. Mit Unterstützung Venezuelas konnte die Energie- und Treibstoffversorgung stabilisiert werden. Für die kleinen und mittleren bäuerlichen Familienbetriebe wurden die Programme "Null Hunger" und "Null Wucher" aufgelegt. Die landwirtschaftliche Produktion soll vor allem über sie angekurbelt werden. Nicaragua ist in der Lage, den eigenen Grundwarenkorb mit sieben Produkten zu garantieren sowie Reis, Mais und Bohnen an Honduras und El Salvador zu liefern. Venezuela erhält Rindfleisch.

Zu Daniel Ortega. Er mag in Nicaragua nicht von allen geliebt werden. Er verdient jedoch Respekt, hat er doch die FSLN über die schwersten Jahre gebracht. Er bestimmte maßgeblich ihre strategische Linie. Er hat den Schmutz, der auf die FSLN abgeladen wurde, auf sich genommen. Er genießt Anerkennung unter seinen Amtskollegen in Lateinamerika und der Karibik. Auf internationalen Treffen vertritt er konsequent antiimperialistische Positionen. Seine Gegner bedauern, daß man ihn nicht von der FSLN trennen kann und daß der neue Prozeß in Nicaragua ohne diese nicht denkbar ist.

Von der Sandinistischen Revolution ist nicht nur etwas geblieben. Sie geht unter neuen Bedingungen weiter. Das war, ist und wird das historische Verdienst der FSLN sein.

Wolfgang Herrmann, Dreesch

Raute

Obama verzichtet auf Cowboy-Rhetorik, läßt aber Taten vermissen

Hoffnungen für Palästina?

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas erklärte nach seinem Besuch in Washington am 1. Juni vor Journalisten in Kairo, er sei überzeugt, "daß US-Präsident Barack Obama fest entschlossen ist, letztendlich die Juden aus Judäa und Samaria zu vertreiben". Das würde bedeuten, daß Washington die israelische Okkupation des Westjordanlandes beendet sehen will. Obama selbst erklärte dazu nach dem Gespräch mit Abbas lediglich, daß er von Israels Premier Netanjahu "eine zügige Antwort" hinsichtlich seiner Forderung nach Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit den Palästinensern und "als Vorleistung den Stopp des israelischen Siedlungsbaus" erwarte. Er unterließ es aber auch nicht zu unterstreichen, daß "die Vereinigten Staaten und Israel unerschütterliche Verbündete" seien. Bisher bedeutete das, daß die USA Israel unterstützten, was immer es auch unternahm.

Die Kairoer Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten "an die muslimische Welt" am 4. Juni wurde von einigen Zeitgenossen als "historisch" und "epochal" bejubelt. Sie setzte tatsächlich gewisse neue Akzente für das Verhältnis der USA zur islamischen Welt. Es fielen schöne Worte, die sich von der Cowboy-Rhetorik des unseligen Obama-Vorgängers George W. Bush wohltuend abhoben. In der Kernfrage des Nahostkonflikts aber bot der Präsident nichts Greifbares, nichts Neues. Er verlangte eine Zwei-Staaten-Lösung, ohne klar zu erläutern, wie sich die USA dafür einsetzen werden und wie diese zwei Staaten aussehen sollen. Verbales Mitgefühl gegenüber den unter der Besatzung leidenden Palästinensern veranlaßte ihn aber keineswegs zu der Schlußfolgerung, daß mit der Okkupation der 1967 geraubten palästinensischen Gebiete Schluß sein müsse.

Es steht außer Zweifel, daß es sich hierbei um ein kompliziertes Problem handelt. Schließlich geht es um den Abzug aus 120 Siedlungen im okkupierten palästinensischen Westjordanland, in denen sich seit 1967 weit über eine halbe Million Israelis widerrechtlich niedergelassen haben. Je länger diese Frage aber ohne Lösung bleibt, desto unerträglicher wird die Situation für die Palästinenser und für nicht wenige Israelis, und um so komplizierter wird es, eine Lösung und damit endlich Frieden zu erreichen. Der von Obama anvisierte Stopp des Siedlungsbaus könnte ein Schritt am Beginn eines Lösungsprozesses sein, aber auch nicht mehr.

Netanjahu und sein Außenminister Lieberman haben deutlich gemacht, daß es der israelischen Führung am politischen Willen fehlt, zu einem gerechten Frieden zu gelangen. Die Erklärung des israelischen Regierungschefs vom 14. Juni ist ein verhängnisvoller Schritt zurück, weit hinter die Ergebnisse der palästinensischisraelischen Verständigung von 1993/1994 (s. RF 6/03, S. 19). Für diese bescheidenen Anfänge einer Lösung des Jahrzehnte währenden Konflikts wurde seinerzeit der Friedensnobelpreis an Palästinenserpräsident Yassir Arafat, den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin und an Israels heutigen Präsidenten Simon Peres verliehen. Rabin wurde ein Jahr später wegen seines Einsatzes für eine Verständigung mit den Palästinensern von zionistischen Extremisten ermordet. Doch Netanjahu kann ganz unbesorgt sein. Die für jeden Ansatz eines Friedensprozesses unheilvolle Rede des Likud-Premiers erhielt ein Lob vom Herrn im Weißen Haus und, wie kann es anders sein, auch von der deutschen Kanzlerin und den EU-Oberen. Die Apologeten einer einseitigen Pro-Israel-Position wollen sogar neue Ansatzpunkte, ja Fortschritte "in der richtigen Richtung" erkannt haben.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist sichtlich erschrocken, steht er doch vor einem Scherbenhaufen. Sein immer beflisseneres Entgegenkommen haben Israel, die USA und der Westen überhaupt nicht honoriert.

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat unterstrich, daß Netanjahu in seiner "Grundsatzrede" zentrale Streitpunkte des Konflikts bereits einseitig entschieden habe. Von ihm seien nicht nur "Lösungen zuungunsten palästinensischer Interessen diktiert, sondern zusätzlich völlig unannehmbare Vorbedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen gestellt worden ... Netanjahu hat keinen Staat Palästina akzeptiert. Statt dessen verkündet er zahlreiche Bedingungen und Einschränkungen, die die Gründung eines lebensfähigen, unabhängigen und souveränen Staates unmöglich machen. Der israelische Premier hat sich weder zu der Zwei-Staaten-Lösung noch zum Stopp des Siedlungsbaus und auch nicht zur Aufgabe der Blockade des Gaza-Streifens bekannt. Netanjahu spricht zwar über Verhandlungen, läßt aber gar nichts übrig, worüber verhandelt werden könnte".

Noch deutlicher formuliert es der prominente palästinensische Politiker Mustafa Barghuti: "Netanjahu sprach gar nicht von einem Staat, sondern von einem Ghetto, von einem Apartheid-Bantustan! Was ist denn ein Staat ohne Souveränität, ohne eigene Armee, ohne das Recht auf Kontrolle der eigenen Grenzen und seines Luftraums?"

Außenminister Lieberman wiederum ergänzt seinen Premier und sattelt noch drauf: "Eine Rückkehr zu den Grenzen von 1967 würde heute weder Frieden noch Sicherheit bringen, sondern dazu führen, den Konflikt mit den Palästinensern ins israelische Kernland zu verlegen ..." Eine Absage an die Hauptforderung der Palästinenser und einer großen internationalen Öffentlichkeit! Eine Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge schließen er und sein Regierungschef aus, weil das "die Existenz Israels als jüdischer Staat gefährden" würde ... Aber 20 % der etwas mehr als 7 Millionen Bürger Israels sind Araber. Selbst der frühere US-Präsident James Carter findet die israelische Forderung absurd, die Araber sollten Israel als jüdischen Staat anerkennen.

Saeb Erekat ist zuzustimmen: "Der palästinensische Kampf ist ein Kampf um einen eigenen Staat. Mit dieser Rede jedoch hat Netanjahu gezeigt, daß ihm das Grundverständnis des israelisch-palästinensischen Konflikts fehlt."

Wenn aber die Hoffnung für Palästina, das heißt in erster Linie die Perspektive eines gerechten Friedens für Palästinenser und Israelis doch wahr werden soll, wird es unabdingbar sein, daß die US-Regierung bereit ist, Druck auf Israel auszuüben. Bisher erweckt Obama aber diesbezüglich eher Zweifel. Allerdings erfordert der Kampf um eine für Palästinenser wie Israelis zukunftsorientierte Lösung dringend die Überwindung der Differenzen und Feindseligkeiten zwischen den palästinensischen Fraktionen, vor allem zwischen Fatah und Hamas. Und notwendig - aber bislang nicht absehbar - wäre eine umfassende internationale Unterstützung sowie die Nutzung aller Möglichkeiten, welche die Charta der Vereinten Nationen bietet.

Bernd Fischer

Raute

Deutscher Kommunist und Kundschafter der Sowjetarmee

Ein Besuch im Moskauer Richard-Sorge-Museum

Als eine Gruppe hochrangiger Offiziere - darunter die Generale Markus Wolf und Bruno Beater - 1975 das Richard-Sorge-Museum in Moskau besuchte, zeichnete Minister Mielke auch dessen Leiterin mit einem Orden des MfS aus. Das konnte er tun, denn Violetta N. Stromskaja war "vom Fach" und leitete die Einrichtung sachkundig von Anfang an.

Damals allerdings - und auch noch 2006, als ich die 141. Schule, die das Museum begründete, einrichtete und förderte, zum ersten Mal besuchte - ähnelte es mehr dem Zeichensaal einer Bildungsanstalt. Es war mit viel gutem Willen und unter Beteiligung mehrerer verdienter Kundschafter des militärischen Geheimdienstes der Sowjetarmee (GRU) eingerichtet worden. Große dunkle Tische mit Stühlen standen im Raum, und an den Wänden gab es Ausstellungsvitrinen. Allerdings konnte man damals schon eine prächtige Büste von Richard Sorge sehen, und in einer eigenen Vitrine wurden Leben und Wirken von "Sonja" gewürdigt, unserer späteren DDR-Schriftstellerin Ruth Werner. Es fehlten weder persönliche Briefe von ihr noch das von Oberst Botschkarjow verfaßte Buch mit dem originellen Titel "Die Superfrau beim sowjetischen Geheimdienst". Das Lineal allerdings, aus dem "Sonja" ihre Morsetaste fertigte, mit der sie aus China, Polen, der Schweiz und England die brisantesten Nachrichten nach Moskau gefunkt hatte, wurde dem Museum von Tochter Nina nicht ausgehändigt, was ich für richtig hielt. Zu provinziell und provisorisch erschien mir damals das kleine Museum und zu kostbar die begehrte "Reliquie".

Dann jedoch unterzog man das Museum einer Runderneuerung. Die professionellen Ausstellungsmacher des GRU leisteten ganze Arbeit. Die Einrichtung wurde für einige Monate geschlossen und erstand 2007 wie Phönix aus der Asche. Jetzt ist sie zwar noch im selben Raum, aber der erste Eindruck beim Betreten ist großartig: Hell präsentiert er sich, die wichtigsten Punkte der Ausstellung sind farblich und durch Licht hervorgehoben. Die schon erwähnte Büste steht an der Stirnwand auf einer Stele, und zu Sorges Füßen gibt es jederzeit frische Blumen.

Denn die Erinnerung an ihn lebt. Seit vielen Jahren besteht in Moskau und Umgebung die von der Schule ins Leben gerufene Bewegung "Junge Sorgeaner". Schüler aller Altersklassen pflegen das Andenken des Kundschafters, würdigen seine Verdienste und besuchen mit ihren Klassenleitern die Einrichtung. Die Aufnahme der Zweitklässler in die Organisation der Sorgeaner wird in der Schule als großes Ereignis begangen. Im November 2008 schrieb mir Violetta Stromskaja dazu: "Vom 1. bis 9.11. haben unsere Schüler Ferien, aber am 7.11., dem Tag der Hinrichtung Sorges, kommen sie in das Museum, um an Richard zu denken und Blumen an seiner Büste niederzulegen. Und am 12. 11. führen wir für die Kinder der 4. Klassen einen Wissenstest zum Thema 'Wer sind Sie, Dr. Sorge?' durch. Dazu unternehmen die Schüler zwei Ausflüge ins Museum und lesen ein Buch über Richard Sorge. Es werden insgesamt 20 Fragen gestellt, und die Besten erhalten ein Geschenk."

Für mich war es interessant zu erfahren, daß zu den Festlichkeiten nicht nur die Veteranen kommen, sondern auch Museumsführer anderer Ausstellungen sowie Vertreter der "Kreml-Partei" Einheitliches Rußland. Und die Erwachsenen verbinden die Vermittlung von Kenntnissen über den berühmten Aufklärer mit ihren Erziehungszielen. Die "Jungen Sorgeaner" sollen fleißig lernen, sich gut benehmen und aufmerksam zu Eltern, Lehrern und Mitschülern sein".

2007 beging das "Museum zur Erinnerung an den Helden der Sowjetunion, den Kundschafter des Geheimdienstes der sowjetischen Armee, Richard Sorge" - so lautet die offizielle Bezeichnung - sein 40jähriges Jubiläum. Das war Anlaß für viele Veteranen, sich dort zu einer Stunde der Erinnerung zu treffen. Ihre Reihen haben sich inzwischen schon sehr gelichtet. Auch Generalstabsoffizier Viktor Viktorowitsch Botschkarjow, den ich in seinem 89. Lebensjahr kennenlernen durfte, war nicht mehr dabei. Er hatte uns - einer kleinen Gruppe deutscher Genossen - noch einen Einblick in das Museum und sein Schaffen gegeben. Als ich später Botschkarjows Buch "60 Jahre bei der Militäraufklärung" las, wurde mir bewußt, wie viele Berührungspunkte es in seinem Leben mit dem deutscher Menschen während des Krieges in der Sowjetunion und in der Nachkriegszeit auf deutschem Territorium gegeben hat. Er, der sechs Fremdsprachen beherrschte (und als 16jähriger schon für Max Hoelz gedolmetscht hatte), lebte bis zu seinem Tod als Freund der Menschen, Freund des Friedens und Kämpfer für seine Ideen. Gerne hätte ich sein Buch in deutscher Übersetzung veröffentlicht, aber ein renommierter linker (?) Verlag lehnte ab, da das "Thema schon erschöpft" und der "Markt gesättigt" sei.

Meine Verbindung zum Richard-Sorge-Museum, seiner Leiterin und dem Direktor der 141. Schule besteht weiter. Durch Artikel in der "jungen Welt" und in der UZ konnte ich deutsche Interessenten auf das Museum aufmerksam machen. Inzwischen haben Genossen in Sachsen auf Anregung von Paul Bormann umfangreiches Material über das Gedenken an Sorge in der DDR zusammengetragen. Sie haben sich von persönlichen Erinnerungsstücken getrennt und diese über das "Haus der russischen Kultur" in Berlin nach Moskau auf den Weg gebracht. Dort ist die Sendung im März angekommen und Violetta Nikolajewna hat bereits alles ausgestellt, es Museumsführern erläutert und als Attraktion in ihre Werbung einbezogen.

Also, liebe "RotFuchs"-Leser: Beim nächsten Besuch Moskaus unbedingt das Richard-Sorge-Museum einplanen!

Eine Wegbeschreibung dazu bitte bei mir, Telefon und Fax 033 015 40 78, einholen.

Hanna Spiegel, Oranienburg

Raute

Nach Leid und Zerstörung gibt es Licht am Horizont

Als Wahlbeobachter in Südossetien

Eine Rose für Varvarin Auf Einladung der Regierung der Republik Südossetien hielten sich mehr als 70 Beobachter der Parlamentswahlen in Tschinwali auf.

Von unseren Freunden der russischen "Gesellschaft für Frieden und Verständigung" empfohlen, durfte die GBM ebenfalls einen Wahlbeobachter entsenden. In dieser Mission konnte ich folgendes feststellen:

Vier Parteien bewarben sich um die 34 Sitze im Parlament: die Einheitspartei, die Volkspartei, die Kommunistische Partei und die neu gegründete Fedepaste, die sich als sozialdemokratische Partei der Opposition betrachtet.

Die Wahlen waren mit großer Umsicht transparent und demokratisch vorbereitet und durchgeführt worden. So hatten alle Parteien im Vorfeld der Wahlen auf unterschiedlichste Art die Möglichkeit, sich und ihre Programme öffentlich darzustellen. Allen standen dazu u. a. auch das örtliche Fernsehen, der Rundfunk sowie zahlreiche Diskussionsrunden zur Verfügung. Rundfunk und Fernsehen übertrugen direkt und damit ungeschnitten.

Die Wahlen am 31. Mai verliefen ruhig. Von den Beobachtern, die sowohl aus den GUS-Staaten als auch aus ost- und westeuropäischen Ländern gekommen waren, wurde übereinstimmend erklärt, daß keine Unregelmäßigkeiten bemerkt worden seien. Wir hatten die Gelegenheit, in zahlreichen Wahllokalen der Hauptstadt Tschinwali und ihrer Umgebung den Abstimmungsverlauf unmittelbar zu verfolgen und mit den Bürgern und Wahlhelfern Gespräche zu führen. Die Bevölkerung nahm zu über 80 % an der Wahl teil und bekundete damit ihr großes Interesse an einer demokratischen Mitwirkung.

Die von der "segensreichen Demokratie" Georgiens und dessen NATO-Verbündeten geschundenen Bürger der unabhängigen Republik Südossetien wünschen nur eines: Frieden, Ruhe und keine weiteren barbarischen Angriffe durch den südlichen Nachbarn. Trotz der schrecklichen Zerstörungen, die durch die georgischen Truppen und deren "Freiheit" offerierende Helfershelfer angerichtet worden sind, ist die Bevölkerung der Republik Südossetien optimistisch und zuversichtlich, denn an der Seite der Russischen Föderation sieht sie sich befähigt, den Anforderungen des Wiederaufbaus des Landes genügen zu können. Die Menschen wünschen sich jetzt nur eines: keinen neuen Beschuß durch georgische Truppen, weder mit weitreichender Artillerie noch mit Maschinenpistolen.

Entgegen allen die Wirklichkeit entstellenden Behauptungen hat in der Republik Südossetien eine völlig korrekte Parlamentswahl stattgefunden. Die Abgeordneten des südossetischen Volkes (ca. 75.000 Menschen) haben nun die schwere Bürde, die politischen Bedingungen dafür zu schaffen, das Land aus Schutt und Asche neu aufzubauen und der von schwerem Leid getroffenen Einwohnerschaft ein friedliches Leben zu sichern.

Wie schwer das überkommene Los der Südosseten ist, haben wir gesehen. Die Zerstörung der Hauptstadt und der Ortschaften, durch die wir gefahren sind, ist kaum faßbar. In Tschinwali sind praktisch alle öffentlichen Gebäude - Parlament, Universität, Schulen, Krankenhäuser, Bibliotheken, Kindergärten, Geschäfte - und die meisten Wohnhäuser durch Beschuß oder Sprengung in solchem Maße zerstört worden, daß meist nur ein vollkommener Neubau in Betracht kommt. Kompliziert wird die Lage noch zusätzlich dadurch, daß die kleine Republik weder über einen Flugplatz noch über eine Eisenbahn verfügt.

An der einzigen Straße, die Südossetien mit der Russischen Föderation verbindet und die durch den strategisch entscheidenden Roky-Tunnel über den Kaukasus führt, wurden ausnahmslos alle Gebäude bis hin zu Stallungen und Bus-Wartehäuschen zerstört. Vieles erinnerte mich an meinen Aufenthalt 1999 in Kosovo nach der NATO-Aggression, nur daß es hier noch schlimmer aussieht.

Ungeachtet der enormen materiellen und persönlichen Verluste hat die Bevölkerung ihre sprichwörtliche Gastfreundschaft bewahrt. Wiederholt wurden wir spontan von Bewohnern eingeladen, gemeinsam mit ihnen auf den Wahltag anzustoßen und kräftig zuzulangen.

Ein stolzes Volk, das viel Leid und Entbehrungen ertragen mußte, hat sich am 31. Mai für den Frieden entschieden.

Karl-Heinz Wendt

Raute

Eine Rose für Varvarin

Am 30. Mai jährte sich zum zehnten Mal der Tag, an dem die NATO mit Zustimmung der BRD-Regierung Schröder/Fischer und aktiver Komplizenschaft der Bundeswehr unsägliches Leid über das kleine serbische Städtchen Varvarin brachte. Was hatte sich ereignet? Der NATO-Führung war der Widerstand des jugoslawischen Sozialistenführers und Staatspräsidenten Radovan Milosevic gegen die Erniedrigung seiner Heimat ein Dorn im Auge. Sie suchte den sich verschärfenden Konflikt auf kriegerischem Wege zu entscheiden. Darauf abzielende Pläne des Brüsseler Hauptquartiers hätte die BRD mit ihrem Einspruch verhindern können. Doch die Dinge nahmen ihren Lauf. Man wollte das angehäufte Kriegsmaterial verpulvern, die Kampffähigkeit der Truppe testen und Bündnistreue beweisen. Der Überfall auf Jugoslawien erfolgte im April 1999.

Am 30. Mai - einem Sonntag - begaben sich viele Varvariner zum Gotteshaus am Marktplatz. Es war ein sonniger Frühsommertag. Um ans Ziel zu gelangen, mußten sie die kleine Brücke über den Fluß Morawa benutzen. Plötzlich wurde diese ohne jede Vorwarnung von NATO-Flugzeugen mit lasergesteuerten Raketen angegriffen. Es gab Tote und Verletzte, aber keinen militärischen Grund für die Attacke.

Als man die Opfer bergen und Verwundete retten wollte, kehrten die NATO-Flugzeuge zurück und feuerten eine weitere Rakete auf die bereits schwer getroffene Metallkonstruktion ab. Am Ende zählte man zehn Tote und mehr als 30 Verletzte, von denen einige in Lebensgefahr schwebten.

Gegen diesen Akt imperialistischer Barbarei erhob sich in vielen Ländern Protest. Auch wir wollten unseren Beitrag zur Solidarität leisten. So kamen wir auf den Gedanken, eine eigens gezüchtete Rose auf den Namen der Stadt zu taufen. Ich schlug vor, sie stellvertretend für die getöteten Varvariner nach Sanja Milencovic - dem ersten und mit 15 Jahren jüngsten Opfer - zu benennen. Die Ermordete war die Tochter des Bürgermeisters.

Mein Vorschlag wurde angenommen. Dr. Johann Schmatlack aus Pillnitz bei Dresden stellte uns eine neue Züchtung zur Verfügung. Am 18. Juni 2005 fand die Taufe statt. Der Pfarrer von Oelsnitz, Herr Richber, segnete den Rosenstock und sprach das Vaterunser auf Serbokroatisch. Heute sieht man die Blüten in Gärten unserer Region, vor allem aber in Varvarin. Dort wurde die Rose unweit der neu errichteten Brücke und auf Sanjas Grab gepflanzt.

Wolfgang Zierold, Oelsnitz/Erzgebirge

Raute

Auskünfte über Wilhelm Pieck

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Das Lied vom großen Mann

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Raute

"Das Kreuz tut zwar weh, doch das Rückgrat ist in Ordnung"

Bekenntnisse eines Aufrechten

Er wollte nie ein Buch zu schreiben. Jetzt aber hat es Wolfgang Klages, Mitglied unseres "RotFuchs"-Fördervereins, doch getan. Er schrieb es für seine Kinder und Enkelkinder.

"Angeregt durch die Geschichtsklitterung der letzten 20 Jahre, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten, meine Biographie zu Papier zu bringen. Ich will es nicht den Herrschenden überlassen, meinen Kindern und Enkeln vorzuschreiben, wie sie das Leben ihrer Eltern und Großeltern in der DDR zu sehen haben."

Es drängte Wolfgang Klages, den Nachfolgenden einen Mosaikstein für ihre Meinungs- und Positionsbestimmung in die Hand zu geben. Ihm geht es nicht in erster Linie um einen chronologischen Abriß seines Lebens, sondern um die politische Aufarbeitung dieser geschichtlich kurzen Zeit aus ganz persönlicher Sicht.

Den Titel des Buches "Die absonderliche Revolution in die Vergangenheit" sieht er als Quintessenz aus dem Verlauf der jüngsten deutschen Geschichte.

Die Biographie des Autors schildert Abläufe, wie sie sich auch in vielen anderen Familien zugetragen haben. Mit Freuden, Problemen und Widersprüchen.

Geboren in einer Arbeiterfamilie, herangewachsen auf grauen Hinterhöfen und zwischen Ruinen in Berlin-Prenzlauer Berg, nutzte er die ihm im sozialistischen Staat gebotenen Bildungsmöglichkeiten. Er absolvierte die Erweiterte Oberschule, erwarb einen Fach- und einen Hochschulabschluß. In farbigen Bildern schildert er Erlebnisse aus seiner Kindheit und Jugend, erzählt von seinen sportlichen und musischen Aktivitäten, auch von mancherlei Ungereimtheiten. Er beschreibt Kinderferienlager, betriebliche Weihnachtsfeiern und Pioniernachmittage. Er habe mit Stolz das Pionierhalstuch und das FDJ-Hemd, später das Parteiabzeichen der SED und den Ehering getragen.

Seine gesellschaftliche Aktivität als Leiter des Kuba-Jugendklubs Prenzlauer Berg machte ihn mit dem revolutionären Kampf des lateinamerikanischen Volkes bekannt.

Ein Schlüsselerlebnis zur politischen Positionsbestimmung war für ihn, daß ab Mitte der 50er Jahre ehemalige Naziund Kriegsverbrecher in der BRD wieder in Amt und Würden gelangten. Ganz im Gegensatz zur DDR, in der Antifaschisten - vorwiegend aus der Arbeiterklasse - damit begannen, eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Er nennt die Namen und charakterisiert die geistigen Väter in beiden deutschen Staaten.

Die Entscheidung für einen Eintritt in die Reihen der Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit traf er bewußt, nicht aus Freude an einer geheimnisumwitterten Tätigkeit oder aus Lust am Spionieren, sondern aufgrund der politischen Notwendigkeit, die sich aus dem Kampf beider Systeme auf deutschem Boden ableitete.

Weder die Sowjetunion noch die DDR haben Geheimdienste mit dem Ziel erfunden, andere Länder auszukundschaften oder gar zu schädigen. Angegriffen wurden die sozialistischen Staaten von der Stunde ihrer Geburt an, und zwar militärisch, ökonomisch, ideologisch und mit verdecktem Visier.

In der gleichen Offenheit, mit der er sein Leben politisch analysiert, erzählt Wolfgang Klages seinen Kindern über sehr persönliche Erlebnisse, auch über Romanzen, bei denen er bisweilen in Schwierigkeiten geriet. Später lernte er seine Frau kennen, mit der er drei Kinder hat und der er zu ihrem 60. Geburtstag ihre gemeinsame Lebensgeschichte aufschrieb.

Die Zeit nach 1990 betrachtet der Autor als sein zweites Leben in einer anderen Welt. Er muß sich eines gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erwehren, für das es weder im Strafgesetzbuch der DDR noch in dem der BRD eine rechtliche Grundlage gab. Es ging aus wie das Hornberger Schießen und mußte 1996 eingestellt werden. Wolfgang Klages hat dem Druck der antikommunistischen Hexenjagd standgehalten und seine Weltanschauung nicht des Vorteils willen preisgegeben. Er verteidigte aus Überzeugung seine Position, als Mitarbeiter eines Sicherheitsorgans der DDR auch mit geheimdienstlichen Mitteln sein Land vor äußeren und inneren Angriffen auf dessen Souveränität geschützt zu haben.

Trotz mancher Demütigungen schlug er sich energisch und bescheiden durchs Leben. Er schildert seine Stationen als Arbeitsloser, Kellner, Spielhallenaufseher, freiberuflicher Kunstmaler, selbständiger Handelsvertreter und Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma. Nirgends kam er zu Reichtum.

Genosse Klages ist sich als Kommunist treu geblieben. Er beurteilt die geschichtlichen Vorgänge und das heutige Leben unbeirrbar vom Klassenstandpunkt. Er setzt sich mit dem Mißbrauch der Worte Freiheit und Demokratie auseinander, mit dem verharmlosenden "Wende"-Begriff, der nur die Restauration der alten Machtund Eigentumsverhältnisse verdecken soll. Anhand vieler Beispiele aus der täglichen Praxis veranschaulicht er seinen Kindern den epochalen Rückschritt, der sich seit 1989 vollzogen hat.

Seine Meinung bietet er nicht wie eine Ware auf dem Basar an. Er ist, wie er sagt, ein unverbesserlicher Optimist. 40 Jahre DDR waren für ihn keine nutzlos verbrachte Zeit. Im "RotFuchs"-Förderverein fand er eine neue politische Heimat. Einer seiner Leitsprüche stammt von Karl-Eduard von Schnitzler: "Das Kreuz tut zwar weh, doch das Rückgrat ist in Ordnung."

An seine Kinder gewandt, schreibt er: "Ihr werdet eure eigenen Antworten finden und euch auf weitere gesellschaftliche Veränderungen einstellen müssen, deren Ausmaß niemand vorhersagen kann. Ihr habt einen großen Teil Eures Lebens in einem Lande zubringen dürfen, das Euch mit humanistischen Idealen vertraut gemacht hat. Das sollte eine gute Grundlage sein, euren Lebensweg aufrecht zu gehen und bei allen vor euch stehenden Entscheidungen die einfache, oft schwer zu beantwortende Frage zu stellen: Wem nützt es?"

Was Genosse Klages für seine Kinder getan hat, sollte viele von uns ermutigen, diesem Beispiel zu folgen. Denn Dinge, die wir heute nicht aufschreiben, sind morgen unwiederbringlich verloren.

Wolfgang Dockhorn

Raute

Narben und Schmisse

Ich liebe es, mit dem Rad zu fahren. Das ist gesund, und man kann die Landschaft wie die Menschen darin viel bewußter in sich aufnehmen. Ich sehe die Schönheit der Wälder und Seen, den Liebreiz der Dörfer und Städte und genieße die Freundlichkeit der Bewohner hautnah. Wie gern fahre ich von Berlin aus in meine Heimatstadt Gransee im Norden der Mark Brandenburg.

Aber ich sehe auch die Narben, welche meine Heimat zeichnen. Ich sehe die verfallenen Fabriken, in denen Menschen einst stolz ihre Arbeit verrichteten und die zerbröckelnden Ställe der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, in denen schon seit Jahren keine Tiere mehr sind, die uns ernähren. Ich schaue auf die häßlichen Einkaufszentren neben den örtlichen JobCentern.

Es sind die Narben hemmungsloser Gier und die Schmisse, die gewissenloser Kapitalismus, die all die Kohls, Schröders und Merkels in das Antlitz meiner Heimat gegraben haben. "Scarface" nannte man einst Al Capone. Die Al Capones in ihren Chefetagen der Paläste heutiger Machtzentren sind selber nicht mehr im Gesicht gezeichnet. Sie zeichnen andere. Narben dieser Art sah ich tatsächlich am Körper eines Menschen: an dem meines Vaters.

Ich war fünf oder sechs Jahre alt, als ich zum ersten Mal bewußt die tiefen Furchen an seinem Leib bemerkte. Er stand am Becken und wusch sich. Neugierig geworden, fragte ich ganz naiv: "Wer war das?" Mein alter Herr, der nie viele Worte machte, brubbelte nur kurz: "Hitler!" Also, dieser Hitler war mir augenblicklich ziemlich unsympathisch. In den kommenden Tagen und Nächten grübelte ich noch oft darüber nach, wie ich diesem Herrn eins auswischen könnte. Klingelstreiche beherrschte ich schon mit sechs perfekt und spätestens mit sieben hatte ich herausgefunden, wie man ein Haustürschloß mit Klebstoff zuschmiert. Ich ahnte nicht, daß dieser Herr Hitler nicht in unserer Kleinstadt wohnte und schon lange "bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend" zum Teufel gegangen war. Als ich es dann erfuhr, enttäuschte mich das sehr. Dem hätte ich es nur allzugern gezeigt!

Die Narben am Körper meines Vaters sind Granatsplitterverletzungen, und längst weiß ich, daß nicht nur Hitler hinter ihnen steckte, sondern auch dessen Auftraggeber aus dem Lager der Krupps, Flicks und der IG Farben. Mein Vater ist heute 81, und ich hätte es ihm gegönnt, nie wieder in einem Land leben zu müssen, das Krieg führt. Doch die größten Feinde der Menschheit können nicht anders: Sie müssen zerstören und erobern, getrieben von der Gier nach Profit. Heute sind wieder deutsche Soldaten in Kriege verstrickt. Sie zernarben Afghanistan. Und wäre die Pfarrerstochter und "Christin" Merkel schon früher Kanzlerin gewesen, hätte sie sicher ohne Zögern Bush bei dessen Amoklauf in Irak zur Seite gestanden.

Ich gebe zu, daß es mich tröstet, in einem Land aufgewachsen zu sein, dessen Armee nie irgendwo Krieg geführt hat. Narben wie die meines Vaters, Narben wie die meiner Heimat werden wohl erst der Geschichte angehören, wenn auch die Nachfolger der Kriegmacher von einst Vergangenheit sind. Aber ich habe ein gutes Gefühl. Etwas in meinem Inneren sagt mir, daß denen unbequeme Zeiten bevorstehen. Und irgendwann werden dann auch die Narben verheilen, die sie hinterlassen haben.

Ulrich Guhl

Raute

Eine starke Frau schreibt über ihr Leben in bewegten Zeiten

Lehrerin mit Leib und Seele

In einer sehr gut besuchten Veranstaltung des Nachbarschaftszentrums Berlin-Hessenwinkel stellte Annelore Bigalke-Zell ihre Autobiographie vor. Ermutigt dazu hatte sie der Journalist Strehler. Das Buch fand großes Interesse, und ich kann es nur empfehlen. "Mach was aus dir!" Annelore Bigalke-Zell hat ihren Lebenserinnerungen diesen wohlüberlegten Titel gegeben. Sie setzte großes Vertrauen in ihre Schüler, weil sie wußte: Du kannst es, wenn du willst und konsequent deinen Weg verfolgst. Dafür ist die Autorin selbst ein großes Vorbild. "Eine Lehrerin erzählt aus ihrem Leben" schreibt sie im Untertitel.

1924 in Angermünde geboren, wuchs sie wohlbehütet in einem begüterten Elternhaus auf. Zeitig verlor sie den Vater. Ihre Bindung an die Mutter war sehr eng, ihr verdankte sie viel. Die Ausbildungsjahre zur Berufsschullehrerin verbrachte sie in Dresden und Perleberg. Heute lebt Annelore Bigalke-Zell im Seniorenheim in Berlin-Hessenwinkel. Geistig rege, nimmt sie aktiv am Leben teil und ist eine brillante Erzählerin, der man gern zuhört.

Als junges Mädchen mußte sie bei den Nazis das Pflichtjahr leisten. Die Arbeit war hart. Während des Studiums in Dresden besuchte sie häufig Theater, Opern und Konzerte. Nach 1945 war die Autorin unermüdlich tätig, setzte sich ein, wo sie gebraucht wurde, scheute vor keiner Aufgabe zurück. In Belzig, Treuenbrietzen und Calau half sie, Schulen mit aufzubauen.

Mit viel Durchsetzungsvermögen ausgestattet, ließ sie sich auf beschwerlichen Ämtergängen nicht abwimmeln. Erstaunlich, was Annelore Bigalke-Zell da bewegen konnte. In ihrer Freizeit kümmerte sie sich rührend um die Mutter.

Im Sommer 1950 wechselte sie von Calau zum neu entstandenen Jugendwerkhof am Dämeritzsee. Mit ihren Mädchen gründete sie eine Theater- und Volkstanzgruppe. Ihre konsequenten Forderungen und deren korrekte Erfüllung brachten ihr die Achtung der Zöglinge ein. So wurde z. B. eine von ihr inszenierte Schiller-Ehrung ein voller Erfolg.

Als einfühlsame und durchsetzungsstarke Person wurde sie in der Jugendhilfe tätig. Sie bekennt: "Ich bin mein ganzes Berufsleben hindurch Lehrerin gewesen. Ich unterrichtete in verschiedenen Berufsschulen und war Erzieherin im Jugendwerkhof. Ich liebte meinen Beruf. Er stellte mich vor Herausforderungen und bescherte mir schöne Erlebnisse." Schon im Ruhestand, war sie noch Mitglied einer Prüfungskommission. Die Zeit der "Wende" beurteilt sie so: "Ich betrachtete die Vorgänge gelassen. Als Rentnerin durfte ich schon zuvor 'in den Westen' fahren. So hatte ich eine Vorstellung von dem, was uns erwartete. Ich hatte die Bettler am Bahnhof Zoo gesehen. Dieses Bild kannte ich nicht aus der DDR. Bei uns hieß es: Du sollst arbeiten, dann bekommst du auch ein gutes Essen und eine anständige Bleibe. Im Westen ist jeder sich selbst überlassen. Das ist der große Unterschied." Sie bekennt: "Vieles war gut in der DDR." Zu ihrem Erstaunen wird sie auch jetzt noch zur Abnahme theoretischer Prüfungen in der Berufsausbildung gebraucht. Ihren ehemaligen Lehrlingen gab sie mit auf den Weg: "Und vergeßt nicht, daß Ihr in dem Staat DDR das wurdet, was Ihr heute seid."

Das Bändchen beschreibt die Stationen einer starken und mutigen Frau in schweren und in besseren Zeiten. Es ist lesenswert, auch durch die lebendige Erzählweise. Gerade jetzt, wo alles unternommen wird, die DDR zu verteufeln, ist es wichtig, solche Lebensleistungen von Menschen zu würdigen.

Maria Michel

Annelore Bigalke-Zell: Mach was aus dir! - Eine Lehrerin erzählt aus ihrem Leben,
Rohnstock-Biografien, Schönhauser Allee 12, 10119 Berlin,
168 Seiten, 10,90 Euro, ISBN 978-3-83346168-2

Raute

Archie und das Provinz-Theater

Es war einmal eine Zeit, da gingen mehr oder weniger erfolgreiche Absolventen, wenn sie von Schauspielschulen, Universitäten und Theaterinstituten kamen, in die Provinz, um ihre Tauglichkeit für die Bühne zu erproben, Praxis auf den Brettern, die für sie die Welt bedeuteten, zu erwerben. Die Provinz, das waren die kleineren und mittleren Städte, auch das flache Land im Gegensatz zur Hauptstadt. In Frankreich, so hörte Archie, sei das auch so, ein Erbe des französischen Zentralismus, im Gegensatz zu Italien.

Über Berlin, die Hauptstadt der DDR, hieß es oft in der unterversorgten, neidischen Bevölkerung - alles Gute ginge dorthin. Natürlich hatte Berlin für schon gestandene Theaterleute eine gewisse künstlerische Sogwirkung, aber auch die Nebenverdienste bei Synchron, DEFA und Fernsehen waren beträchtlich.

Selbst Erwin Geschonneck, der große Schauspieler, hatte ein ernsthaftes Zerwürfnis mit Bertolt Brecht wegen geplanter Filmaufnahmen, wie überflüssig! Es heißt immer im Westen, die DDR-Mark sei nichts wert gewesen, aber diese Lüge wird durch Wiederholung nicht wahrhaftiger. Mit den Taschen voller DDR-Geld konnte man sich schon eine ganze Menge leisten, von Autos über Häuser bis Reisen. Archie hatte stets zu wenig davon und mußte Haushaltsbuch führen.

Auch stimmt nicht, daß die Theater-Provinz in der DDR unbedeutender gewesen sei als die Berliner Theater. Künstlerisch hat es da schon erhebliche Unterschiede gegeben, aber von der Wirkung her keinesfalls.

Die DDR hat das im bürgerlichen Deutschland entstandene Stadttheatersystem erhalten, subventioniert und ausgebaut, als es in der BRD aus Kostengründen schon wieder in Frage gestellt wurde. Die Ensembles wurden aufgelöst, Theater geschlossen, von sogenannten freien Theatergruppen wurde en suite gespielt, der Tod des Repertoiretheaters, das Ende des Stadttheaters in der BRD.

Die Theater hingegen von Anklam bis Zittau, von Stralsund bis Meiningen, von Rostock bis Weimar boten, vom Staat subventioniert, künstlerisch Anspruchsvolles und handwerklich Gediegenes. Theater, Repertoire, Gegenwartsstücke, Musik und Ballett in Dreispartenhäusern. Diese waren bei der Bevölkerung der Städte und Landkreise beliebt. Archie konnte solches bei einer Gastregie am Volkstheater Rostock erfahren. Es war meist ausverkauft.

In Senftenberg, wo er sein erstes Engagement hatte, für ziemlich wenig Geld in einer Dreifachfunktion - Regie- und Dramaturgieassistent mit gelegentlicher Spielverpflichtung - wurde er sofort gefordert, auch vom Publikum. Er spielte mit im Stück "Die Sorgen und die Macht" von Peter Hacks, das im Braunkohlewerk spielte. Da war etwas los, auch bei den anschließenden Gesprächen und den vielen Abstechern im Revier. Das waren Sternstunden der Begegnung der Theaterleute mit dem Publikum, nichts da von Provinz! Da gingen Bühne und pulsierendes Leben ineinander über, kontrovers und gelegentlich auch lautstark, aber immer im Interesse der Werktätigen, wie man sie damals noch nannte. Das Stück handelte unter anderem von ehrlicher Arbeit für alle oder einem Leben auf Kosten anderer.

Wenn das Theater ohne Scheuklappen ins Leben griff, dann strömte das Publikum auch bei Produktionsstücken in die Säle, besonders auf Abstechern. So erreichte man die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten an Ort und Stelle. Kommt man nicht mehr an sie ran, dann bleiben sie weg. So einfach ist das.

Natürlich war der Saal auch voll im "Opernball" von Heuberger oder im Ballett "Peter und der Wolf" von Prokofjew, keine Frage. Auch hatten die Theater einen enormen Aktionsradius per Bus zu bewältigen. Es wurden sogar Doppelabstecher mit zwei Vorstellungen am Tag unternommen. Das war dann eine starke Leistung der Darsteller und aller Beteiligten, manchmal vom Vormittag bis Mitternacht. Und das Ganze, wie schon erwähnt, Ende der 50er Jahre, als die Bezahlung sehr mäßig war. Kein Arbeiter hätte dafür malocht!

Da war viel Idealismus im Spiel. Es machte auch allen Spaß, und bei der Mehrzahl der Mitglieder des Ensembles war zweifellos ein gewisses Sendungsbewußtsein für die Kultur und die Idee des Sozialismus vorhanden. Von Provinziellem konnte also in diesem Sinne nicht die Rede sein, sondern eher von hohen ideellen Werten im Dienste der Kunst.

Oft hörte man die Leute sagen: "Unser Theater ist gar nicht so schlecht, in Berlin wird auch nur mit Wasser gekocht", wenn sie dort einmal eine Vorstellung besucht hatten. Es blieben auch große Künstler ein Leben lang mit ihren Familien in der "Provinz", wo sie sich in kleineren und größeren Städten ansiedelten. Die DDR sorgte später für die immer bessere soziale Absicherung der Theaterschaffenden, was zur Seßhaftigkeit beitrug.

Oft spielte auch der Zufall eine Rolle. Archie durfte z. B. mit bedeutenden Theaterleuten wie Helene Weigel, Wolfgang Heinz, Rolf Ludwig u. a. zusammenarbeiten. Er wurde an Brechts Berliner Ensemble und an der Volksbühne engagiert.

1970 bestanden in der DDR laut Statistischem Jahrbuch 101 Theater, Spielstätten und Puppentheater, 1980 waren es 152 und 1987 sogar schon 213 mit einer Kapazität von 54.678 Sitzplätzen. Der Kostenaufwand für die gesamte Kultur soll im letztgenannten Jahr bei 3,5 Milliarden DDR-Mark gelegen haben.

Um zum Thema zurückzukommen: Im Durchschnitt wurde in der DDR-"Provinz" eine hohe Spielkultur erreicht. Archie war oftmals verblüfft, daß bei Doppelabstechern sogar die Nachmittagsvorstellungen gut besucht wurden. Die Dramaturgen waren besonders eingespannt bei der Vorbereitung durch Einführungsvorträge und PR-Arbeit, wie Werbung heute genannt wird. Archie wurde damals dringend gebraucht. Als man ihn dem Schauspieler Fred Düren als Dramaturg vorstellte, sagte der augenzwinkernd: "Ja, ja solche Leute muß es auch geben." Ein wenig überheblich zwar, aber recht hat er, dachte Archie. Er ahnte damals nicht, daß dieser bekannte DDR-Schauspieler einmal Rabbiner in Israel werden würde.

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Ich danke für den Juni-Leitartikel "In der BRD angekommen?" Dieses Material ist durchdacht und analytisch zutreffend - ein guter Beitrag zu 60 Jahren BRD und DDR. Wie überhaupt: Die Beiträge Steinigers zur aktuellen Politik, zur Richtigstellung von Geschichte und sein journalistisches aktives Engagement für "Links" finde ich sehr nützlich und sympathisch. Er ist bis auf den heutigen Tag seiner Lebensauffassung und Gesinnung treu geblieben. Das macht Eindruck!

Herbert Mies, Mannheim


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Am 18. August 1944 - vor 65 Jahren - wurde Ernst Thälmann ermordet. Er war einer der bedeutendsten Führer der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Schon im Mai 1923 wurde er als Vertreter der linken proletarischen Strömung in der KPD zum Mitglied der Zentrale gewählt. Am legendären Hamburger Aufstand war er führend beteiligt. 1925 übernahm er die Leitung der KPD und den Vorsitz des Roten Frontkämpferbundes. Im selben Jahr wurde er erstmals in den Reichstag gewählt. 1925 und 1932 kandidierte er zu den Reichspräsidentenwahlen. Unermüdlich kämpfte Ernst Thälmann gegen den heraufziehenden Faschismus. 1932 warnte er "Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg!" Am 30. Januar 1933 ging der KPD-Vorsitzende in die Illegalität. Nur einen Monat später fiel er seinen Häschern in die Hände. Nach 11 Jahren Einzelhaft wurde er auf direkten Befehl Hitlers und Himmlers in Buchenwald erschossen. Gerade in der heutigen Zeit gewinnt das Lebenswerk Ernst Thälmanns noch mehr an Bedeutung.

Heinz-Joachim Maaßberg, Magdeburg


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Es gibt nur wenige Publikationen in diesem Land, die wie der "RotFuchs" eine Gegenöffentlichkeit zur Selbstbeweihräucherung der BRD aus Anlaß ihres 60. Jahrestages schaffen. Ich werfe die Frage auf: Welches war die größere gesellschaftliche Tragödie: der Mauerbau oder der Mauerabriß? Der Mauerbau traf zweifellos nicht wenige Familien sehr hart; menschliche Kontakte hüben wie drüben. Dabei muß man natürlich die damaligen politischen Gegebenheiten beachten. Der Mauerabriß öffnete dem Kapitalismus mit all seinen Gebrechen weit hinein nach Osteuropa Tür und Tor. Das war perspektivisch für die Menschheit also viel dramatischer.

Helmuth Hellge, Berlin


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Wer kennt Heinz Koch? Mein Vater desertierte am 4. Juni 1939 vom Panzerregiment Eisenach und fuhr nach Polen. Am 28. August sprach er in Radio Warschau, mit großer Wahrscheinlichkeit über den bevorstehenden Angriff. Am 5. September 1939 wurde er festgenommen und im Anschluß an die U-Haft in Moabit nach Plötzensee verlegt. Am 8. Mai 1940 verurteilte ihn das Reichskriegsgericht wegen Landesverrats, Fahnenflucht und Wehrkraftzersetzung zweimal zum Tode sowie zu 15 Jahren Zuchthaus und lebenslangem Ehrverlust. Das Urteil wurde am 15. Juni 1940 in Plötzensee vollstreckt.

Ich kämpfe jetzt um die juristische Rehabilitierung meines Vaters. Einige gefundene Dokumente reichen zur Aufhebung des Urteils noch nicht aus. Deshalb bin ich für jeden Hinweis dankbar. Meine Adresse: Annenhof 6, 39307 Brettin, Tel. 0 39 33/99 03 48

Klaus Gödicke, Brettin


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Viele Frauen, besonders die jungen, haben offensichtlich von Politik die Nase voll oder verstehen sie nicht. Sie gehen nicht zur Wahl. Dabei könnten sie diese entscheidend beeinflussen. Hier in Niedersachsen beträgt der Frauenanteil an den Wahlberechtigten 51 %.

Wir in der DDR geborenen Frauen sollten diesem Staat noch im nachhinein dankbar sein, daß er uns so ein hohes Bildungs- und Kulturniveau beschert hat.

Der RF ist immer wieder lesbar und eine Argumentationshilfe. Besonders gern verfolgte ich die Beiträge von Prof. Dr. Horst Schneider aus meiner alten Heimatstadt Dresden. Ich nenne ihn stellvertretend für alle anderen Autoren, deren Artikel von mir "verschlungen" werden.

Andrea Sternel, Hannover


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Mit großem Interesse lese ich seit etwa zwei Jahren den "RotFuchs". Diese Zeitschrift gibt mir viel Mut und Kraft. Auch die Leserbriefe sind sehr interessant. So hat mich die Zuschrift von Oberstleutnant a. D. Roland Potstawa aus Königs Wusterhausen (Juni-RF) zu den folgenden Bemerkungen inspiriert.

Der Dienst an der Staatsgrenze zur BRD erforderte eine hohe Kampfmoral, politisches Bewußtsein, Disziplin, Mut und Entschlußkraft. Als ehemaliger Angehöriger der Grenztruppen der DDR und als Kommunist bin ich auch heute noch der Auffassung, daß der zuverlässige Schutz der Staatsgrenze objektiv notwendig und legitim war. Die Schandprozesse der Klassenjustiz haben uns nicht einschüchtern können und nehmen uns nicht den Stolz, Grenzsoldat der DDR gewesen zu sein. Sie war unser Vaterland, das wir ehrenvoll und verantwortungsbewußt vor unseren imperialistischen Gegnern geschützt haben. Durch die Grenzsicherungsmaßnahmen konnte 40 Jahre lang zur Erhaltung des Friedens beigetragen werden. Das sollten sich all jene durch den Kopf gehen lassen, die heute leichtfertig und oberflächlich mit ihrer eigenen Geschichte umgehen. Als Unterfeldwebel a. D. der Grenztruppen der DDR stehe ich zu meiner Vergangenheit.

Gerhard Matthei, Weida


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Dank für den ausgezeichneten Leitartikel im Juni-RF, der, wie so oft, den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf trifft.

Ein paar Worte zu Fragen, die RF-Leser im Zusammenhang mit der Vernichtung der DDR aufwerfen.

Ohne weiter anhaltende Unterstützung seitens der Sowjetunion hatte die DDR keine Überlebenschance, was immer Regierung und Bevölkerung wollten. Abstrakte Vorstellungen von Demokratie, staatlicher Gleichberechtigung oder sogar Volkswillen sind gut für Schulbücher und politische Propaganda, haben aber keine praktische Bedeutung, wenn es um die Konfrontation zweier Systeme geht. Heute verstehen viele Menschen bei Euch, was sie verloren haben. Es ist wichtig, daß ihnen der RF die Plattform zu einer entsprechenden Analyse bietet.

Dr. Vera Butler, Melbourne


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In diesem Jahr hätte die DDR ihr 60. Jubiläum begehen können. Daß sie nur 40 Jahre alt wurde, ist dem Sieg der Konterrevolution zu "verdanken", der innere und äußere Ursachen hatte. Jedenfalls fiel nicht ein Schuß seitens der Staatsmacht, um diese zu stoppen. Man stelle sich Entsprechendes - unter umgekehrten Vorzeichen - einmal in der BRD vor.

Um von den Ursachen der kapitalistischen Systemkrise abzulenken und die Alternative Sozialismus nicht in die Köpfe der Menschen eindringen zu lassen, muß die DDR nach 20 Jahren verstärkt delegitimiert werden. Die historischen Entwicklungsmöglichkeiten und Errungenschaften der DDR, die sich noch in einem frühen Stadium der Entfaltung des Sozialismus befand, werden völlig ausgeblendet. Ein neuer Anlauf sähe notwendigerweise anders aus. Aber er soll nicht stattfinden! Auch dazu erfolgte die plötzliche "Enttarnung" des Mörders von Benno Ohnesorg als "Stasi-Agent".

Bei vielen Studierenden wurde damals das politische Bewußtsein durch diese Bluttat geprägt. Ohne Zweifel ist der Polizeieinsatz zur Zerschlagung der Anti-Schah-Demonstration unangemessen hart verlaufen. Damals wurde die Schuld an Ohnesorgs Tod von Politikern und Medien ihm selbst oder den Demonstrierenden zugeschrieben. Kurras sprach man nicht wegen mangels an Beweisen, sondern aufgrund einer eigens für seinen Fall gestrickten "putativen Notwehr" frei.

Uwe Bossart, Lüdenscheid


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Im ND vom 6./7. Juni wurde Joachim Gauck zitiert: "Wir können nicht zulassen, daß die sozialistischen Globkes in ihren Ämtern verbleiben." Wer ist "wir"? Wer sind Gaucks Auftraggeber? Wo bleiben dessen Geschichtskenntnisse, Logik und christliche Ethik?

Globke, der maßgeblich die juristischen Grundlagen zur Vernichtung der Juden schaffen half, wurde Adenauers unentbehrlicher Staatssekretär. Der Kanzler ernannte ihn zum Spitzenbeamten, obwohl er dessen Vergangenheit kannte, und hielt die schützende Hand über ihn, als die Kritik stärker wurde. War Globke etwa unterdessen Demokrat geworden? Woran zeigte sich das? Am Antikommunismus der Politik Adenauers? Der Kanzler brauchte seine Globkes, Oberländers, Speidels und Gehlens.

Kriegs- und Naziverbrecher vom Typ Globkes wurden in der DDR hart bestraft, was einigen ihrer professionellen Kritiker nicht paßte.

Gauck könnte einwenden: Vor meiner Tätigkeit als Leiter der nach mir benannten Behörde war ich Pfarrer, also Tatsachen und Logik nicht verpflichtet. Auch nicht der Bibel? Gehört zur christlichen Ethik nicht die Feindesliebe? Läßt sich Christus als Chefankläger vorstellen, hat er am Kreuz nicht sogar seinen Henkern Vergebung versprochen? Ob er das auch bei Globke getan hätte, wissen wir nicht. Er war Jude.

Prof. Dr. Horst Schneider, Dresden


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Am 6. Juni war ich anläßlich der Eröffnung der Buchhandlung "Unsere Buchempfehlung für Sie" in Berlin-Hellersdorf. Egon Krenz stellte seine "Gefängnisnotizen" vor und signierte das Buch. Viele Genossen und Sympathisanten nutzten das. Auch das RBB-Fernsehen war mit einem Kamerateam vor Ort. Es berichtete über die "Ostalgie-Veranstaltung".

Die kompetente Sicht des letzten SED-Generalsekretärs und Staatsratsvorsitzenden der DDR unterschied sich grundlegend von den "Dokumentationen" offizieller BRD-Medien, die uns Tag für Tag vorgesetzt werden. In keinem Beitrag vernimmt man etwas zur besonnenen Haltung der DDR und ihrer bewaffneten Kräfte, besonders im Hinblick auf die Montags-Demos in Leipzig.

Dafür, daß er trotz mehrjähriger Haft und persönlicher Diskreditierung seinen kommunistischen Idealen treu bleibt, gehört Egon Krenz meine persönliche Hochachtung.

Klaus Feldhacke, Berlin


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In der Woche vom 31. Mai bis 6. Juni versuchten gleich zwei Fernsehsender - NDR und ARD - in Beiträgen den letzten Vorsitzenden des Staatsrates der DDR Egon Krenz in das ihnen passende Licht zu rücken. Werkzeug war dazu der Reporter Christoph Lütgert, der sich dazu "auf den Weg gemacht hatte". Krenz zeigte aber, als er gefunden worden war, keine Lust zu einem Interview, weil er erstens sein hochinteressantes Buch "Gefängnisnotizen" zu signieren hatte und zweitens Lütgert mehrmals zu verstehen gab, daß er mit Reportern seines Schlages nur schlechte Erfahrungen gemacht habe. Das einzige, was dem Fernsehmann gelang, war, sich selbst einigermaßen ins Bild zu setzen. Die Absicht, das Krenz-Buch mit diesem Report zu diffamieren, dürfte ins Gegenteil umgeschlagen sein. Gut so.

Horst Zimmermann, Cottbus


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Ferdinand von Bismarck wurde einmal mehr für die sich "intellektuell" gebende radikale Rechte ins Gefecht geschickt. An eine Vielzahl von Adressaten versandte er einen "persönlichen" Brief, um für die Rechts-Postille "Neue Freiheit" mit einem vierwöchigen Freibezug zu werben. Ich antwortete ihm u. a.:

"Sie betreiben in dem Schreiben an mich Geschichtsfälschung übelster Art - die Gleichsetzung der braunen und der roten Diktatur. Das kann ich so nicht hinnehmen!

Solange die Deutsche Demokratische Republik als Staat existierte, hat sie kein Bürger, kein Politiker der BRD vor der UN-Menschenrechtskommission als 'Unrechtsstaat' angeklagt. Erst in den letzten 20 Jahren wird vehement gegen sie gehetzt, damit ja keiner auf die Idee kommt, ein anderes, ein gerechteres Deutschland zu wollen.

Ich empfehle Ihnen für Ihre weitere publizistische Arbeit das Lesen der Zeitschrift 'RotFuchs' oder der Tageszeitung 'junge Welt' als bestmögliche Lektüre zur Erweiterung Ihres Horizonts.

Es grüßt Sie eine von der 'roten Diktatur' zu mehrmaligem Gewinn von Weltmeistertiteln und eines Olympiasieges 'Gezwungene'."

Cornelia Klier, Berlin


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Die Rote Hilfe OG Mönchengladbach betreut Faruk Ereren, gegen den im Januar 2009 das Verfahren vor dem OLG Düsseldorf wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129b des Strafgesetzbuches eröffnet wurde. Er entschloß sich nach dem Militärputsch in der Türkei (1980) zum aktiven Widerstand, war deshalb dort langjährig in Haft und wurde gefoltert. An ihm wurden Scheinhinrichtungen vollzogen. Als Folge der Mißhandlungen ist er seit Jahren psychisch krank (Paranoia). Seit dem 8. April 2007 befindet er sich unter strengen Isolationsmaßnahmen in Untersuchungshaft.

Die Bundesanwaltschaft verwendet kritiklos türkisches Beweismaterial, das unter Folter entstanden ist. Das Gefängnis-Massaker vom 19. Dezember 2000, bei dem 29 Häftlinge ihr Leben verloren und Hunderte verletzt wurden, wird als "gewöhnliche polizeiliche Maßnahme" behandelt. Vor dem Blutbad hatten die politischen Gefangenen landesweit mit dem Todesfasten begonnen.

Wir fordern die sofortige Einstellung des Verfahrens und die Freilassung Faruk Ererens. Ich bitte dringend um Unterstützung.

Katrin Wasilewski, Mönchengladbach


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Das Feilschen der BRD-Führung um das Wort "Krieg" im Zusammenhang mit den in Afghanistan neuerlich zu Tode gekommenen drei deutschen Soldaten ist infam. Wieder haben junge BRD-Bürger - sie stammen übrigens alle aus dem Osten - in Afghanistan für die Interessen des deutschen Kapitals ihr Leben lassen müssen. Ganz offiziell werden sie als "Gefallene" bezeichnet. Es ist nämlich ein brutaler Aggressionskrieg, der dort stattfindet, während der Öffentlichkeit weiterhin eingeredet wird, es handele sich um eine Kombination aus "Militäreinsatz" und "Aufbauhilfe".

In den deutschen Chefetagen sitzen seit dem Überfall der BRD Gerhard Schröders auf Jugoslawien bis zu Angela Merkel Kriegskanzler und Kriegskabinette am Tisch.

Hans-Georg Vogl, Zwickau


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Also, liebe "RotFuchs"-Macherinnen und -Macher, das dürfte Ihnen nicht passieren! Im Juni-RF auf Seite 8 wird aus dem 13. August 1961 der 13. August 1963! So etwas finde ich peinlich. Auf Besserung Ihrerseits hofft

I. Lay-Ruder, Moers


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Im Mai haben wir als Familien- und Verwandtenkreis eine "kleine Friedensfahrt" durchgeführt. Ziel war Kleinmühlingen, wo sich das der Friedensfahrt gewidmete Radsportmuseum Course de la Paix befindet. Radsportlegende Täve Schur führte uns persönlich durch das Haus. Wir verlebten eindrucksvolle Stunden und erfuhren viele Details aus der Chronik der Friedensfahrt und der Radsportgeschichte überhaupt. Mit Interesse besichtigten wir die zahlreichen Exponate. Durch das freiwillige Engagement von Radsportlern, Sympathisanten und Sponsoren entstand dieses kleine Schmuckstück. Täve und viele Bürger der Gemeinde Kleinmühlingen wollen sich der weiteren Ausgestaltung widmen, um die Idee der Friedensfahrt am Leben zu erhalten und vielleicht ein neues Rennen unter heutigen Bedingungen zu organisieren. Wer von den "RotFüchsen" die Sache unterstützen will, melde sich bei: Radsportmuseum Course de la Paix, 39221 Bördeland OT Kleinmühlingen, Tel. 03 92 91/46 55 70

Gerhard Seyring, Bitterfeld


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Im Juni-RF rezensiert Rolf Berthold die Neuerscheinung des Wiljo-Heinen-Verlags "Stopp NATO!" Aufschlußreich finde ich insbesondere die Aussage, wonach die These von einem "Ende der Systemauseinandersetzung" nicht zutrifft. Es entspricht keineswegs der Realität, daß es "heute die unversöhnliche Gegnerschaft zweier unterschiedlicher Gesellschaftssysteme im Weltmaßstab nicht mehr gibt". Sie ist mit der Auflösung der Gemeinschaft des Warschauer Vertrages und der Zerstörung der UdSSR keineswegs aufgehoben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, bestimmte Vorgänge auch unter diesem Blickwinkel zu betrachten.

Generalmajor a. D. Dr. Dieter Lehmann, Dresden


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In der Zuschrift Peter Skrabanias (Juni-RF) werden m. E. starke Vereinfachungen vorgenommen. Vorauszuschicken wäre allerdings, daß ich seine Feststellungen, die barbarische Eroberungspolitik sei durch nichts zu rechtfertigen und der Revanchismus als Bestandteil imperialistischer Politik zu betrachten, teile. Das Wirken des Bundes der Vertriebenen gehört dazu.

Die Flüchtlingszüge des 2. Weltkrieges kamen nicht nur durch die Angst vieler Deutscher vor Rache zustande. Die SS vertrieb Teile der deutschen Bevölkerung Ostpreußens mit vorgehaltener Waffe. Nach Frau Steinbachs Definition waren auch das Vertriebene.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, daß die Siegermächte durchaus eigene Interessen vertraten. So entsprachen die Westmächte sowjetischen Gebietsforderungen auf das frühere Königsberg. Die Aussiedlung erfolgte selten einigermaßen geordnet und war auch mit Repressalien und Verbrechen verbunden. Ähnliches trug sich in Polen und der Tschechoslowakei zu.

Kriege bringen unvermeidliches Unrecht hervor. Das kann heute nicht mehr zu einer Aufrechnung führen. Völkerrechtlich bindende Verträge sind ohne irgendwelche Ausweichmanöver einzuhalten.

Meine Großeltern mußten Schlesien im Greisenalter verlassen. Sie waren keine Faschisten. Die Familie lebte seit Jahrhunderten dort. In ihr kleines Haus sind Rußland-Polen eingezogen. Daran soll nichts geändert werden.

Irene Seeger, Leuenberg


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Drei Bemerkungen zum Beitrag Richard Georg Richters "Eine andere Sicht" (Juni-RF):

Der Autor trägt Eulen nach Athen. Er "beweist", daß "internationaler Terrorismus" ein "ideologischer Kampfbegriff" ist, wobei er selbst feststellt, daß ich nichts anderes zum Ausdruck gebracht habe.

Er polemisiert gegen Aussagen, die er mir unterstellt bzw. nicht wie ich aus der Sicht der Terrorabwehr der DDR bewerten kann.

R.G. Richter hat recht. Meine Beiträge sollen immer auch zur Diskussion anregen, indes mit Streitkultur. Bisher war ich im "RotFuchs" auch nichts anderes gewohnt.

Dr. Udo Stegemann, Potsdam


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Es ist ärgerlich, daß mein Artikel "Vom Lob des Falschen" aus der jüngsten Ausgabe der "Theorie und Praxis" in der Zeitschrift "offen-siv" erscheint, wobei auch noch der Eindruck erweckt werden soll, er wäre dort im Rahmen einer "offen-siv-Debatte" zu lesen.

Ich habe der Redaktion mein Nicht-Einverständnis mitgeteilt.

Mathias Meyers, Mainz


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Vermutlich werden bürgerliche Medien zum 1. September wieder Schmutzkübel über die Politik der UdSSR wegen des Nichtangriffsvertrages vom 23. August 1939 ausgießen. In seriösen Abhandlungen zu diesem Thema wird die Tatsache erwähnt, daß Hitlers Befehl zum Überfall auf Polen bereits für den 26. August um 4.30 Uhr erteilt worden war. Die Befehlsausgabe erfolgte am 25. August um 15 Uhr. Unmittelbar darauf wurde in London ein förmliches Beistandsabkommen zwischen Polen und Großbritannien unterzeichnet. Gegen 18.30 Uhr stoppte Hitler den Angriffsbefehl mit der Bemerkung: "Ich muß erst sehen, ob wir die englische Einmischung ausschalten können." Die britische Geste stellte sich jedoch als hohl heraus, so daß Nazideutschland den Angriff am 1. September begann. Der geschilderte Ablauf der Ereignisse beweist, daß eine entschlossene Haltung der Westmächte den Kriegsausbruch hätte verhindern können.

Dr. Ernst-Jürgen Langrock, Hoyerswerda


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Und wieder flatterte uns ein "RotFuchs" ins Haus. Ganz großes Dankeschön! Jedesmal taucht die Frage auf, wer ihn zuerst lesen darf - meine Frau oder ich. Aber da wir in dieser Hinsicht in "friedlicher Koexistenz" leben, findet sich immer ein Mittelweg. Ich beginne mit den Leserzuschriften (besonders interessieren mich Beiträge der Genossin Vera Butler), es folgt der Leitartikel, dann kommt "Archie" an die Reihe, und schließlich wird der "RotFuchs" von hinten aufgerollt.

Über dem Giebel eines Gebäudes unserer Brandenburger Landesregierung steht übrigens in Stein gemeißelt: "Die Staatsgewalt geht vom Volke aus." Ich fände es besser, wenn es hieße: "Die Staatsgewalt geht vom Kapital aus." Oder irre ich mich da? Im Prinzip gehören zur Demokratie auch "Volksbefragungen". Legte man nicht im Grundgesetz fest, daß eine Verfassung, sollte es ein vereintes Deutschland geben, auf der Basis freier Entscheidung des Volkes zu erarbeiten und anzunehmen sei?

Volker Kretzschmar, Potsdam


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"Mittelstand statt VEB". Unter den heldenstädtischen Wahlkampfparolen ist mir die der FDP am negativsten aufgefallen. Nach der Liquidierung der traditionsreichen Leipziger Industrie ist es bis jetzt nicht ansatzweise gelungen, einen neuen Mittelstand zu etablieren, der die gerissene Lücke schließen könnte. Er ist sehr instabil, von ständigen Zusammenbrüchen und Neugründungen geprägt, vor allem aber von Massenentlassungen. Die sogenannten mittelständischen Betriebe, auf welche die Freidemokraten abheben, stellen eine weitgehend gewerkschaftsfreie Zone dar, bieten oft nur unbezahlte Teilzeitjobs an, sind nicht dazu imstande, genügend Lehrstellen zu offerieren, verweigern mitunter monatelang jegliche Bezahlung und bedienen sich der Mittel des Drucks und der Einschüchterung. Dieser Mittelstand erzeugt eine neue Arbeiterarmut und ist unseren VEBs um Welten unterlegen. Die Parole deklassiert deren Erfinder.

Joachim Spitzner, Leipzig


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Zum dritten Mal steckte Ihre Zeitschrift in meinem Briefkasten. Dafür danke ich ganz herzlich. Mit großem Interesse habe ich die Beiträge über die komplizierten gesellschaftlichen Verhältnisse gelesen und meine Auffassungen dazu bestätigt gefunden.

Es ist schon erfrischend feststellen zu können, mit welcher politischen Klarheit die Grundprobleme unserer Zeit, aber auch Einzelfragen, welche die Menschen in der demokratischsten aller Demokratien fast zu ersticken drohen, dargestellt werden. Ich freue mich schon auf die nächste Ausgabe des RF.

Dr. Wolfgang Pütter, Berlin


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Was würden die Medien der BRD nur tun, wenn es die DDR und das MfS nicht gegeben hätte! Es vergeht kaum eine Sendung, in der nicht über sie hergezogen wird. Unkenntnis oder Böswilligkeit?

Dabei habe ich das Gefühl, daß diese Auswüchse ganz besonders stark in Sachsen zu spüren sind. Ist es das schlechte Gewissen, weil hier die Nazis so angewachsen sind? Die neueste Lüge brachte der MDR: In den Polikliniken habe es keinen festen Arzt gegeben. Jahrelang erlebte ich das ganz anders. War der mich sonst behandelnde Arzt nicht anwesend, stand ein anderer zur Verfügung, der sich anhand der Akte gründlich informieren konnte. Heute muß und darf der Patient nur dann krank werden, wenn der Arzt gerade Sprechstunde hat, und die ist stets überfüllt. ...

Ich hoffe nur, daß unser Volk nicht ganz verblödet und freue mich auf den nächsten RF.

Marianne Wuschko, Hoyerswerda


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Ich möchte mich ganz herzlich für die Zusendung des "RotFuchs" bedanken. Er macht Mut auch in finstersten Zeiten.

Bernd Kolkwitz, Cottbus


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Kurz nach der "Wende" gründete die PDS im Kreis Bautzen einen Reiseclub. Ziel der ca. 20 Stammtouristen war und ist es, die Landschaften Europas kennenzulernen, aber auch politischen und historischen Begebenheiten nachzugehen, die Geschichte der Völker und Länder hautnah aufzunehmen. Unser Schwerpunkt war bisher der Osten und Südosten Europas. Partisanenkämpfe am Duklapaß, das Ghetto in Krakau, das von den Faschisten ausgelöschte belorussische Dorf Chatyn. In diesem Jahr ging es erstmals gen Westen - zum Wohn- und Ferienheim Heideruh in der Nähe Hamburgs. Es wurde nach dem Krieg für ehemalige KZ-Häftlinge errichtet und wird ehrenamtlich verwaltet. Durch die Bindung zu den Hamburger Linken hatten wir gute Reiseführer. Sie zeigten uns die Gedenkstätte "Schule am Bullenhuser Damm". 24 jüdische Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren wurden hier im Keller ermordet, nachdem sie zu Versuchszwecken mißbraucht worden waren. Dort brachten die Faschisten nach dem 20. April 1945 noch 24 sowjetische Kriegsgefangene um.

Wir führten mit den "Linken" in Hamburg-Altona einen regen Erfahrungsaustausch und besuchten auch Helgoland. Dank gebührt dem Organisator unserer Reisen, Genossen Christian Schneider, einem sorbischen Schriftsteller.

Wolfgang Ritter, Bautzen


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Zum Tod des Schauspielers Fred Delmare möchte ich unsere Betroffenheit ausdrücken. Er war ein großer Künstler der DDR. Wir sahen ihn in "Nackt unter Wölfen" an der Seite von Erwin Geschonneck. Nach dem Anschluß seines Staates an die BRD ging es Fred Delmare wie Millionen anderer DDR-Bürger. Er wurde zunächst abgewickelt, bis es ihm schließlich gelang, an für ihn geeignete Filmrollen heranzukommen. DDR-Regisseure erinnerten sich seiner und drehten mit ihm. Soweit ich weiß, stand Delmare auch weiterhin zur DDR.

Das Leben hat Schweres für ihn bereitgehalten: Seine Tochter hat sich das Leben genommen, während sein Sohn wegen Mordes im Gefängnis sitzt. Das Ertragenmüssen solcher Situationen ist für Eltern wohl das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Fred Delmares Schicksal hat uns sehr berührt.

Liesel Bauer, Dormagen


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Beate Klarsfeld ist für mich eine Frau, der ich Respekt und Anerkennung zolle. Sie hat den Kampf für die Bestrafung von Nazimördern zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. Diese großartige Frau scheute sich nicht, den damaligen CDU-Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger wegen dessen Nazivergangenheit öffentlich zu ohrfeigen. Damit hat sie ihre Mißachtung für Diener der Faschisten, die sich anschließend ein "Demokratiemäntelchen" umhängten und den Biedermann spielten, zum Ausdruck gebracht.

Beate Klarsfeld wäre - wie von der Linksfraktion im Bundestag vorgeschlagen - eine geeignete Kandidatin für das Bundesverdienstkreuz.

Thea Kleine, Berlin


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Ich bin achtzig und unterlasse es seit 1989 keinen Tag, mein kleines Herz zu überzeugen, doch bitte weiterzuschlagen, habe ich doch noch Pflichten in dieser kaputten Welt. Seit etwa neun Jahren versorge ich meine an Alzheimer erkrankte Frau, die den Kapitalismus genauso "schätzte" wie ich. Leider muß ich gestehen: Wir haben ihn unterschätzt. Seit langem führe ich mit den Regierenden einen erbitterten Kampf um sozialgerechte Einstufung. Ich gehe da so vor, daß ich mich mit einer Behörde auseinandersetze und verantwortlichen Politikern oder Institutionen meinen Klassenstandpunkt in Form von Anträgen oder "Informationen" zukommen lasse. Die Erfolge sind bescheiden: Wenn es hochkommt, erhalte ich höfliche Bestätigungen und Hinweise auf andere Zuständigkeiten.

Mir ist bewußt, daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als daß ein Knecht des Kapitals sozial denkt oder handelt! Dennoch: Steter Tropfen höhlt den Stein. Ich hoffe, daß es immer mehr solche Tropfen gibt.

Franz Kilian, Dessau-Roßlau


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Ich würde die Überschrift des Beitrags von Dr. Ehrenfried Pößneck "Wer zog die Strippen?" um die Worte erweitern: Wer wußte davon, und welche Schlußfolgerungen hätten gezogen werden müssen?

Der Artikel hat mich bald umgehauen. Ich kann mich nicht erinnern, daß solche Dinge damals in Parteiversammlungen zur Sprache gekommen wären. Mit dem "Manifest demokratischer Kommunisten" hätte sich die SED-Führung auseinandersetzen und derartigen Denkweisen den Kampf ansagen müssen. Ich habe nichts davon bemerkt und bin darüber sehr enttäuscht.

Schon in jener Zeit machte die Konterrevolution mobil. Wir merkten es in unserer Kurzsichtigkeit leider nicht.

Wolfgang Hilbert, Kahla


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Mit dem Schreiben von Briefen an Medien und Politiker begann ich schon während der Konterrevolution. Ich sah darin eine Möglichkeit, politisch weiter aktiv zu sein. Damit verbunden war die Suche nach Mitstreitern zur Solidarisierung mit den Opfern der Siegerjustiz des Klassenfeindes sowie aller, die wegen ihres Eintretens für die DDR öffentlicher Diskreditierung ausgesetzt waren. Da der Gegner hauptsächlich das MfS zur Zielscheibe seiner wütenden Attacken auf den Sozialismus gemacht hatte und dessen inoffizielle wie offizielle Mitarbeiter seit fast 20 Jahren ununterbrochen verleumdet, habe ich als ehemaliger MfS-Offizier gerade gegen diesen Aspekt des reaktionären Gesinnungsterrors gekämpft. Allerdings stieß ich nicht selten auf politisches Desinteresse, Bequemlichkeit, Angst, Egoismus, Ideenlosigkeit und vielleicht auch "Stehproletarierdenken". Nicht wenige derjenigen, die ich zu mobilisieren versuchte, gehen mir sogar aus dem Wege. Ein ehemals ranghoher Vorgesetzter nannte mich einen "Schreiberling". Dennoch gebe ich nicht auf.

Hans Schneider, Erfurt


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Über alles mögliche werden Studien in Auftrag gegeben und Gutachten angefertigt. Zum Beispiel darüber, wie der deutsche Michel und "Lieschen Müller" ihre Freizeit verbringen, um auch darauf Einfluß zu nehmen. Das breite Publikum darf keine Atempause zum Nachdenken bekommen. So gibt es in der BRD eine Vielzahl finanziell gestützter Vereine in erheblichen Größenordnungen, die von wirklich Wichtigem ablenken sollen. Auch die Monopolen zuzuordnenden Medien spielen ihren Part, indem sie für Großveranstaltungen mit den Superstars des Schlagergesangs und der Volksmusik Eintrittskarten verschenken oder Werbung betreiben. Der Karneval beschäftigt die Vereine das ganze Jahr. Der Osten ist dabei voll integriert. Bei der Propagierung der Profi-Fußballstars wird der Eindruck vermittelt, daß hier kein Spiel stattfinde, sondern Sein oder Nichtsein zur Debatte stünden. Eine Show jagt die andere. Auch makabre Umzüge gehören zur Szene. Bei ihnen erwacht das Mittelalter zu neuer Blüte. Ritter mit Schwert und Lanze zeigen, wie schön das Morden damals war. Und kein Schild in Sicht, auf dem geschrieben steht: Zu jener Zeit waren die Menschen Leibeigene, den Gesetzen ihres Herrn unterworfen, der bei einer Hochzeit auch vom "Recht der ersten Nacht" Gebrauch machte und den armen Bauern den Zehnten abpreßte.

Werner Juhlemann, Geithain


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Der Monatsanfang naht, und die Vorfreude steigt. Irgendwann kommt meine Frau und sagt: Der "RotFuchs" ist da. Damit ist der Tag dann ausgefüllt. Von A bis Z wird das Blatt durchgelesen, mit sehr vielem bin ich einverstanden, lerne daraus, sammle Argumente und tanke meine Batterien auf.

Manchmal denke ich allerdings: Ein sehr gutes Essen, aber irgendein Gewürz fehlt noch am Menü. Welches?

Der Kampf unserer Genossen in aller Welt - o. k.; Erinnerungen verdienstvoller Kämpfer - o. k.; Beleuchtung historischer Vorgänge, Personen und Akte - o. k.; theoretische Ausblicke auf das, was werden könnte und müßte - o. k.; Argumente und Strategien gegen die Haßtiraden unserer Gegner - o. k.

Gibt es etwas, was meine Abwehrkräfte noch mehr stärken und meine Zuversicht fördern würde? Wir diskutieren zu wenig über den eigenen Anteil jedes einzelnen an unserer Niederlage. Gorbatschow, Mittag und Co. waren doch nicht die Alleinschuldigen. Frage an uns alle: Wo warst Du, was hast Du gemacht, unternommen oder unterlassen? (Erinnert sei an meinen Beitrag zum Schulsystem der DDR, wo es darum ging.) Warum konnte es geschehen, daß wir wehrlos und wie vom Schreck gelähmt alle Machtmittel aus der Hand gaben? War da nicht Jahrzehnte lang schon einiges faul? Daraus entsteht, gerade für uns "jüngere Genossen" die Frage, wo die Knackpunkte unserer Geschichte lagen und ob wir die Schwachstellen hinreichend beleuchtet haben. Warum steuerten kampferprobte Genossen nicht rechtzeitig gegen? Wie konnte es passieren, daß 1989 eine Massenpartei angeblicher Kämpfer sang- und klanglos in die Knie ging?

Noch haben wir die Zeitzeugen, die Kapazitäten und Möglichkeiten, uns solchen Fragen zu stellen. Dem "RotFuchs" weiterhin Standhaftigkeit, Mut und Erfolg im Sinne unserer Sache.

Hans J. Bock, Warin


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"Osten blickt milde auf DDR" titelte die "Mitteldeutsche Zeitung" (MZ) am 27. Juni. Ausgangspunkt des Beitrags ist eine von Herrn Tiefensee in Auftrag gegebene Befragung. Dabei ergab sich für ehemalige Bürgerrechtler ein unerwartetes Ergebnis. Das störrische Volk aus dem Osten des großen Vaterlandes stimmte mehrheitlich nicht für die Vorgabe, die DDR sei hundsmiserabel gewesen. Immerhin 58 % verbaten sich eine solche Unterstellung. Entsetzen ist die Folge.

Natürlich befragte man auch die "Brüder und Schwestern" aus dem Westen. Warum eigentlich? Sie konnten doch auf die Entwicklung des kleineren deutschen Staates - abgesehen von Paketen mit Maggisuppen und anderen Errungenschaften der westlichen Freiheit (die Sendungen waren steuerlich absetzbar) - gar keinen Einfluß nehmen. Sollte so der rechnerische Durchschnitt des Ergebnisses dieser Umfrage aufgebessert werden?

Es gäbe weitere Fragen dieser Art zu klären. Beispielsweise: Wie kann ein Staatswesen demokratisch funktionieren, wenn seine Bürger lediglich einmal in vier Jahren ihre Wahlzettel abgeben dürfen? Und: Kann man eigentlich von der absoluten Mehrheit einer Partei sprechen, wenn sie zwar 51 % der Stimmen erhält, aber nur 49 % der Bürger zum Wahllokal streben? Wird das gesamte Geschäft nicht in Wahrheit von einem immer kleiner werdenden Klüngel gutbezahlter Berufspolitiker betrieben, die das Volk wie einen Stier am Nasenring in der Manege ihrer Manipulationen herumführen? Deren Aufgabe besteht darin, den Massen klarzumachen, daß im Himmel Jahrmarkt ist und ihre Rolle darin besteht, den Göttern immer ausreichend Atzung herbeizuschaffen.

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg

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RotFuchs Nr. 139, 12. Jahrgang, August 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2009