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ROTFUCHS/132: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 178 - November 2012


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

15. Jahrgang, Nr. 178, November 2012



Inhalt

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Rat eines erfahrenen Genossen

Wenn man die 70 überschritten hat oder gar kurz vor der Vollendung des 80. Lebensjahres steht, bilanziert man noch bewußter als zuvor den zurückgelegten Weg. Dabei denkt man an Erfolge und Niederlagen, Geglücktes und Mißlungenes. Vor allem aber trennt man Wichtiges von eher Nebensächlichem. Man bewahrt die Substanz und wirft Ballast über Bord.

Überdenke ich in diesem Sinne die fast 64 Jahre meiner Zugehörigkeit zur kommunistischen Bewegung - ich schloß mich ihr 1948 mit 16 in Westberlin an -, dann erscheinen mir zwei Dinge unverzichtbar: Erstens sollten Menschen aus unserem Holz einen festen Klassenstandpunkt besitzen. Ihm entspringen die Liebe zu den Arbeitenden oder an den sozialen Rand Gedrängten und der Haß auf deren Ausbeuter. Diese Position ist der einzig verläßliche Kompaß für Kommunisten und Sozialisten. Zweitens gehört der proletarische Internationalismus seit den Tagen von Marx und Engels zu den unveräußerlichen Wesenszügen einer revolutionären Arbeiterpartei.

Ich erinnere mich an ein vor langer Zeit - noch in der Aufstiegsphase der DDR - geführtes Gespräch mit einem erfahrenen alten Genossen, der sich mit Fug und Recht als Patriot seines sozialistischen Vaterlandes bezeichnen durfte. Unter Zurückweisung des kosmopolitischen Begriffs eines nirgendwo und überall verwurzelten Weltbürgertums wie des pseudopatriotischen Bekenntnisses zum Staat der Klassenfeinde, mit dem uns Marxisten auch nicht die Zugehörigkeit zur gleichen Nation verbinden kann, erteilte er mir einen wichtigen Rat: "Vergiß niemals, daß wir zu 50 Prozent der DDR und zu 50 Prozent der ganzen Welt verpflichtet sind." Während die Profitjäger des Kapitals im Zuge der Kriege nicht ausschließenden Globalisierung ihrer Geschäfte anderen Völkern die Luft abschnüren, hatte dieser im antifaschistischen Widerstand bewährte Kommunist natürlich die internationale Solidarität - den frischen Atemzug unserer Bewegung - im Auge.

Ich bin im Laufe meiner fast 25jährigen Tätigkeit als außenpolitischer Redakteur des ND, das ja inzwischen auf den Leitspruch "Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" verzichtet hat, sich im Untertitel aber weiterhin mit fremden sozialistischen Federn schmückt, viel in der Welt herumgekommen. Dabei stand ich auf vier Kontinenten Freund und Feind gegenüber - bisweilen auch in der "Höhle des Löwen". Ich erlebte Standhafte und Einknickende, Redliche und Heuchler. Vor allem aber begegnete ich großartigen Menschen. In Paris lud mich Marxens Urenkel Robert-Jean Longuet in sein Gartenhaus ein, das einst Balzac bewohnt hatte. Unvergeßlich bleiben mir Portugals herausragender kommunistischer Stratege und Taktiker Álvaro Cunhal und der in der Haft erblindete Vorsitzende der KP der USA Henry Winston, den ich auch beim Prozeß gegen Angela Davis in Kalifornien traf. Voller Wärme denke ich an Harilaos Florakis, den im Insel-KZ Makronissos gemarterten griechischen KKE-Führer, und an Uruguays bedeutenden marxistischen Theoretiker Rodney Arismendi, mit dem ich in Montevideo und Buenos Aires sprechen konnte. Hochachtung empfinde ich vor Denis Goldberg von der KP Südafrikas, der über 20 Jahre in Apartheid-Kerkern gequält wurde, und vor der Witwe des 1944 von den Hitlerfaschisten ermordeten Begründers der Polnischen Arbeiterpartei (PPR) Pawel Finder, die ich 1955 in Warschau kennenlernte. In Rom stand ich im Juni 1984 mit Marcello Mastroianni am Sarg Enrico Berlinguers, des Generalsekretärs der damals einflußreichen Italienischen KP. 1987 sprach ich in Madrid mit der greisen Dolores Ibarruri - der "Pasionária". Nachdem ich bereits 1964 mit Brasiliens legendärem Luis Carlos Prestes ein halbstündiges Fernsehinterview hatte führen können, lernte ich später auch die meisten anderen KP-Führer Lateinamerikas kennen, darunter El Salvadors gestählten FMLN-Comandante Schafik Handal und Chiles Volksheldin Gladys Marin. Imponierenden Kampfgefährten begegnete ich in der UdSSR, in China und in Kuba. In Tokio empfing mich Tetsuzo Fuwa, damals Vorsitzender der KP Japans, zu einem Gedankenaustausch. Tief bewegte mich ein mehrwöchiger Aufenthalt in Vietnam, wo ich im Herbst 1964 - kurz nach den ersten US-Luftüberfällen auf die DRV - eintraf. Ohne Zweifel könnten auch etliche andere Genossen aus unseren Reihen sehr Wesentliches zu dieser Thematik beisteuern. Dabei geht es nicht um bestandene Abenteuer, sondern um den Sinn und Inhalt unseres Lebens. Denn niemand kann von sich sagen, er sei Marxist oder Marxist-Leninist, ohne die reiche Gefühls- und Gedankenwelt des proletarischen Internationalismus ganz in sich aufgenommen zu haben.

Wir halten uns an Goethe, der "Wahlverwandtschaften" gegenüber "Blutsbanden" den Vorzug gab. Mit den Gaucks und Merkels wollen wir deren "Deutschtum" nicht teilen. Afrikanische oder asiatische Proletarier stehen uns tausendmal näher als deutsche Bourgeois. Zugleich lehnen wir die würdelose Preisgabe echter nationaler Werte ab. Weder liberales Weltbürgertum noch der vom Kapital betriebene globale Mißbrauch der historisch herangereiften internationalen Verzahnung haben mit unserer Welt- und Lebenssicht irgend etwas gemein.

Wir waren, sind und bleiben in allen heraufziehenden Stürmen proletarische Internationalisten!

Klaus Steiniger

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Illusionen eines Elder Statesman

Wie "Schmidt-Schnauze" Seifenblasen-Träumen nachjagt

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, bekannt in seiner Rolle des weisen Elder Statesman, meinte, als gerade wieder eine neue Schmutzwelle im Zusammenhang mit einem auf sonderbare Weise zustande gekommenen Interview über Margot Honecker ausgegossen wurde, die DDR und die Honeckers seien spätestens 2030 vergessen. Eine erstaunliche Aussage! Ich dachte über sie nach und vermochte mich am Ende nur noch zu wundern.

Kann man eine ganze geschichtliche Epoche, die immerhin vier Jahrzehnte deutscher Historie ausfüllte, einfach vergessen? Kann man sie willkürlich aus den Chroniken streichen? Wäre es möglich, Martin Luther dem Gedächtnis der Nation zu entreißen, den Dreißgjährigen Krieg einfach wegzulassen oder die Weimarer Republik, die keine 15 Jahre bestand, so mir nichts dir nichts abzustreifen? Ist das Vergessen dieses oder jenes unerwünschten historischen Geschehens nicht absolut unwissenschaftlich und widersinnig?

2030 werde ich 65 Jahre alt sein. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern liegt hierzulande derzeit wohl bei 77 Jahren. Selbst wenn man davon ausgeht, daß das deutsche Gesundheitswesen in den kommenden zwei Jahrzehnten bei weiterem wissenschaftlichem Fortschreiten im kapitalistischen Interesse noch mehr demontiert sein dürfte, rechne ich mir doch ganz gute Chancen aus, die 18 Jahre bis zu dem durch Helmut Schmidt genannten Datum schon irgendwie zu schaffen. Übrigens habe ich eine wirklich schlechte Nachricht für den Herrn Alt-Bundeskanzler: Von seinen Erwartungen abweichend, werde ich die DDR nicht vergessen haben! Und was noch viel infamer ist: Ich werde sie auch als 77jähriger, sollte ich die derzeit errechnete Lebensspanne schaffen, nicht in mir ausgelöscht haben! So werde ich auch die Honeckers, die zur deutschen Geschichte gehören, nicht aus meinem Gedächtnis streichen. Warum auch?

Der Vorgang ist recht merkwürdig. Man fragt sich unwillkürlich: Wozu braucht die BRD eigentlich eine ganze Kaskade regionaler Gruselkabinette und die zur Pflichtveranstaltung erhobene Horrorshow des Hubertus Knabe im Zentrum, wenn die DDR doch sowieso in Vergessenheit gerät? Wozu schiebt man Woche für Woche unzählige Schulklassen aus allen Bundesländern durch die sinistre Einrichtung in Berlin-Hohenschönhausen und deren Dependancen, wenn diese Kinder und Heranwachsenden in 18 Jahren von dem ganzen Geschehen ohnehin nichts mehr wissen sollen, das man ihnen dort präsentiert? Wozu werden in solche makabren "Gedenkstätten" enorme Summen unserer Steuergelder hineingepumpt, wenn an all das in 18 Jahren - einem Steinwurf der Geschichte - niemand mehr denken soll? Wozu bedurfte es der unsäglichen Großinquisitoren Gauck, Birthler und Jahn oder der unablässig im BRD-Fernsehen präsenten DDR-"Berufsopfer" vom Schlage einer anscheinend paranoiden Vera Lengsfeld? Wozu die ins Maßlose gesteigerte Hysterie im Umgang mit einem 1990 untergegangenen Staat, wenn in Bälde all das für die Katz gewesen sein soll?

Oder meinte Herr Schmidt vielleicht etwas ganz anderes: die Absicht, die Wahrheit über die DDR in 18 Jahren ganz und gar vergessen zu machen. Ist es das, was den alten Kettenraucher aus Hamburg so unruhig sein läßt? Ich denke, damit kommen wir zu des Pudels Kern: Es geht den antikommunistischen Hexenjägern in Wirklichkeit darum, jene DDR aus unserem Gedächtnis zu tilgen, die ihren Bürgern eine gesicherte soziale Existenz, eine gute Bildung sowie eine hervorragende medizinische Betreuung garantierte. Niemand soll sich angesichts himmelschreiender diesbezüglicher Defizite der im Interesse der Superreichen regierten BRD an eine DDR erinnern, in der es weder Suppenküchen noch Obdachlosenasyle gab; an eine DDR, die keine fremden Länder überfiel und auch keine zu Generälen aufgestiegenen Kundus-Obristen vom Schlage eines Georg Klein hervorbrachte.

Es geht nicht um ein Vergessenmachen des sozialistischen deutschen Staates schlechthin, sondern um das Tilgen der Wahrheit über ihn! Angesichts der immer krasser und offener zutage tretenden Menschenfeindlichkeit der BRD-Gesellschaftsordnung ist die Angst vor dem Wissen um die humanistischen Züge der DDR bei den Herrschenden noch immer unermeßlich groß - selbst bei längst Pensionierten, wie der Alt-Bundeskanzler unter Beweis stellt. Ja, sie pfeifen laut im Walde, um die angstmachenden Wölfe zu verscheuchen.

Eines bedaure ich wirklich: Der 1918 geborene Helmut Schmidt dürfte im Jahre 2030 wohl schon lange nicht mehr unter uns sein. Ich würde ihm nämlich so gerne einen Rekord an Langlebigkeit gönnen, um ihm dann noch eine weitere schlechte Nachricht zu übermitteln. In 18 Jahren werde ich meine DDR mitsamt den Honeckers, mit Licht und Schatten, nicht nur im Gedächtnis bewahrt haben, sondern auch über sie erzählen. Und zwar die Wahrheit!

Ulrich Guhl

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Nachdenken über Demokratie

Eine Handreichung zum modischen Verwechsle-das-Bäumchen-Spiel

Wir sind das Volk!" - tönte es 1989/90 aus den Mündern demonstrierender DDR-Bürger. Wir bestimmen über Demokratie und Freiheit, sollte das heißen. Beide Begriffe begegnen mir heute in Reden, Zeitungsartikeln und Fernsehprogrammen Tag für Tag, von morgens bis abends. Das ist Anlaß für mich, darüber nachzudenken, wer eigentlich "das Volk" ist.

Vom "Orthographischen Wörterbuch der deutschen Sprache" aus dem Jahre 1900 bis zum heutigen "Kleinen Duden" wird der aus dem Griechischen stammende Begriff Demokratie mit Volksherrschaft übersetzt. Ich frage mich, wo ist denn das herrschende Volk hierzulande?

Um nicht falsch verstanden zu werden, bediene ich mich im folgenden der gegenwärtig gültigen BRD-Sprachregelung. In der DDR-"Diktatur" hatten wir Berliner Mieter eine Hausgemeinschaft. Gemeinsam hielten wir Treppen und Hof sauber, streuten im Winter bei Schnee und Eis den Bürgersteig und reparierten, was immer uns möglich war. Überdies verwandelten wir die vormalige Waschküche unseres Wohnhauses in einen Klubraum mit kleiner Werkstatt. Es versteht sich von selbst, daß uns die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) sämtliche Leistungen vergütete. Von dem gemeinsam eingenommenen Geld finanzierten wir Hausfeste, Kindervergnügen, Ausflüge und die Anschaffung von Werkzeug. Als auf dem zweiten Hinterhof dann der baufällige Pferdestall abgerissen werden mußte, ließ sich die KWV durch uns davon überzeugen, den unteren Teil zu erhalten, damit wir diesen als Garage nutzen konnten.

Unsere Hausgemeinschaft war absolut keine Ausnahme, sondern eine von Tausenden und aber Tausenden in der DDR. Ich hielt das damals für Demokratie.

Jetzt haben wir "Demokratie" pur, aber es gibt keine Hausgemeinschaften mehr, das Mieten von Wohnungen ist zu einer rein kommerziellen Angelegenheit geworden. Die Vorschriften und Klauseln der Verträge sind einzuhalten. Basta! Hinzu kommen in Intervallen kaum noch begründete Mietsteigerungen, was in zunehmendem Maße zur Verdrängung ärmerer Mitbewohner geführt hat. Wer ist hier das Volk - die Mieter oder die Vermieter, oftmals im Westen angesiedelte Immobilienkonzerne? Die das Arbeitsleben, die soziale Sicherheit, vor allem aber die Rechte solcher Personengruppen wie schwangerer Frauen, Kinder und Rentner betreffenden Gesetze kannte in der DDR-"Diktatur" jeder, der direkt oder indirekt davon betroffen war. Ihr allen verständlicher Wortlaut bot keinen Raum für einseitige Auslegungen, zumal es derartige Bestrebungen kaum gab. Warum ist in der "Demokratie" der BRD nicht möglich, was sich in der DDR-"Diktatur" bewährt hat?

Warum erläßt der Bundestag ständig Gesetze, die in der Öffentlichkeit sofort auf heftigen Widerstand stoßen? In der DDR-"Diktatur" wurden wichtige Gesetze vor der Beschlußfassung monatelang unter Einbeziehung von Millionen Menschen diskutiert. Ist der BRD-Gesetzgeber wirklich das Volk? Wer aber ist, wenn dem so sein sollte, dann die Öffentlichkeit?

In der DDR-"Diktatur" ging mich alles etwas an. Ich fühlte mich für jeden Schritt mit verantwortlich, freute mich über jeden Neubau, jeden Stapellauf und jeden hinzukommenden Kindergarten. Und ich war bemüht, vom gesellschaftlichen Allgemeinbesitz, der Volkseigentum genannt wurde, Schaden abzuwenden. In der "Demokratie" der BRD geht mich das alles nichts an. Privat ist privat, und was unbedingt öffentlich sein muß, regeln Vorschriften und Erlasse. Ich habe mich dem lediglich anzupassen und zu fügen. Wer ist das Volk? Sind es die Unternehmer, die Eigentümer an Grund und Boden, die Herren der Betriebe, Banken und Krankenhäuser, selbst der Kneipen ...?

Man wirft der DDR Mangelwirtschaft vor. Die gab es zweifellos, doch - aus meiner Sicht - überwiegend aus verständlichen Gründen. Denn, was das Land nicht selbst besaß oder im Ausland bei eingeschränkter Valuta kaufen konnte, das fehlte eben. Aber es gab auch keine Arbeitslosen, keine Suppenküchen, keine Obdachlosen und kein - besonders wichtig - Kleingedrucktes, das heute die halbe Miete ausmacht. Solche "Qualitäten" prägen indes die unablässig ihren Reichtum und Überfluß propagierende "Demokratie" der BRD.

Gipfelpunkt der Demokratie, was - wie gesagt - "Volksherrschaft" bedeutet, sind die Wahlen. In der DDR-"Diktatur" kandidierten neben den Vertretern der Parteien auch die Bewerber der Gewerkschaft, des Frauenbundes, des Kulturbundes, der Freien Deutschen Jugend und der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe. Warum treten in der "Demokratie" der BRD nicht auch Kandidaten des Deutschen Mieterbundes, des DGB und der Bauernschaft an? Sind allein Parteien das Volk?

Streiks und Protestdemonstrationen werden im allgemeinen als Ausdruck funktionierender Demokratie ins Feld geführt. Dabei ist doch das direkte Gegenteil der Fall: Sie richten sich - wegen des Mangels an Demokratie - gegen Entscheidungen "von oben", also des Staates oder der Konzerne, auf die man "unten" keinen Einfluß hatte. Wenn ein Unternehmen bankrott macht und seine Mitarbeiter wie Schlecker auf die Straße wirft oder wenn der Staat mit ihm anvertrauten Steuergeldern Rettungsschirme für die Banken produziert - ist das ein Synonym für die Herrschaft des Volkes?

Das Unterhaltungsfernsehen lockt Abend für Abend Millionen Menschen vor die Bildschirme. Neben einer Krimi-Flut und seichtestem Wissenstoto sind es vor allem Filme "aus dem Leben des Volkes", die angeboten werden. Das "Volk" besteht allerdings ganz oder überwiegend aus den oberen Zehntausend. Die Probleme der "Wohlstandsgesellschaft" werden den Mittellosen aufgehalst. Stand jemals die Familie eines Hartz-IV-Empfängers, eines Arbeitslosen oder auch nur eines Handwerkers im Mittelpunkt der Handlung? Das "Volk" besteht - nimmt man das im Unterhaltungsfernsehen Gebotene als Maßstab - fast nur aus Prassern.

Oder: Warum duldet das Volk, da es doch in der "Demokratie" der BRD die Herrschaft ausübt, ganze Scharen von Neonazis? Warum wird die Forderung nach Volksentscheiden erhoben, wo doch bereits alle Demokratie von den gewählten Volksvertretungen ausgeht?

"Wir sind alle Volk und die Regierungen mit", sagte Bismarck im Juni 1873 vor dem Reichstag. Der Philosoph Hegel hingegen meinte: "Das Volk ist derjenige Teil des Staates, der nicht weiß, was er will."

Um das Knäuel aus Diktatur und Demokratie zu entwirren, sucht man die Antwort in der Frage: Ist es nicht hohe Zeit, daß "das Volk" endlich wahrnimmt, was es mit der Losung vom Herbst 1989 tatsächlich auf sich hatte? Mit leeren Händen kann man wohl kaum einen Schatz nach Hause tragen.

Erhard Römer, Berlin

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Ohne Klassenstandpunkt ist man blind

Wir sind nicht Treibsand, sondern Sand im Getriebe des Kapitalismus

Unser altbekannter Archie stieß, wie er unlängst im "RotFuchs" wissen ließ, mit einem Sozialdemokraten über die Sicht auf die DDR zusammen. Der Mann aus der SPD beharrte; "Wir halten eben unsere Sicht auf die DDR für wahr." Die "RotFuchs"-Leser erinnern sich vielleicht, daß Manfred Hocke im Heft 174 über Wahrheit und Lüge philosophierte. Sein Archie war mit dem Standpunkt des Kontrahenten nicht einverstanden. Daher fragte er zurück: "Also ist Wahrheit nicht gleich Wahrheit?"

In eine ähnliche Situation geriet ich, als ich in einer Gesprächsrunde den Standpunkt unserer Zeitschrift verteidigte. Etwas ironisch wurde mir entgegnet: "Ihr toleriert zwar verschiedene Meinungen, glaubt aber im Grunde, doch immer recht zu haben." In diesem Augenblick fiel mir nur ein trockenes "Ja, na klar!" ohne jede weitere Argumentation ein. Im Nachgang ärgerte ich mich dann über meine Flapsigkeit.

Natürlich haben wir nicht immer und in jeder Frage recht. Ich selbst habe im RF schon den einen oder anderen Beitrag gelesen, der meiner Meinung nicht entsprach. Keiner von uns hat die Wahrheit gepachtet! Und im Grübeln voller Ärger über mich selbst fiel mir der kluge Heisenberg-Schüler Hans-Peter Dürr ein. In seinem Buch "Das Netz des Physikers" bezieht er sich auf eine Parabel, in der ein Meeresbiologe und ein Fischer die Protagonisten sind. Der gelehrte Mann gelangt nach wiederholtem Auswerfen der Netze und gründlicher Sichtung des Fanges zu dem Ergebnis, alle Fische seien größer als fünf Zentimeter. Auf den Einwand des Fischers, die Maschenweite seines Netzes betrage eben nur fünf Zentimeter, antwortet er: "Was ich mit meinem Netz nicht fangen kann, liegt grundsätzlich außerhalb fischkundlichen Wissens."

Hatte ich in der erwähnten Debatte nicht so wie der scheinbar einfältige Meeresbiologe geantwortet? Ist denn nicht jedes Wissen, alle erkannte Wahrheit, immer durch die Sicht und die Methoden der Messung, mit denen wir ihr uns annähern, bedingt? Wenn "die Wissenschaft" erkannt hat, daß Schokolade besonders gesund sei, dann ist sie in der Regel eine von den Medien zwar so bezeichnete Gruppe von Forschern, blickt aber nicht zuletzt im Auftrag der Schokoladenindustrie auf ihren Forschungsgegenstand. Herr Ackermann, der "allseits beliebte" Großbankier, dürfte bei seinem Viel-Millionen-Einkommen eine diametral entgegengesetzte Sicht auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik haben als ein "RotFuchs"-Leser. Oder - um noch ein anderes Beispiel anzuführen: Der Standpunkt des einstigen CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler, unter dem er den gegenwärtigen Kapitalismus beurteilt, hat sich doch inzwischen recht signifikant von seiner Meinung in früheren Jahren entfernt. Er kritisiert das Gesellschaftssystem mit einer bemerkenswerten Gedankenschärfe, die manchem weiter links stehenden Politiker durchaus gut zu Gesicht stünde. Geißler stellt auch fest, die derzeitige Wirtschaftsordnung sei nicht konsensfähig und zutiefst undemokratisch, weshalb sie durch ein neues ökonomisches System ersetzt werden müsse. Dieses erblickt er allerdings in der Nähe der "alten deutschen sozialen Marktwirtschaft", auf keinen Fall aber aus marxistischer Sicht.

Weshalb führe ich das an? Vor allem deshalb, weil alle hier Genannten mit absoluter Sicherheit zutiefst davon überzeugt sein dürften, daß ihre jeweiligen Erkenntnisse die einzig richtigen sind.

Auch in den Gesellschaftswissenschaften hängt das Ergebnis stets vom Ziel der Untersuchung und von der Sicht des Untersuchenden auf die Dinge ab. Mit anderen Worten: vom Klassenstandpunkt.

Leider wurde mit diesem Begriff nicht selten Schindluder getrieben. Man erinnert sich an die Vorhaltung mancher Funktionäre: "Betrachte das Ganze doch mal vom Klassenstandpunkt!" Damit war natürlich recht häufig die bisweilen wacklige Argumentation desjenigen gemeint, der unbedingt recht behalten wollte. Um einen ungewollten Einspruch oder eine schwer widerlegbare These abzutun, bediente sich mancher des Vorwurfs, der andere verlasse den Klassenstandpunkt. Kritische Geister wurden attackiert, wenn sie die begrenzte Sicht auf die Bewältigung einer Tagesaufgabe durch ihren Blick auf künftige Entwicklungen erweiterten.

Dabei sollte der Klassenstandpunkt natürlich fest und unerschütterlich sein, was indes nicht bedeutet, daß er wie ein trigonometrischer Punkt unveränderlich in die Erde gerammt ist. Mit Wandlungen der realen Situation der produzierenden und reproduzierenden Arbeiterklasse unterliegt er zwangsläufig entsprechenden Veränderungen. Dennoch bleibt er das A und O. Vor allem aber wird er sich an der Forderung von Friedrich Engels messen lassen müssen, den Sozialismus, seitdem er eine Wissenschaft geworden ist, auch als solche zu betreiben. Nur so werden wir "theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraushaben".

Um aber auf Archie zurückzukommen: Eine für alle verbindliche, gewissermaßen über den Dingen schwebende Wahrheit gibt es nicht. Unsere Wahrheit wird immer die Wahrheit unserer Klasse sein. Dennoch werden auch uns "RotFüchsen" Wahrheiten verborgen bleiben oder gar durch die Maschen des Netzes unserer Erkenntnis schlüpfen. Vielleicht wird sich in Zukunft zeigen, daß wir in Gewässern, die wir heute noch gar nicht kennen, fündig geworden wären und größere Fische gefangen hätten.

Doch bei alldem: Würde man mich heute abermals fragen, ob ich der Ansicht sei, daß der "RotFuchs" recht habe, wäre meine Antwort immer aufs neue: "Ja, na klar!"

Bernd Gutte

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Der große BVG-Streik von 1932

Wie sich die Nazis mit den Federn der KPD schmücken wollten

In meiner Wohnung hängt eine Bilderserie "Die Straßenbahn der Erinnerungen". Mein Ältester, selbst lange Zeit Omnibusfahrer bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), hat sie liebevoll zusammengestellt. Dies war nicht nur ein Geburtstagsgeschenk für mich, sondern sollte auch daran erinnern, daß immerhin zwölf Mitglieder unserer Großfamilie BVGer waren.

Jeder von uns hat frühe Kindheitserinnerungen. Noch heute habe ich vor Augen, wie mein Pflegevater Hermann Henning im August 1933 in unserer Neuköllner Wohnung unter Prügeln verhaftet wurde. Ein SA-Sturmführer schrieb wenige Tage später an meine Pflegemutter, ihr Mann befinde sich wegen Vorbereitung zum Hochverrat im Gewahrsam der Gestapo.

Damals war ich vier Jahre alt. Lange Zeit sah ich meinen Pflegevater nicht wieder. Er ging durch die Nazihöllen - das KZ am Columbiadamm und die Gestapozentrale in der Prinz-Albrecht-Straße, dann durch die Gefängnisse Moabit und Tegel. Das wichtigste Andenken an ihn befindet sich in meinem Besitz: sein KPD-Mitgliedsbuch Nr. 44808, ausgestellt am 19. Dezember 1932, und die Anklageschrift vom 27. August 1934, gerichtet an den Straßenbahnfahrer Hermann Henning und andere Berliner Kommunisten. Er war auf dem Straßenbahnbetriebshof Britz tätig und gehörte als Mitglied der Revolutionären Gewerkschaftsorganisation (RGO) im November 1932 der dortigen Streikleitung an.

Damals waren 22.000 Schaffner, Fahrer, Werkstattarbeiter und Angestellte bei der BVG beschäftigt. Knapp 6500 der einst 28.400 BVGer waren entlassen worden, gleich sechsmal hintereinander hatte die Direktion die Löhne gekürzt oder die Arbeitszeit zurückgefahren. Und nun wollte sie erneut die Stundenlöhne senken - diesmal um 23 Pfennig. Das löste bei den Beschäftigten helle Empörung aus.

1400 Genossen gehörten den 31 KPD-Betriebszellen an. Die Partei gab die Parole aus: "Keinen Pfennig Lohnraub bei der BVG!" - eine Forderung, die von der KPD-nahen RGO übernommen wurde.

Am 29. Oktober 1932 fand eine Delegiertenkonferenz statt, an der neben Mitgliedern der RGO, des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) und Nichtorganisierten auch Mitglieder der Nazi-Scheingewerkschaft (NSBO) teilnahmen. Der Berliner NSDAP-Gauleiter Joseph Goebbels war am Vorabend der Reichstagswahlen in letzter Minute auf den von Kommunisten gesteuerten Zug aufgesprungen. Die Delegiertenkonferenz wählte einen Ausschuß zur Vorbereitung der Streik-Urabstimmung. Ihm gehörten acht Kommunisten, drei Freigewerkschaftler, eine Hausfrau und vier NSBO-Mitglieder an. Am 2. November nahmen 84% der BVGer an der Urabstimmung teil. Von ihnen votierten 79% für Streik.

Am 3. November 1932 wurde die Arbeit niedergelegt. Der Ausstand dauerte fünf Tage und wurde durch Solidaritätsaktionen, z.B. von 1500 Beschäftigten der Berliner Müllabfuhr, flankiert.

Die ADGB-Führung verweigerte dem Arbeitskampf der BVGer offiziell jede Unterstützung. Und Goebbels notierte in seinem Tagebuch: "Während des Streiks gerieten wir zu ihr (der KPD) in eine unangenehme, aber unvermeidliche Tuchfühlung."

An anderer Stelle seiner Aufzeichnungen schrieb der Faschistenhäuptling: "Viele bürgerliche Kreise werden durch unsere Teilnahme am Streik abgeschreckt. Das ist aber nicht das Entscheidende. Diese Kreise kann man später sehr leicht wiedergewinnen; hat man aber den Arbeiter einmal verloren, dann ist er auf immer verloren."

Gewisse Pseudohistoriker werden nicht müde, das Geschehen um den BVG Streik 1932 in sein Gegenteil zu verkehren, indem sie behaupten, der Ausstand sei angeblich ein "Paradebeispiel für die Zusammenarbeit von Nazis und Kommune" gewesen.

Im Protokoll einer Ministerberatung vom 3. November 1932 liest man hingegen: "Reichsminister Dr. Bracht hielt den Streik für eine Kraftprobe der KPD ... Offensichtlich arbeiten die Kommunisten auf einen Generalstreik hin."

40 Jahre nach dem legendären BVG-Streik - im November 1972 - wollte die SED-Parteiorganisation der volkseigenen Berliner Verkehrsbetriebe an das historische Geschehen mit einer Festveranstaltung erinnern. Sie sollte auch die von den Faschisten ermordeten kommunistischen Mitglieder der Streikleitung Albert Kayser, Otto Schmirgal und Conny Behrens würdigen.

Unsere beabsichtigte Ehrung galt überdies den am Leben gebliebenen BVGern - unter ihnen Erich Fox, Alfred Granowski, Adalbert Konkolawski, Kurt Krautter und Hermann Henning. Der Sekretär des ZK der SED Kurt Hager untersagte mir - ich war von 1965 bis 1979 Sekretär der SED-Betriebsparteiorganisation der BVG - telefonisch, eine derartige Veranstaltung durchzuführen. Als Grund nannte er das "Zusammenwirken von Kommunisten und Nazis" beim Berliner Verkehrsarbeiterstreik. Ich war geradezu perplex und kann bis heute eine solche Auslegung nicht akzeptieren. Die Absage beruhte auf einer Fehlinterpretation des BVG-Streiks, der eine grandiose Kampfansage an die Notverordnungspolitik der Regierenden darstellte.

Das Sekretariat des ZK der KPD mit Ernst Thälmann an der Spitze fand bewegende Worte für diesen Kulminationspunkt der damals ganz Deutschland erfassenden Streikwelle.

Am 6. November 1932 wurde die KPD, auf die bei der Reichstagswahl fast sechs Millionen Stimmen entfielen, in Berlin zur stärksten Partei. Sie überflügelte sowohl die Sozialdemokraten als auch die Faschisten. Im Arbeiterbezirk Neukölln - meinem Kiez - entfielen 39,9% des Votums auf ihre Liste. Das war nicht zuletzt eine Reaktion der Wähler auf die herausragende Rolle der Kommunisten beim BVG-Streik. Andererseits erlitt die NSDAP eine schwere Niederlage, auch wenn sie landesweit auf Rang 1 verblieb. Die Regierung beantwortete den BVG-Streik mit Repressalien, wozu das Verbot der KPD-Zeitung "Die Rote Fahne" gehörte.

Damals gab es in Deutschland eine starke und klassenkämpferische Kommunistische Partei mit über 300.000 Mitgliedern, deren Schwerpunkt in den Betrieben lag. Heute geht es hierzulande um die Verteidigung der immer stärker eingeschränkten bürgerlichen Demokratie gegen den neuerlichen Ansturm faschistoider und rechtskonservativer Kräfte. Wie 1932 lautet das Gebot der Stunde: Aktionseinheit aller linken Kräfte.

Werner Schneider, Berlin

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Um welche "andere Partei" geht es?

Leo Mayer will Katzen als Hasen verkaufen

In der UZ vom 20. Juli stellte Leo Mayer die Frage: "Eine andere Partei?"

Seine Antwort: "Ja - revolutionärer, wissenschaftlicher, demokratischer, effektiver." Im weiteren Text schwärmt Mayer davon, wie schön es wäre, wenn die DKP eine andere Partei wäre. Da so gut wie alle Kommunisten mit dem gegenwärtigen Zustand unzufrieden sind, ist das verführerisch. Mit Leo Mayer zu neuen Ufern? Endlich Schluß mit dem Niedergang, endlich Anerkennung und Erfolg?

Vorsicht! Die "andere Partei" ist kein Erfolgsrezept. Den Mayerschen ganz ähnliche Erneuerer-Ideen haben z. B. in Frankreich und Italien ehemals große und einflußreiche kommunistische Parteien aus der Bahn geworfen. Auch die Bertinottis und Hués hatten "glänzende Visionen". In der Praxis sind sie gescheitert. Sie haben einen Trümmerhaufen hinterlassen und sind von der politischen Bühne verschwunden. In Westeuropa gehören zu den Parteien, die ihre Organisationskraft und ihren Einfluß erhalten konnten, die portugiesische und die griechische - also sogenannte orthodoxe Parteien, die das Eindringen des "Erneuerertums" erfolgreich abwehren konnten. In der spanischen KP gibt es mittlerweile sehr selbstkritische Einschätzungen eines Kurses, mit dem die Partei in der Izqierda Unida beinahe aufgegangen ist.

Leo Mayer unterstellt implizit, die Ursachen der Schwäche der DKP lägen darin, daß in ihr das Erbe der KPD, die Verteidigung der Errungenschaften des Sozialismus, die Zurückweisung der bürgerlichen Geschichts"interpretation" - Stichwort "Stalinismus" - nach wie vor stark verankert seien. Er macht dazu denunziatorische Gegensätze auf - "starre Ideologie", "Ansammlung von Glaubensartikeln", "Dynamik der Abgrenzung" kontra "Suche nach Gemeinsamkeiten" mit Bündnispartnern, "Kultur der Zusammenarbeit", Marxismus als "kritische Wissenschaft", "Bereitschaft, zu fragen und in Frage zu stellen". Das Bild, das Mayer von seinen innerparteilichen Gegnern zeichnet, hat in der Realität so gut wie keine Entsprechung. Es gibt in der DKP keine ultralinke Strömung, die dogmatisch am Alten hängt und sich Neuem verschließt. Es gibt die Verteidiger des kommunistischen Charakters der Partei. Und es gibt eine sich immer deutlicher ausprägende revisionistische, liquidatorische Strömung. Sie ist die Hauptgefahr für die Weiterentwicklung und sogar den Bestand der DKP. Sie muß überwunden werden, wenn sich die DKP zu einem neuen Aufbruch befähigen will. Leo Mayer meint, man sollte ... "akzeptieren, daß es niemanden gibt, der im Besitz der absoluten Wahrheit ist, die von den sich Irrenden angenommen werden muß, sondern daß die revolutionäre Wahrheit sich aus den verschiedenen Sichten, Erkenntnissen und Perspektiven, aus den Erfahrungen des gemeinsamen Kampfes und dessen theoretischer Verarbeitung entwickelt ..." Wer sich absolute Wahrheiten einbildet, mag an die Bibel glauben. Kommunisten tun das nicht. Die marxistisch-leninistische Weltanschauung beinhaltet, daß alle Erkenntnis Prozeßcharakter hat, historisch - also bedingt - ist und das Denken am besten der "Methode" folgt, die auch in der objektiven Realität wirkt: der Dialektik.

Mit dem den Kommunisten unterstellten Anspruch auf den "Besitz der absoluten Wahrheit" zielt Mayer denn auch auf etwas anderes: auf eben diese marxistisch-leninistische Weltanschauung selbst, deren Anwendung auf die Analyse der Gesellschaft und der sich daraus ableitenden politischen Schlußfolgerungen; im Kern auf die Lehre vom Klassenkampf, die kommunistische Revolutions- und Parteitheorie. Mayers Sorge ist nicht, daß es in der DKP Defizite in der theoretischen Durchdringung der sich weiterentwickelnden gesellschaftlichen Realität gibt. Er bemängelt nicht, daß die DKP keine organisierte theoretische Arbeit betreibt, kein wissenschaftliches Zentrum hat und die Bildungsarbeit darniederliegt. Seine Sorge ist, daß sich die Partei - trotz des ja nicht geringen Einflusses z. B. des isw und der Europäischen Linken - noch nicht genügend für sozialdemokratische, neofeministische, "globalisierungskritische" Einflußnahme auf die DKP öffnet.

Wie ist das mit der "revolutionären Wahrheit"? Entwickelt sie sich "aus den verschiedenen Sichten, Erkenntnissen und Perspektiven, aus den Erfahrungen des gemeinsamen Kampfes und dessen theoretischer Verarbeitung"? Wenn es so einfach ist, brauchen wir keine kommunistische Partei. Dann genügt eine "Mosaik-Linke". Wenn schon noch Partei, dann eine "pluralistische" wie die Linkspartei. Wer ein spezielles Faible hat, mag sich in der DKP organisieren - einer DKP, die ein Mosaiksteinchen unter vielen anderen ist; also unter Aufgabe ihres Daseinszwecks als Organisation, die den Marxismus mit den Alltags- und Detailkampferfahrungen der Arbeiterklasse vermitteln will, der bürgerlichen Weltanschauung die marxistische entgegensetzt und die konsequentesten Kräfte sammeln will mit dem Ziel, eine massenverankerte Kampforganisation zu schaffen; eine Macht, mit der die Klasse die Macht des Klassenfeindes überwinden kann.

Mayer macht Schluß mit der Erfahrung, daß die Arbeiterklasse aus sich selbst heraus allenfalls ein trade-unionistisches Bewußtsein gewinnen kann, unabhängig vom Niveau der beruflichen Qualifikationen und den im bürgerlichen Bildungsbetrieb erworbenen Kenntnissen. Mayer macht Schluß mit dem marxistischen Wissensbestand, daß sich aus dem Dasein als doppelt freie Lohnarbeiter zunächst nur - und nur im besten Fall - ergibt, um die Bedingungen der Lohnarbeit, um das Fortkommen als ausgebeutete Klasse im Kapitalismus zu kämpfen; daß selbst dagegen der stumme Zwang der kapitalistischen Alltagslogik, das Konkurrenzverhältnis untereinander um den Verkauf der Arbeitskraft, die als quasi natürlich empfundenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten der bürgerlichen Gesellschaft und der Warenproduktion wirken.

Mayer negiert faktisch, daß die Arbeiterklasse nicht nur die ausgebeutete, sondern auch die unterdrückte, beherrschte Klasse ist. Die Bourgeoisie herrscht nicht nur mit dem Polizeiknüppel. Sie herrscht auch vermittels der Beherrschung der Köpfe. "Das Bewußtsein der Herrschenden ist das herrschende Bewußtsein." Wenn die Klasse kein revolutionäres Klassenbewußtsein hat, hat sie nicht irgendeins. Dann hat sie das, welches ihr von den Umständen und der Bourgeois-Ideologie tagtäglich eingetrichtert wird, an vorderer Stelle das des Staatsbürgers, welches jedem Aufmucken die Grenze der Konvention und Gesetzestreue setzt - der durch Lenin karikierte "Kauf der Bahnsteigkarte vor der Besetzung des Bahnhofs", der "Gemeinsinn", der vorauseilende Gehorsam, der Polizist im eigenen Kopf.

Die Ideen kommen nicht, wie der "kritische" Kleinbürger meint, aus dem vermeintlich autonomen Individuum. Dieses ist vielmehr selbst das zum Exzeß der äußersten Vereinzelung getriebene bürgerliche Ideal-Individuum, mit dem die Bourgeoisie machen kann, was sie will, weil es sich ideell von allen sozialen und Klassenbindungen gelöst hat und sich als Monade im Meer der Monaden versteht. In jeder "persönlichen Meinung" spiegelt sich - so oder so - der Klassenstandpunkt, völlig unabhängig davon, ob der Meinende das wahrnimmt oder nicht. Das gilt natürlich auch für die in sozialen Bewegungen aktiven Menschen.

Im Gegensatz zur Bourgeoisie, die innerhalb des Feudalismus ökonomische Macht ansammeln konnte, hat das Proletariat keine anderen Mittel der Befreiung als die Befreiung aus der geistigen Vormundschaft der Bourgeoisie und die Organisiertheit. Deshalb sind diese Mittel für das Proletariat ungleich wichtiger, als sie es für die gegen den Feudalismus aufbegehrende Bourgeoisie waren. Diese brauchte tatsächlich keine "kommunistische Partei", um den Klassenfeind zu stürzen und die eigene Herrschaft aufzurichten. Was sie nicht brauchte, ersetzte sie durch den Geldsack, die Hypothek auf das Junkereigentum, den Kredit für den Fürsten - alles Machtmittel, welche die Proleten nicht haben.

Mayer schreibt: "Deshalb kann diese Alternative zum Kapitalismus mit der Perspektive einer sozialistischen Umwälzung nur im Ergebnis einer breiten, demokratischen Übereinstimmung der Linken und aller emanzipatorischen Bewegungen und als Resultat gemeinsamer Praxis und Debatte und gemeinsamer Lernprozesse entstehen." Nun, wie denn sonst. Ist das im Erfolgsfall jemals anders gewesen? Aber das Wesentliche unterschlägt er. Dieses "Ergebnis" ist nur möglich, wenn in der Arbeiterklasse ein sozialistischer Klassenstandpunkt dominant wird. Das wird er nur, wenn die bürgerliche Ideologie in den Köpfen überwunden wird. Das wird sie nicht einfach "als Resultat gemeinsamer Praxis und ... Lernprozesse" und auch nicht nur mit der theoretischen Verarbeitung auf dieser Basis. Das wird sie, wenn in dieser Praxis und diesem Lernprozeß die marxistische Weltanschauung gegen die vorhandene Weltanschauung dominant wird - im ideologischen Kampf, durch das "Hineintragen" des Marxismus in die Klasse. Das ist neben der Organisationsarbeit die Hauptaufgabe der kommunistischen Partei.

Mayer schreibt: "Diese Art der klärungsorientierten Diskussion geht von der Debatte zweier Linien aus und zielt darauf ab, daß sich die Mitglieder für die eine oder die andere Linie entscheiden sollen." - Das ist nicht das Problem. Es gibt so manche Frage, die ungenügend geklärt ist. Darin liegt nicht die Bedeutung der Debatte und das erklärt auch nicht ihre Heftigkeit. Es gibt ein tragfähiges Programm. Die Unklarheiten, die angesichts der unentwickelten Klassenkämpfe in Deutschland zum Teil zwangsläufig sind, können sachlich und mit Ruhe und Geduld geklärt werden. Die Bedeutung der Diskussion liegt vielmehr darin, daß die DKP von Mayer und anderen als kommunistische Partei in Frage gestellt wird. Darüber, ob sie eine kommunistische oder eine "andere Partei" wollen, müssen die Mitglieder allerdings entscheiden. Wer denn sonst?

Mayer fährt fort: "Bei dieser Form der 'Debatte' steht die Linie im Vordergrund und nicht das einzelne Mitglied der Partei, nicht einmal die Mitglieder insgesamt. Die Mitglieder haben sich der Linie unterzuordnen. Letztendlich setzt sich eine Mehrheit durch; fraglich ist, ob sich 'richtig' gegen 'falsch' durchsetzt." Im Statut der DKP steht: "Jedes Mitglied hat die Pflicht, ... die in den programmatischen Dokumenten festgelegten und von Parteitagen beschlossenen Ziele zu unterstützen sowie die Beschlüsse der Partei anzuerkennen und nach Kräften bei ihrer Umsetzung mitzuwirken." Mayer macht daraus: "Die Mitglieder haben sich der Linie unterzuordnen." Der Unterton - bei den Kommunisten geht es nach antikommunistischer Lesart bekanntlich immer um die "Linie" und die Parteimitglieder haben sich ihr "unterzuordnen" - ist unverkennbar. Mayer sagt es nicht offen. Er behauptet: "Es geht ... nicht um die "Entsorgung des kommunistischen Parteityps", sondern um "die Überwindung von Methoden, die sich als unzureichend erwiesen haben". Aber indem er die zentralen Funktionen der kommunistischen Partei im Klassenkampf leugnet und ihr eine "Mosaik-Linke" entgegenstellt, propagiert er dem Inhalt nach die Liquidierung der kommunistischen Partei. Er will tatsächlich eine "andere Partei", die nicht mehr kommunistisch wäre. Damit überschreitet er eine Grenze. Damit geht es nicht mehr um einen Meinungsstreit zwischen Kommunisten um die Weiterentwicklung der Politik der Partei. Es geht um die kommunistische Parteikonzeption selbst. Es geht ums Ganze. Wer Mayer folgt, folgt ihm in eine "andere Partei".

Sepp Aigner, München

Die Überschrift stammt von der Rotfuchs-Redaktion.

Veröffentlicht am 5. August 2012 unter dem Titel "Eine blendende Antwort Leo Mayers auf die Frage nach der 'anderen Partei'", in "Theorie & Praxis":
http://theoriepraxis.wordpress.com/2012/08/05/eine-blendende-antwort-leo-mayers-auf-die-frage-nach-der-anderen-partei/

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Pfarrer Führer auf Distanz zum Kapitalismus

Am 3. September konnte ich kaum glauben, was die "Leipziger Volkszeitung" da ihrer überraschten Leserschaft anbot. In einem Kurzbeitrag berichtete sie darüber, daß der einstige Held der "friedlichen Revolution" von 1989, der Leipziger Nikolaikirchen-Pfarrer Christian Führer, bei einer Predigt in der Kieler Ansgar-Kirche seinem bisherigen Glauben abgeschworen hat. Der Geistliche empfahl nämlich, den Kapitalismus abzuschaffen, und rief die Christen zu dessen Überwindung auf. Der globale Kapitalismus sei nicht zukunftsfähig, zerstöre die Umwelt und die Menschen, widerrief Pfarrer Führer sein einstiges Credo. Die derzeit in Deutschland und anderswo bestehende Gesellschaftsordnung sei außerstande, ein gerechtes Wirtschaftssystem ohne Ausbeutung von Menschen und Ressourcen zu schaffen.

1989 hatte Führer die auf eine Restauration des Kapitalismus hinarbeitenden Kräfte in der DDR unterstützt und einen maßgeblichen Beitrag zur Niederlage des Sozialismus geleistet. Nun vollzog der Mann im Talar die krasseste Kehrtwende seines Lebens. - Aus dem Umfeld der von Christian Führer gegründeten Leipziger Arbeitslosenhilfe erhielt ich schon vor längerer Zeit Signale, daß den Pfarrer das menschenverachtende Vorgehen aus dem Westen herbeigeeilter Kapitalisten und auch hier gleich Pilzen aus dem Boden geschossener neuer Ausbeuter entsetzt hätte. Ihn empörte, daß sie sich nicht wie Goldkarpfen aus dem Streichelzoo, sondern eher wie bissige Haie aufführten.

Jetzt ist für den zweifellos weltoffenen Mann augenscheinlich die Schmerzgrenze erreicht. Seine Zivilcourage verdient bei allem, was gewesen ist, Respekt. Allerdings dürften Führers Vorstellungen hierzulande kaum durchsetzbar sein, zumal gerade "Christen" mit CDU-Parteibuch äußerst lukrative Posten an sich gerissen haben. Die Kuh, die sie melken, darf unter keinen Umständen im Schlachthof landen. Der Vorstoß des einstigen Predigers der Nikolaikirche löste bei manchen eine regelrechte Schockstarre aus. Die LVZ druckte binnen einer Woche nur einen einzigen zustimmenden Leserbrief. Auch sonst herrscht Schweigen im Walde. Von den Medien, der Kirche, den Parteien, den einstigen "Bürgerrechtlern" vernimmt man kein Sterbenswörtchen. Christian Führer, der Held von einst, dürfte wohl fortan auf Lobeshymnen der Gewinner des Kapitalismus verzichten müssen.

Joachim Spitzner, Leipzig

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Defizite eines Botschaftsgesprächs

Eloquente Bewunderung Obamas und beredtes Schweigen zur NATO

Im RF wurde der Wortlaut einer Depesche des Berliner US-Botschafters Philip Murphy über ein Gespräch mit Gregor Gysi im November 2009 kommentarlos abgedruckt. Deutlich wird dabei Gysis unverkennbare Überheblichkeit bei der Darstellung eigener Leistungen. Sein im Bericht geschildertes Politikverständnis ist für die Partei Die Linke wohl nicht verallgemeinerbar. Wenn der US-Diplomat seinen Besucher als "politischen Rattenfänger" bezeichnet, muß das als ein Schlag "unter der Gürtellinie" betrachtet werden. Andererseits ist das Werturteil dieses hohen US-Diplomaten recht aufschlußreich.

Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei brachte zum Ausdruck, daß er die Wahl Obamas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten für ein Jahrhundertereignis halte. Er zeigte sich von diesem Repräsentanten des US-Imperialismus stark beeindruckt und äußerte Interesse an einem Treffen mit ihm. Die in der Depesche Gysi zugeschriebenen Äußerungen zeugen von politischer Naivität und einer Tendenz zur Anbiederung. Solches ist in Führungskreisen der Partei Die Linke ja nichts Neues. Erinnert sei an das schmähliche Verhalten von Roland Claus, der sich beim Kriegsverbrecher George W. Bush für ein mutiges Friedenstransparent einiger PDS-Bundestagsabgeordneter unterwürfig entschuldigte.

Man muß nicht Kommunist sein, um Obama völlig anders zu bewerten. Der von einer Volks- und Massenbewegung in sein Amt getragene erste schwarze US-Präsident, auf dem gewisse Hoffnungen geruht hatten, setzte den Kriegskurs seiner Vorgänger ohne Abstriche fort. Die gewaltsame Einmischung in die inneren Angelegenheiten des afghanischen Volkes wurde sogar noch ausgeweitet. Unter Obama entwickelte das Pentagon neue strategische Szenarien zur militärischen Einkreisung Chinas und Rußlands. Obamas USA sind die entscheidende Kraft hinter den Bestrebungen, die syrische Assad-Regierung zu Fall zu bringen. Unter diesem Präsidenten wurden neue Massenvernichtungswaffen und Kampfmittel entwickelt oder konzipiert. Erinnert sei nur an die immer stärkere Dominanz des Einsatzes unbemannter Drohnen.

Durch das Osloer Verleihungskomitee war Obama schon am Beginn seiner Präsidentenlaufbahn zum Friedensnobelpreisträger gekürt worden. Hat sich Gregor Gysi durch solche Vorschußlorbeeren etwa täuschen lassen? Ohne Zweifel ist nicht die ethnische Herkunft oder die Hautfarbe für die Beurteilung eines Staatsmannes entscheidend, sondern allein dessen politisches Handeln nach innen und außen.

Der PDL-Fraktionsvorsitzende vertrat in dem Gespräch mit Botschafter Murphy sehr befremdliche Auffassungen in bezug auf die NATO. Es besteht doch kein nennenswerter Unterschied zwischen der Forderung nach Austritt der BRD aus der NATO oder nach ihrer Auflösung. Beides sind ebenso richtige wie schwer erreichbare Ziele strategischen Charakters, welche von der Friedensbewegung mit Nachdruck verfolgt werden müssen. Doch Gregor Gysi entschuldigte sich gegenüber dem US-Diplomaten geradezu für die von Teilen seiner Partei erhobene Forderung nach Auflösung der NATO und erklärte - laut Murphy-Depesche - , das Eintreten für die "mildere" Variante sei notwendig gewesen, um dem "radikaleren" Verlangen nach Austritt der BRD aus der NATO einen Riegel vorzuschieben. Warum dieses die "radikalere" Variante sein soll, bleibt Gysis Geheimnis.

Laut Murphy hat sich Gysi in dem Gespräch zwar als Verfechter einer Auflösung dargestellt, aber keine inhaltliche Kritik an der Osterweiterung und den Interventionsmechanismen dieses Kriegspaktes anklingen lassen. So richtig und berechtigt die Forderungen nach Austritt aus der NATO oder deren Auflösung auch sind - die Friedensbewegung sollte eher derzeit erreichbare Ziele wie die erzwungene Liquidierung des Bombodroms bei Wittstock ansteuern.

Dazu möchte ich einige Gedanken äußern. Die BRD nimmt als der für die USA in jeder Hinsicht wichtigste NATO-Partner eine Schlüsselposition ein. Von ihrem Territorium geht täglich Krieg aus. Es wird durch fremde Mächte und deren Truppen für Aggressionen und Operationen im Nahen und Mittleren Osten genutzt. Dort befindet sich das drittgrößte militärische Kontingent der USA außerhalb des eigenen Landes, sieht man von Afghanistan und Irak ab.

Auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr werden die US-Einheiten auf ihre Kriegseinsätze vorbereitet. In Kaiserslautern befindet sich ihr zentraler Logistikstandort. Von sechs Regionalkommandos der US-Streitkräfte gibt es nur zwei außer Landes und zwar EUCOM und AFRICOM mit Sitz in Stuttgart. Sämtliche europäischen Kommandozentralen der U.S. Army und der U.S. Air Force befinden sich in der BRD. Die zivilen Flugplätze Leipzig, Nürnberg und Hahn werden für US-Kriegseinsätze genutzt. Beim Bundeswehrgeschwader 33 in Büchel lagern Atombomben vom Typ B 61-3 und B 61-4, die eine höhere Vernichtungskapazität als die Hiroshima-Bombe besitzen.

Das größte Lazarett des Pentagons außerhalb der USA ist das in Landshut. Hier werden die Schwerverwundeten aus Afghanistan und von anderen Kriegsschauplätzen versorgt.

Alles Gerede über eine beabsichtigte Beendigung der Kriege dient allein der Irreführung. Das erklärte Ziel der NATO besteht darin, die Einsatzfähigkeit ihrer Streitkräfte noch zu steigern, eine höhere Effektivität zu erreichen und die Möglichkeit jederzeitiger weltweiter Interventionen zu gewährleisten. Derzeit erwägt Kanada, ein operationelles Unterstützungskommando für globale Einsätze auf dem Flughafen Köln/Bonn zu etablieren. Übrigens verfügt die EU inzwischen über 75 eigene Militärstützpunkte in aller Welt.

Die BRD trägt erhebliche Unterhaltskosten für ausländische Truppen. An den jährlichen Stationierungsaufwendungen für die US-Streitkräfte von ca. 7 Mrd. US-Dollar ist sie mit 27% beteiligt. Der kanadische Ökonomieprofessor Michel Chossudovsky bezeichnet Deutschland nicht unberechtigt als Atommacht. Er verweist u. a. darauf, daß in der BRD etliche Atombomben lagern und auch die Bundeswehr mit ihren Trägermitteln für deren Einsatz verplant ist. Außerdem hat der deutsch-französische Rüstungskonzern EADS in seinem Lieferprogramm auch Frankreichs Atomraketen M 51. Zu betonen ist überdies der beträchtliche BRD-Rüstungsexport, vor allem in Krisen- und Spannungsgebiete.

Die Partei Die Linke hätte demnach weit mehr zu fordern als nur die Auflösung der NATO. Es wäre dringend geboten, daß sie ihre friedenspolitischen Aktivitäten mit dem Handeln anderer Bewegungen der Kriegsgegner vor Ort stärker als bisher vernetzt. Besonders wichtig ist die Forderung nach Abzug aller ausländischen Truppen von deutschem Territorium. Käme er zustande, würde er die Aggressionen der USA und ihrer NATO-Partner im Nahen und Mittleren Osten zumindest erschweren.

Gregor Gysi verzichtete bei seinem frappierenden Besuch in der Berliner USA-Botschaft offenbar auf die Benennung über Afghanistan hinausgehender Differenzen zur diesbezüglichen Politik der Vereinigten Staaten und der NATO. Eine solche Abstinenz wirft viele Fragen auf.

Oberst a.D. Karl Rehbaum


Unser Autor war der letzte Leiter der NATO-Abteilung in der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS und Führungsoffizier des in das Brüsseler NATO-Hauptquartier vorgedrungenen DDR-Kundschafters Rainer Rupp (Topas). Er gehört dem Vorstand des RF-Fördervereins an.

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Als Eberhard Herr den Herren die Suppe versalzen half (1)

Mit diesem Beitrag des heute 84jährigen Eberhard Herr aus Herzberg an der Schwarzen Elster beginnen wir eine neue RF-Serie. Unser Autor war von 1978 bis 1989 Leiter eines Zirkels Schreibender Genossenschaftsbauern im Kreis Weimar. Seit 1994 leitete er eine dortige Werkstatt Schreibender Senioren. Eberhard Herr ist Verfasser und Mitautor zahlreicher Publikationen. Er war hauptamtlicher Sekretär der SED-Grundorganisation in der anfangs lahmenden, später als landesweiter Schrittmacher geltenden LPG Pflanzenproduktion "Vereinte Kraft" Vippachedelhausen.


Angeregt durch die Fortsetzungsreihe "Cornelias kleine große DDR" habe auch ich ein paar Erinnerungen an meine eigene Entwicklung in der DDR aufgeschrieben. Da ich das Gefühl habe, daß die Darstellung der sozialistischen DDR-Landwirtschaft, deren Entwicklung auch im Urteil uns nicht gerade wohlgesonnener Beobachter "von außerhalb" an ein "Wirtschaftswunder" grenzte, im RF etwas zu kurz kommt, will ich darüber berichten. Zunächst möchte ich den Lesern jedoch eine gewisse Vorstellung von mir vermitteln.

Eigentlich wollte ich Förster werden. Das Herumstreichen in Feld und Wald hatte es mir angetan. Mit dem Abschluß der Mittelschule wäre es auch "drin" gewesen. Doch im Frühjahr 1944 lehnte man mich ab. So trat ich eine Landwirtschaftslehre an - ein Entschluß, der mein ganzes weiteres Leben bestimmen sollte. Als noch nicht 17jähriger hatte ich recht vage Vorstellungen über eine persönliche Zukunft, aber hochfliegende Träume. Nach der Landwirtschaftslehre wollte ich Gutseleve auf einer Staatsdomäne oder einem Rittergut werden, anschließend die Höhere Landwirtschaftsschule besuchen und mich dann um eine Stelle als Gutsinspektor bewerben. In meiner Naivität konnte ich nicht abschätzen, daß der Krieg für Nazideutschland verloren war und im Osten ein Systemwechsel bevorstand.

So trat ich erst einmal die Lehre auf dem Hof des erfahrenen Großbauern Willi Dießel in einem Dorf bei Nordhausen an. Sein Betrieb umfaßte 54 Hektar und war - urkundlich nachweisbar - seit 1642 im Familienbesitz. Dießel, den alle "Willy" nannten, hielt sämtliche Haustierarten und baute viele Fruchtsorten an. Hier lernte ich von der Pieke auf, was mich viel Schweiß kostete und mir manche Blase eintrug. Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre.

Am 2. April 1944 um sechs Uhr früh ging es das erste Mal raus. Die Bäuerin machte nicht viele Umstände. "Hier hast du einen Melkeimer, da steht ein Melkschemel, und hier ist deine Kuh. Den Euter-Strich gut umfassen und von oben nach unten drücken. Siehst du, so macht man das." Da saß ich unter der Kuh und bekam eine mit deren Schwarz gewischt, als wollte das Tier erst mal zeigen, was für ein blutiger Laie ich doch sei. Anderntags habe ich den Schwanz dann festgebunden. Ganz überraschenderweise brachte ich den Eimer sogar voll. "Na, siehst du, es geht doch", war die Reaktion der Bäuerin. Bald molk ich drei Kühe. Eine Melkmaschine gab es noch nicht.

Die Hauptperson des Hofes war mein Lehrherr, die Urgestalt eines deutschen Großbauern. Nicht sehr hoch gewachsen, aber breit und stämmig, mit kräftigen Armen, großen Händen und einer entsprechenden Stimme. Alle Unterweisungen kamen von ihm, obwohl auch die Bäuerin manches zu sagen hatte, was Willi überraschenderweise akzeptierte. Von den beiden "Fremdarbeitern" - einem Polen und einem Ukrainer - habe ich ebenso manchen Kniff in der Arbeit gelernt.

Sehr viel später, als ich bereits in der LPG tätig war, ist mir so richtig bewußt geworden, was für ein ausgeprägtes Eigentumsdenken Willi Dießel besessen hat. Es dauerte daher auch eine ganze Weile, bis er in die Genossenschaft eintrat. In der ging es ja - besonders in den ersten Jahren - vor allem darum, allmählich das individuelle Eigentumsdenken der LPG-Mitglieder auf gute kollektive Arbeit hinzulenken.

Nach beendeter Lehre und einem Landwirtschaftsschulbesuch mit anschließender Gehilfenprüfung arbeitete ich zunächst noch in drei privaten Bauernwirtschaften, wodurch ich meine Agrarkenntnisse vervollkommnen konnte.

Als die U.S. Army 1945 Thüringen besetzte, war mir völlig unklar, wie das mal weitergehen würde. Erst als die Amis abzogen und die Rote Armee einrückte, begann es langsam zu dämmern. Der Systemwechsel wurde Wirklichkeit. Nun war es natürlich mit den Gutsinspektorphantasien vorbei. Eine andere Perspektive tat sich auf: Direktor eines Volkseigenen Gutes - kurz VEG genannt. Das war ein völlig neuer Beruf. Er entstand, nachdem in der sowjetischen Besatzungszone der Großgrundbesitz entschädigungslos enteignet worden war.

Ich hätte so etwas gerne angestrebt, doch es sollte anders kommen. Ein abermaliger Schulbesuch stand mir bevor. Höhere Landbauschulen gab es bei uns nicht mehr. An deren Stelle waren die Fachschulen für Landwirtschaft getreten. Diese bildeten Agrarexperten für die mittlere Verwaltungslaufbahn, staatliche Landwirtschaftsbetriebe, Forschungseinrichtungen und den LPG-Vorsitz aus. Mit einem Abschluß als Staatlich geprüfter Landwirt konnte man einen Universitätsabschluß als Diplomlandwirt, übrigens auch im Wege des Fernstudiums, anstreben.

Ich habe zunächst im Land Thüringen und - nach der Verwaltungsreform - in zwei Kreisen gearbeitet. Überdies war ich mehrere Jahre in zentralen Berliner Institutionen tätig. Dadurch erwarb ich mir recht gründliche Kenntnisse für Leitungsaufgaben in der sozialistischen Landwirtschaft der DDR.

Doch die Grundlage dafür bildete meine gediegene Ausbildung als Lehrling, meine mehrjährige praktische Tätigkeit auf Bauernhöfen sowie das Studium der Landwirtschafts- und der Gesellschaftswissenschaften. Auf Ausbildung, Praxis im Beruf und Studium folgte ein niemals unterbrochener Lernprozeß, der mich zu einem Experten in der sozialistischen Landwirtschaft der DDR werden ließ.

Die 1989/90 eintretende "Wende" bescherte den Dorfbewohnern im Osten manche Überraschungen. Es war indes ein großer Irrtum des BRD-Landwirtschaftsministers Kienzle (CSU) anzunehmen, nun würden die LPG-Mitglieder die Genossenschaften einfach auflösen und ihren "Dreck" wieder zurücknehmen, um fortan als "freie" Einzelbauern zu arbeiten. Es mag ja sein, daß er als Großbauer sein Eigentumsdenken dem der LPG-Mitglieder gleichsetzte. Doch so verhielt es sich nicht. Die Masse der früheren Genossenschaftsbauern berücksichtigte zwar die vom bürgerlichen BRD-Recht geregelten Eigentumsformen, hielt aber die Betriebe zusammen. Etwa 60% der vormaligen LPG-Flächen wurden nicht auseinandergerissen.

Natürlich gab es auch Ex-Genossenschaftsbauern, die als sogenannte Wiedereinrichter auf den Plan traten. Sie bewirtschafteten nun jedoch nicht 10 oder 15, sondern meist 100 Hektar und mehr. Anders läßt sich heute Landwirtschaft nicht effektiv betreiben. Wer von Ost nach West fährt, merkt sofort an der Größe der Felder, wo er sich befindet. Daran, daß alles so kam, habe auch ich eine Aktie. Dafür muß ich mich bei niemandem entschuldigen.

Das nächste Mal geht es um "meine" LPG Vippachedelhausen.

Eberhard Herr, Herzberg

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Mein Leben "nach der DDR"

Erkenntnisse eines CDU-Abgeordneten der "frei gewählten Volkskammer"

Ende August wurde ich durch Rechtsanwalt Hans Theisen, den Vorsitzenden der Landesfachkommission Recht des Wirtschaftsrates der CDU e. V., Landesverband Sachsen, für den 13. September in das Dresdner Dorint-Hotel zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung eingeladen. Herr Theisen schrieb mir u. a.: "Wir könnten eigentlich zufrieden sein, leben wir doch in einem der reichsten Staaten dieser Welt. Unser staatliches und wirtschaftliches System ist gut eingerichtet, und wir haben nicht zu Unrecht den Ruf, daß unser Rechtsstaat vorbildlich entwickelt ist. Trotzdem hat unsere Online-Umfrage im Mai d. J., an der sich über 150 Unternehmen beteiligt haben, ergeben, daß die Unternehmer mit der Qualität der Rechtsprechung nicht sehr zufrieden sind. Rechtsstaat bedeutet vor allem, daß jeder staatliche Eingriff in Bürgerrechte (gut) begründet sein muß."

Da ich annehme, daß die Thematik von allgemeinem Interesse ist, möchte ich die RF-Leser mit einigen Aspekten meiner Antwort an Herrn Theisen vertraut machen. In zusammengefaßter Form schrieb ich:

Wie ich im Internet nachlesen konnte, kommen Sie aus meiner alten Heimat. Ich bin aus dem Ruhrpott, stamme aus Dinslaken, übersiedelte aber schon mit 18 nach Leipzig, weil ich hier meine Liebe kennengelernt hatte. Natürlich bedeutete dieser Umzug eine große Umstellung, denn als damals junger Mensch aus dem Westen hatte ich keine Ahnung von den zwei Welten und zwei Währungen. Aber ich kann mich über mein Leben in Leipzig - 31 Jahre DDR - nicht beklagen. Ich wurde gut ausgebildet und hatte immer vernünftige Arbeit, zuletzt als Abteilungsleiter Bauwesen in der DDR-Metallurgie. Auf den Rat des CDU-Bezirksvorstands habe ich noch im Sommer 1989 einen Handwerksbetrieb anmelden können.

Am 18. März 1990 wurde ich in die letzte Volkskammer der DDR gewählt und dort als Vorsitzender des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen berufen. Meine Firma habe ich gemeinsam mit meiner Partnerin, die zugleich mein Abgeordnetenbüro leitete, weitergeführt. In dieser Zeit begann mein Unglück. Als Ossi war ich zu dumm, gewisse "Angebote" von Wessis richtig zu verstehen. Damals kam der Mobilfunk ins Gespräch. In diesbezügliche westdeutsche Pläne mußte auch der Osten eingebunden werden. Ja, wäre ich nicht der dumme Ossi gewesen, befände ich mich heute bestimmt unter den Millionären.

Unser Handwerksbetrieb wurde von Westberatern überrannt. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei um die vierte Garnitur und ausgemachte Betrüger. Wirkliche Berater, Menschen, die uns mit den neuen Gesetzen vertraut machen wollten und konnten, gab es leider zu wenige. Ich selbst bin wiederholt auf solche Betrüger hereingefallen. Bei einem der ersten Kontakte ging es um meinen Privatbetrieb. Mir wurde von dessen Weiterführung abgeraten, wäre es doch besser, eine GmbH zu gründen. Das habe ich getan und den Berater seinem Wunsch entsprechend als Gesellschafter aufgenommen. Seinen Geldanteil hatte er aber durch Betrug erworben, wodurch ich Jahre danach Probleme bekam. Gott sei Dank fand dann die Verhandlung vor einem Berliner Gericht statt, das den Mann verurteilte. Doch ausgerechnet dieser Betrüger wurde später als "Notgeschäftsführer" eingesetzt!

Aber es tauchten noch weitere Berater auf. Und leider bin ich erneut ihren Ratschlägen gefolgt. Sie meinten, die GmbH allein sei nicht genug, es müsse eine weitere GmbH her, in welcher die Werte der ersten untergebracht würden. Vielleicht wären solche Hinweise für ein Großunternehmen angemessen gewesen, nicht aber für unseren kleinen Betrieb. Ich hatte Angebote von Steuerberatern genutzt, die sich in Wahrheit als Versicherungsvertreter erwiesen. Zu allem Unglück waren wir auch noch an einen betrügerischen Partner aus Hamburg geraten. Auch hier entsprach ich nur einer Empfehlung meines Westberaters, mit Hamburg könne man Geschäfte per Handschlag machen, bei bayerischen Schlitzohren hingegen sei Vorsicht geboten.

Leider war es zu spät. Unbezahlte Rechnungen in Höhe von 1,8 Millionen DM sind für ein kleines Unternehmen eine furchtbare Belastung. Doch ich fühlte mich zur Bezahlung meiner Leute und Lieferanten verpflichtet. Insolvenz oder ähnliches kannte ich damals noch nicht. Ich hatte meinen Betrieb bis zum 2. Oktober 1990, 24 Uhr, nach DDR-Recht geführt. Tags darauf sollte ich bereits das gesamte BRD-Recht kennen und anwenden. Welcher Superman vermag so etwas! Ich beauftragte ein Steuerberatungsbüro. Aber trotz seiner Hilfe wurde die Umstellung nicht fehlerfrei bewältigt. Nachfragen beim Finanzamt blieben unbeantwortet, wenn dort der Westberater gerade nicht anwesend war. Wir wurden von allen Behörden fallengelassen. Jahre später, als man dort "nachgelernt" hatte, erhob man Vorwürfe und machte Forderungen geltend. Aus meiner Sicht war das ein äußerst unwürdiges Verhalten seitens des Staates BRD.

An meiner Haustür erschien damals eine weinende Frau mit einem kleinen Mädchen. Sie sagte mir, ihre Familie habe nichts mehr zu essen, weil ich ihrem Mann noch immer nicht den Lohn ausgezahlt hätte. Die Szene war keineswegs "gespielt". Die Leute befanden sich tatsächlich in Not. So sah ich es als meine Pflicht an, ihnen schnellstens zu helfen. Dabei habe ich alle Gelder, auch solche, die mir von russischen Freunden anvertraut worden waren, abgehoben, um die Mitarbeiter und Lieferanten bezahlen zu können. Dadurch entstand eine erhebliche Unübersichtlichkeit, die nie wieder geordnet werden konnte. Aber gegenüber den Leuten habe ich meine Pflicht erfüllt. In einer vergleichbaren Situation würde ich wieder so handeln.

Zur Erklärung noch folgendes: Zu DDR-Zeiten habe ich mit sowjetischen Militärs zu tun gehabt. Es war üblich, wenn wir unsere betrieblichen Pläne nicht erfüllen konnten, die Freunde um Hilfe zu bitten. Die von ihnen eingesetzten Kräfte wurden aus Mitteln der Kultur- und Sozialfonds unserer volkseigenen Unternehmen versorgt. Es entstanden auch persönliche Freundschaften.

In den Jahren 1992/93, als sich der Abzug der Armee bereits abzeichnete, wußten weder Offiziere noch Soldaten, ob ihre Rückführung nach Hause oder in einen anderen Standort erfolgen würde. In dieser Zeit verkauften viele Offiziere vor allem Gegenstände aus ihrem persönlichen Besitz, um zu Geld zu kommen. Einige baten mich, bestimmte Beträge in eine Art Treuhandverwahrung zu nehmen. Ich habe das Geld für meine persönlichen Freunde angelegt, eingesetzt und auch selbst als Darlehen benutzt. In den Folgejahren habe ich diese Beträge meinen russischen Freunden zurückgegeben. Sie halfen mir, in Rußland zwei Unternehmen aufzuziehen. Nachdem ich 2004 meine Firma in der BRD geschlossen hatte, führte ich sie in Orenburg und Perm weiter.

In dieser Zeit erfolgte auch die Trennung von meiner Partnerin. Das in unserer zehn- bis zwölfjährigen Zusammenarbeit erwirtschaftete Geld wurde einvernehmlich zwischen uns geteilt. Sie nahm meinen Vorschlag an, auf Rügen ein altes Bauernhaus zu erwerben und mit einem hohen Bankkredit als Feriendomizil auszubauen. Jahre später behaupteten Vertreter des Staates, das Geld sei in Wahrheit eine Schenkung gewesen. Man bürdete mir fast 400.000 Euro Schenkungssteuer auf. Das Haus mußte versteigert werden. Bis heute habe ich im Rechtsstaat BRD kein Recht bekommen.

So viel zu meinem Leben "nach der DDR".

Erhard Masuch, Leipzig

Das Manuskript wurde redaktionell bearbeitet und leicht gekürzt.

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Das "Alleinstellungsmerkmal" des RF

Wie ein einstiger Diepgen-Wahlkämpfer unsere Zeitschrift sieht

1. Brief: Im RF 175 hat Sylvia Feldbinder den Artikel "Sollte der 'RotFuchs' bei Facebook sein Gesicht zeigen?" veröffentlicht. Ich kann die Auffassung der Autorin nicht teilen. Natürlich hat sie recht, daß Facebook ein kapitalistisches Unternehmen ist, das Geld machen will.

Nichtsdestotrotz geht die Begründung des Standpunkts der Verfasserin, sich da ganz und gar herauszuhalten, an der Problematik vorbei. Jeder ist bei Facebook selbst dafür verantwortlich, wie er mit dem Medium umgeht.

Und wer eben 1000 Freunde hat, weil er in seiner Freizeit vor allem Facebook zum Spielen nutzt, kann das auch tun. Dabei handelt es sich meist um Menschen, die eine intellektuell höherstehende Gemeinschaft wahrscheinlich sowieso kaum erreichen dürfte.

Entscheidend aber ist etwas anderes: Es kann nicht darum gehen, aus Solidarität mit jenen, welche durch das Medium mißbraucht werden, diesem fernzubleiben. Es gilt vielmehr, gerade auch jenen Menschen Denkalternativen anzubieten, die auf der Suche nach solchen sind.

Noch wichtiger ist aber das, was auch viele RF-Leser fordern: Gleichgesinnte zusammenzuführen und ihnen eine Plattform für den Gedankenaustausch zu bieten. Es gibt bereits eine funktionierende Vernetzung linker Gruppen, weshalb auch der "RotFuchs" dort präsent sein sollte. Ihr würdet staunen, wie viele Linksorientierte bei Facebook unterwegs sind.

Wie ich feststelle, ist es Lesern Eurer Zeitschrift ein Anliegen, junge, aktive linke Menschen für den "RotFuchs" zu interessieren, weil die "alten Recken" eben unvermeidlicherweise immer älter werden.

Die entscheidende Frage ist: Will der RF eine Publikation und Gemeinschaft allein für "Eingeweihte" sein, die vor allem über Empfehlungen und Mundpropaganda wächst, oder will man den großen Schritt in eine breite Öffentlichkeit wagen und dadurch weiter an Einfluß gewinnen?

Dafür kann man dieses Medium ohne Zweifel nutzen, indem man Freundschaft mit gleichgesinnten Gruppen herstellt. Solche gibt es in großer Zahl, von denen die meisten den "RotFuchs" aber gar nicht kennen.

Ich würde deshalb einen Facebook-Auftritt Eures Blattes absolut begrüßen und wäre gewiß einer eurer ersten Freundesanfrager! Man muß Facebook nicht mögen, aber man kann seine Möglichkeiten durchaus nutzen. Und natürlich wird man dabei auch Widerspruch ernten und sicher einige böse Kommentare in Kauf nehmen müssen.

Aber ich frage Euch: Hat irgendein RotFuchs davor Angst? Die Frage erübrigt sich wohl. Also: Mitmachen und nicht kneifen!

2. Brief: Ein sehr guter Freund von mir, der jetzt in Mahlsdorf wohnt, lädt Silvester immer ein, und dort habe ich mit anderen Gästen aus dem Berliner Osten schon sehr viele spannende Gespräche geführt. Das war wirklich klasse. Ich habe dann erzählt, daß ich bei der Linken in Charlottenburg Mitglied bin.

"Waaas, Du bist inna Partei?", zeigte jemand Erstaunen. Er meinte natürlich DIE Partei - das fand er richtig cool.

Übrigens habe ich einige Freunde, die sich durch meine Informationen mittlerweile "in die richtige Richtung" bewegen. So berichtete mir ein anderer sehr guter Freund aus Hamburg, der zuvor für die CDU gestimmt hatte, er habe bei den letzten Wahlen "Die Linke" angekreuzt. Ein Freund von ihm aus der Immobilienbranche meinte, er mache das jetzt auch. Sogar mein Vater (schwärzer ging's früher gar nicht) hätte mit seiner Erststimme fast "Die Linke" gewählt. Knapp daneben, aber das wird schon noch!

PS: Ulrich Guhl mein Kompliment: Er schreibt Super-Artikel, ich bin sein Fan!

3. Brief: Leider habe ich ganz vergessen, mich Euch vorzustellen: Ich komme aus dem schönen Berlin-Wilmersdorf und bin sozusagen ein alter "Hardcore-Wessi". Ich war sogar seinerzeit Wahlkämpfer bei Diepgen und in der Zehlendorfer CDU.

So können sich die Zeiten ändern, wenn man aufwacht ...

An einen "RotFuchs" bin ich wirklich rein zufällig einmal gekommen und habe ihn dann bestellt. Wahrscheinlich wäre ich sonst nie zur Leserschaft gestoßen. Als gebürtiger Hannoveraner, Baujahr 1971, danach in Berlin-West aufgewachsen, habe ich in all den Jahren natürlich nur die westlichen Medien zum Thema DDR wahrgenommen.

Bei uns waren die Amis stationiert, die meisten Leute in der Gegend galten als sehr wohlhabend. So betrachteten sie "die im Osten" immer als die Bösen, die uns im Handstreich mit ihren Millionen Soldaten hätten überrollen können ...

Auch wir haben allerdings bisweilen DDR-Fernsehen geschaut, doch die Nachrichten waren in ihrer Form und mit den endlosen Titeln und Funktionen, die zu jeder Person monoton heruntergebetet wurden, für einen Wessi wirklich schwer zu ertragen ...

Mittlerweile sehr kritisch eingestellt, habe ich nach jahrelangen intensiven Netz-Recherchen im "RotFuchs" zum ersten Mal die gegenteilige Sicht zur DDR kennengelernt. Und auch wenn man mit der Zeitschrift nicht immer einer Meinung sein muß, hat mich deren Lektüre wirklich sehr weitergebracht und mir Verständnis für jene Menschen vermittelt, für die man ja heutzutage offiziell eigentlich gar kein Verständnis haben darf ... Viele Beiträge im Internet sind durchaus kritisch, aber die muß man natürlich suchen. Kein Medium beschäftigt sich so intensiv mit der DDR wie der "RotFuchs".

Der Marketing-Kapitalist würde in diesem Falle von einem Alleinstellungsmerkmal sprechen, und das ist was wert! Meiner Meinung nach ist es auch sehr wichtig, denn man muß ein Gegenkonzept zum Kapitalismus in seiner heutigen Verfaßtheit finden. Zugleich sollte man gründlich analysieren, wo auf sozialistischer Seite Fehler begangen wurden.

Eines möchte ich noch loswerden: Nicht nur die DDR-Bürger wurden seit 1990 betrogen, auch wir Westdeutschen. Denn unsere soziale Marktwirtschaft war ja nur das Gegengewicht zum real existierenden Sozialismus und wurde nach dessen Abgang gleich häppchenweise mit erledigt. Dem so vereinten Deutschland wurde der Kapitalismus à la USA übergestülpt, was man den "Wessis" vorher auch nicht erzählt hatte.

Ein Freund von mir kommt hin und wieder zu Besuch. Er ist zwar offener, aber sonst noch der typische CDU-Wähler.

Als allererstes fragt er mich immer, ob es denn einen neuen "RotFuchs" gäbe!!! Ihn interessiert, was drinsteht, und auch wenn er anderer Meinung ist, respektiert er die Argumentation und findet die Zeitschrift aus intellektueller Sicht gut!

Ich schreibe das, auch um Mut zu machen. Selbst hier in der Herzkammer des alten Berlin-West tut sich bisweilen schon was.

Andreas Steike, Berlin

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Ist Geschichtsklittern jetzt ein Hobby der Rosa-Luxemburg-Stiftung?

Zerrbild über Vertragsarbeiter der DDR

Zu den besten Seiten in der Chronik der DDR gehört zweifellos die Tatsache, daß sie sich vom ersten Tag ihrer Existenz an nicht nur an die Seite aller volksdemokratisch-sozialistischen Bruderländer gestellt, sondern auch für alle anderen antiimperialistischen Kräfte in der Welt engagiert hat. Besonders den um nationale und soziale Befreiung kämpfenden Völkern der Dritten Welt erwies sie in großem Umfang ideelle und materielle Hilfe. Ein Gradmesser dieser Solidarität war die systematische Ausbildung akademisch gebildeter Kader und dringend benötigter Fachkräfte vieler Disziplinen. Millionen Mitglieder des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) unterstützten das Anliegen durch ihre monatlichen Soli-Spenden.

Angesichts solcher Tatsachen ist es recht zynisch, die Redlichkeit der DDR ausgerechnet auf diesem Gebiet durch eine von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Verein Helle Panke in Berlin-Köpenick gezeigte Ausstellung unter dem Motto "Bruderland ist abgebrannt" anzuzweifeln und in Mißkredit zu bringen. Ihr Thema: "Vertragsarbeiter in der DDR".

Die zwischen 1963 und 1989 bei uns beschäftigten ausländischen Bürger hatten den Status von Vertragsarbeitern und wurden wegen ihrer wertvollen Hilfe sehr geschätzt. Allein im Kreisgebiet Bautzen, mit dem ich gut vertraut bin, waren Vietnamesen, Algerier, Kubaner, Polen und Moçambiquaner tätig. In den meisten Fällen ging es um die Qualifizierung zu Fachleuten verschiedener Berufe. Andererseits kamen nicht wenige Ausländer der DDR dadurch zu Hilfe, daß sie deren Arbeitskräftedefizit verringerten.

Mit Gewißheit haben diese zeitweiligen "Gäste" den sozialistischen deutschen Staat völlig anders erlebt, als es die erwähnte Ausstellung weismachen will. Sie unterstellt nämlich den Behörden der DDR, zugelassen zu haben, daß die Vertragsarbeiter in den Betrieben ausgebeutet, diffamiert, neonazistisch oder rassistisch angegriffen und als "Billig"-Arbeiter unwürdig behandelt worden seien.

Ich war von 1977 bis 1984 Stellvertreter des Bürgermeisters für Inneres und zugleich Mitglied der Arbeitsgruppe für die Betreuung ausländischer Bürger in der damaligen Kreisstadt Bautzen. Allmonatlich beschäftigten wir uns in speziellen Arbeitsberatungen mit den Anliegen und Fragen der Vertragsarbeiter und Auszubildenden. Wo immer möglich, waren wir bemüht, ihnen schnell und unbürokratisch zu helfen. Mit den Dolmetschern, den Betriebs-, Partei- und Gewerkschaftsleitungen analysierten wir regelmäßig den Stand der Ausbildung, Qualifizierung, Unterbringung und Freizeitgestaltung der bei uns weilenden Ausländer. Wir besuchten sie auch wiederholt an ihren Arbeitsplätzen, so im VEB Fortschritt Neustadt, der vor allem Mähdrescher produzierte, in den Webereien des VEB Textil Kirschau und im VEB Waggonbau Bautzen. Dort führten wir mit ihnen zahlreiche Gespräche, welche die verschiedensten Aspekte ihres Lebens in der DDR betrafen.

Nicht selten war es notwendig, schnell operative Hilfe zu organisieren. Ich erinnere mich z. B. noch sehr genau an die Ankunft einer Gruppe von Vertragsarbeitern aus Moçambique in Berlin-Schönefeld. Sie wurden im November 1980 von unserem herben Klima überrascht und zitterten in ihrer dünnen Bekleidung vor Kälte. Wir schafften es, die an andere Witterungsbedingungen gewöhnten jungen Leute sofort winterlich einzukleiden. Etwa ein Viertel von ihnen war von Tropenkrankheiten betroffen, so daß ihre Gesundheit erst wiederhergestellt werden mußte, wodurch sie längere Zeit in der Produktion ausfielen. Viele von ihnen könnten erzählen, wie sie nach ihrer Gesundung an den Arbeitsplätzen freundlich aufgenommen wurden. Nicht wenige verließen die DDR mit einem damals sehr begehrten und aus Ersparnissen finanzierten Simson-Moped.

Natürlich gab es auch - wie unter Kollegen aus dem eigenen Land - bisweilen eher unerfreuliche Vorkommnisse und sogar Konflikte. In Betracht zu ziehen ist die Tatsache, daß ein ständiger Aufenthalt der Vertragsarbeiter von keiner Seite vorgesehen war, so daß diese Bürger die DDR nach Ablauf der vereinbarten Zeit wieder verlassen sollten, um ihren Heimatländern bei deren Aufbau zur Verfügung zu stehen. Nicht selten gab es den verständlichen Wunsch nach Eheschließungen zwischen deutschen Frauen und ihren ausländischen Partnern. Dem mußte Rechnung getragen werden, wobei es galt, die Bestimmungen und Gesetze der jeweiligen Herkunftsländer strikt einzuhalten. Das hatte des öfteren langwierige Prozeduren zur Folge.

Die Wohn- und Lebensbedingungen in den Arbeiterunterkünften wurden von den jeweiligen diplomatischen Vertretungen selbst festgelegt. Die Teilnahme von Vertragsarbeitern und zur Qualifizierung in die DDR Entsandten an Betriebssportfesten, Kultur- und Freizeitveranstaltungen galt als Selbstverständlichkeit. Übrigens wurden nicht wenige von ihnen als "Aktivisten der sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet und prämiiert. Besonders die kubanische Botschaft legte großen Wert darauf, das von ihren Landsleuten Geleistete gebührend einzuschätzen.

Erst mit der Konterrevolution 1989/90 änderte sich die Lage dramatisch. Jetzt richtete sich eine gezielte und geschürte Hetze chauvinistischer Kreise gegen ausländische Vertragsarbeiter, was zu Verunglimpfungen, Gewalttätigkeiten und rassistisch-faschistoiden Ausbrüchen führte. Sie gipfelten in den Exzessen von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, die gleichartigen Untaten in der BRD entsprachen.

Prüft man die Frage, was Verantwortliche der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einer solchen Ausstellung bewogen haben mag, gelangt man zu dem Ergebnis, daß es einigen Leuten offensichtlich darum ging, die DDR in Verruf zu bringen. Allein die Tatsache, daß der berüchtigten "Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" seitens der Initiatoren offiziell gedankt wurde, spricht Bände.

Als fortan 80jähriger und mit Rentenkürzung bestrafter früherer DDR-Bürger schäme ich mich für die Veranstalter.

Oberstleutnant a. D. Hans-Joachim Hartlieb, Dresden

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Das "weichgespülte Röschen"

Mißbrauch einer Kommunistin durch Bernsteinianer unserer Tage

Alljährlich gedenken wir der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs am 15. Januar 1919. Die Gründer der KPD wurden an jenem Tag von weißgardistischer Soldateska grausam ermordet. Damals legten es die Noskes und ihresgleichen darauf an, die klassenbewußtesten Kräfte des Proletariats und deren Führer kurz vor den Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung am 19.1. physisch zu vernichten.

Damit wollte man einer kapitalistischen Republik mit dem SPD-Rechtsaußen Friedrich Ebert, der vom Reichkanzler zum Reichspräsidenten aufsteigen sollte, freie Bahn verschaffen. Dieser Staat trug mit seinem Verfassungsartikel 48 über die Ausnahmegewalt des Reichspräsidenten, der Notverordnungen erlassen konnte, bereits den Keim ihres späteren Untergangs in sich. Die SPD hat diesen Ausverkauf der bürgerlichen Demokratie durch Unterstützung der Wahl Hindenburgs konsequent befördert.

Mit der zweifellos verfrühten Ausrufung einer sozialistischen Republik hatte Karl Liebknecht am 9. November 1918 - dem Tag der Haftentlassung Rosa Luxemburgs - eine völlig andere Staatsform im Auge gehabt. Doch Weimar wurde zum Tummelplatz übermächtiger Kapitalinteressen, des Militarismus, Nationalismus und der bewaffneten Unterdrückung von Streiks und Volkserhebungen. Diese reaktionäre Szenerie wurde in Bremen, München, Hamburg, Sachsen und Berlin mit Hilfe der SPD geschaffen und endete am 30. Januar 1933 in der faschistischen Diktatur. So betrachtet nimmt es nicht wunder, wenn heutige Vertreter Bernsteinscher Konvergenztheorien, die einmal mehr den "friedlichen Übergangs zum Sozialismus" durch Transformation des Kapitalismus propagieren, ausgerechnet Rosa Luxemburg zur "weichgespülten rosaroten Ikone" ihrer reformistischen Schaumschlägerei auserkoren haben. Schon Marx und Engels hatten diese als Kern des Rechtsopportunismus zu bezeichnende Position 1879 hart kritisiert.

Gegen Ende des 19. Jahrhundertes faßte der frühere Marxist Eduard Bernstein in seiner Schrift "Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie" das Ganze programmatisch zusammen. Als die drei wichtigsten Triebkräfte eines vermeintlichen Wandels vom Kapitalismus zum "Sozialismus" bezeichnete er das Finanzkapital mit dem Kreditwesen und neuen Geschäftsmodellen, die ständige technologisch-infrastrukturelle Innovation mit der Globalisierung des Weltmarktes und die Monopolisierung durch Kapitalgesellschaften.

Die SPD machte sich dieses zutiefst antisozialistische Konzept auf ihren Parteitagen in Weimar (1919), Heidelberg (1925) und Kiel (1927) unter den Losungen "Dritter Weg", "Wirtschaftsdemokratie" und "demokratisch kontrollierter staatsmonopolistischer Kapitalismus" zu eigen.

Rosa Luxemburg widerlegte die Scheinargumente der Bernsteinianer. Zwischen 1887 und 1899 erschienen von ihr etliche Zeitungsartikel, in denen sie die durch Bernstein als "Triebkräfte der Anpassung" gelobten Entwicklungstendenzen der Weltwirtschaft scharf attackierte. "Sozialreform oder Revolution?" lautete ihre Fragestellung. Sie betrachtete die vorgenommenen Veränderungen in der Weltwirtschaft als reine Notmaßnahmen der Bourgeoisie. Nach dem Entstehen des Weltmarktes werde es zu noch bedrohlicheren Krisen als in den Kindertagen des Kapitalismus kommen, stellte sie fest.

Besonders ist auf Rosa Luxemburgs "Politische Schriften" zu verweisen, in denen sie sich mit Reformismus, Demokratieverständnis und Parlamentarismus auseinandersetzte. Sie erschienen u. a. 1970 als Bd. 452 der Leipziger Reclam-Universalbibliothek.

Demgegenüber hat der GNN Verlag, Schkeuditz, unlängst unter dem Titel "Gedanken zur zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklung" eine Reihe von Beiträgen ehemaliger Professoren und Dozenten der Parteihochschule Karl Marx beim ZK der SED herausgegeben, in denen die geschilderte "Transformationstheorie" favorisiert und in die linke Öffentlichkeit unserer Tage implantiert wird.

Heute bedienen sich Anhänger alter reformistischer Konzeptionen einer neuen Methode: Sie machen nach Rosa Luxemburgs Tod einfach einen historischen Schnitt: Alle weiteren Kämpfe und Entwicklungen der internationalen Arbeiterbewegung waren "falsch", "defizitär" und "undemokratisch". Dabei wird die klassenkämpferische Kommunistin, besonders auch in Prospekten der mißbräuchlicherweise nach ihr benannten Stiftung, in Gegensatz zu ihrer eigenen revolutionären Praxis gebracht: So greift z. B. Ronald Friedmann in seinem Buch "Die Zentrale" in bezug auf die 60 ins Straßenpflaster eingelassenen Schriftbalken mit Luxemburg-Zitaten vor dem Karl-Liebknecht-Haus zu der Formel: "Fehleinschätzungen und Ansichten, die dem heutigen Verständnis von Demokratie nicht mehr entsprechen, werden ebenso berücksichtigt wie Einstellungen, die nichts an ihrer Relevanz für die Gegenwart verloren haben."

Vom November 1917 bis zum 15. Januar 1919 verfolgte Rosa Luxemburg den Verlauf der Ereignisse nach der siegreichen Oktoberrevolution mit großer Sympathie. Sie stand von Beginn an kompromißlos auf seiten Lenins und der Bolschewiki, wobei sie für einen Sowjetstaat mit grundlegend anderer Demokratie eintrat, als sie der bürgerliche Parlamentarismus unter Kerenski an den Tag gelegt hatte. Heute stellt man sie groteskerweise als Verfechterin eines Wandels auf parlamentarischem Wege dar. Dabei hegte die Mitbegründerin der KPD keinerlei illusionäre Wunschvorstellungen, wie sie mit dem europäischen Parlamentarismus verbunden waren. Sie ging davon aus, "... daß die Schicksale der sozialistischen Bewegung nicht an die bürgerliche Demokratie, sondern umgekehrt die Schicksale der demokratischen Entwicklung an die sozialistische Bewegung gebunden sind". Anders ausgedrückt: keine Demokratie ohne Sozialismus - kein Sozialismus ohne Demokratie.

Damit werden die Bestrebungen der Rosa-Luxemburg-Stiftung und anderer, die große Revolutionärin durch ständige Verbreitung fehlinterpretierter oder aus dem Zusammenhang herausgerissener Zitate "auf Linie zu bringen", ebenso ad absurdum geführt, wie einst die reformistischen Seifenblasen ihrer Vorgänger geplatzt sind.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

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"junge Welt" in Gefahr!

Das Erscheinen der "jungen Welt" - der einzigen sozialistischen Tageszeitung in Deutschland - ist aufgrund finanzieller Schwierigeiten und, wie die Redaktion wissen ließ, "juristischer Angriffe" akut gefährdet.

Der "RotFuchs" steht solidarisch an der Seite der "jungen Welt" und appelliert an alle Leser, die dazu in der Lage sind, dieses couragierte klassenkämpferische linke Blatt unverzüglich zu abonnieren.

Wer sich eine Tageszeitung leisten kann, sollte unbedingt bei der jW einsteigen, deren Genossenschaft ebenfalls dringend der Verstärkung bedarf.

Redaktion und Förderverein des RF

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Wer dreht am Stromzähler?

Infames Komplott der Energieriesen und des sie mästenden Staates

Jedes Jahr tritt ein unabwendbares "Phänomen" ein, dem frühere DDR-Bürger während der gut 40jährigen Existenz ihres "Unrechtsstaates" nie begegnet sind. Es erscheint wie ein Naturereignis und heißt "Strompreiserhöhung". Deshalb lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen. Im März/April erhöhten 183 Stromanbieter der BRD die Preise zwischen 3,4% und 10%. Der Anstieg betraf vornehmlich Endverbraucher und Gewerbetreibende, deren Energiekonsum unter 100.000 KW/h liegt. Obwohl sich im bundesdeutschen Energiesektor rund 1000 (!) Anbieter tummeln, nehmen nur vier Großkonzerne eine marktbeherrschende Stellung ein. In ihren Händen konzentrieren sich ca. 80% der gesamten Stromversorgung des Landes. Es handelt sich um E.ON (Umsatz 2010: 92,8 Mrd. €), RWE (53,3 Mrd. €), EnBW (17,6 Mrd. €) und Vattenfall Europe (circa 13 Mrd. €). Die gigantischen Gewinne betrugen bei E.ON rd. 5,8 Mrd. €, bei RWE etwa 7,7 Mrd. €, bei EnBW rd. 1,2 Mrd. € und bei Vattenfall "nur" 899 Mio. €. Obwohl dieser schwedische Energieriese im Vergleich zum Vorjahr einen Gewinnrückgang beklagte, ist die Grundtendenz auf dem Strommarkt eindeutig: Die Konzerne erzielen immer höhere Profite zu Lasten der Verbraucher.

Die Forderungen für Elektroenergie bestehen jedoch nicht nur aus den Stromerzeugerpreisen, sondern beruhen überdies auch auf weiteren Abgaben, Steuern und Umlagen, die ebenfalls preistreibend wirken.

Dazu gehört beispielsweise eine Konzessionsabgabe für die Einräumung von Wegerechten. Um was handelt es sich dabei? Ein "Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung" (KWKG) aus dem Jahre 2002 bezweckt die Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungstechnologien. Eigner solcher Anlagen erhalten einen Vergütungszuschlag pro KW/h, welchen die "Netzbetreiber" dann auf den Strompreis für die Endkunden umlegen.

Auf der Grundlage des "Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien" (EEG), das 2012 in Kraft trat, wird eine weitere Abgabe vom Endverbraucher erhoben, die man auch als EEG-Umlage bezeichnet. Sie soll bundesweit Zusatzzahlungen an Erzeuger von erneuerbarer Energie sichern. Das Gesetz sorgt bezeichnenderweise dafür, daß "stromintensive Unternehmen und Schienenbahnen" von dieser Abgabe befreit sind. Die dadurch ausbleibenden Umlagen-Anteile werden - wie sollte es anders sein - einfach den normalen Endverbrauchern aufgebürdet. Dieses Verfahren stellt eine direkte Subventionierung energieintensiver Großunternehmen dar, um deren Profite auf Kosten der Allgemeinheit zu sichern und damit international Vorteile im als Wettbewerb bezeichneten knallharten Konkurrenzkampf zu erlangen. Die Stromsteuer (Öko-Steuer) ist eine allgemeine Verbraucherabgabe, die im April 1999 von der Koalitionsregierung aus SPD und Grünen unter Kanzler Schröder ausgeheckt wurde. Das Gesetz sollte angeblich eine Umsteuerung zu ökologischer Energieerzeugung und -nutzung vorantreiben.

Tatsächlich ging es jedoch um etwas ganz anderes. Der Staat brauchte dringend zusätzliche Haushaltsmittel, weil Kohls CDU-Regierung ab 1997 die Vermögenssteuer als Geschenk an die Reichen abgeschafft hatte. Aus dieser waren 1996 noch etwa 9 Mrd. DM in das Budget geflossen. Schröder und Fischer hatten jedoch keineswegs den politischen Willen, die Besteuerung der Superreichen wieder einzuführen. Heute spült die Stromsteuer jährlich etwa 6 bis 7 Mrd. € in die Staatskassen. Das entsprechende Gesetz bevorzugt die "großen" Stromverbraucher, die sich gänzlich von der Abgabe befreien können.

Im August 2011 verabschiedete Merkels CDU/CSU-FDP-Regierung eine neue Stromnetzentgeltverordnung, die wiederum die kleinen Verbraucher schröpft. Großunternehmen, die extrem viel Strom verbrauchen, werden aus "Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit" gänzlich von Netzentgelten befreit. Die fehlenden Einnahmen halst man auch hier den übrigen Verbrauchern auf. Bis zum 2. Dezember 2011 hatten bereits 159 energieintensive Großbetriebe ihre Befreiung von jeglichen Netzgebühren beantragt. Mehrwertsteuer und Stromsteuer machen 24,7%, also fast ein Viertel der Stromgebühren aus, die einem Haushalt bei 3500 KW/h Jahresverbrauch abgefordert werden. Weitere 15,9% sind sogenannte Konzessionsabgaben, Umlagen nach dem EEG und dem KWKG.

Addiert man all diese Positionen, so gehen ca. 40,6% des Strompreises an den kapitalistischen Staat und die großen Konzerne, ohne daß ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Energieerzeugung besteht. Die Kosten für Strombeschaffung und Vertrieb belaufen sich auf 34,6%. Das Netznutzungsentgelt beträgt 21,4%. Auf Messungen, Meßstellenbetrieb und Abrechnung entfallen noch einmal 3,4%.

Die Energiekonzerne machen für die Preissteigerungen des Jahres 2012 zunehmende Beschaffungskosten, höhere Netzentgelte, die neue Sonderkundenumlage zur Entlastung der stromintensiven Industrie sowie den Anstieg der EEG-Umlage verantwortlich. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit.

Fazit: Die Regelungen und Gesetze zu den Energiepreisen sichern das Überleben der Stromdinosaurier im Prozeß der Umstellung auf "nachhaltige" Energiequellen bei gleichzeitiger Profiterwirtschaftung. Trotz angeblicher Liberalisierung des Energiesektors - Trennung von Stromerzeugung und Netzbetreibung sowie Einführung einer Strombörse - konnten die erwähnten "großen Vier" ihre uneingeschränkte marktbeherrschende Stellung behaupten. Über ein raffiniert ausgeklügeltes System von Abgaben und Steuern finanzieren demnach kleinere Abnehmer und Unternehmen wie Haushalte und Handwerksbetriebe die sogenannte Energiewende und den (schleppenden) Netzausbau, während energieintensive Großunternehmen davon im Riesenumfang verschont bleiben.

Wir haben es mit einer Umverteilung zu tun, deren Ziel darin besteht, die Profite der Stromkonzerne und großen Industrieunternehmen auch in Krisenzeiten auf Kosten der Allgemeinheit zu garantieren. Da die Nutzung von Elektroenergie zur Daseinsvorsorge gehört, muß ihre Erzeugung ohne jegliche Einschränkung in einen öffentlichen Sektor umgewandelt und der Profitmaximierung entzogen werden.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

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Danke, Genosse Fritz!

Warum die Kleist-Stadt Frankfurt (Oder) um ihren langjährigen Oberbürgermeister trauert

Wenn die Lebensuhr abgelaufen ist, muß die Erinnerung den Menschen ersetzen, den wir im Gedächtnis behalten wollen. Er hat mal mehr, mal weniger, je nachdem, wie er unser eigenes Dasein berührte, Spuren in uns hinterlassen. Über einen, der das Gesicht einer ganzen Stadt bis heute geprägt hat, möchte ich mit dem Gefühl der Verehrung berichten.

Fritz Krause kannten in Frankfurt (Oder) alle, leitete er doch fast 25 Jahre als Oberbürgermeister die Geschicke der mit dem Namen des Dichters Heinrich von Kleist verbundenen Stadt am Grenzfluß zu Polen.

Am 13. April 1925 als Sohn eines Sozialdemokraten in einer kinderreichen Familie geboren, verlor er durch eine Diphterie-Epidemie sechs Schwestern. Er überlebte den Krieg und packte dann tatkräftig beim Wiederaufbau seiner Gemeinde Güldendorf an. Nach dem Studium in Moskau waltete der engagierte Genosse ab 1965 als Bürgermeister des Bezirkszentrums Frankfurt (Oder) seines Amtes. Die Stadt war 1945 zu 70 % zerstört. Unter Fritz Krauses Leitung wurde begonnen, ihr ein neues Gesicht zu geben. Das war eine Herausforderung für alle.

"Fritz, hör mal ...", hieß es damals. Und Fritz hörte zu, was seine Mitmenschen auf dem Herzen hatten, aber auch, was seine Truppe im Rat der Stadt meinte, wenn es um das Wohnungsbauprogramm, die Betreuung kinderreicher Familien, die Errichtung des Halbleiterwerkes, das Kleist-Theater, den nahegelegenen Helenesee oder den Denkmalsschutz ging.

Sicher hatte er es nicht leicht, mußte Fritz Krause doch manches gegen die "große Linie" an Ort und Stelle anders entscheiden. Aber gerade diese Kühnheit war es, die ihm - im Wortsinne - als Meister aller Bürger der Stadt hohes Ansehen einbrachte. Dieses erwarb er auch bei der Gemeinde des kirchlichen Luther-Stiftes, weil für ihn Christen ebenso wie alle anderen Frankfurter einen gleichberechtigten Platz im Sozialismus einnahmen. Er verwies gerne darauf, als SED-Genosse bei der Bewahrung von vier Kirchen mitgewirkt zu haben. Der altehrwürdigen Marienkirche verschrieb er sich, nachdem ihn die Denkmalsschützer von deren Bedeutung für die Stadt überzeugt hatten, ganz besonders. So manche DDR-Mark wurde lockergemacht, um ihr wieder Leben einzuhauchen. Was war das für ein Tag, als das Kupferdach auf den Turm gesetzt wurde! Damals rares Kupfer für ein Gotteshaus!

Mit der Kirche wurde auch die sinnvolle Umnutzung des schon 1270 erbauten Franziskanerklosters vertraglich vereinbart. 1970 konnte der Bau als "Konzerthalle Carl Philipp Emanuel Bach" - der Namensgeber hatte übrigens in der Stadt studiert - den Frankfurtern übergeben werden.

Die Tatsache, daß Fritz selbst solcher Herkunft war, dürfte ein Grund dafür gewesen sein, daß ihm die kinderreichen Familien besonders am Herzen lagen. So war Frankfurt (Oder) die erste Stadt in der DDR, die einen eigenen Fürsorgebereich für sie einrichtete. Die enge Zusammenarbeit von Eltern, Schule und Arbeitsstätten wurde tatkräftig unterstützt. Die Errichtung des Halbleiterwerkes war eine Meisterleistung, bedurfte es doch in diesem Zusammenhang der Schaffung einer großen Zahl von Wohnungen und entsprechenden Nachfolgeeinrichtungen wie Krippen, Kindergärten, Schulen und Gaststätten. 1990 waren in Frankfurt (Oder) doppelt so viele Bürger wie 1945 ansässig - ein Beweis dafür, daß man dort zu DDR-Zeiten gut gelebt hat.

Die Freundschaft zur benachbarten Volksrepublik Polen lag Fritz Krause ebenso am Herzen wie ein gutes Verhältnis zu den in der Stadt stationierten sowjetischen Soldaten. Ein Denkmal besonderer Art wollte sich der Bürgermeister selbst setzen: einen Brunnen. Restmarmorplatten vom Palast der Republik sollten ihn im Innern schmücken. Damit hatte auch ich in meiner zeitweiligen Tätigkeit beim Rat der Stadt zu tun. Welch ein Rauschen und Getümmel war es des Sommers, wenn die Fontänen losbrausten. Inzwischen ist er längst zugeschüttet und überbaut worden - wie vieles andere. Ein Ergebnis der Annexion der DDR durch die BRD.

Doch zuvor gab es buchstäblich keinen Bereich der Stadt, den Fritz unberührt gelassen hätte - nicht weil er die Macht dazu besaß, sondern weil er sich immer unter den Schaffenden der Stadt befand. Die notorischen Brunnenvergifter in Sachen DDR erbleichen vor Wut, wenn man sie mit dem damals Geleisteten konfrontiert.

Das Jahr 1990 bedeutete für Fritz Krause wie für die meisten von uns einen Lebensbruch, war doch sein 25. Dienstjahr auch sein letztes. Dann wollten andere das Sagen haben. Doch zu mehr hat es bei denen nicht gereicht. Auch jetzt brachte Fritz Krause sich weiter ein und vermittelte den Frankfurtern wenigstens einen Rest von Zusammengehörigkeitsgefühl. Nach wie vor fragte man ihn, wie es denn weitergehen solle, hatte er doch immer eine Lösung gewußt.

Nun befindet sich der von vielen verehrte und geschätzte Stadtvater nicht mehr unter den Lebenden. Die Trauerfeier fand in seiner Konzerthalle statt. Hunderte ehemalige Weggefährten aller Professionen, aber auch heutige "Würdenträger" verneigten sich vor dem mit der Stadtfahne geschmückten Sarg und vernahmen bewegt die ergreifende, doch zugleich sogar heitere Rede des christlichen Mitbürgers Christian Gehlsen. Dieser ist den Frankfurtern als aufopferungsvoller Sozialdezernent in bester Erinnerung geblieben. Auch er mußte 1990 wie alle erst lernen, was es heißt, plötzlich in den tiefsten Kapitalismus zurückgeworfen zu sein. Herr Gehlsen dankte dem Genossen Krause dafür, daß er mit ihm leben und tätig sein durfte. Ergriffen lauschte die Trauergemeinde einer Orgelversion der russischen Volksweise "Kalinka". Drei seiner Enkel und drei Frankfurter Bürger trugen den Sarg aus der Konzerthalle. Auf dem Vorplatz verneigten sich die Anwesenden noch einmal in einer Geste über den Tod hinausweisender Verbundenheit. Sie ehrten damit einen Mann, der wie kein anderer Bürgermeister Frankfurts Maßstäbe gesetzt hat.

Danke, Genosse Fritz, danke für alles!

Cornelia Noack

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Nichts Neues aus dem Hause de Maizière

BRD betreibt "vorausschauende Sicherheitsvorsorge"

Ich hätte mir als 75jähriger einstiger NVA-Stabsoffizier nicht unbedingt träumen lassen, jemals Auge in Auge mit einem Militär der Bundeswehr zu diskutieren. Als ich die NVA verließ, war ich gerade 50. Der Mann, den ich im BRD-Verteidigungsministerium Vortrag halten hörte, dürfte wohl etwa 40 Jahre jünger sein als ich. Kurzum: Es handelte sich um ein Informationsgespräch, an dem unsere sechsköpfige Gruppe hier und dort Erfahrungen Sammelnder an einem sehr warmen Augusttag teilnahm. Gemeinsam mit anderen an der Thematik interessierten Leuten vernahmen wir die Worte eines Offiziers für Öffentlichkeitsarbeit. Was hatte sich im Wesen und im Auftrag der Bundeswehr, deren Widerpart auf deutschem Boden weggefallen war, seit der sogenannten Wende verändert? Aus Zeitungen kann man manches erfahren. Aber mit eigenen Augen und Ohren einen offiziellen Vertreter der einstigen Gegenseite zu erleben, ist etwas völlig anderes.

Der junge Mann wirkte - seinem Äußeren nach - keineswegs wie "der Klassenfeind in Person". Weder in der Art, in der er sich gab, noch seinen Worten nach: forsch, jung, schlank, in einer gut geschnittenen weißen Uniformbluse mit Schulterstücken und dunklen langen Hosen, sprach er ohne Manuskript und forderte gleich zu Beginn durch witzige Bemerkungen zum Lachen heraus. (Ich erinnere mich an einen Besuch unserer Gruppe im Bundestag. Die dortigen Beamten traten ähnlich gegenüber ihrer meist gläubigen Zuhörerschaft auf: frisch, eloquent, anscheinend unschlagbar in der Argumentation.)

So auch der Öffentlichkeitsapostel des Herrn de Maizière. Wichtiges kam zur Sprache: die Struktur der Bundeswehr, deren Einsatzgebiete, ob in Afghanistan oder am Horn von Afrika. Ich verglich seine Erklärungen mit früheren Vorträgen in der NVA: Da wurde zunächst die politische Lage analysiert. Sie war der Ausgangspunkt jeglicher Diskussionen. Nicht hier. Nur ein paar einführende Worte, und schon folgte die Aufforderung des jungen Offiziers, Fragen an ihn zu richten.

Ich warf drei Themen auf: Wie seine Armee zur von den USA geplanten Raketenstationierung in Europa stehe; was unser Erklärer von der Hamburger Rede des Bundespräsidenten Gauck halte, daß man notfalls auch sein Leben "für die Freiheit" lassen müsse; wie er als Offizier der anderen Seite den einstigen Auftrag der NVA betrachte.

Die Antworten fielen wie erwartet aus: Man erfülle strikt die Aufgaben im Rahmen der NATO "zum Schutz von Freiheit und Staat"; die Gauck-Rede sei gut gewesen; zur NVA habe er keine Meinung, wisse aber, daß einige ihrer Leute von der Bundeswehr übernommen worden seien. Dieses Kapitel stelle indes Geschichte dar. Andere Antworten hätten mich verblüfft. Immer wieder sprach unser Gastgeber von "vorausschauender Sicherheitsvorsorge". Dafür trage die Führung der Bundeswehr gemeinsam mit Parlament und Regierung eine große Verantwortung. Als er auf den Verteidigungsminister zu sprechen kam, meinte der Offizier nur, das sei ein "ziviles Amt". Er wurde gefragt, warum Herr de Maizière eigentlich keine militärische Ausbildung habe. Die Antwort lautete: Es gebe schließlich genügend Berater im Ministerium; seine Aufgabe sei vor allem politischer Natur; nicht zuletzt stehe er der Bundeskanzlerin beratend zur Seite.

Als ich einwarf, Armeegeneral Heinz Hoffmann habe als Verteidigungsminister der DDR sowohl eine qualifizierte militärische Ausbildung genossen als auch eine entsprechende politische Erfahrung besessen, gab es zynische Lacher seitens einiger der Anwesenden.

Der Bundeswehr-Mann stellte uns anhand von Beispielen die Auslandseinsätze seiner Armee dar. Man spürte seinen Stolz auf "Deutschlands Verantwortung, für Ruhe und Ordnung in der Welt zu sorgen". Als ihm die Frage gestellt wurde, welche Feinde die Bundeswehr eigentlich habe, zählte er "Terroristen, Schurkenstaaten, Unruhen, instabile Länder" auf. Auf meine Frage, ob sich das auch bei weiterer Krisenverschärfung auf mögliche soziale Unruhen im Innern beziehe, nickte er, wie mir schien, etwas verlegen. "Danke", sagte ich, "das genügt mir!"

Als es um Afghanistan und die Funktion unbemannter Flugkörper, sogenannter Drohnen, ging, stand unser Erklärer wirklich im Stoff.

Zum Abschied reichte auch ich ihm die Hand. "Ich war Oberstleutnant der NVA und bin stolz darauf. Das Nur-Befehlsempfänger-Dasein war bei uns allerdings verpönt. Wir strebten nach mehr, nach viel mehr", sagte ich.

Der junge und durchaus sympathische Repräsentant seines Staates lächelte überlegen, empfand er sich doch nicht ohne Grund - zumindest in dieser Runde der Geschichte - als Sieger. Mir wurde kalt dabei.

Harry Popow, Schöneiche

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RF-Extra

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Der Menschen Feind (Teil I)

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Warum ausgerechnet Afghanistan?

Die Reize des Hindukusch waren nicht das Interventionsmotiv

Während die NATO weiter ihren blutigen Tribut an die von den USA angeführte Allianz in Afghanistan entrichtet, erscheint die Frage gerechtfertigt: Warum ausgerechnet Afghanistan? Was für Interessen verteidigen die NATO-Truppen am Hindukusch? Weder die Taliban noch ihr lukrativer Opiumhandel sind ausgelöscht worden. Tatsächlich mußte Präsident Obama eingestehen, daß die Taliban "ein robuster Gegner" geblieben sind. Welche wirklichen Ziele werden in Afghanistan verfolgt? Vor allem geht es um enorme Ölreserven, die sich etwa 600 Meilen nordwestlich von Afghanistan befinden. Sie sind der springende Punkt.

Kenntnisreiche Afghanis versichern glaubhaft, daß es Pakistan gewesen sei, welches die Taliban vor allem zum Schutz einer geplanten Pipeline mit amerikanischem Einverständnis geschaffen habe. Mehr als das: Die Asiatische Entwicklungsbank - so wurde erwartet - sollte den Bau mit zwei Billionen US-Dollar finanzieren.

Doch die US-Strategie, Rußland und China im Wettrennen um die zentralasiatischen Öl- und Gasressourcen zu überholen, erwies sich als Fehlschlag.

Die Ölinteressen der USA bedingen eine massive diplomatische Präsenz in der Region des Kaspischen Meeres. Robert Finn, der später Washingtons Botschafter in Afghanistan wurde, ist ein Experte für kaspisches Öl. 1992 weihte er die US-Botschaft in Baku ein und bewirkte die Unterzeichnung des "Jahrhundertvertrages" zwischen Aserbaidschan und westlichen Ölkonzernen.

Stark begünstigt durch die US-Administration wurde auch der geplante Bau einer Erdölleitung von Baku nach Ceyhan, welche durch Aserbaidschan - und zwar die im Norden gelegene armenische Enklave Nagorny-Karabach - zum georgischen Schwarzmeerhafen Batumi und dann durch das unruhige Gebiet von Türkisch-Kurdistan bis zu Ankaras Tiefsee-Mittelmeerhafen Ceyhan führen sollte.

Ein anderer Plan, den der argentinische Erdöl- und Erdgaskonzern Bridas - das drittgrößte Unternehmen dieser Branche in Lateinamerika - verfolgte, war der Bau einer Pipeline aus Turkmenistan und durch Afghanistan zu Pakistans Hafen Gwadar am Arabischen Meer. Dieses Projekt war vielversprechender, weil es die Öl- und Gasversorgung der Länder Asiens betraf. Doch die auf zwei Billionen Dollar geschätzten Kosten für die 918 Meilen lange Naturgastrasse und die vier Billionen Dollar der auf 1005 Meilen veranschlagten Ölleitung überstiegen bei weitem die Möglichkeiten von Bridas. Ein Konsortium mit der Union Oil Company of California (UNOCAL) wurde gebildet. Dieser Superkonzern ist wegen seiner Mißachtung ökologischer und menschlicher Bedingungen besonders berüchtigt. UNOCAL fusionierte 1997 mit AMOCO. Dieses Unternehmen schloß sich im darauf folgenden Jahr mit British Petroleum zusammen.

Doch die Lage in Afghanistan hatte sich in einem solchen Maße verschlechtert, daß die angedachte afghanische Transitroute als zu riskant betrachtet wurde. Das Problem bestand in einem nicht enden wollenden Bürgerkrieg, der in den 90er Jahren ausgetragen wurde, und dem Fehlen einer starken, international anerkannten Regierung in Kabul. Um die Situation unter Kontrolle zu bringen, sponserte und unterstützte die US-Regierung im Bunde mit Pakistan die Taliban, deren übersetzter Name "Studenten des Islam" lautet. Sie taten das ungeachtet der von diesen ausgehenden terroristischen Akte unter der Bedingung, daß die Taliban bereit seien, den Bau der Pipeline abzusichern, die Öl und Gas von Mittelasien in den bereits erwähnten Hafen Gwandar zur Verschiffung bringen sollte.

Am 29. Mai 2002 trafen die Präsidenten Pervez Musharraf (Pakistan), Saparmurat Niyazov (Turkmenistan) und Hamid Karsai (Afghanistan) in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad zur Unterzeichnung eines Vertrages zusammen, der den Bau einer 3,2 Billionen Dollar verschlingenden Gaspipeline von Turkmenistan nach Pakistans Hafen Gwandar vorsah. Die jährliche Kapazität sollte eine geradezu astronomische Menge erreichen. Die geplante 900-Meilen-Route ging durch Afghanistans Herat-Kandahar-Korridor, der sich bis zu ihrer Vertreibung unter Kontrolle der Taliban befand.

Doch Kasachstan fuhr fort, sein Öl aus Kashagan und Pengiz in den russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk fließen zu lassen. Von dort aus ging es mit Tankern in den bulgarischen Hafen Burgas. Rußland, Griechenland und Bulgarien unterzeichneten ein Abkommen über die Errichtung der Pipeline Burgas-Alexandroupolis. Auf diese Weise sollte das Öl über die verhältnismäßig kurze Strecke bulgarischen und griechischen Territoriums zur Ägäis geleitet werden - in Reichweite von Häfen der Türkei und des westlichen Mittelmeeres, namentlich Italiens, Frankreichs und Spaniens. 2003 erwarb Chinas Nationale Erdölgesellschaft (CNPC) für 615 Millionen US-Dollar einen zehnprozentigen Anteil an den Ölfeldern von Kashagan, um schwarzes Gold in die fernöstliche Volksrepublik fließen zu lassen.

Am 12. Mai 2007 unterzeichneten Rußlands Präsident Putin und dessen kasachische und turkmenische Partner ein Abkommen über die Kanalisierung von Energietransporten aus Kasachstan und Turkmenistan über russisches Territorium. Die Strategie der USA und der EU, den russischen Einfluß auf die Energieversorgung in Mittelasien auszuschalten, brach wie ein Kartenhaus zusammen. Ein anderer bemerkenswerter Pipeline-Knotenpunkt entstand in der Region des östlichen Mittelmeeres. Ägypten und Israel signierten zur Jahresmitte 2005 ein Abkommen über 2,5 Billionen Dollar, das die 15 Jahre währende Erdgasversorgung durch eine unterseeisch verlegte Pipeline zum israelischen Hafen Ashkelon vorsah. Eine Abzweigung der ägyptischen Leitung sollte in den Libanon führen, mit Strängen nach Jordanien und Syrien. Die Türkei unterbreitete zur Überwindung der bisherigen Abhängigkeit des Landes von Rußland und Iran einen Alternativvorschlag. Für Energiekorridore in den östlichen Mittelmeerraum ist das Passieren syrischen Territoriums unvermeidlich. Moskau und Damaskus schlossen einen Gasvertrag über Lieferungen im wertmäßigen Volumen von 160 Millionen Euro. Die Russen waren an einer Anzahl von Energieprojekten in Syrien beteiligt. Eines davon betraf den Bau des syrischen Segments der Pipeline Ägypten-Jordanien-Syrien, ein anderes verband die Syria Gas Company (SGC) und Rußlands Stroytransgaz - eine Tochter von Gazprom - bei der Entwicklung syrischer Projekte für die Nutzung von Gasreserven, die in der Region Homs entdeckt worden waren. Aufschlußreicherweise ist gerade dieses Gebiet zu einem Zentrum der Revolte gegen die Assad-Regierung geworden. Was für eine Überraschung! Die Marinebasis der Russen in Syrien wurde eingerichtet, um diese Interessen des arabischen Landes zu schützen. Das Überfliegen syrischen Territoriums durch israelische Kampfmaschinen und Truppenmanöver im Gebiet der Golanhöhen, die Syrien seit 1967 durch Tel Aviv entrissen worden sind, machen einen solchen Schutz unerläßlich. Wie auch immer, dieser Schritt löste die Dämonisierung Rußlands, Syriens, Irans und Chinas aus, die von der "Washington Times" als "die neue Achse des Bösen" bezeichnet wurden. Es handelt sich um Dinge, die Washington nichts angehen.

Im Jahr 2001 stellte General Wesley Clark, der frühere NATO-Oberkommandierende in Europa, in einem Interview unverblümt fest, daß "die USA geplant hatten, Irak, Syrien, Libanon, Sudan, Libyen, Somalia und Iran als Teil eines militärischen Unternehmens mit vielen Facetten anzugreifen. Die Operation sollte in Afghanistan beginnen, in Irak ihren Fortgang nehmen und in Iran enden". So stand es am 23. Oktober 2001 in der britischen Zeitung "The Guardian".

Das alles ist noch keine vollständige Antwort auf unsere Ausgangsfrage: Warum ausgerechnet Afghanistan?

Eine von USA-Seite betriebene geologische Untersuchung führte zu der Erkenntnis, daß sich in der afghanischen Provinz Helmand große Mengen der seltenen Erden Ianthanum, Cerium und Neodymium befinden, und zwar im Krater des erloschenen Vulkans Khanneshin. Es wird angenommen, daß es sich um eines der reichsten Vorkommen der Welt handelt.

Gegenwärtig kontrolliert China den Abbau von 97 Prozent der Weltvorräte solcher Mineralien und Metalle. Seltene Erden sind von vitaler Bedeutung für die elektronische und andere moderne Industrien. Neodymium, dessen Kilopreis in den USA 470 Dollar beträgt, ist für die Herstellung von mächtigen Magneten, wie sie z. B. in Elektroautos benötigt werden, unverzichtbar. Cerium ist für die Herstellung von Fernseh-Flachbildschirmen wichtig. Die Entdeckung hat ein gewaltiges Interesse bei Bergbaukonzernen und Regierungen ausgelöst. Zusammen mit anderen Lagerstätten wertvoller Rohstoffe dürfte der Schlüssel zu Afghanistans ökonomischer Entwicklung dort zu suchen sein, verkünden westliche Medien. "Der U.S. Geological Service (USGS) hat in Afghanistan eine lange Geschichte", äußerte Marcia McNutt, sein Direktor. "Wir hoffen, daß unsere unumstößliche Analyse des Ortes, der Abbaumöglichkeiten und des Flusses dieser Mineralien den Afghanen helfen wird, das wahre Ausmaß ihres Reichtums zu erfassen." (Und - ohne Zweifel - dürfte dieser auch den Yankees höchst willkommen sein!) Die Wissenschaftler vom USGS hatten ihre Rohstoffsuche unter extremen Bedingungen vornehmen müssen, weil das Gebiet von Khanneshin als Hochburg der Taliban gilt. Sie erreichten den Vulkan per Hubschrauber und wurden durch US-Marines abgesichert, als sie die Proben entnahmen.

Das USGS-Team hat 1,3 Billionen Tonnen der Khanneshin-Felsen in seine Karten eingetragen und schätzt, daß sie genügend seltene Erden enthalten werden, um den Bedarf der derzeitigen Welt für ein Jahrzehnt zu decken. Der Gesamtwert wird auf 7,9 Billionen US-Dollar geschätzt. Dabei sind nur einige besonders wertvolle Mineralien in Betracht gezogen worden. Wenn auch andere vorhanden sind, könnte das einen weiteren Wert von bis zu 83,3 Billionen Dollar ergeben. Überdies hat die Untersuchung bislang nur die oberen 110 Meter des Felsens einbezogen. Die Schichten könnten aber wesentlich dicker sein.

Der USGS hat außerdem massive Vorkommen an Gold, Silber, Kupfer, Blei, Zink und Eisen an verschiedenen Stellen Afghanistans ausgemacht. Vielleicht sind große Eisenerzlagerstätten in Hajigak, etwa 140 Kilometer von Kabul entfernt, sogar am wertvollsten. Hier geht es, in Geld umgerechnet, um die "Kleinigkeit" von 664 Billionen Dollar. 20 Konzerne haben bereits ihre Angebote für den Erwerb dieser Vorkommen angemeldet.

Afghanistan ist also für den "Westen" von strategischem Interesse, zumal seine natürlichen Reichtümer unermeßliche Profite in Aussicht stellen.

Dr. Vera Butler, Melbourne

Ende RF-Extra

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Aufrechte Kommunisten in Skandinavien

Parteien, die Terror, Verfolgung und Ausgrenzung trotzten

Auch Menschen, die den Kapitalismus nicht mögen, schrecken bei dem Wort "Kommunismus" zurück. Sie wollen über seinen Inhalt gar nicht erst nachdenken und nehmen es hin, daß kommunistische Parteien wie Aussätzige behandelt werden. Im günstigsten Falle verschweigt man ihre bloße Existenz. Schon allemal ist das der Fall, wenn sie so klein wie derzeit in Skandinavien sind und über keine Vertretung in Parlamenten verfügen. Um so mehr ist Solidarität mit ihnen angesagt. Dabei gilt es, dem zielgerichteten Antikommunismus der Herrschenden entgegenzutreten.

Mitglieder und Führer der Kommunistischen Partei in Dänemark (KPiD), der Dänischen Kommunistischen Partei (DKP), Schwedens Kommunistischer Partei (SKP) und der Kommunistischen Partei Norwegens (NKP) sowie ihrer Jugendverbände hatten sich auch in diesem Jahr zu einem Sommerlager eingefunden. Dabei ging es um marxistische Bildung, aktuelle Probleme und deren Bewertung, die Zusammenarbeit mit anderen Bruderparteien sowie um gemeinsame Aufgaben im Norden Europas.

Unlängst haben schwedische und norwegische Genossinnen und Genossen gemeinsam mit Abgesandten der finnischen Partei und der russischen KPRF vom nördlichsten Zipfel ihrer Region - der Nordkalotte - vor der durch die USA und die NATO forcierten, aber weitgehend verheimlichten Militarisierung dieses Gebiets gewarnt.

Im Sommerlager wurden abermals Erfahrungen aus der praktischen Arbeit vermittelt. Auch die Kultur kam nicht zu kurz. In der politisch-ideologischen Debatte ging es diesmal u. a. um die Frage, ob der Kapitalismus im Sinne einer Rettung des bürgerlichen Wohlfahrtsstaates zu reformieren sei oder nicht. Einig war man sich darin, daß unter den gründlich veränderten Machtverhältnissen die Rückkehr zu einem nordeuropäischen Sozialstaat früherer Jahrzehnte ausgeschlossen werden müsse. Vielmehr gelte es, den Kampf gegen die in Skandinavien praktizierte neoliberale Minimalvariante eines "Wohlfahrtsstaates" zu führen, in die sowohl die sozialdemokratischen Parteien als auch Gewerkschaftsspitzen sowie Teile der hochqualifizierten Erwerbsabhängigen eingebunden sind.

Die kommunistischen Parteien sehen sich - bei allen Unterschieden in den einzelnen Ländern - mit Privatisierung und Deregulierung öffentlichen Eigentums, der Schwächung des Status von Arbeitslosen, Kranken und Rentnern, immer weniger bezahlbarem Wohnraum für breiter werdende Schichten der Bevölkerung und der Aufweichung der Tarifsysteme konfrontiert. Hinzu kommen die Aushöhlung der nationalen Souveränität sowie die Militarisierung und Kriegsteilnahme ihrer Länder. Die Erwerbslosenrate beträgt in Schweden unter Jugendlichen bis zu 24 Jahren bei einer Gesamtarbeitslosigkeit von 8% derzeit 25%! Das ist eine der höchsten innerhalb der EU. Die Hälfte der in "Lohn und Brot" stehenden Jugendlichen hat nur zeitlich befristete Arbeitsverträge.

Unter diesen Bedingungen richtet sich der tägliche Abwehrkampf der Kommunisten vor allem auf die Zügelung der allmächtigen Banken, mehr öffentliche Investitionen für Arbeit und Soziales sowie den Schutz der Arbeiterrechte. Mit ihren Sofort- und Wahlprogrammen tragen sie zur Aktionseinheit der linken, demokratischen Kräfte und Bewegungen bei.

Dieses Ringen müsse stets mit der Perspektive geführt werden, in letzter Konsequenz das kapitalistische System selbst überwinden zu wollen, wurde während des Sommerlagers der skandinavischen Kommunisten betont. Nur gegen das System könnten Arbeiterinteressen wirkungsvoll durchgesetzt werden. Unter Bezugnahme auf die Erklärung von etwa 80 kommunistischen und Arbeiterparteien, deren Vertreter Ende 2011 in Athen beraten hatten, wurde festgestellt, daß allein der Sozialismus eine Antwort auf die Krise des kapitalistischen Systems darstelle.

In Programmatik, Presse und politischem Alltag der nordeuropäischen Kommunisten ist nach wie vor von Arbeiterbewegung, Klassenkampf und Ausbeutung die Rede. Ihre Parteien betrachten die Arbeiterklasse - bei allen Veränderungen, denen sie zweifellos unterliegt - als die "wichtigste gesellschaftsverändernde Kraft". Je intensiver die Jagd der Kapitalisten nach Profit die ganze Gesellschaft durchdringe, um so mehr würden die Klasseninteressen der Arbeiter mit denen aller Menschen übereinstimmen.

Die norwegischen Genossen stellten fest, daß mehr als drei Viertel der Bevölkerung ihres Landes der Arbeiterklasse zuzurechnen seien. Davon ausgehend streben sie in ihrer antimonopolistisch-demokratischen Grundstrategie gemeinsam mit Fischern und Bauern Lösungen an, die auch deren spezifische Probleme berücksichtigen.

Der "Negativbeleg" für die Nichtbeachtung der Rolle der Arbeiterklasse liegt auf der Hand: Ohne deren Schwächung aus objektiven und subjektiven Gründen wäre der Vormarsch der Kräfte des Kapitals in Europa nicht möglich gewesen. Die reformistische Gesellschaftsstrategie der skandinavischen Sozialdemokraten ging stets davon aus, daß Parlamentarismus allein nicht genügen werde, um den Kapitalismus zu bewahren. Dazu bedurfte es auch der Brechung des kämpferischen Einflusses der Kommunisten in der Arbeiterschaft und in den Gewerkschaften.

Das alles gehört zur Geschichte und zu den Erfahrungen der kommunistischen Parteien im nordeuropäischen Raum. Selbst zu Zeiten der Drangsalierung der Völker Dänemarks und Norwegens durch die hitlerfaschistischen Okkupanten war der Antikommunismus oftmals stärker als der Patriotismus. Fast alle führenden Mitglieder der norwegischen KP haben ihren Widerstand gegen die Nazibesatzer mit dem Leben bezahlt. Und auch die dänische Partei mußte einen hohen Blutzoll entrichten. Sogar schwedische Kommunisten wurden durch Kollaborateure der Nazis verfolgt und in Lager gesteckt.

Seit Beginn des Kalten Krieges sind die Aktivitäten der nordeuropäischen kommunistischen Parteien durch Sonderabteilungen der oftmals sozialdemokratisch geführten Geheimpolizei beobachtet und registriert worden. Auch andere Widersacher des Systems und Aktivisten der Friedensbewegung unterliegen einer solchen Observation.

Vor diesem Hintergrund ist das antifaschistisch-demokratische Erbe, das Durchhalten gegen Ausgrenzung und Verleumdung sowie gegen das Verschweigen der Chronik des Kampfes der Kommunisten einer ganzen Region lebendig und abrufbar.

Prof. Dr. Edeltraut Felfe, Greifswald-Riemserort

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Der Pitbull des Pentagons

Zu den Kriegsdrohungen Tel Avivs gegen Iran

Tel Avivs Krieg gegen Teheran hat in gewisser Weise bereits begonnen", schrieb die renommierte Vierteljahreszeitschrift britischer Marxisten "The Socialist Correspondent". "Die Ermordung von fünf iranischen Kernforschern zielte darauf ab, die Wiederherstellung technologischer Kapazitäten Teherans nach einem israelischen Raketenschlag zu verlangsamen. Die Explosionen im Atomforschungszentrum Bushehr sowie der Einsatz des Stuxnet-Computerwurmes zur Untergrabung der Nuklearausrüstung Irans können als Auftakt für den weiteren Konflikt betrachtet werden."

Ob eine ausgeweitete militärische Aggression erfolgen werde oder nicht, hänge in erster Linie von den USA ab. "Bislang scheint man in Washington noch zu zögern, ob man einen weiteren großen Krieg beginnen soll. An dem Verlangen aber, einen so verläßlichen Gendarmen wie Israel in der nah- und mittelöstlichen Region zu besitzen, dürfte sich auch im Falle eines Wahlsiegs von Barack Obama nichts ändern", schrieb das Blatt.

Die gleichfalls in Großbritannien erscheinende "Janes' Defense Weekly" hielt es demgegenüber für keineswegs unwahrscheinlich, daß sich ein Angriff auf Iran "später in diesem Jahr" ereignen könnte. Die australische KP-Wochenzeitung "The Guardian" veröffentlichte ein Material aus der Feder des Analytikers James Petras vom renommierten Information Clearing House. Er weist den "Mythos von einer lediglich begrenzten Kriegführung" im Falle eines Überfalls der USA und Israels auf Iran energisch zurück. Die ständig wachsende Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die iranischen Atomanlagen und damit auf die Islamische Republik insgesamt lasse sich an einer Reihe von Faktoren ablesen. Dazu gehörten nicht zuletzt gewisse Verlautbarungen politischer Führer in Tel Aviv und Washington, die nach der geringen Wirkung ökonomischer und diplomatischer Sanktionen gegen Teheran bekannt wurden. In der provokatorischen Absicht der Einschüchterung durchgeführte Manöver in Grenznähe zu Iran sowie das ständige Gerede von der Notwendigkeit eines "Präventivschlages zur Verhinderung des iranischen Aufstiegs in den Kreis der Atommächte" seien ebenso Teil des Szenariums wie die systematische Stimmungsmache einflußreicher prozionistischer Kräfte in den Vereinigten Staaten.

Dabei verfolge die US-Propaganda vor allem zwei Linien: Einerseits bestehe die vorherrschende Tendenz in der Verbreitung des Gedankens, ein großer bewaffneter Konflikt sei unausweichlich, das Pentagon werde durch Teherans Kurs zur Anwendung von Gewalt gezwungen. Andererseits spielten "kenntnisreiche Akademiker" zur Ruhigstellung liberaler Kreise der Bourgeoisie die Kriegsgefahr bewußt herunter. Da sei dann vom "unbedeutenden Niveau der iranischen technologischen Ausrüstung" und "fehlender Erfahrung" die Rede. Hierbei gehe es darum, die Menschen in Sicherheit zu wiegen und einzulullen. Zugleich verkleinern auch gewisse Politiker in Tel Aviv zur Beruhigung des eigenen Volkes und zur Irreführung der Weltöffentlichkeit bewußt das Maß der Gefahr eines Krieges, der auch auf Israel selbst zurückschlagen könnte. Sie sprechen von der "großen räumlichen Entfernung", dem "verläßlichen Raketenabwehrschild" und dem "Schutzschirm" des mächtigen überseeischen Verbündeten. Dabei wissen die hohen israelischen Militärs sehr genau, daß auch Irans Kapazitäten im Zurückschlagen nicht unterschätzt werden sollten. Ihre Behauptung, Israels Streitkräfte würden Irans Abwehrpotential binnen weniger Tage hundertprozentig ausgeschaltet haben, ist Bestandteil der psychologischen Aggressionsvorbereitungen Tel Avivs. Ohne Zweifel handelte es sich in einem solchen Falle um einen großen imperialistischen Krieg gegen Iran, der - wie die Ereignisse in Syrien bereits unter Beweis gestellt haben -, nicht nur regionale, sondern auch internationale Konsequenzen nach sich ziehen würde.

RF, gestützt auf "The Socialist Correspondent", Glasgow / "The Guardian", Sydney

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Erklärung des ZK der Tudeh-Partei Irans

Zu den jüngsten Kriegsdrohungen Israels hat das ZK der Tudeh-Partei Irans Ende August erklärt, "jede Maßnahme im Zusammenhang mit einem militärischen Angriff auf Iran" werde scharf verurteilt. Nach Einschätzungen der TPI besteht jetzt die ernste Gefahr einer von den USA unterstützten israelischen Aggression.

Zugleich wird der Führung der Islamischen Republik Iran der Vorwurf gemacht, ... "in den letzten Jahren eine völlig unrealistische und abenteuerliche Politik betrieben und damit in großem Maße zum Entstehen dieser konkreten Bedrohung der Souveränität und territorialen Integrität des Landes" beigetragen zu haben. Die Ereignisse in Libyen und Syrien hätten das Teheraner Regime veranlassen müssen, "zu begreifen, welche Gefahren manche verantwortungslosen Äußerungen angesichts des derzeitigen Kräfteverhältnisses in der Region und in der Welt für die nationalen Interessen des Landes heraufbeschwören könnten".

In der Erklärung heißt es weiter, die Tudeh-Partei habe "in den letzten Jahren häufig die Notwendigkeit einer aktiven Diplomatie angemahnt, die sich dafür einsetzt, die Weltöffentlichkeit für die Sache des iranischen Volkes zu gewinnen". In dem Dokument liest man überdies: "Die KP Israels, die den Krieg als eine allseitige Katastrophe betrachtet, ruft ihre gesamte Parteiorganisation sowie ihre Verbündeten dazu auf, dem Kampf gegen eine militärische Eskalation absoluten Vorrang zu geben und ihre Aktivitäten gegen den Krieg zu verstärken." Demgegenüber wird die ... "abenteuerliche Politik der US-Regierung, ihrer Verbündeten in der EU und in arabischen Ländern wie Saudi-Arabien und Katar sowie der Türkei" angeprangert, die unter den Bedingungen einer äußerst angespannten krisenhaften Situation im Mittleren Osten den Frieden und die Sicherheit der Region, darunter auch Irans, ... "im höchsten Grade gefährden, die territoriale Integrität des Landes zerstören und die Werktätigen erneut zur Zielscheibe eines Krieges machen könnte".

Ghassem Niknafs, Hamburg

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Freiheit für Marwan Barghouti!

Kaum ein Staat hat mehr politische Gefangene als Israel

Als der wegen ihm unterstellter Gewaltverbrechen zu fünfmal lebenslänglicher Haft verurteilte Palästinenserführer Marwan Barghouti am 30. März 2012 zu einer "dritten Intifada" gegen die israelischen Okkupanten aufrief, erklärte er damit den Osloer "Friedensprozeß" für gescheitert. Dieser war durch die USA und andere imperialistische Mächte als außergewöhnliche Erfolgsgeschichte verkauft worden. Dabei verfolgte man niemals das Ziel, auf gleicher Augenhöhe redlich miteinander zu verhandeln und einem gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten den Weg zu bereiten. Barghouti richtete seinen Appell aus einer Gefängniszelle an alle Palästinenser, beabsichtigte damit aber zugleich auch, seinen weiter rechts stehenden Fatah-Bruder Mahmoud Abbas zu zwingen, endlich sein Kunkeln mit Tel Aviv und dem Westen aufzugeben. Barghouti forderte ein Ende der Zusammenarbeit zwischen dessen Palästinenserbehörde und Israels Regierung, vor allem aber zwischen den palästinensischen Sicherheitskräften und den israelischen Okkupanten im Westjordanland. Sein Verlangen nach einer Rückkehr zu den Grenzen von 1967 entspricht voll und ganz den Normen des Völkerrechts.

Zu den wohl "härtesten Brocken" auf dem Weg zu einer Friedensregelung im Nahen Osten zählt neben der Annexion arabischer Territorien zweifellos auch der massenhafte Raub palästinensischer Ländereien. 2011 nahm die Zahl israelischer Siedlungen auf der "West Bank" um 20% zu.

Ein unlängst bekanntgewordener Geheimplan des israelischen Verteidigungsministeriums aus dem Jahre 1994 enthüllte die Tatsache, daß von Tel Aviv im Vorfeld der Osloer Übereinkunft festgelegt worden war, zehn Prozent des Westbank-Territoriums mit "Außenposten" der Siedler zu überziehen - und das trotz heiliger Schwüre, solches auf keinen Fall tun zu wollen.

Zugleich wurde der Abriß von Häusern vorangetrieben, die Palästinenser bewohnten. 2011 ließ Israel 176 Wohngebäude zerstören, wodurch über 1000 Menschen - vor allem in Beduinendörfern - ihres Obdachs beraubt wurden.

Zugleich errichtete Tel Aviv den gegenwärtig 437 km langen und auf insgesamt 700 km ausgelegten zionistischen Apartheid-Wall. Er trennt palästinensisches Territorium vom Stammland Israels mit seiner überwiegend jüdischen Bevölkerung. Inzwischen leben etwa zehn Prozent aller Israelis außerhalb der Grenzen von 1967 - 300.000 in den Westbank-Siedlungen und 200.000 in Ost-Jerusalem. Vor 1948, als der neue Staat Israel durch UNO-Beschluß geschaffen wurde, hatten die Palästinenser drei Viertel des Territoriums besessen - jetzt gehören ihnen noch 3,4%.

Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Attacken aggressiver zionistischer Siedler auf Palästinenser - darunter etliche ihre Ernte auf angestammtem Land einbringende Olivenbauern - um 40% zugenommen. Die UNO ermittelte, daß mehr als 80 palästinensische Gemeinden mit einer Gesamtbevölkerung von etwa 250.000 Menschen durch Gewalttätigkeit israelischer Siedler verwundbar seien.

Besondere Grausamkeit legte Tel Avivs Soldateska im Rahmen der "Operation Gegossenes Blei" - der militärischen Großoffensive gegen Gazas palästinensische Bevölkerung - an den Tag. Dem Bombenterror fielen 1391 Menschen zum Opfer, 5300 wurden verletzt, 20.000 verloren ihr Obdach.

Israel gehört zu den Staaten mit den meisten politischen Gefangenen in der Welt. Im Dezember 2011 zählte man 4772 Inhaftierte, darunter 309, gegen die niemals gerichtlich verhandelt worden ist. Auch jüdische Bürger sind von dem Gesinnungsterror nicht ausgenommen. So richten sich z.B. Untersuchungen im McCarthy-Stil gegen linke Organisationen, die der Wehrkraftzersetzung bezichtigt werden.

Seit 1967 hat der zionistische Staat mehr als 750.000 Palästinenser - Frauen und Kinder inbegriffen - für längere oder kürzere Zeit ihrer Freiheit beraubt. 40% aller palästinensischen Männer, die in den durch Israel okkupierten Gebieten leben, waren irgendwann davon betroffen.

Auch große Teile der jüdischen Bevölkerungsmehrheit leiden unter der sich weiter zuspitzenden ökonomischen Misere. 1,8 Millionen Israelis - ein Viertel der Bevölkerung - vegetieren unterhalb der Armutsgrenze. 837.000 Kinder gehen in Israel und den okkupierten Territorien jeden Abend hungrig zu Bett. Die OECD ermittelte, daß es in keinem ihrer Mitgliedsländer - von den USA abgesehen - ein solches Maß an Ungleichheit gibt wie in Israel. Die Arbeitslosenrate liegt landesweit derzeit zwar "nur" bei 6%, beträgt aber auf der arabischen Westbank 16,6% und in Gaza sogar 45%.

Etwa 20 durch fünf Oligarchenfamilien beherrschte Kapitalgruppen kontrollieren de facto die reichliche Hälfte der Herstellung und des Absatzes aller Produkte, die in Israel erzeugt und verkauft werden.

Zum Bild des zionistischen Staates gehört nicht zuletzt auch die Tatsache, daß Israel inzwischen den weltweit vierten Rang unter den Exporteuren von Waffen und Kriegsgerät einnimmt. Marwan Barghoutis eingangs erwähnter Aufruf zu einer "3. Intifada" erging fünf Jahre nach der Bildung rivalisierender Regierungen der Palästinenserorganisationen Fatah (Westjordanland) und Hamas (Gaza). Meinungsumfragen unter Palästinensern ergaben vor knapper Jahresfrist, daß die Fatah damals bei 43% und die Hamas bei 29% Wählerunterstützung lag. Im Falle einer Präsidentschaftskandidatur für einen eigenständigen Palästinenserstaat hätte Abbas (Fatah) rund 55% und Gazas Premier Haniyeh (Hamas) 37% des Votums erhalten. Barghoutis Appell zu Kampf und Widerstand richtet sich an die Anhänger beider Strömungen. Nach dem Freikauf des israelischen Soldaten Gilad Shalit, für den 1027 Palästinenser aus den Gefängnissen entlassen wurden, blieb der Vorkämpfer für einen eigenständigen Palästinenserstaat weiter in Haft. Es gilt auch ihn, den Tel Aviv und Washington nicht grundlos als Ikone des Widerstandes seines Volkes betrachten, von den Ketten zu erlösen.

RF, gestützt auf "The Socialist Correspondent", Glasgow

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Zu Zyperns zeitweiliger EU-Präsidentschaft

Früherer AKEL-Generalsekretär ist jetzt die Nr. 1 in Brüssel

Die Republik Zypern, mit 9251 km² einer der kleinsten Staaten der Europäischen Union, gehört dieser seit 2004 an. Vier Jahre später führte Nikosia den Euro als Landeswährung ein. Die 1,1 Millionen Inselbewohner sind zu 77% griechischer und zu 18% türkischer Nationalität. Turnusgemäß nimmt Zypern im zweiten Halbjahr 2012 die Rechte und Pflichten der Präsidentschaft in der EU wahr. Kommandiert hier etwa ein Zwerg einen Riesen?

Gemach - im Europa der Monopole bleibt natürlich alles beim alten. Allerdings mit einem bemerkenswerten Unterschied: Zypern ist nämlich der einzige europäische Staat, an dessen Spitze ein kommunistischer Präsident steht. Dimitris Christofias war vor seiner Wahl in das höchste Staatsamt der Generalsekretär der den griechischen Teil Zyperns regierenden Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes (AKEL). Sie ging 1941 - während des Krieges der Antihitlerkoalition gegen die faschistischen Achsenmächte - aus der bereits 1926 gegründeten KP Zyperns hervor.

1974 wurde der Inselstaat durch eine Invasion von Truppen des NATO-Mitglieds Türkei in zwei ungleiche Hälften gespalten. Ein Teil Zyperns ist seitdem von Ankaras Truppen besetzt. Bevor Christofias sein temporäres Amt in Brüssel antrat, hatte er als zyprischer Präsident Bemühungen um die Vereinigung beider Teile der Insel als seine oberste Priorität betrachtet - allerdings angesichts der durch Ankara betriebenen Obstruktionspolitik ohne praktischen Erfolg.

Die Partei habe sich nie allein auf den Kampf für den Sozialismus zu konzentrieren vermocht, weil der britischen Kolonialherrschaft schon bald die türkische Okkupation gefolgt sei, erklärte Vera Polycarpou namens der Internationalen Abteilung des ZK der AKEL gegenüber "Solidaire".

Sie besitzt tiefe Wurzeln im Volk. Seit vielen Jahren ist sie die mitgliederstärkste zyprische Partei. Sie konnte bei Wahlen zwischen 30 und 35% des Votums erringen. Ihr Einfluß ist keineswegs nur auf Arbeiter beschränkt, sondern erfaßt auch breite Schichten der bäuerlichen Bevölkerung. Zyperns Kommunisten legten einst auch den Grundstein für die inzwischen einflußreiche Gewerkschaftsbewegung auf der Insel. Schon 1948 erkämpfte die AKEL den Acht-Stunden-Arbeitstag für die Zyprioten.

Heute befindet sich Zypern wie die anderen südeuropäischen EU-Mitglieder "im Auge des Zyklons": Es konnte den Verwerfungen der ökonomischen und Systemkrise des Kapitalismus nicht entrinnen. Besonders hart traf es die Banken, die mit den Geldinstituten Griechenlands auf das engste verzahnt sind. Sie hatten den in Bedrängnis Geratenen insgesamt 24 Mrd. Euro kreditiert, so daß sie der Schuldenschnitt gegenüber Athen in ärgste Bedrängnis brachte. 4,2 Mrd. Euro konnten Zyperns Banken in den Wind schreiben.

Präsident Christofias, der in Moskau studiert hat, wandte sich zunächst mit einer Kreditbitte an die russische Regierung, um so den weitaus härteren Konditionen der EU auszuweichen. Ende 2011 hatte Zypern von Moskau bereits 2,5 Mrd. Euro zum relativ niedrigen Zinssatz von 4,5% erhalten.

Der beflissene Lakai der imperialistischen Hauptmächte an der Spitze des Brüsseler Apparats - EU-Kommissionsvorsitzender José Manuel Barroso - zögerte keinen Augenblick, seine "Besorgnis" über Zyperns neuerliches Kreditersuchen und dessen enges Verhältnis zu Rußland zu äußern.

Die AKEL-Regierung hat sich bisher der EU-Würgeschlinge weitgehend zu entziehen vermocht und das Lebensniveau der Inselbevölkerung kaum absenken müssen. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich nur geringfügig. Zypern verweigerte sich der Privatisierung öffentlichen Eigentums.

"Wir wissen, daß wir mit der EU nicht zur Revolution schreiten werden", ironisierte Vera Polycarpou die jetzt bestehende Situation, "wollen aber den Beweis dafür liefern, daß selbst ein kleines Land wie Zypern dem Druck widerstehen und - wenn auch nur minimal - Einfluß auf Entscheidungen der EU-Kommission nehmen kann. Wir setzen uns dafür ein, daß die Menschen und nicht der Profit im Mittelpunkt stehen."

RF, gestützt auf "Solidaire"

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Paraguay: Wer putschte gegen Präsident Lugo?

In Paraguay, dessen Geschichte der letzten 200 Jahre durch eine ganze Serie von Staatsstreichen geprägt worden ist, hat das von Rechten beherrschte Parlament den Präsidenten und früheren Bischof Fernando Lugo kurzerhand für abgesetzt erklärt. Damit trug es den Wünschen der einheimischen Oligarchien, proimperialistischer Kräfte in anderen lateinamerikanischen Staaten und nicht zuletzt entsprechenden "Anregungen" des USA-Geheimdienstes CIA Rechnung.

Nachdem Paraguay die seit 1958 bestehende 30jährige faschistische Diktatur Alfredo Stroessners und auch das nachfolgende Regime hinter sich gelassen hatte, eröffneten sich für sein Volk neue Perspektiven. 2008 zog mit dem populären Theologen Fernando Lugo erstmals kein Gewährsmann der paraguayischen Großgrundbesitzer in den Präsidentenpalast ein. Doch bereits kurz vor seinem Amtsantritt deckte dieser eine gegen ihn gerichtete Verschwörung auf. Nach vierjährigen Versuchen reaktionärer Kräfte des In- und Auslandes, den linkslastigen Kirchenmann von der Staatsspitze zu vertreiben, brachte ihn das Parlament in Asunción zu Fall.

Warum ließen Paraguays Latifundistas, die 80% der Ländereien besitzen, obwohl sie selbst nur 2% aller Grundeigentümer stellen, den durchaus zögerlichen Lugo über Bord gehen?

Obwohl seine vierjährige Ära keineswegs frei von Widersprüchen war, bedeutete sie für das leidgeprüfte paraguayische Volk dennoch einen Hoffnungsschimmer. Der "legale" Staatsstreich wurde nicht wegen der Mängel der Präsidentschaft, sondern wegen ihrer Tugenden in Szene gesetzt. Er richtete sich vor allem gegen die durch Lugo zumindest erwogene Agrarreform, die absolut nicht ins Konzept der "alten Eliten" paßte.

Die putschende Oligarchie triumphiert. Vorerst. Paraguays arme Massen, die Lugos Rückhalt gewesen waren, werden ihren Kampf fortsetzen müssen.

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

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Erkaufter Schuldspruch gegen die Cuban Five

US-Regierungsamt bezahlte Reporter der Miami-Presse für Artikelflut zur Jury-Beeinflussung

Im Falle der als Cuban Five weltweit zu einem Begriff gewordenen fünf mutigen Aufklärer Havannas, die zur Vereitelung geplanter Anschläge gegen ihr Land exilkubanische Terroristengruppen in Miami infiltriert hatten, ist jetzt spektakuläres Material von höchster Brisanz bekanntgeworden. Anwälte der durch ein US-Gericht in Florida zu drakonischen Strafen verurteilten Kämpfer an der unsichtbaren Front haben bei dem das seinerzeitige Urteil fällenden Gericht frappierende Unterlagen eingereicht.

Danach hat die US-Regierung zur massiven Beeinflussung der zwölf Geschworenen des Verfahrens schwerwiegende Gesetzesverletzungen begangen.

Durch die Verteidigung wird darauf hingewiesen, daß der in Spanisch erscheinende "Nuevo Herald" und der englischsprachige "Miami Herald" wie auch andere reaktionäre Blätter des US-Bundesstaates Florida sowie dortige Rundfunk- und Fernsehstationen eine Unzahl auf Verunglimpfung der Cuban Five abzielende Artikel und entsprechende Programme veröffentlicht und gestaltet haben. Um die Jury im Sinne der Anklage zu beeinflussen, erhielten Reporter, Redakteure und Kommentatoren im Verlauf des 2001 zu Ende gegangenen Prozesses enorme Summen aus der Staatskasse. Die meisten dieser Journalisten im Dienste der Bourgeoisie arbeiteten offensichtlich auch dem in Miami angesiedelten antikubanischen Hetzsender "Radio Martí" zu. Die dafür gezahlten Beträge wurden von einer Institution der US-Regierung - dem Broadcasting Board of Governors - angewiesen.

Die am 12. September 1998 durch das FBI festgenommenen kubanischen Kundschafter, welche keinerlei gegen die Vereinigten Staaten selbst gerichtete Aktivitäten unternahmen, sondern ausschließlich auch dem FBI durch Havanna später zugeleitete Materialien über geplante Gewaltverbrechen kubanischer Konterrevolutionäre in den Vereinigten Staaten zusammentrugen, wurden demnach unter Umständen verurteilt, die niemals einen Richterspruch gestattet hätten.

Der durch die Anwälte jetzt dem Gericht unterbreiteten Eingabe zufolge brachte der "Nuevo Herald" während der 194 Verhandlungstage des Prozesses nicht weniger als 806 die Anklage begünstigende antikubanische Hetzartikel, während sich der "Miami Herald" auf "nur" 305 verleumderische Beiträge beschränkte.

Sämtliche Einwohner Floridas wußten durch diese Berichterstattung genauestens, wer die Geschworenen waren, so daß - im Ergebnis der regierungsfinanzierten Medienattacke - zusätzlicher Druck auf sie ausgeübt werden konnte. Das Ziel der antikommunistischen Brunnenvergifter wurde erreicht: Die wider besseres Wissen vom Staatsanwalt der "Verschwörung zur Spionage gegen die Vereinigten Staaten" bezichtigten Angeklagten erhielten für eine von ihnen nicht begangene Straftat zweistelliglangjährige bis zweifach lebenslängliche Freiheitsstrafen. Vier der Verurteilten befinden sich noch immer in US-Hochsicherheitsgefängnissen, der fünfte - René Gonzalez - ist seit 2011 unter empfindlichen Auflagen wieder auf freiem Fuß, muß aber bis 2014 in Miami bleiben.

Erst am 8. September 2006 gestand der "Miami Herald" in einem Beitrag unter der Schlagzeile "Zehn Journalisten aus Miami nahmen US-Gelder an" Washingtons kriminelles Gebaren während des seinerzeitigen Verfahrens ein.

Oscar Corral, der Autor des Artikels, wurde auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz beschuldigt, "Agent Kubas" zu sein. Morddrohungen ausgesetzt, mußte er untertauchen und mit seiner Familie den Wohnort wechseln. Auch von der Zeitung zog er sich eiligst zurück.

RF, gestützt auf "People's World", New York

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Belarus-Präsident Lukaschenko besuchte Kuba

Bei Belarus handelt es sich um die einzige von 16 früheren Unionsrepubliken der durch die Clique Jelzin-Gorbatschow gegen das Mehrheitsvotum eines landesweiten Referendums aufgelösten UdSSR, die nach deren Zerschlagung unter komplizierten Bedingungen einen ehrenhaften Kurs verfolgt.

Ihr Präsident Aleksandr Lukaschenko bemüht sich ständig um den Ausbau seinem Lande dienlicher Beziehungen vor allem auch zu jenen Staaten, welche der imperialistischen Kampagne gegen Minsk nicht zu folgen bereit sind. Unlängst besuchte er das standhafte Kuba, wo er mit Präsident Raúl Castro einen einvernehmlichen Gedankenaustausch hatte.

Belarus wünscht stabile Kontakte zu allen Mitgliedsländern von ALBA - der antiimperialistischen Staatengruppe Lateinamerikas. Von Havanna flog Lukaschenko nach Caracas weiter. Belarus und Venezuela unterhalten seit längerem enge und beiderseitig vorteilhafte Kontakte. Weitere Reiseziele des belarussischen Präsidenten waren mehrere andere Staaten des lateinamerikanischen Subkontinents.

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

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Was steckt hinter dem Blutvergießen auf Südafrikas Platinmine Lonmin?

Am 10. August rief die Spaltergewerkschaft AMCU gegen den Willen des traditionsreichen südafrikanischen Bergarbeiterverbandes NUM, der zur kommunistisch geführten Gewerkschaftszentrale COSATU gehört, die Kumpel der Platinmine Lonmin zu einem "wilden Streik" auf. Dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen ortsansässigen Bergleuten und aus anderen Teilen Südafrikas als Lohndrücker herangeführten Hilfskräften. Zehn Menschen wurden getötet, darunter zwei Polizisten.

Kurz nach diesen Vorfällen besuchte Südafrikas Präsident Jacob Zuma, der zum linken Flügel des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) tendiert, den Ort des Geschehens. Er sprach den betroffenen Familien sein Mitgefühl aus und kündigte die Einsetzung einer Untersuchungskommission an.

Doch die Situation geriet schon bald außer Kontrolle. Auf dem Gelände der durch einen britischen Großkonzern abkassierten Platinmine Lonmin - in Südafrika werden etwa 80% dieses kostbaren Minerals gefördert - kam es zu neuen Gewalttätigkeiten. Dabei waren auch Schlag- und Schußwaffen im Spiel.

Am 16. August stürmten südafrikanische Polizeieinheiten das Terrain und eröffneten das Feuer auf eine sich unter Drohgebärden nähernde Menge. 34 Arbeiter wurden erschossen, 78 weitere verwundet. Während Präsident Zuma eine Woche Staatstrauer anordnete, stellten Medien im Dienste der Bourgeoisie und des Imperialismus die Zusammenstöße in der Ortschaft Marikana sofort auf eine Stufe mit dem Massaker der Polizei des einstigen Apartheidregimes in Sharpeville. Der Kolportage solcher Vergleiche lag die Absicht zugrunde, die heute das Land am Kap regierenden heterogenen Kräfte - unter ihnen befinden sich auch Mitglieder der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) - mit deren Vorgängern in einen Sack zu stecken und vor der Weltöffentlichkeit zu diskreditieren.

Vom 17. bis 19. August tagte in Johannesburg das ZK der SACP. Dessen Beratungen wurden mit einer Schweigeminute für alle Toten der "tragischen Ereignisse in Marikana" eingeleitet. Die KP analysierte allseitig die Hintergründe des Geschehens.

Zufällig hatte die Bend Mark Foundation - eine kirchennahe Stiftung - nur Tage vor dem Blutvergießen eine Studie über "Gemeinden im Bereich der Platin-Minen" veröffentlicht. Im Zentrum der Untersuchung stand der Bezirk Dojanala in Südafrikas Nordwestprovinz. Armut, Umweltzerstörung, Krankheiten und hohe Mortalität prägten dort das Leben der meisten Menschen. Auf das Konto der Betreiber von Lonmin kämen besonders viele tödliche Grubenunfälle. Die Wohnverhältnisse der Bergarbeiterfamilien seien unerträglich. Ein Drittel der Beschäftigten werde derzeit durch "Nachauftragnehmer" gestellt und stamme aus entfernten Gebieten des Landes. Diese Arbeitskräfte seien noch schlechter bezahlt, weniger ausgebildet und erbärmlicher untergebracht als die Angehörigen der Stammbelegschaften.

Das ZK der SACP verwies darauf, daß die Nationale Union der Bergleute (NUM), die in harten Klassenkämpfen Tariflöhne durchgesetzt habe, den Minenbetreibern seit langem ein Dorn im Auge gewesen sei. Um ihr das Wasser abzugraben, hätten die Bosse - gestützt auf eine Handvoll anarchistischer NUM-Dissidenten - die Scheingewerkschaft AMCU ins Spiel gebracht. Durch deren Führung seien Teile der am meisten ausgebeuteten Lonmin-Belegschaft - aus dem östlichen Pondoland herangeschaffte Hilfskräfte - zu Verzweiflungsakten aufgehetzt worden. Ihnen habe man eingeredet, sie seien gegenüber Polizeikugeln "unverwundbar". So hätten sie sich den Ordnungskräften frontal entgegengeworfen.

Das ZK der SACP - der zweitstärksten Partei Südafrikas - wies die durchsichtigen Bestrebungen der bürgerlichen Medien zurück, die Augustereignisse als "Rivalitäten zweier Gewerkschaften" darzustellen. Diese Methode sei bereits aus den Zeiten des Apartheidregimes hinlänglich bekannt. Damals hätten Schlägertrupps COSATU-Mitglieder und vom ANC geführte Gemeinden überfallen, worauf die Presse das Geschehen sofort als "Gewalt von Schwarzen gegen Schwarze" ausgegeben habe.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney, und "The New Worker", London

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Bahrein: Ein König als Lakai der NATO-Mächte

Seit der gewaltigen Volksrevolte im Februar 2011 ist im zwar steinreichen, aber auf der Weltkarte fast nicht vermerkten Königreich Bahrein am Persischen Golf kaum ein Tag ohne Massenproteste gegen das US-hörige Regime vergangen. Bahrein war Schauplatz der relativ größten Aktionen des antiimperialistischen Widerstandes in der arabischen Welt. 400.000 von knapp 700.000 Landesbürgern, denen noch etliche "Gastarbeiter" hinzuzurechnen sind, waren an ihnen beteiligt.

Seit 2007 wird in Bahrein wieder ganz legal gefoltert. Willkürliche Massenverhaftungen ohne jede gesetzliche Grundlage sind die Regel. Vom König persönlich ernannte Richter rechtfertigen in vorauseilendem Gehorsam das brutale Vorgehen der Repressionsorgane.

Seit August 2010 haben mehrere Strafexpeditionen der Sonderpolizeieinheiten des Regimes stattgefunden, bei denen etwa 560 Personen - mehrheitlich Schiiten, aber auch Sunniten - festgenommen wurden. Bahreins Polizei und Armee machen ohne Anruf von der Schußwaffe Gebrauch. Nach einem besonders brutalen Überfall auf eine Protestdemonstration am 17. Februar d. J. wurden Ärzte und Krankenwagen, welche die zahlreichen Verletzten behandeln und abtransportieren wollten, nicht zum Perlenplatz im Zentrum der Hauptstadt Manamah durchgelassen. Selbst das Königshaus mußte hinterher eingestehen, daß systematische Folter und Gewalteinsatz gegen Kundgebungsteilnehmer begangen worden seien.

Ungeachtet dieser "besonderen Umstände" setzen Frankreich und Großbritannien ihre erheblichen Waffenlieferungen an das Mini-Königreich fort. Zur "Rechtfertigung" führen ihre Regierungen an, Rußland unterstütze ja schließlich auch Syrien auf ähnliche Weise. Man mißt hier ganz bewußt mit zweierlei Maß, indem man nicht vergleichbare Situationen auf eine Stufe stellt: Damaskus verteidigt Syriens nationale Souveränität gegen den Ansturm des Imperialismus und seiner als "Freie Syrische Armee" verkleideten 5. Kolonne, während Bahrein zu den Brückenköpfen von USA und NATO im Raum des Nahen und Mittleren Ostens zu rechnen ist. Auf seinem Territorium sind nicht nur Truppen anderer Monarchien der Region - vor allem Saudi-Arabiens, Katars und mehrerer Emirate - stationiert. Hier ankert auch die Fünfte Flotte des Pentagons.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

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Räuberisches aus der Slowakei

Wie uns die Euro-Schlinge ganz freiheitlich erdrosselt

Manche unserer tschechischen Schwestern und Brüder denken, sie wären besser dran, weil sie weiter mit ihrer Krone bezahlen. Nicht wirklich. Die Preise sind im wesentlichen wie bei uns in der Slowakei. Hier heißt die Währung Euro und dort Tschechische Krone. Diese vermittelt den recht vorteilhaften Eindruck, man ließe sie in Ruhe. Eine solche Situation bestand für uns schon nicht mehr: Wir verloren einen Vorteil und merkten das gar nicht. Zwanzig Cent sind nichts, aber die 5-Kronen-Münze - das war richtig Geld. Ein Euro hat keinen Wert, aber die 20-Kronen-Münze besaß ihn. Was lehrt uns das? Wir sehen, wie gründlich und vollständig der Wertverlust vor sich geht. Wer unsere tschechischen Nachbarn gut kennt, weiß, daß sie immer ihre Pausen und ihren "Fünfer" hatten. Wie lange noch wird sich zeigen. Die Chancen stehen derzeit gut, daß sie ihn behalten werden. Auch wenn Fünfer und Zwanziger schon viel von ihrer Kaufkraft eingebüßt haben.

Der Euro war - aus der Sicht seiner "Väter" und "Mütter - eine geniale Erfindung.

Jede wirtschaftliche Integration trägt ja objektiv und unvermeidlicherweise die Tendenz zu einer Gemeinschaftswährung in sich. Die Europäische Union wurde nicht aus selbstlosen Erwägungen geschaffen, und schon gar nicht, um Freiheit, Demokratie, Menschenrechten und Wohlstand für alle den Weg zu bahnen.

Auch der Neokolonialismus wurde ja nicht von Amateuren erfunden, sondern ist das Werk ausgefuchster und erfahrener Kolonialisten.

Es stimmt: Sie kamen mit einem Lächeln, verkündeten Glück und Wohlstand für jedermann, der dafür sei ... Wer könnte da widerstehen? Wer sollte das nicht wollen? Auch wer es nicht wollte ...

Die Europäische Union ist eine räuberische Organisation.

Elegant, hochentwickelt und mit menschlichem Antlitz stahlen und nahmen sie uns alles. Unsere altetablierten Fabriken, unsere Landwirtschaft und unsere gesunden Lebensmittel, unsere menschlichen Wurzeln, unsere Geschichte, unsere Sprache, unsere Bildung, unsere Kultur und unsere Traditionen. Wir bemerken es am Ausverkauf unserer Felder und Wälder, auch unseres Wassers. Und wenn alles verkauft sein wird, erst dann werden wir unendlich frei sein. Dann können wir bis auf die Haut entblößt und mit der Euro-Flagge in der Hand durch ganz Europa ziehen. Aber freier Eintritt in Wälder und Wasserentnahme aus dem Brunnen sind schon jetzt eine Straftat. Denn diese Freiheiten hatten sich die Kommunisten ausgedacht.

Der Euro ist nur der Anfang vom Ende. In Wahrheit haben wir bereits die Euro-Schlinge ganz fest um unsere freiheitlichen und sehr demokratischen Hälse. Und jede - auch die ungewollte - Bewegung läßt die Schlinge immer enger werden. Ohne genügend Sauerstoff aber fällt das Atmen schwer.

Aber was noch schlimmer ist und noch schwerer fällt, ist die Erkenntnis, daß die Gewinner der Ereignisse vom November 1989 eifrig an der Schlinge um unsere Hälse ziehen und es dabei prächtig verstehen, ihr Tun zu vernebeln. Für sie sind "freie und demokratische" Hälse von unbezahlbarem Vorteil.

Das Land verarmt - allmählich verlassen es die besten Köpfe und Talente, leert sich der vorzüglichste Gen-Pool. Und vielleicht ist dies auch das ultimative Ziel der berühmten Europäischen Union und des "unsterblichen" Euro.

Zu jedem Unglück gibt es Alternativen. Nur - wie sollen Unfreie sie erkennen?

Ein Tsunami mit einer gewaltigen und tödlichen Welle ist dabei, auf uns zuzurollen. Wie immer wollen die meisten davon nichts wissen, nichts hören und nichts sehen. Doch es ist schon Zeit, vor ihm zu fliehen. Es ist hohe Zeit für die Suche nach einer Alternative.

Wohin fliehen vor der Katastrophe?

Etwa 400.000 oder mehr von uns laufen jedes Jahr zu den Arbeitsämtern. Eine ähnliche Zahl flüchtet sich alljährlich ins Ausland. Allein im vergangenen Jahr gingen wieder über 3300 slowakische Frauen dort arbeiten. Hilft das? Vielleicht würde es helfen, liefen wir alle zum Arbeitsamt. Einigen zumindest ginge dann ein Licht auf.

Nach der Konterrevolution richteten sie uns ein Institut des Nationalen Gedenkens ein. Diese unglaubliche Säule unserer Freiheit und Demokratie wird viel zu wenig genutzt. Also schicken wir dahin - per Post und per Einschreiben - einen Antrag, mit dem wir dieses Institut auffordern, unser nationales Gedächtnis zu dokumentieren: unsere dutzendweise abgerissenen und zerstörten Fabriken, Hunderte unserer demolierten Genossenschaften und Staatsgüter, Lebensmittelkombinate und Molkereien, Mühlen und Bäckereien, Fleischkombinate, Zuckerfabriken, Brauereien, Kinderkrippen und Kindergärten ... und das vielschichtige Lebensschicksal von Hunderttausenden Familien.

Dr. phil. Michal Dienes, Michalovse (Slowakei)

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Ein Fuchs, der keine Gänse stiehlt, aber nach deren Keule lechzt

Wenn sie an den kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnissen etwas ändern würden, wären Wahlen längst abgeschafft. Dennoch sind sie ein wichtiger Gradmesser für das Maß der Einschläferung oder des Erwachens politischer Bewußtheit. Auch 2013 geht es nicht um die Änderung der Gesellschaftsordnung, sondern um die Verteidigung der immer stärker untergrabenen bürgerlichen Demokratie gegen das Vordringen faschistoider und großmachtchauvinistischer Parteien. Mit anderen Worten: Die schwarz-gelbe Koalition der Merkels, Seehofers und ihres FDP-Wurmfortsatzes muß abserviert werden!

Dazu bedarf es einer maximalen Stärkung des antifaschistisch-demokratischen Potentials, vor allem aber ihres konsequent linken Kerns aus Kommunisten und Sozialisten.

Deren Tribüne ist nun schon seit fast 15 Jahren der ständig Boden gewinnende "RotFuchs". Seite an Seite mit der "jungen Welt" - der einzigen sozialistischen Tageszeitung in der BRD - und im Bunde mit anderen couragierten Periodika steht der RF wie ein Leuchtturm im Ozean finsterster Massenverdummung.

Dabei besitzt er weder Mäzene noch ein für seine finanzielle Absicherung sorgendes parteipolitisches Hinterland. Ihm greifen auch keine dubiosen Stiftungen oder der "reiche Onkel aus Amerika" hilfreich unter die Arme.

Daß wir bei monatlich fünfstelligen Druck- und Versandkosten niemals in die roten Zahlen geraten sind, verdanken wir unserer treuen Leserschaft und den über 1600 Mitgliedern des RF-Fördervereins. Sie haben dieses rote Blatt wie eine Fahne hochgehalten, beschirmt und gestärkt. Durch ihre großzügige Spendenbereitschaft ermöglichten es all jene, welche etwas beisteuern konnten, daß wir für den RF niemals einen Preis erheben mußten. Doch im Herbst, wenn die Reserven fast erschöpft sind, müssen wir uns alljährlich im weihnachtlichen Vorfeld an Genossen, Freunde und faire Andersdenkende mit der Bitte wenden, beim Einkauf ihres "Festtagsbratens" auch unseren Fuchs mit einer für ihn überlebenswichtigen symbolischen Gänsekeule zu bedenken.

Da wir in den letzten Jahren leider etliche besonders spendable alte Leserinnen und Leser durch Tod oder sie schwächende Krankheit verloren haben, ist unser Anliegen diesmal noch dringlicher als sonst: Bitte laßt den dieser Ausgabe beiliegenden Überweisungsschein nicht unbeachtet!

Dabei versteht es sich von selbst, daß kein einziger RF-Leser, der da nicht mithalten kann, auf seine Zeitschrift in Zukunft verzichten muß.

Herzlichst
Eure "RotFuchs"-Redaktion

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Polens KP: Der Intoleranz die Zähne gezeigt

Im weißen Polen ist das Zeigen roter Symbole nicht gestattet. Besonders Hammer und Sichel - die Insignien der kommunistischen Weltbewegung - reizen die wieder zur Macht gelangte Ausbeuterklasse und deren politische Prokuristen bis aufs Blut. Doch Polens Kommunisten geben nicht klein bei. Sie trotzen dem Verbot. Auf ihrer Internetseite und im Kopf der Monatszeitschrift "Brzask" (Morgenröte) zeigen sie immer wieder Flagge. Mut, der imponiert!

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Neues Werk polnischer Professoren zu China

Unser Autor, Freund und Genosse Prof. Dr. Zbigniew Wiktor - er war Vorsitzender des einstigen Bundes Polnischer Kommunisten (ZKP) - hat unlängst ein gemeinsam mit Prof. Mieczyslaw Rakowski verfaßtes neues wissenschaftliches Werk vorgelegt. Sein Titel lautet: "Entwicklung und Prognose Chinas in der sich verändernden Welt". Der namhafte Politologe der Universität Wroclaw, dem reaktionäre Kreise Polens seinen Professorentitel streitig machen, hat in den zurückliegenden Jahren wiederholt eine Gastprofessur an der zentralchinesischen Universität Wuhan wahrgenommen. Gegenwärtig hält er erneut an dieser renommierten Bildungsstätte der Volksrepublik China Vorlesungen.

Professor Wiktor studierte und promovierte an der seinerzeitigen Leipziger Karl-Marx-Universität, während der ebenfalls als China-Kenner geltende Prof. Rakowski am Institut für Ökonomie der Polnischen Akademie der Wissenschaften tätig war. Das über 500 Seiten umfassende Werk setzt die 2008 erschienene Publikation Zbigniew Wiktors "China auf dem Weg der sozialistischen Modernisierung" fort. Der "RotFuchs" wird es in der nächsten Ausgabe seinen Lesern vorstellen.

K. S.

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Er schuf die "Apotheose des Krieges"

Vor 170 Jahren wurde der große russische Maler Werestschagin geboren

Während des Russisch-Japanischen Krieges geriet das Panzerschiff "Petropawlowsk" am 13. April 1904 auf eine Mine und sank. An Bord befanden sich auch Admiral Makarow und der russische Schlachtenmaler Wassilij Werestschagin. Warum wird in der heutigen Zeit mit ihren vielen blutigen Kriegen ausgerechnet an einen Schlachtenmaler erinnert?

Werestschagin wurde am 26. Oktober 1842 als Sohn eines russischen Gutsbesitzers und einer Tatarin geboren. Aus der Petersburger Kunstakademie trat er 1863 mit zwölf anderen Schülern aus, um eine Genossenschaft für volksnahe Wanderausstellungen zu gründen.

Nach Aufenthalten in Paris und München, wo seine Turkestan-Serie, aber auch erste realistische Kriegsbilder entstanden, stellte er 1874 in Petersburg aus. Seine Werke fanden bei den Betrachtern großen Beifall. Doch Zar Alexander II. haßte sie ebenso wie sein Nachfolger Alexander III. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. erklärte: "Jedes Bild dieses Malers ist eine Anklage gegen den Krieg." Den aber wollten die deutschen Imperialisten ja gerade vom Zaun brechen!

Als Werestschagin seine Bilder in Berlin zeigte, erschien auch Feldmarschall Moltke, um sie zu betrachten. Werestschagin geleitete ihn durch die Ausstellung. Als Militär offenbarte Moltke durchaus Interesse. Dann aber führte der Maler seinen hohen Gast zu dem Gemälde "Apotheose des Krieges", das eine Pyramide aus aufeinandergeschichteten Schädeln zeigt. Der Maler übersetzte dem Marschall den russischen Text: "Allen großen Eroberern gewidmet - den früheren, jetzigen und künftigen" Der "Sieger von Sedan" schien unbeeindruckt, verbot aber den deutschen Offizieren und Soldaten ausdrücklich den Ausstellungsbesuch.

Doch in Rußland wie im Ausland nannte man Werestschagin den "Maler mit dem rächenden Pinsel", den "Apostel der Menschlichkeit" und sah in ihm einen "echten Historiker des Jahrhunderts".

Der berühmte russische Maler Ilja Repin sagte über Werestschagin: "Wenn du auf diesen Koloß blickst, scheint alles ringsherum so klein, so nichtig."

In Frankreich stellte man Werestschagin in eine Reihe mit Tolstoi und Dostojewski. In der österreichischen Presse war zu lesen, seine Bilder wirkten wie eine flammende Predigt gegen jene, welche die Schrecken des Krieges entfesseln. Und eine deutsche Zeitung schrieb, Werestschagin habe "dem modernen Krieg den letzten poetischen Lügenschleier heruntergerissen".

Der Maler hatte 1860 die Seekadettenschule in St. Petersburg absolviert. An mehreren Feldzügen beteiligt, erhielt er bei der Eroberung von Samarkand durch russische Truppen 1868 sogar das Georgskreuz.

Doch Werestschagin, dessen Bilder in Petersburg und Moskau ebenso wie in Paris, London, Wien, Berlin, Budapest und New York gezeigt wurden, entlarvte das Wesen der Kriege, den Tod und das Leid der Betroffenen. Während des Russisch-Türkischen Krieges 1877/78 saß er mit den Soldaten im vereisten Schützengraben, sah er Bulgariens verbrannte Dörfer. Wer einmal sein Bild "Auf dem Schipka ist alles ruhig" gesehen hat, wird es nicht mehr vergessen. Es zeigt einen erfrierenden russischen Wachtposten, dessen Ablösung man vergessen hatte.

Nicht anders verhält es sich mit der künstlerischen Darstellung "Rückzug der Franzosen aus Rußland". Es ist eines aus dem Zyklus von 20 historischen Bildern über den Anti-Napoleonischen Krieg 1812, an dem Werestschagin von 1889 bis 1900 arbeitete. Aus dem Schnee ragen Arme, Köpfe, Pferdehufe. Den Weg entlang schleppen sich durch Kälte und Hunger gequälte Menschen. Über ihnen kreisen Schwärme von Krähen. Nur das war vom Feldzug des "genialen" Kriegsherrn Napoleon geblieben. Von 1874 bis 1876 reiste Werestschagin durch Indien, um über die Eroberung des Landes durch die Briten auf seine Weise zu berichten. Auf einem seiner hier entstandenen Bilder ist die Erschießung von Indern durch die britische Kolonialsoldaten zu sehen. Die Gefangenen sind an den Kanonenmündungen festgebunden und die Briten warten nur noch auf den Befehl zum Schießen.

Doch auch solche Bilder vermochten den rund zehn Jahre nach Werestschagins Tod beginnenden Ersten Weltkrieg nicht zu verhindern.

Dr. Kurt Laser, Berlin

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Auskünfte über die Matrosen von Wieck

Die Greifswalder GST-Marineschule trug den Namen eines antifaschistischen Helden

An der ehemaligen Hochseejachtenstation/Seesport- und Marineschule erhielten von 1954 bis 1989 rund 25 000 überwiegend junge Bürger der DDR eine solide Ausbildung.

Damals wie heute galt und gilt für alle seefahrenden Nationen, an der Sicherheit ihrer Küsten und Seeverbindungswege sowie der Seewirtschaft im weitesten Sinne interessierten Menschen attraktive Berufsperspektiven zu eröffnen. Der maritime Sport macht uns mit der Schönheit und urwüchsigen Kraft des Meeres vertraut, fördert aber zugleich auch den Sinn für das Kollektiv und Verantwortungsbereitschaft.

Nach gründlichen Recherchen, vor allem der geographischen Lage, der Nähe zur Universitätsstadt Greifswald und geringerer Baukosten als in Rostock, wurde 1958 entschieden, in Greifswald-Wieck die neue Marineschule der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) entstehen zu lassen. 1959 erfolgte die Umbenennung der vorherigen Hochseejachtenstation. Das Grundkonzept bestand darin, die theoretische Unterweisung mit der praktischen Bordausbildung zu verbinden. Dabei sollte in drei Hauptrichtungen vorgegangen werden:

Erstens benötigte man für die Seestreitkräfte/Volksmarine und die zivile Schifffahrt der DDR Offiziere und Besatzungen. Durch eine seemännische und schiffstechnische Vorausbildung sollten junge Leute für künftige Seefahrtberufe motiviert und auf diese vorbereitet werden. Dazu dienten Lehrgänge auf dem Segelschulschiff und verschiedenen Motorschulschiffen. Jugendliche aus allen DDR-Bezirken, vorwiegend Lehrlinge mit Berufsausbildung und Abitur sowie Abiturienten der Erweiterten Oberschulen, die sich als Offiziersbewerber für die Volksmarine entschieden hatten, aber auch freiwillig längerdienende Unteroffiziersbewerber und Matrosenspezialisten erhielten die Möglichkeit, einen Vorbereitungslehrgang zu belegen. Das betraf auch Lehrlinge der Betriebsberufsschule der Deutschen Seereederei, mit der es eine besondere Vereinbarung gab.

Die Vorleistungen der Marineschule der GST wurden bei den Lehreinrichtungen der Volksmarine, der Offiziershochschule, der Flottenschule und der Schiffsstammabteilung erwartet. Auch die Vorbereitungslehrgänge künftiger Marinetaucher, Kampfschwimmer und Pioniertaucher fanden an dieser zentralen Einrichtung der GST statt.

Die Lehrgangsteilnehmer wurden entsprechend ihrer beruflichen oder schulischen Vorbildung und ihrer persönlichen Neigungen ausgebildet. Dabei erprobte man nacheinander verschiedene Modelle einer differenzierten Vorbereitung auf maritime Laufbahnen. Am besten bewährten sich die Lehrgänge für seemännisch-nautische und schiffsmaschinentechnische Laufbahnen.

Die praktische Seeausbildung bei Tag und Nacht fand vorwiegend im Greifswalder Bodden sowie in der mittleren und östlichen Ostsee statt. Sie prägte Charakter, Kollektivgeist und Selbstbewußtsein der seemännisch interessierten Jugendlichen.

Zweitens wurden für die Seesport- und Tauchsportsektionen der GST, für maritime Zentren in den Bezirken und Kreisen der DDR Ausbilder, Übungsleiter, Tauchlehrer, Bootsführer für Binnenwasserstraßen, Seewasserstraßen und Seestraßen sowie Techniker und Wettkampfrichter gebraucht. Sie konnten sich an der Marineschule aus- und weiterbilden. So bestanden 1989 in der DDR 400 Seesportsektionen mit 19.000 Mitgliedern und 180 Tauchsportsektionen mit 8000 Mitgliedern.

Neben ihrer Teilnahme an Kreis-, Bezirks- und DDR-Meisterschaften waren die See- und Tauchsportler der GST auch bei internationalen Wettkämpfen vertreten. Der Tauchsportverband der DDR war seit 1967 ordentliches Mitglied des Sportkomitees und des Technischen Komitees des Welttauchsportverbandes CMAS. Der DDR-Tauchsport erwarb sich besonders in den Wettkampfdisziplinen Flossenschwimmen / Streckentauchen / Orientierungstauchen internationales Ansehen.

Jährlich fanden entsprechende Lehrgänge für ehrenamtliche Funktionsträger des See- und Tauchsportes statt. Die Lehrgangsteilnehmer wurden für diese Qualifizierung bei Weiterzahlung ihrer Einkommen freigestellt. Sie erwarben neben fachspezifischem Wissen zugleich auch pädagogisch-methodische Kenntnisse und Erfahrungen für ihre künftige Tätigkeit.

Drittens wurde das hauptamtliche maritime Stammpersonal der GST durch Lehrgänge, Schulungen, Erfahrungsaustausch, methodische Konferenzen, Lehrvorführungen und Navigationsbelehrungsfahrten an der Marineschule aus- und weitergebildet. Überdies fanden solche Lehrgänge im Auftrag des Seefahrtsamtes der DDR für Angehörige der Küstenschifffahrt, insbesondere der Fischerei- und der Technischen Flotte zum Erwerb der Berechtigungen und Patente als Schiffsführer, Schiffsmaschinist der Küstenfahrt, Rettungsbootsmann, Feuerlöschbootsmann und zur Erteilung der Seefunksprecherlaubnis an der Marineschule statt.

Das seemännisch-nautische und schiffsmaschinentechnische Stammpersonal der Schulschiffe besaß Qualifikationen als Offizier oder Unteroffizier bei der Volksmarine, in der zivilen Schiffahrt sowie durch Aus- und Weiterbildung an der Seefahrtschule. Viele erwarben den Abschluß als Ingenieur-Pädagoge bzw. Lehrmeister. Im August 1967 erhielt die Marineschule der GST den Namen des Hamburger Schiffsjungen, späteren Matrosen der Kaiserlichen Marine und Kommunisten August Lütgens, der zu den ersten Opfern der Faschisten gehörte. Er wurde am 1. August 1933 in Altona mit dem Handbeil hingerichtet. Sein Vermächtnis wie auch das der Namensgeber der Schulschiffe Wilhelm Pieck, Ernst Thälmann und Artur Becker waren fester Bestandteil der Traditionspflege an unserer Einrichtung.

Mit Auflösung der GST im April 1990 wurde die Lehrtätigkeit an der Schule eingestellt. Es folgte eine monatelange "Abwicklung". Dennoch gibt es gute Gründe, hier all jenen zu danken, welche der Hochseejachtenstation, Seesport- und Marineschule über viele Jahre hinweg Unterstützung und Förderung haben angedeihen lassen.

Korvettenkapitän a. D. Dr. Helmut Sieger, Strausberg

Unser Autor war von 1958 bis 1972 Schulleiter in Wieck.

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Griff in die literarische Schatztruhe

Einst erfolgreiche DDR-Autoren dem Vergessen entreißen! (1)

Der 1917 geborene Boris Djacenko konnte auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Wegen seines Auftretens gegen die faschistische Diktatur wurde er vom Gymnasium verwiesen, arbeitete als Schauermann und Matrose, studierte an der Rigaer Universität Philosophie, wurde wegen illegaler politischer Tätigkeit exmatrikuliert und begab sich als blinder Passagier nach Rotterdam. Er durchstreifte mehrere Länder Europas und Nordafrikas, bis man ihn in Paris bei einer Flugblattverteilung festnahm. 1940 lieferte man ihn aus dem französischen Internierungslager Vernet an Hitlerdeutschland aus. In Berlin schloß sich Djacenko einer Widerstandsgruppe ausländischer Zwangsarbeiter an und wurde schließlich Offizier der Roten Armee.

Nach Kriegsende wies er sich als Meister der kleinen Form aus, verfaßte Erzählungen und Novellen. Sie fanden Eingang in die Bände "Wie der Mensch Gesicht bekam", "Das gelbe Kreuz" und "Aufruf in der Nacht" und boten Stoff zum Grübeln, da Merkwürdiges und Erschütterndes mitgeteilt wurde. Sein spannender Roman "Herz und Asche" (1954) enthielt viel eigenes Erleben und gründete sich auf Erfahrungen Djacenkos in Frankreich und als illegaler Widerstandskämpfer in Nazi-Deutschland.

In seinem Roman "Nacht über Paris" (1965) verfolgte der Autor das abenteuerliche Leben eines jungen Franzosen. Djacenkos Romane "Aufruhr in der Königsgasse", "Das geborgte Gesicht" und "Die Enthauptung der Mona Lisa" fanden auf Grund seiner Befähigung zum Fabulieren viele Leser. Unter dem Pseudonym Peter Adams veröffentlichte er eine Reihe Kriminalromane, in denen auch Humor und Satire nicht zu kurz kamen. Zwei der Titel lauteten "Diamant im Storchennest" (1969) und "Mord im Schloß" (1971).

Schon Anfang der 50er Jahre machte Djacenko auch als Dramatiker auf sich aufmerksam. Seine Stücke "Menschen an der Grenze" und "Dschungel" wurden in Berlin und Dresden uraufgeführt. 1966 folgte in Leipzig "Unterm Rock der Teufel", zwei Jahre später eine Neufassung an der Volksbühne in Berlin. 1974 veröffentlichte Boris Djacenko unter seinem Namen die Partisanengeschichte "Angriff der Sonnenblumen". Der Autor, der 1975 starb, war etliche Jahre mit Erwin Strittmatter befreundet.


Der 1929 geborene Landarbeiter und Maurer Rudolf Bartsch besuchte nach dem Krieg zunächst ein Lehrerbildungsinstitut und nahm Mitte der 50er Jahre sein Studium am Literaturinstitut in Leipzig auf. Nach der Mitarbeit an Zeitschriften debütierte er 1953 mit dem Roman "Man kann nicht immer stumm sein". Bemerkenswert waren auch der satirische Roman "Tür zu - es zieht" (1956) und "Ein Zug fiel aus" (1959). Auf Zustimmung und Ablehnung stieß Bartschs Roman "Geliebt bis ans bittere Ende" (1958), in dem er eigene Erlebnisse aus den Jahren 1945 bis 1956 literarisch verarbeitete. Rezensenten bezeichneten ihn als "Entwicklungsroman ohne Entwicklung" und "Roman über einen Skeptiker", der "einen nicht alltäglichen Eindruck" hinterlasse. Nach über vierzig Begegnungen mit Lesern und angesichts recht heftiger Literaturkritik entschloß sich der Autor, sein Werk zu überarbeiten. Die Neufassung mit Verzicht auf einige stilistische Entgleisungen und mit zusätzlich eingeführten Gestalten erschien 1961. In seinem Roman "Zerreißprobe", der 1969 herauskam, kehrte der junge Schriftsteller zu Motiven und Figuren aus "Geliebt bis ans bittere Ende" zurück. In einem Arbeitsstenogramm äußerte er 1971, er sitze an einem Werk über den jungen Friedrich Engels und habe darüber hinaus das Manuskript zu "Auffindung eines Mörders" gerade beendet. Am 21. Juni 1980 starb Rudolf Bartsch im Alter von nur 51 Jahren.


Peter Brock, Jahrgang 1916, stammte aus Bismarckhütte in Oberschlesien. Er war u. a. zwischen 1952 und 1960 als Lektor des Mitteldeutschen Verlages Halle tätig. Seit 1961 wies er sich als Verfasser von Märchenspielen, Filmszenarien, Hörspielen und Kinderbüchern aus.

Er war Szenarist der Filme "Der kleine Kuno" (1959) und "Küßchen und der General" (1961), aus denen er seine gleichnamigen Kinderbücher entwickelte. Auf die Filmszenarien zu "Geheimarchiv an der Elbe" und "Der Schweinehirt" (beide 1963) folgte das Kinderbuch "Die Wunderbrille" (1964). Nach seinem Hörspiel "Ein Klavier kommt ins Haus" (1964) schrieb er das Kinderbuch "Spiel doch Klavier, Jeanette!" (1966) und nach "Gestatten Oskar" (1967) das gleichnamige Kinderbuch (1969). Zwischen 1968 und 1974 verfaßte Brock mehrere Hörspiele für die Sendereihe "Neumann 2 x klingeln". Mit "Ich bin die Nele" (1975) gelang Brock sein bestes Kinderbuch. Nele Sonntag, ein verkappter Eulenspiegel ihrer Zeit, verbreitete Frohsinn und Heiterkeit, worauf es Brock in vielen seiner Bücher ankam. Das phantasievolle, unternehmungslustige und hilfsbereite Mädchen entwickelte originelle Ideen. Das Buch wurde in den Literaturlehrplan der 6. Klassen aufgenommen. In der Erzählung "Bine und die Park-Oma" (1978, illustriert von Manfred Bofinger, als Fernsehspiel 1978) ging es um eine sich allein fühlende Achtjährige und eine einsame alte Frau. 1980 veröffentlichte Brock in der beliebten Reihe "Die kleinen Trompeter-Bücher" sechs schnurrige Geschichten unter dem Titel "Das Zaubertelefon". Die Werke des 1982 verstorbenen Autors lagen in fast 50 Auflagen mit insgesamt einer Million Exemplaren vor. Sie wurden ins Russische, Lettische, Ungarische und Slowakische übersetzt.

(Die Reihe wird fortgesetzt.)

Dieter Fechner

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Rote Kranzschleifen im Visier der Gendarmen

Zum schweren Grubenunglück auf "Lothringen" vor 100 Jahren

In hiesigen Medienberichten wurde an das verheerende Grubenunglück erinnert, das sich am 8. August 1912 - vor 100 Jahren - auf der Zeche "Lothringen" in Gerthe (Landkreis Bochum) zutrug. Bei einer Schlagwetterexplosion in 350 m Tiefe waren damals 144 Bergleute ums Leben gekommen. Viele andere Kumpel wurden verletzt. Sicherheitsmängel und eine unzureichende Wetterführung (Frischluftzufuhr) wurden als Hauptursachen für die Explosion ermittelt. Weniger das Unglück selbst, sondern vor allem die Tatsache, daß Wilhelm II. Bochum einen Kondolenzbesuch abstattete, machte die tragischen Ereignisse im Deutschen Reich schlagartig bekannt. Das resultierte in beschönigenden und "deutschnational" gefärbten Berichten, die noch heute manchen als Grundlage von Geschichtsbetrachtungen dienen.

Ausgeblendet werden meist die sozialen und politischen Hintergründe der Tragödie auf "Lothringen". Die Benennung der Zeche erfolgte nach dem Krieg Preußens gegen Frankreich (1870/71) und der Annexion Lothringens durch das in Versailles proklamierte Deutsche Reich. Der Name sollte die expansionistischen Ansprüche Deutschlands unterstreichen, die schließlich den I. Weltkrieg auslösten.

Zu den wesentlichen Ursachen des Unglücks zählten vor allem auch die damaligen Arbeitsbedingungen. Noch im März 1912 hatten die Bergleute des Ruhrpotts mit einem gewaltsam unterdrückten Streik auf ihre verheerenden Einkommens- und Arbeitsverhältnisse aufmerksam gemacht. Bei den Trauerfeierlichkeiten war den Kumpels nur eine Nebenrolle zugedacht worden. Ihre eigenständigen Meinungsäußerungen wurden unterdrückt. So mußten rote Kranzschleifen vor Beginn der Beisetzungszeremonie entfernt werden. Bei Nichtbeachtung riß sie die Polizei einfach von den Gebinden ab. Das ist einem Bericht des Amtsmanns von Harpen im Landkreis Bochum zu entnehmen, den man im Stadtarchiv nachlesen kann.

Die "Bergarbeiter-Zeitung" vom 17. August 1912 rügte das große Aufheben um von der Zechengesellschaft gespendete 50.000 Mark und setzte diesen Betrag zu deren Gewinnsteigerung um 42% auf fast 1,5 Millionen Mark allein im ersten Halbjahr 1912 ins Verhältnis. Die ums Leben gekommenen Bergleute hätten den Grubenbesitzern in diesem Zeitraum einen Reingewinn von 122.000 Mark erbracht, von denen diese dann den Hinterbliebenen 50.000 Mark "gespendet" hätten.

Nach dem Unglück auf "Lothringen" verbesserten sich die Verhältnisse in keiner Weise. Vielmehr wurden die Arbeitshetze und die Vorgaben zur Steigerung der Kohleförderung im Rahmen der Vorbereitungen auf den I. Weltkrieg extrem erhöht. Seit dessen Beginn im August 1914 wurde sie auf den Zechen unter Einsatz von Polizei und Militär noch forciert.

Günter Gleising, Bochum

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Wage zu denken!

Schlüssiges und Abwegiges in einer Schrift Heiner Geißlers

Unorthodoxes Denken ist gefragt. Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, der neuen Erkenntnissen gegenüber bisweilen recht aufgeschlossen ist, stellt sich mit seinem Buch "Sapere aude!" (Wage zu denken!) diesem Anliegen. Die Analyse der Lebensumstände der Menschen trägt dazu bei, Voraussetzungen für eine "neue Aufklärung" zu schaffen. Heiner Geißler beschreibt die charakteristischen Züge der auf der Welt existierenden Gesellschaftsformen mit ihren absolutistischen Strukturen. Vielfältige Irrationalismen beeinflussen das Leben der Menschen. Als Gebote, Orientierungen, Vorschriften und Glaubensbekenntnisse fordern sie Teilnahme und Gefolgschaft.

Im einzelnen werden dazu, sehr konkret und durch drastische Beispiele belegt, eine Fülle von Tatsachen angeführt. Besondere Akzente setzt der Autor mit der Benennung von Schwachstellen und Unzulänglichkeiten. Es handelt sich um Informationen, die als "Rohstoff" für die erforderlichen Denkprozesse gelten können. In dieser Hinsicht leistet das Buch durchaus wertvolle Dienste. Allerdings wäre es günstiger gewesen, der Ursachenbestimmung bei den in Betracht gezogenen Entwicklungen größere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Andererseits offenbart das parteiergreifende Eingehen auf diese Probleme Geißlers Anliegen, den Menschenrechten und der Menschenwürde im Kapitalismus eine Tribüne zu verschaffen. Das umfangreiche Erkenntnismaterial bildet so die Grundlage für das Konzipieren einer Lösung. Diese ist vom Inhalt und Charakter her zunächst offen. Hier setzt die Forderung ein: Wage zu denken!

Relativ unvermittelt offeriert H. G. seine Gedanken im Ergebnis von Überlegungen zum ökonomischen System. Er plädiert für eine Rückkehr zur "sozialen Marktwirtschaft" vergangener Tage. Hierzu schreibt er: "Ihre Renaissance in Gestalt einer internationalen ökosozialen Marktwirtschaft mit geordnetem Wettbewerb und dem Ziel eines guten Lebens für alle Menschen, verbunden mit einem globalen Marshallplan, ist die humane Alternative zu einem gescheiterten Kapitalismus."

Diese Formulierung soll den Eindruck erwecken, es handle sich um zwei inhaltlich diametral entgegengesetzte Gesellschaftsmodelle.

Doch davon kann keine Rede sein! Marktwirtschaft und Kapitalismus haben gleichwertige Wesensmerkmale. Da ist vor allem das Privateigentum an den Produktionsmitteln. Dieses findet bei Heiner Geißler im Zusammenhang mit der Charakterisierung des heutigen Kapitalismus als auch der "sozialen Marktwirtschaft" überhaupt keine Erwähnung.

Zweitens bedürfte es hier der Bezugnahme auf die Marxsche Arbeitswerttheorie mit dem Mehrwert als einer entscheidenden Quelle des Profits. Drittens müßte das sogenannte Gesetz von Angebot und Nachfrage hier erwähnt werden.

Aus dem Gesagten ist darauf zu schließen, daß wir es bei Geißlers vermeintlichen "Alternativen" in Wahrheit mit einer weitgehenden Identität, also mit ein und demselben System zu tun haben, bestenfalls mit zwei relativ deckungsgleichen Varianten. Andere Gesichtspunkte sind zumindest dem veröffentlichten Text nicht zu entnehmen. So muß man das Ergebnis der Untersuchungen des CDU-Politikers als untauglich und gegenstandslos betrachten. Bestärkt wird diese Erkenntnis durch eine Reihe von Folgeerscheinungen, die sich aus dem kapitalistischen Privateigentum ergeben. Dazu gehört auch die autoritäre ("absolutistische") Leitung von Unternehmen. Wirtschaftsdemokratie ist hier ein Fremdwort.

Offensichtlich ist es dem Autor in seiner Befangenheit den Grenzen des Systems, Privateigentum und Profit gegenüber nicht gelungen, diese Schranken zu überwinden. Sein für die ökonomische Lösung des Problems ungeeignetes Untersuchungsergebnis verlangt es, der Forderung "Wage zu denken!" auch weiterhin zu folgen. Beachtliche Kräfte der Menschheit sind auf Wegen zur Erkundung und Suche von Lösungen. Als besonderer Aspekt wäre dabei hervorzuheben, daß das Verlangen nach Gemeinwohl auf der Basis von Gemeineigentum im Zentrum der Beachtung stehen muß. Diese Denkrichtung zielt auf den Sozialismus.

Abschließend sei festgestellt - sieht man von den hier erhobenen prinzipiellen Einwänden ab -, daß etliche Aussagen des Buches für die weitere Verfolgung des Themas "neue Aufklärung" durchaus nützliche Anregungen enthalten.

Heinz Gliemann, Wismar

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Ex-Boxer Archie über kommerzialisierten Sport

Nein, Archie war nie ein Fan in einem Fan-Club, auch nicht zu DDR-Zeiten. Ebensowenig rannte er mit einer rot-weißen Fahne herum und schrie "Eisern Union"! Gelegentlich ging er früher schon mal zu Fußballspielen, wo er es allerdings zunehmend eng, laut und ungemütlich fand. Dann wurde die Fan-Kurve immer gefährlicher, wenn man nicht dazugehörte. So begrüßte er die Erfindung des Fernsehens auch deshalb, weil ihm die Stadienbesuche wegen des Krawalls lästig zu werden begannen.

Leichtathletikveranstaltungen - so im Walter-Ulbricht-Stadion - zogen ihn da eher an. Er besuchte sie gemeinsam mit einem Kollegen vom Adlershofer Fernsehen, der ihn in die Geheimnisse mancher Disziplinen einweihte. Zuerst fand er das langweilig, mit der Zeit jedoch immer spannender. Schließlich hatte er ja selbst ein wenig Sport getrieben und in der HSG Humboldt-Universität geboxt.

Mit einem Rennrad war Archie zwischen Berlin und Stralsund wie ein Verrückter hin- und hergejagt, bevor er ein Motorrad besaß. So blieb ein gewisses Interesse am Sport in ihm über die Jahre hinweg bewahrt, auch wenn er die DDR-Oberligaspiele nur sporadisch am Fernseher verfolgte, weil er eben kein Fan war.

Anders verhielt es sich bei Auftritten im Ausland, zu Europapokalspielen oder bei Olympiaden. Da stand er hinter der DDR-Mannschaft, soweit er es vermochte. 1964 war die DDR im Fußball bei Olympia Dritter, 1972 ebenfalls. 1976 wurde sie sogar Olympiasieger im Endspiel gegen Polen. 1980 gewann sie immerhin die Silbermedaille. Heute hört man kein Wort mehr davon, auch nicht über die bahnbrechenden Erfolge der DDR-Athleten im Wasser und zu Lande. Erst jetzt, bei den Londoner Sommerspielen, ist der 4 x 100-m-Weltrekord der Frauen gebrochen worden, der vor 27 Jahren durch die DDR-Staffelläuferinnen Marlis Göhr, Ingrid Auerswald, Silke Gladisch und Sabine Günther aufgestellt worden war. Nach heutiger Darstellung beruhte natürlich alles auf Doping! - Aber wie hat eigentlich die US-Frauenstaffel mit ihren Stars Alyson Felix und Carmelita Jeter in diesem Jahr siegen können, möchte man hintersinnig fragen. Auf Breitensport in den Vereinigten Staaten dürfte diese Leistung doch nicht zurückzuführen sein! Schwimmt aber eine 16jährige Chinesin zu Gold, ist sie auf alle Fälle dopingverdächtig. Bei den US-Sportlerinnen sind es hingegen die Wogen der Sympathie, die sie ins Ziel tragen. Und solcherlei kommentieren Sportjournalisten der bürgerlichen Medien hemdsärmelig, rüde und salopp, so, als würde in den Vereinigten Staaten nicht eine ganze Industrie von Dopingprodukten leben.

Die Kommerzialisierung und Reduzierung der olympischen Idee allein auf Medaillengewinn stößt Archie ab. Schon ein 4. Platz ist nichts mehr wert, wird als "Holz-Medaille" verspottet. Gemeint ist hier auch der Rang der Stabhochspringerin Silke Spiegelburg - der ewigen Vierten -, die als "Mutter aller 4. Plätze" apostrophiert wurde. Selbst Thyson Gay, US-Sprinter über 100 m in 9,8 sec., ist als Vierter schon überhaupt nicht mehr der Rede wert. Eine groteske Situation! So etwas schadet dem Sport enorm. Da ist für Archie schon die gelegentliche Pleiten-Pech-und-Pannen-Parade, die es in London im Übermaß gab, interessanter und sympathischer. Auch hängt ihm der ganze Vergaberummel - wohin auch immer - zum Halse heraus, weil da stets gelogen und geschoben wird, daß sich die stärksten Olympiabalken biegen. Die ärgste Lüge ist jedoch, daß behauptet wird, die Durchschnittsbewohner der jeweiligen Austragungsorte würden von dem Rummel profitieren. Vornehmlich die Armen, deren Viertel zum Teil einfach abgerissen werden, gehen leer aus, was nicht einmal die ARD verschweigen konnte. Mit Hilfe von Olympia will man Wellness-Gefühle unter den Menschen verbreiten, um auf diese Weise soziale Abgründe zu überbrücken. Das gilt auch für die Abschlußfeierlichkeiten, die man vielleicht besser im Silvesterprogramm des Fernsehens übertragen hätte. Dabei ist Archie natürlich überhaupt nicht gegen Olympia, die Satzung und das Prinzip, daß niemand aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen von einer Teilnahme ausgeschlossen werden darf.

Die größte Gefahr für Olympia sieht er in der totalen Ausrichtung der Spiele auf den alles durchdringenden Kommerz. Beim Fußball hat das beispiellose Ausmaße angenommen. Wenn man sich Spieler aus aller Welt für astronomische Summen zusammenkaufen kann, ist keine Mannschaft mehr von eigener physischer oder psychischer Leistung abhängig, sondern allein von der Macht der Vereinskasse. Deshalb schaut Archie auch nicht mehr gerne hin. Übrigens im Unterschied zu seiner Partnerin, die zwar Fußball-Fan ist, der er aber stets die Regeln des Geschehens auf dem Bildschirm erklären muß. So auch, warum es für das Foul des Keepers einen Elfmeter gibt und er obendrein noch die rote Karte erhält. Archie kann das ebensowenig deuten wie die Blutgrätsche oder deren Auslegung. Dennoch ist er froh, eine Sportbegeisterte an seiner Seite zu haben, auch wenn diese selbst nie Sport getrieben hat. So ist das eben!

Manfred Hocke

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"RotFuchs" grüßt "Dingo"

Seit etlichen Jahren gehört zu fast jeder Ausgabe der in Sydney erscheinenden australischen KP-Wochenzeitung "The Guardian" die feste Rubrik "Dingo bytes". Dabei handelt es sich um ein phonetisches Wortspiel. Der Computerbegriff bytes wird fast genauso ausgesprochen wie bites, was Bisse bedeutet.

In einigen Ausgaben des uns freundschaftlich verbundenen großartigen kleinen Blattes, auf das der RF oft als Quelle zurückgreift, vermißte man das wackere Symbolgeschöpf des "Guardian". Dingo befand sich offenbar im Urlaub und tauchte erst jetzt wieder auf.

Der "RotFuchs" grüßt seinen alten Kumpel auf dem fünften Kontinent und mit ihm alle Kommunisten und Antiimperialisten Australiens aus seinem Berliner "Kessel" auf das herzlichste.

K. S.

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Leserbriefe an RotFuchs

Die 101jährige Toni Satzger hat mich - einen "erst" im 82. Lebensjahr Stehenden - darum gebeten, Euch ihren von Herzen kommenden Dank und ihre Freude über die im "RotFuchs" veröffentlichten Grüße und Glückwünsche zu ihrem Geburtstag zu übermitteln. Sie legt eine kleine Spende von 50 € als Dank bei. Toni ist sehr schwerhörig und kann trotz ihres Lesegeräts Texte nur noch eingeschränkt verfolgen. Dennoch ist sie zufrieden, lebt im Haus ihrer Tochter und befindet sich von morgens bis abends in einem Heim der Tagespflege. Sie ist eine glühende Anhängerin ihrer Partei und ihrer DDR. Toni sendet Euch allen ihren kommunistischen Gruß.

Günter Löschner, Zwickau


In der mir zugeschickten Ausgabe Ihrer Zeitschrift las ich den Nachruf zum Tode meines Vaters Dr. Ratscho Ratschew.
Hiermit spreche ich Ihnen meinen innigsten Dank aus. Mit freundlichen Grüßen

Bisserka Ratcheva, E-Mail


Unser Genosse Dr. Hans-Joachim Böhme, der dem Politbüro der SED angehörte, ist am 4. September verstorben. Dem entschiedenen Streiter für den Sozialismus war Solidarität stets eine Herzensangelegenheit. Wir aktiven Halleschen "RotFüchse" standen deshalb auch an seiner Seite, als der durch den Klassenfeind politisch Verfolgte unserer Solidarität dringend bedurfte.
An seinem 72. Geburtstag gab Achim uns eine den meisten noch völlig unbekannte neue Zeitschrift in die Hand - den "RotFuchs". Das war das inhaltsreiche Blatt, nach dem wir lange gesucht hatten. Dieser Augenblick gilt als der eigentliche Startschuß für die Gründung einer RF-Regionalgruppe auch in Halle. Achims Rat folgend, haben wir in den vergangenen 11 Jahren so manches auf die Beine zu stellen vermocht. Wir werden sein Andenken in Ehren bewahren.

Peter Wozniak, Halle


Mit einer besonderen Bitte wende ich mich an die RF-Leser. Viele von Ihnen kennen sicherlich den Ernst-Busch-Chor Berlin oder gehören vielleicht sogar zur Fan-Gemeinde, die uns besonders bei den Januarkonzerten anläßlich des Geburtstages von Ernst Busch die Treue hält.
Nun kommen unsere Sänger in die Jahre, so daß wir "junge Männer" zwischen 60 und 70 Jahren als "Nachwuchs" suchen. Wir würden uns freuen, wenn sich der eine oder andere Sangeslustige unter Ihnen für uns entscheiden könnte.
Wir geben im Jahr vier eigene Konzerte, haben Auftritte bei öffentlichen Veranstaltungen wie zum 1. Mai, zum Tag der Befreiung, zum Mahn- und Gedenktag, zum Tierparkfest oder treten auch in Seniorenheimen auf. Unser Repertoire umfaßt Lieder der Arbeiterbewegung, deutsche und internationale Friedens- und Volkslieder sowie Lieder des klassischen Musikerbes.
Ich bin telefonisch unter 030/5 32 52 55 zu erreichen.

Dr. Ursula Joseph, Vorsitzende, Berlin


Hinsichtlich der durch die herrschende Klasse der BRD im Zusammenhang mit den faschistischen NSU-Morden entfachten und geschürten Hysterie hege ich einen bösen Verdacht.
Ich glaube, daß man nach dem Modell des Reichstagsbrandes um eine Legitimation bemüht ist, früher oder später gegen alle demokratischen Kräfte - und zwar im weitesten Sinne - vorgehen zu können.

Peter Pöschmann, Döbeln


Im September-RF berichtete Günter Freyer über den "Sachsenhausener" SPD-Genossen Max Kreuziger. Ich möchte ergänzen: Nachdem die Sowjetarmee am 2. Mai 1945 den Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg von den SS-Banditen befreit hatte, bildete sich dort schon tags darauf eine provisorische "Parteileitung" aus Kommunisten, Sozialdemokraten und noch Parteilosen. Am gleichen Tag nahm das neue "Bezirksamt", in dem Max Kreuziger einer der beiden stellvertretenden Bürgermeister war, seine Arbeit auf. Ihm ist es zu verdanken, daß bereits am 1. August in allen Schulen des Bezirks wieder unterrichtet wurde, mehr als 1000 "Neulehrer" nach kurzer Ausbildung ihre Arbeit aufnahmen und eine Schulspeisung verabreicht werden konnte. In der Aktion "Rettet die Kinder!" wurden Kleidungsstücke gesammelt, Spielzeug hergestellt und die "Kinder-Weihnacht" vorbereitet.
Als Max Kreuziger am 12. März 1953 starb, hatte sein Sohn Dieter bereits den Stafettenstab übernommen. Er war Direktor einer Grundschule, später Schulinspektor und dann langjähriger Stadtbezirksschulrat im Prenzlauer Berg.

Dr. Ernst Heinz, Berlin


Danke für Günter Freyers Beitrag über Max Kreuziger. Seinem Anliegen entsprechend hatte Genosse Kreuziger bestimmt auch einen Anteil an der Gründung von Vorstudien-Anstalten und ihnen nachfolgenden Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten in der DDR. Welche hervorragende Rolle haben in seinem Sinne deren Absolventen gespielt! Das sagt einer, der vor 60 Jahren die ABF Leipzig absolviert hat.

Dr. Werner Ettelt, Berlin


Der zurückliegende 100. Geburtstag Erich Honeckers veranlaßt mich, auf einen markanten Wesenszug des DDR-Spitzenpolitikers hinzuweisen: Er war zutiefst vom gesetzmäßigen Sieg des Sozialismus überzeugt, was auch in seinen Worten zum Ausdruck kam: Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.

Günther Röska, Leipzig


Diese Zeilen schreibe ich, um auf unsere Initiative für Lancelot Armstrong hinzuweisen, der seit über 20 Jahren im Todestrakt eines Gefängnisses von Florida/USA sitzt und dort auf seine Hinrichtung wartet. Er soll einen Polizisten erschossen haben. Obwohl Lancelot stets seine Unschuld beteuert hat und die Hauptbelastungszeugin Kay Allen ihre Aussage zurückzog, die man ihr unter Druck entlockt hatte, wurde ihm bis heute eine Wiederaufnahme des Verfahrens verweigert.
Nähere Einzelheiten erfahrt Ihr auf unserer Internetseite www.lancelot-armstrong.de.

Peter Koch, E-Mail


Mir ist die Aufrechterhaltung des Kontakts zwischen den Linkskräften ein wichtiges Anliegen, auch wenn es - bei aller politischen Gemeinsamkeit - unterschiedliche Auffassungen gibt. Für mich bleiben Marx, Engels und Lenin die politische Richtschnur, gerade wenn es um die Einheit von Organisation und Ziel geht. Die große Lehre des April 1946 darf nicht in Vergessenheit geraten.
Das Kernproblem der Linkspartei nach Erfurt und Göttingen besteht darin, nicht zuzulassen, daß im Anschluß an die Parteitage immer alles auf den Kopf gestellt wird. Die ehrlichen marxistischen Kräfte müssen sich durchsetzen und ohne Kompromisse den Kampf gegen Imperialismus, Sozialabbau, Neofaschismus und Merkels Europapolitik aufnehmen.

Hans Nieswand, Potsdam


Geschichte läßt sich nicht verbiegen, doch Menschen versuchen, sie in ihrem Sinne und zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die Weltgeschichte liefert genügend Beispiele dafür, wie bürgerliche Parteien und Medien auf solche Weise wirken. "Bild" stellt das seit 60 Jahren täglich unter Beweis. Angesichts dessen erscheint mir die Übermittlung des Vermächtnisses unserer Arbeiterveteranen an die Nachwelt größte Bedeutung zu erlangen. Aufschlußgebende Materialien vor allem aus der Geschichte der regionalen Arbeiterbewegung sind ja noch reichlich vorhanden. Sie dürfen nicht unter die Räder und in Vergessenheit geraten. Dazu muß besonders die Partei Die Linke einen Beitrag leisten. Es gilt, die Vergangenheit kritisch und selbstkritisch zu hinterfragen, sich zugleich aber ohne Wenn und Aber zu ihr zu bekennen. Dabei denke ich an die Worte von Elias Canetti: "Feig, wirklich feig ist nur, wer sich vor der Erinnerung fürchtet!"

Siegmar Knobloch, Blankenstein


Ein Landesparteitag, der schmerzt. Ähnlich und drastischer brachten es einige Delegierte aus Mecklenburg-Vorpommern nach den Beratungen zum Ausdruck, die am 15. September in Ludwigslust stattfanden. Unter der Führung von Steffen Bockhahn wurde ein in Ton und Stil unerfreulicher Dirigismus entwickelt. Er sollte der innerparteilichen Demokratie ein Zwangskorsett verordnen. Erschreckend dogmatisch mußte der Umgang mit Andersdenkenden in der eigenen Partei erlebt werden. Ausgehend von einem Landesvorsitzenden, der nicht für das in Erfurt beschlossene Parteiprogramm gestimmt hat.
Beim Angriff auf Marianne Linkes Stralsunder Kreisorganisation, deren angestrebte Auflösung scheiterte, ging es nicht in erster Linie um Strukturen, sondern um politische Inhalte.
Von Steffen Bockhahn und Helmut Holter hörte man kein Wort zu den Aktivitäten der unter ihrer Mitwirkung gebildeten informellen Gruppe der Vorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden aus den östlichen Ländern. Auch Bundesgeschäftsführer Mathias Höhn hüllte sich bei seinem Ludwigsluster Auftritt in Schweigen. Ich werte das als ein Zurückrudern. Die "Ostgrößen" hatten die Parteibasis nicht mitgenommen. Im Internet sah ich fast nur herbe Ablehnung für solche befremdlichen "Demokratie-Initiativen".

Karl Scheffsky, Schwerin


Als Vorstandsmitglied der PDL-Basisorganisation Crivitz frage ich mich: Wohin sind wir unterwegs? Weiß das "Die Linke" überhaupt? Es wird mehr darüber diskutiert, was wir unterwegs tun. Die vorgegebene Linie des Erfurter Parteiprogramms mit der Zielsetzung, den Kapitalismus zu überwinden, sollte richtungweisend sein. Ich vermisse jedoch die deutliche Handschrift, die uns beim politischen Gegner unbeliebt, in der Bevölkerung aber zum Freund und Partner macht.
Daß wir innerhalb unserer Partei verschiedenen Strömungen ausgesetzt sind, pfeifen nun schon die Spatzen von den Dächern. Das schadet der PDL insofern, als nicht alle das Ziel, den Kapitalismus zu überwinden, tatsächlich verinnerlicht haben. Dieser Zustand macht das Wort "Aktionseinheit" zu einem Fremdwort! Meine Sorge ist groß ...

Peter Dornbruch, Crivitz


Mit der relativen Ruhe in der "Linken" ist es wieder mal vorbei. Ausgelöst durch einen Brief, der wegen angeblicher Benachteiligung der Ostverbände geschrieben wurde. Das meint ein Genosse Lederer, der bei uns nicht bekannt ist. Wir wissen auch nicht genau, worum es eigentlich geht. So vermuten wir, daß die Spitzenfunktionäre der Linkspartei in den östlichen Bundesländern mehr zu sagen haben wollen, weil in ihren Listen mehr zahlende Mitglieder als im Westen erfaßt sind. Doch bei der letzten Bundestagswahl war die Zahl derer, welche die Linkspartei wählten, im Westen absolut höher als im Osten. Oder geht es vor allem um mehr Abgeordnetenmandate? Auch wenn wir den Grund dafür, daß erneut Unruhe geschaffen worden ist, nicht kennen, wissen wir aber, daß der Rückwärtsgang auch bei den Wählerzahlen der PDL im Osten eingelegt ist. Aus mit Regierungsbeteiligung in Berlin und Schwerin! Das sehr gute Ergebnis bei den Bundestagswahlen vor drei Jahren war nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, daß wir mit Oskar Lafontaine eine Persönlichkeit an der Spitze hatten. Halblinke Reformer, die sich bei Kriegsparteien anbiedern möchten, brauchen wir nicht. "Die Linke" gehört derzeit als starke Kraft in die Opposition, um den Bürgern deutlich zu sagen, wohin die Rezensions- und Inflationskarre des Raubtierkapitalismus rollt.

Werner Juhlemann, Geithain


Unter der Schlagzeile "Linke soll wieder mehr vom Osten lernen" spannte sich das ND abermals vor den Karren der sogenannten Realos. Seit Wochen gebe es eine geplante Geheimaktion ostdeutscher Linker, die nach der Niederlage in Göttingen die Macht zurückgewinnen wollen, wußte Springers "Die Welt".
Als Sozialist kann man nur davor warnen, vor den 2013 anstehenden Bundestagswahlen eine neue Schlammschlacht zu beginnen. Allein in Berlin verlor die Partei durch die ständigen Grabenkämpfe im Herbst 2011 die Hälfte ihrer Wähler. Die wahren Sozialisten müssen, wenn die PDL bei den nächsten Wahlen wieder in den Bundestag kommen will, allen Versuchen einen Riegel vorschieben, die Göttinger Beschlüsse zu unterlaufen. Die Kuh ist noch lange nicht vom Eis.

Günter Bartsch, Berlin


Wildeste Geschichten über die DDR werden ständig erfunden und verbreitet. Da erzählt z. B. eine Reporterin im MDR 1, bei Geburtstagsfeiern in der DDR habe es keinen Bohnenkaffee, sondern immer nur "Blümchen" gegeben. Überdies wird nach wie vor behauptet, Pfarrerskinder hätten nicht studieren dürfen, obwohl doch zwei "Christen" aus der DDR unterdessen die höchsten Ämter in der BRD bekleiden. Besitzen diese etwa nur Volksschulbildung?
Auf keinen Fall darf die Mär von den ihren Eltern weggenommenen und mißhandelten Heimkindern fehlen. Dabei ist gerade im heutigen Sachsen die Zahl der Minderjährigen stark angewachsen, die bei Pflegefamilien oder in Heimen untergebracht werden müssen.
In den 10. Klassen der Schulen ist "Geschichte der DDR" lediglich Wahlfach. Und was dort überwiegend geboten wird, kann man sich ausrechnen. Wenn also das Elternhaus nicht aufklärt, woher sollen junge Menschen die Wahrheit über unseren Versuch erfahren, die Welt des Kapitalismus zu erschüttern - einen Versuch, der es wert war, unternommen zu werden.

Marianne Wuschko, Hoyerswerda


Im Juni 1943 erhielt Erna Wilcken aus Rostock die Nachricht, daß ihr Mann Erich, der Vater von drei kleinen Mädchen, in einer Weimarer Ausbildungskaserne Selbstmord begangen habe. Die Familie zweifelt das bis heute an und ist der Meinung, daß er getötet oder in den Suizid getrieben wurde.
Erich Wilcken gehörte wie seine Frau vor 1933 der KPD an. Er war im Arbeitersportverein "Fichte", der 1933 verboten wurde. Erich versuchte, dessen Geräte vor den Nazis zu retten. Daß er sie versteckte, muß verraten worden sein. Im Sommer 1933 kam er für einige Zeit in das Zuchthaus Bützow-Dreibergen. Später als Kanonier eingezogen, soll er am 15. April 1943 den Freitod gewählt haben.
Die Töchter von Erich Wilcken, Hamburger Antifaschistinnen, haben uns gebeten, doch noch einen letzten Versuch zu unternehmen, nähere Umstände seines Todes in Erfahrung zu bringen. Vielleicht weiß jemand von den RF-Lesern etwas darüber?

Johanna Jawinsky, VVN-BdA, Rostock


Im RF 176 verwies Dr.-Ing. Peter Tichauer darauf, daß nach der Konterrevolution 1989/90 nur 15% der SED-Mitglieder in der PDS verblieben, während viele andere das sinkende Schiff verließen, weil die SED zu einer durch Karrieristen und Mitläufer aufgeschwemmten "Massenpartei" geworden war. Ich habe die PDS 1990 verlassen, weil wir Angehörigen des MfS von gewissen Leipziger "Genossen" in den Medien als Verbrecher und Täter bezeichnet wurden. Und ausgerechnet jene "Genossen", welche die Erkenntnisse unseres Organs zur gesellschaftlichen Lage nicht ernst genommen hatten, waren auf einmal froh, einen Sündenbock für das Desaster gefunden zu haben.
Ich bin der Meinung, daß seit mindestens 20 Jahren tiefgreifende Analysen zu unserer Niederlage erarbeitet wurden. Jetzt ist der Blick zum "Wie weiter?" notwendiger denn je. Es gilt, alles zu unternehmen, um auf die Einheit der Linkskräfte hinzuwirken, damit dem unsäglichen Kapital und seinen Parteigängern eine Abfuhr erteilt werden kann.
Ich bin froh, daß es jeden Monat den "RotFuchs" gibt.

Bernd Pauli, Leipzig


Der Beitrag von Prof. Götz Dieckmann zur Büchervernichtung nach der sogenannten Wende ist ein harter Brocken. Ich wußte zwar von solchen Vorkommnissen, doch erst jetzt ist mir das ganze Ausmaß klargeworden. Es ruft blankes Entsetzen hervor.
Mich würde interessieren, wer für diese Kulturschande verantwortlich ist. Es dürfte ja eine entsprechende Anweisung gegeben haben. Die Namen der Betreffenden sollten genannt werden, damit man auch im übrigen Europa erfährt, wes Geistes Kind solche jämmerlichen Gestalten sind.

Michael Mansion, Wallerfangen


Mit Bestürzung habe ich den Beitrag "Kulturschande" von Götz Dieckmann gelesen. Vermutet hatte ich es immer schon, doch daß die Büchervernichtung ein solches Ausmaß hatte, ist ungeheuerlich. Indes läßt sich weder Geschichte durch Vernichtung wertvollen Kulturgutes - wozu auch die vielen im Leseland DDR erschienenen Bücher gehören - rückgängig machen, noch kann man die Wahrheit auf solche Weise unterdrücken. Seit Jahren rette ich DDR-Bücher, die mir gelegentlich bei Vortragsreisen durch Angehörige verstorbener Genossen zur Übernahme angeboten werden, vor der Vernichtung. Bislang habe ich immer Wege gefunden, um sie an interessierte Zeitgenossen weiterzugeben, darunter auch an solche, die nicht in der DDR geboren wurden oder aufgewachsen sind.

RA Ralph Dobrawa, Gotha


Als Historiker unterscheidet Götz Dieckmann verschiedene Stadien der Kulturschande, die er dankenswerterweise so konkret und parteilich ins Licht rückt. Er beruft sich auf Heinrich Heine, der - auf die öffentliche Verbrennung des Koran durch einen spanischen Großinquisitor bezogen - schrieb: "Das war ein Vorspiel nur, dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen." Die Nazis bestätigten diese Voraussicht auf grauenvolle Weise. Die verbrannten nicht nur Bücher - darunter die von Heinrich Heine - sondern Millionen und aber Millionen Menschen.
Der Faschismus wurde geschlagen - ausgerottet ist er nicht. Oder wie sonst soll man erklären, daß nach dem Ende der DDR - des antifaschistischen deutschen Staates - mehr als 100 Millionen ihrer Bücher, darunter wieder die Werke Heinrich Heines, verbrannt, vernichtet, "entsorgt" wurden. Bei der Bücherverbrennung haben unsere neuen Herren ihre Vorgänger noch weit übertroffen.
Nicht nur in Greifswald sind Menschen verschiedener politischer Richtungen bemüht, die humanistische Literatur deutscher Sprache und das literarische Erbe der DDR auch nach deren Ende zu bewahren. Beherzte, die später den Greifswalder Verein der Bücherfreunde gründeten, retteten die Betriebsbibliothek des Volkseigenen Kombinats Kernkraftwerke "Bruno Leuschner" und hörten in ihrem Bemühen, DDR-Literatur zu sammeln, zu pflegen, zu verleihen und weiterzugeben, nicht auf.
Der Neofaschismus ist nicht auf dem Boden der DDR gewachsen. Hier leben die Menschen, die ihn schließlich gemeinsam mit allen anständigen Deutschen erneut aufs Haupt schlagen werden.

Dr. Udo Schulz/Uwe Durak, Greifswald


Durch einen Bekannten wurde ich auf den Artikel "Strittmatter. Strittmatter? Strittmatter!" im September-"RotFuchs" aufmerksam gemacht. Dort werde ich ohne Angabe einer Quelle durch Prof. Benno Pubanz zitiert. Er schreibt, ich hätte mit den Worten Walter Benjamins "Mißtrauen, Mißtrauen, Mißtrauen" eine neue Lesart von Strittmatters Büchern konstruiert. Dieses Mißtrauen sei dadurch gerechtfertigt, daß die SS in den Nürnberger Prozessen zur verbrecherischen Organisation erklärt und die Polizeieinheit, in der Strittmatter diente, der "SS zugeordnet" worden sei.
Ich vermute, daß Herr Pubanz bei einer Veranstaltung im Februar 2009 im Berliner Brecht-Haus anwesend war, bei der ich das Benjamin-Zitat anführte. Allerdings tat ich das in genau gegenteiligem Sinne. Ich habe über das SS-Polizei-Gebirgsjäger-Regiment 18 geforscht, dessen Drittem Bataillon Strittmatter als Polizei-Soldat angehörte. Dem Regiment und auch seinen einzelnen Bataillonen sind Kriegsverbrechen nachzuweisen, so die Beteiligung an der Deportation der Juden aus Athen. Bei verschiedenen Anlässen wurde ich gefragt, ob Strittmatter an diesen Verbrechen beteiligt gewesen sei oder nicht. Ich habe immer wieder richtiggestellt, daß seine Einheit keine Einheit der SS war, sondern lediglich - wie alle derartigen Polizeieinheiten - das "SS" im Namen führte. Und da es bislang keinerlei Quellen hinsichtlich dessen gibt, was Strittmatter in dieser Einheit getan oder eben nicht getan hat, habe ich konsequent die Position vertreten, daß sich diese Frage weder so noch so beantworten ließe. Daher müsse jeder Aussage hinsichtlich einer Beteiligung oder Nichtbeteiligung mit "Mißtrauen, Mißtrauen, Mißtrauen" begegnet werden.

Ralph Klein, Witten


Die Ausstellung der Rosa-Luxemburg-Stiftung über Vertragsarbeiter in der DDR ist eine Ungeheuerlichkeit. Meine Frau, Apothekerin von Beruf, hat in den 60er Jahren in Greifswald mit einem Afrikaner aus Kamerun, der in der DDR Pharmazie studierte, und 1987 in Dresden mit Chileninnen, die nach dem Pinochet-Putsch Aufnahme in der DDR gefunden hatten, zusammengearbeitet. Wie andere Mitarbeiter der Militärmedizinischen Akademie in Bad Saarow konnte auch ich vietnamesische Ärzte bei deren Qualifizierung unterstützen.
Es war uns immer ein Herzensbedürfnis, diesen ausländischen Bürgern zu helfen, in einem für sie fremden Land zurechtzukommen und ihnen unser Wissen und unsere Erfahrungen zu vermitteln. Das Anliegen der DDR bestand darin, den einstmals kolonialen Ländern auf ihrem Weg in die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit nach Kräften zur Seite zu stehen.
Unser Verhältnis zu diesen Menschen war stets überaus herzlich. Solidarität ist eine der stärksten Waffen, über die das Proletariat verfügt.

Dr. Peter Rausch, Munster


Beste Organisation, herzlicher Empfang am Flughafen, Dolmetscher, Transfer, gute Unterkünfte, Betreuung, Kulturprogramm, Sprachunterricht ..., das sagten mir übereinstimmend Vietnamesen und Kubaner, die in die DDR zur Arbeit, zur Ausbildung oder zum Studium gekommen waren. Fidschi, Kanake, Kümmeltürke, Eseltreiber ..., dieses und mehr hörte ich in den Straßen, Schulen und Firmen der BRD. Auch in der Behandlung ausländischer Bürger war die DDR dem Westen weit überlegen und meilenweit voraus.

Heinz Denne, Berlin


Ein Wort zum Artikel "Verpaßte Chance?" von Wolfgang Clausner im August-RF. Die als "Stalin-Note" bezeichnete Initiative der Sowjetunion vom 10. März 1952 wurde als "Deutsche an einen Tisch" bekannt. Nach unterdessen zugänglichen Archivmaterialien war der Moskauer Führung schon zu diesem Zeitpunkt bewußt, daß die dauerhafte Stabilisierung der DDR und der anderen sozialistischen Länder Europas einer außergewöhnlichen ökonomischen Unterstützung durch die Sowjetunion bedurfte. Dabei spielte deren Rohstoffarmut eine große Rolle.
Vor allem auch aus diesem Grunde wurde der Versuch unternommen, Deutschland sobald wie möglich zu vereinen und - nach österreichischem Vorbild - Bedingungen für dessen militärische Neutralisierung zu schaffen. Das Ziel bestand darin, zu sichern, daß von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen könne.
Diese These wird dadurch gestützt, daß die Sowjetunion der DDR im Jahre 1982 signalisierte, fortan kein Rohöl mehr zu Sonderkonditionen weit unter dem Weltmarktpreis liefern zu können. Aus meiner Sicht war die "Stalin-Note" Ausdruck einer nüchternen Lageeinschätzung durch die sowjetische Spitze. Aus den bekannten Gründen wurde sie vom Westen zurückgewiesen.

Wolfgang Schröder, Schöneiche


Wolfgang Clausner hat in seinem Artikel über die "Stalin-Note" die geschichtliche Wahrheit dargelegt. Natürlich schweigen heute die Gegner der 1952 möglich gewesenen Einheit Deutschlands darüber, daß sie durch die "Stalin-Note" hätte Realität werden können. Äußerten sie sich, dann müßten sie sich doch zu ihren eigenen Lügen über die Spaltung Deutschlands bekennen.
Als Zeitzeuge habe ich miterlebt, wie BRD-Politiker in Übereinstimmung mit den Westmächten bewußt einen Friedensvertrag und die Einheit im Jahre 1952 verhinderten. Für die Einbeziehung in das westliche Bündnis - die NATO - nahmen sie die Spaltung Deutschlands in Kauf.
1952 habe ich mit Wehmut im Interesse des Zustandekommens der nationalen Einheit und eines Friedensvertrages, der ein neutrales Deutschland mit anderen Völkern aussöhnen sollte, der "Stalin-Note" zugestimmt.
Heute ist meine Betroffenheit angesichts von unerfreulichen Entwicklungen in der SU unter Stalin, im Lichte mancher Aspekte des Nichtangriffspaktes und später der Rolle Gorbatschows, seines Verrats an den Kommunisten und am sozialistischen Weltsystem, der Preisgabe der UdSSR und der Vertragsbrüchigkeit gegenüber der DDR, keineswegs geringer. Ich habe erhebliche Zweifel, ob nicht eher "rein russische" und weniger internationale Gründe und Inhalte diese Politik bestimmten.
1952 wäre ein sozialistisches Deutschland, unsere DDR, beinahe "verkauft" worden. 1989 ist das dann tatsächlich geschehen.

Egon Bethge, Berlin


Als die BRD die DDR annektierte, wurden in meinem Betrieb sogleich die Älteren in den Vorruhestand befördert. Ich gehörte auch dazu. Unter der Kontrolle des Zolls mußten sofort 30 Hektar Tabak niedergewalzt und umgepflügt werden. Es war ein ausgezeichneter Bestand, über 2 m hoch. Der Tabak war für die LPG ein lukratives Geschäft und sicherte vor allem unseren Frauen über die Wintermonate den Arbeitsplatz und ihr Einkommen. Ebenso erging es den frisch gepflanzten Erdbeeren. Auch davon mußten alle 5 Hektar vernichtet werden.
Frau A. konnte es gar nicht fassen, als ihr der Brigadier mitteilte, daß sie am nächsten Tag als erste Frau im Dorf zu Hause bleiben sollte. Denn arbeitslos - das war in der DDR ein Fremdwort. Daß die Frauen in der LPG gern zur Arbeit gingen, hört man von ihnen noch heute. Über 20 Jahre danach schwärmen sie davon. Sie wurden mit dem betriebseigenen Bus quasi von der Haustür abgeholt und hatten dabei auch noch so manchen Spaß.
Mein Sohn und ich, auch wir sind gern zur Arbeit gefahren und empfanden das Klima in der damaligen LPG Knobelsdorf als gut.

Herbert Thalheim, Knobelsdorf


Wie sich doch die Bilder gleichen: Während in Peru der US-Konzern Newmont Mining das Land bis aufs letzte ausbeutet, geschieht ähnliches auch durch Coca Cola. Dieser US-Konzern bemächtigt sich in exorbitantem Ausmaß der Wasserressourcen Mexikos. In der Provinz Chiapas unternimmt er seit 20 Jahren dafür enorme Anstrengungen. Der Wasserverbrauch allein der Produktionsanlage in San Cristobal beträgt an einem einzigen Tag 833.500 Liter, was dem Monatskonsum von 223 mexikanischen Familien entspricht.

Daslelys Merino Torres, Las Tunas, Kuba, z. Zt. Bochum


Ich fand es sehr gut, daß im September-RF die fünf kubanischen Patrioten gewürdigt wurden. Schon seit langem verfolge ich das Schicksal dieser Männer. Die US-Justiz hat die Cuban Five einfach der Spionage bezichtigt und zu drakonischen Strafen verurteilt, obwohl sie gar nicht gegen die USA selbst tätig geworden sind. Beschämend ist für mich, daß die BRD-Politiker mit der Kanzlerin an der Spitze kein Wort darüber verlieren, sich aber vehement für sogenannte Oppositionelle in anderen Ländern einsetzen, deren Handeln mehr als zweifelhaft ist. In Bezug auf die Cuban Five hört man keine Silbe zum Thema Menschenrechte. Die tapferen Kubaner genießen meine Hochachtung und Solidarität.

Horst Schuchardt, Erfurt


Wir haben Eure September-Ausgabe mit Interesse gelesen und uns besonders über den Artikel zu den Cuban Five gefreut. Uns gefällt Euer Schreibstil. Es ist wichtig, dem Schweigen der Massenmedien zu begegnen.
Zwei kleine Korrekturen: Roberto Gonzalez sei Renés "älterer" und "einziger Bruder", heißt es bei Euch. Tatsächlich war er jedoch der jüngere Bruder Renés und nicht der einzige. Es gibt noch einen wesentlich jüngeren, den wir 2006 bei Renés Mutter mit Frau und zweijähriger Tochter kennengelernt haben.
Nochmals herzlichen Dank für Euren Artikel!

Josie Michel-Brüning, Jülich


Aus meiner Sicht werden im RF immer interessante Themen aufgegriffen. Und fast jedes Heft kursiert nach meiner Lektüre noch im Haus. Auch die Nachleser sind begeistert. Daß im "RotFuchs" gegen den deutschen Nationalismus in Vergangenheit und Gegenwart angeschrieben wird, halte ich für völlig berechtigt. Doch scheint mir dies mit dem Artikel zu Hoffmann von Fallersleben im September-RF nicht recht gelungen zu sein.
Kann man einen Dichter dafür verantwortlich machen, was später mit seinem Text geschieht? In der "Geschichte der deutschen Literatur", Bd. 8/Verlag Volk und Wissen, Berlin 1975, und anderen marxistischen Quellen wird H. v. F. als volkstümlicher Dichter, Germanist, Bibliothekar und Literaturhistoriker vorgestellt.
Seit 1830 war der studierte Theologe und Altphilologe Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Breslau. Zu seinen Inspiratoren gehörte Jakob Grimm. Der Kontakt mit ihm förderte seinen Sinn für das Volksliedhafte. H. v. F. wandte sich gegen den Despotismus und setzte sich für die Einheit Deutschlands ein. Im Vor-März entstand das "Lied der Deutschen". Daß es durch Chauvinisten mißbraucht wurde, ist dem Autor wohl kaum anzulasten. Zahlreiche Volks- und Kinderlieder stammen aus seiner Feder. Viele werden bis heute gesungen.

Gernot Bandur, Berlin


Es gab eine Zeit, da wurde in einem Teil Deutschlands eine ganz andere Nationalhymne als die der BRD gesungen: eine Hymne auf die Zukunft im Frieden, in der es hieß "..., daß nie mehr eine Mutter ihren Sohn beweint". 1990 wurden Vorschläge unterbreitet, statt der Hymnen von BRD und DDR einen Teil aus Beethovens 9. Sinfonie - die Ode an die Freude - auszuwählen.
Der Kampf gegen heutige Nazis bleibt halbherzig, wenn nicht alles ausgelöscht wird, was an die braune Schreckenszeit erinnert.

Gerda Huberty, Neundorf


Nach Auskunft des Statistischen Landesamtes ist die Suizidrate in Hessen im Jahre 2011 dramatisch gestiegen. Die absolute Zahl auf solche Weise aus dem Leben geschiedener Menschen betrug 828, eine Zunahme von etwa 16% gegenüber dem Vorjahr.
In der BRD gibt es mehr als doppelt so viele Suizid-Opfer als Verkehrstote. Die sozialen Ursachen wie Altersarmut, Vereinsamung, ein defizitäres Gesundheitssystem, prekäre Arbeitsverhältnisse und Traumatisierung durch Kriegserlebnisse sind unübersehbar.

Uwe Moldenhauer, Altena


Im Jahre 1918 beendete das Volk die Herrschaft des "Geschlechts" der Wettiner über Sachsen. Zuvor hatten sie ihre Gelüste nach Macht, grenzenloser Prunkentfaltung und ungezügeltem Luxus brutal ausgelebt.
Seit der Rückwärtswende sehen sich die Sachsen von Wettiner Nachfahren mit deren raffgierigen Forderungen konfrontiert. "Prinz" Alexander und seinesgleichen tauchen hier nur auf, um kostbare sächsische Kulturgüter an sich zu reißen. Die erste Rate bildeten 18.000 Kunstgegenstände, wovon das Land Sachsen 12.000 zurückkaufen mußte, um sie als Ausstellungsstücke zu bewahren. Bald darauf wechselten 1600 Teile der Porzellansammlung in den Besitz der Beutejäger. Manche davon veräußerten die Wettiner in einem Londoner Auktionshaus. Es ist höchste Zeit, daß der Hofierung von Parasiten ein Ende gesetzt wird.

Arndt Näser, Riesa


Seit 1990 war ich Mitglied der VVN-BdA, sogar aktiver Kreisfunktionär, weil die Satzung, die inhaltliche Zielstellung und die emotionale Bindung für mich als überzeugten Antifaschisten ein Zugehörigkeitsgefühl entwickelten. Auch der persönliche Kontakt zu Prof. Heinrich Fink spielte eine Rolle. Nun verfolgte ich u. a. in der "jungen Welt" bestimmte Tendenzen dieses Vereins. Die Meinung der Coppi-Unterstützer, die den Hitlerfaschismus mit dem realen Sozialismus - auch bei Beachtung schwere Schatten werfender Geschehnisse - der Stalin-Ära in der UdSSR gleichsetzen wollen, kann und will ich nicht teilen. Ein Bund der Antifaschisten hat sich dafür einzusetzen, alle Kräfte gegen den Faschismus zu mobilisieren und zu koordinieren, nicht aber Deformationen des sozialistischen Aufbaus in den Vordergrund zu rücken. Ich glaube, die Coppi-Eltern wären sehr betrübt, könnten sie die Aussagen ihres Historiker-Sohnes vernehmen. Hut ab vor der Meinung der Genossin Erika Baum in der jW!

Helge Tietze, Bautzen


Angeblich beging die Regierung der VR China am 19. September 1989 auf dem Tian'anmen-Platz in Beijing ein "Massaker gegen das eigene Volk". Das behaupten die Medien der Bourgeoisie seit Jahr und Tag ohne Unterlaß. Ausgerechnet Altkanzler Helmut Schmidt hat das in der "Berliner Morgenpost" vom 8. Oktober als Lüge bezeichnet. "Die Regierungstruppen wurden brutal mit Steinen und Molotowcocktails attackiert. Sie haben sich dann gewehrt", konstatierte er.

Falk Moldenhauer, Bochum

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2013