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ROTFUCHS/167: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 213 - Oktober 2015


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

17. Jahrgang, Nr. 213, Oktober 2015



Inhalt

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Kein Anschluß unter dieser Nummer

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Beim Thema "Anschluß", das ja in diesem Monat wahre Kapriolen schlägt, kenne ich mich ein wenig aus. Gleich zweimal habe ich solche Situationen erlebt: 1933 wurde mein Vater, der spätere Völkerrechtler Peter Alfons St., wegen seines Einsatzes für die Rote Hilfe aus der Reichsanwaltskammer ausgeschlossen. 1935 folgte dieser Repressalie die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit, was auch für mich galt. Im selben Jahr verlieh uns die Tschechoslowakei die Rechte ihrer Staatsbürger. Doch die Freude über diesen temporären Schutz war nicht von langer Dauer: Dem Münchner Abkommen von 1938 folgten schon bald der Anschluß des Sudetengebiets und der deutsch-faschistische Einmarsch in das südöstliche Nachbarland. Aus einem durch Großbritannien und Frankreich preisgegebenen souveränen europäischen Staat wurde Hitlers, Himmlers und Heidrichs "Reichsprotektorat Böhmen und Mähren", wobei man die Slowakei in einen pro forma "unabhängigen" Satellitenstaat Nazideutschlands verwandelte.

Das zweite Mal verlor ich meine Staatsbürgerrechte durch den Anschluß der DDR an die BRD. Der beste Staat in der deutschen Geschichte wurde durch den selbsterklärten Nachfolgestaat des 3. Reiches annektiert. Wie später über die Griechen fiel damals die Treu und Glauben ächtende Treuhand der Kohl-Schäuble-Regierung über den deutschen Osten her, um das leider recht ungeschützte und nicht hinreichend im Bewußtsein der Massen verankerte Volkseigentum kapitalistischen Schnäppchenjägern in die Hände zu spielen oder gleich zu liquidieren.

Der zweite Anschluß war für mich noch schmerzlicher als der erste, den ich als Kind erlebt hatte, obwohl auch dieser diskriminierende Maßnahmen zur Folge hatte.

Doch es gibt gute Gründe, auf die Annexion der DDR am 3. Oktober 1990 - Monate zuvor war sie bereits wirtschaftlich und finanziell der BRD angeschlossen worden - mit nur einem Satz zu antworten: Kein Anschluß unter dieser Nummer!

Dabei sind wir natürlich weder lebensfremde Träumer noch Erbauer vom eigenen Willen entworfener Wolkenkuckucksheime, die ihre Wünsche mit den politischen Realitäten verwechseln. Ohne Zweifel hat die staatliche Existenz der DDR durch eine deren Untergang betreibende letzte Volkskammer-Mehrheit und Kohls Bonner Regie Anfang Oktober 1990 ihr Ende gefunden. Dazu trugen innere wie äußere Faktoren gleichermaßen bei: Da gab es - erstens - den enormen politisch-ökonomischen Druck des mit Washington aufs engste liierten und in der NATO tonangebenden reicheren Staates der deutschen Kapitalisten. Dieser traf - zweitens - mit dem Untergang einer sich im Verlauf von Jahrzehnten sukzessive zersetzenden Sowjetunion sowie dem Finale des RGW und des Warschauer Paktes zusammen. Hinzu kam - drittens - ein subjektiver Faktor, der für die DDR nicht ungünstiger hätte sein können: Sie war in der Stunde der größten Not nahezu führerlos. Während der erste Mann im Staate und der Partei - er bewies später vor dem Gericht seiner Feinde ein hohes Maß an Würde - schwerstens erkrankt und dann frisch operiert war, hatte man überdies auch noch weitere DDR-Spitzenpolitiker entweder in Urlaub oder ins Ausland geschickt.

Die führungsmäßig nahezu verwaiste Partei aber wurde in dieser Krise auf Tod und Leben einem Günter Mittag anvertraut. Und an der Spitze der in jenen Tagen entscheidenden Berliner Parteiorganisation stand der spätere Grenztoreöffner Günter Schabowski.

Der Untergang der DDR und ihre darauf folgende Einverleibung in den imperialistischen deutschen Staat waren nicht nur die schwerste Niederlage der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung, sondern auch ein Schlag gegen alle Friedenskräfte zwischen Oder und Rhein.

Schon vor 15 Jahren haben wir die Vorgeschichte des fälschlicherweise als "Wiedervereinigung Deutschlands" dargestellten Geschehens nach dem 18. März 1990 im RF als Konterrevolution bezeichnet. Eine vier Jahrzehnte bestehende fortgeschrittenere Gesellschaftsformation wurde durch eine historisch bereits überholte Ordnung "ersetzt". An negativen Wendepunkten hat es im Verlauf der Menschheitsgeschichte nicht gefehlt - doch die Zerstörung der Saat des Roten Oktober und nahezu aller mit der UdSSR verbunden gewesener sozialistischer Staaten Europas und Asiens war der bisher heftigste Rückschlag. Als wir die DDR - ebenfalls im RF - schon vor etlichen Jahren als "größte Errungenschaft in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" bezeichneten, führte uns nicht lebensferner Hochmut die Feder. Die Tatsache, daß im östlichen Drittel Deutschlands dem Kapital für die Dauer von vier Jahrzehnten dessen der Ausbeutung dienendes Eigentum an den Produktionsmitteln und die politische Macht entzogen wurden, rechtfertigt diesen Superlativ.

Man sollte Schätze der Vergangenheit nicht deshalb kleiner zu machen bestrebt sein, weil es den Gegnern des Neuen gelungen ist, zeitweiligen Siegern Errungenes wieder zu entreißen. Geschichtliche Prozesse sind stets nüchtern und realistisch zu bewerten. So gab es zum Beispiel in der UdSSR und in der DDR Politiker, die der Illusion erlagen, lebende Generationen würden schon den Kommunismus erfahren. Inzwischen wissen wir, daß ein vollständiger Formationswechsel - beispielsweise vom Feudalismus zum Kapitalismus - bisher Jahrhunderte in Anspruch genommen hat und noch nicht einmal abgeschlossen ist. Mit dem Kapitalismus ist deshalb weniger Zeit zu verlieren, weil er die Menschheit durch seine Kriege dem Untergang entgegentreibt. Doch subjektivistisches Forcieren-Wollen geschichtlicher Prozesse bei Fehlen der notwendigen objektiven wie subjektiven Voraussetzungen ist wie ein Ruf in der Wüste. Genausowenig hat es mit politischer Strategie zu tun, sich bietende revolutionäre Chancen nicht zu nutzen.

Für uns, die wir auf der linken Seite der Barrikade des Klassenkampfes stehen, gibt es keinen Grund, sich ins Bockshorn jagen zu lassen und die Fahne einzurollen. Wir alle kennen das Wort: Totgesagte leben länger.

Mögen sie ihre Feste aus Anlaß der Einverleibung der DDR und der Ausweitung des NATO-Diktats auf ganz Deutschland feiern. Für uns bleibt es dabei: Wir kriechen weder heute noch morgen unter die Schwingen ihres Bundesadlers. Den in der BRD und leider auch schon in fast ganz Europa den Ton angebenden deutschen Imperialisten um Gauck und Merkel aber sei gesagt: Wir stehen ungeachtet des Debakels von 1989/90 sowie in Kenntnis von Licht und Schatten unserer eigenen Geschichte zu 40 Jahren DDR, wobei wir zugleich auch alle Taten jener mit dem gleichen Respekt zu würdigen wissen, welche in der alten BRD für die gute Sache einstanden.

Klaus Steiniger

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Akteure und deren Handpuppen

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Bilderserie wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Was ich im Herbst 1990 an Oskar Lafontaine schreiben wollte
Lassen Sie uns die historische Chance nutzen!

Im Herbst 1990 trug sich der Autor, damals Mitarbeiter des DDR-Außenministeriums, mit dem Gedanken, dem seinerzeitigen SPD-Spitzenpolitiker Oskar Lafontaine seine Meinung zu aktuellen Entwicklungen kurz vor dem Anschluß der DDR an die BRD darzulegen. Er schickte den Text zwar nicht ab, bewahrte ihn aber auf und übermittelte die folgenden - redaktionell leicht überarbeiteten und gekürzten - Zeilen dem RF.

Ich bin Mitglied der PDS, doch niemand in meiner Partei hat mich beauftragt, diesen Brief zu schreiben. Rückblickend auf die Zeit seit Ende 1989 erinnere ich mich einer Kundgebung am Abend des 19. Dezember vor dem Schauspielhaus in Berlin, die eine Fern-Gegendemo zur Huldigung für Kanzler Kohl in Dresden sein sollte. In weißer Schrift stand auf einem schwarzen Transparent: "Wollt Ihr den totalen Kohl?" Und junge Leute einer Singegruppe skandierten: "Lieber rote Rüben als Kohl von drüben!"

"Totaler Kohl" heißt heute im Klartext: Okkupation und Kolonisierung der DDR. Begonnen hat sie bereits und wird vom großen Kapital aller Schattierungen mit Vehemenz und Brutalität geführt. Die "Brüder und Schwestern" wurden zu seinen Wasserträgern und Sklaven.

Was geschah in der Menschheitsgeschichte immer als erstes bei der Besetzung eines anderen Landes? Man vernichtete die Kultstätten und beseitigte die denkenden Köpfe. Analoges geschieht heute auf dem Territorium der DDR. Die Entfernung des Staatswappens von allen Gebäuden und jetzt sogar von der Kopfbedeckung der NVA-Angehörigen sind zwar lächerliche Akte sich spreizender Sieger, zugleich aber eine moderne Form erster Schritte der beginnenden Hexenjagd.

Es ist doch alarmierend, wenn ernsthafte Menschen jetzt bereits Überlegungen anstellen, aus dem künftigen Deutschland auszuwandern. Selbst über Fünfzigjährige treiben solche Gedanken um.

Bisher war ich der Meinung, daß zumindest die Bürger der DDR Nützliches aus der deutschen Geschichte gelernt haben. Doch angesichts der neuen Situation bricht selbst bei nicht wenigen von ihnen die im Westen dominierende deutsche Arroganz wieder durch: der Herrenmensch, der schon immer recht hatte. Manche im Osten teilen das Gefühl anderer, wenn sie empfinden: Mit der D-Mark "sind wir wieder wer".

Nach dem 30. Januar 1933 folgte die Mehrzahl der Deutschen den Hitlerfaschisten vor allem deshalb, weil sie ihr Arbeit und Brot verschafften. Wodurch und wofür - darüber wurde nicht nachgedacht. Man war ja satt. Als dann das bittere Ende kam, wollten die meisten Mitmacher von vielem nichts gewußt haben.

Nach 1945 ließ der schon bald beginnende Kalte Krieg keine tiefgründige Geschichtsanalyse - auch für jeden persönlich - zu. Man vergaß schnell und blickte "nach vorne". Die spätere Führung der SED und der DDR konnte sich auf den redlich erworbenen Bonus des Widerstandes der besten Deutschen gegen den Faschismus stützen. Allerdings entstand auch der täuschende Eindruck, als ob größere Teile des Volkes zu den Akteuren gehört hätten.

Und heute? Etliche jener, die sich in der DDR aktiv einbrachten, spielen jetzt plötzlich "Opfer des Stalinismus".

Es ist ja so bequem, neuen Herren zu dienen. Nachdenken? Wozu, solange das Geld stimmt. Wenn ich was sage, verliere ich nur meinen Job. Einfacher ist es doch, sich an der Verfolgung Andersdenkender zu beteiligen. An Buhmännern soll es nicht fehlen: Kommunisten, PDS, alle Linken. Das ganze Spektakel läuft unter dem Motto: Freedom and Democracy!

Schlimmes zeichnet sich für die Zukunft auf deutschem Boden ab: Das Volk der DDR soll erniedrigt und gedemütigt werden. Eigentum? Alles geht an die früheren Besitzer zurück oder wird ganz einfach verschleudert. Daß mit diesem oftmals zusammengeraubten Eigentum und dem Ziel seiner Vergrößerung gigantische Naziverbrechen bis zum Völkermord begangen wurden, spielt keine Rolle mehr. Privateigentum anstelle von Volkseigentum heißt die Devise!

Von wegen LPG und freier Bauer auf freier Scholle! Die 1945/46 erfolgte Enteignung der Gutsbesitzer war pures Unrecht! Und die Rolle des Junkertums als einer tragenden Säule der Nazidiktatur bleibt außer Betracht. All das zählt nicht mehr! Im Augenblick wagt man sich noch nicht direkt an die Ergebnisse der Bodenreform heran, doch da Kapital unersättlich ist, wird es auch hier keine Grenzen kennen.

Und was wird aus den Hunderttausenden Pächtern oder Nutzern von Gartengrundstücken, die z.T. noch Alt-Bundesbürgern oder Westberlinern gehören, in die aber Menschen aus der DDR oft jahrzehntelang ihr Wissen und Können, ihr Geld und ihre Arbeit gesteckt haben? Die ersten selbsternannten Grund- und Hausbesitzer haben ja bereits angeklopft.

Werden diese DDR-Bürger die jüngsten Vertriebenen, wobei die Vertreiber ebenfalls Deutsche sind? Beginnt die Nachkriegsgeschichte erneut, diesmal auf ostdeutschem Boden?

Das Kapital will die staatliche Einheit, doch wir DDR-Bürger sollen den Preis dafür bezahlen. Der Osten soll ein bloßer Absatzmarkt werden. Kein Kapitalist ist so dumm, die Entwicklung eines Konkurrenten zuzulassen. Also werden seine Waren im Osten verkauft, solange die Ersparnisse der "Ossis" das hergeben. Wenn unsere Wirtschaft am Boden liegt, erhält sie der Käufer zum Nulltarif.

Ich würde mich freuen, wenn meine schlimmen Befürchtungen nicht einträten, habe aber versucht, mich des "analytischen Bestecks von Marx" zu bedienen, das nach Friedrich Schorlemmer noch immer im Gebrauch ist.

Lassen Sie uns die historische Chance nutzen, ein für alle Zeiten friedliches Deutschland aufzubauen!

Unser Autor wollte seine für Oskar Lafontaine bestimmten Zeilen mit den Sätzen schließen:

Sicher teilen Sie meine Positionen nicht. Falls der Brief aus Ihrer Sicht Überlegenswertes enthält, lassen Sie ihn bis nach der Vereinigung ruhen. Ich würde dann auf meine Aussagen zurückkommen.

Werner Heiden, Berlin

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Die deutsche Einheit ist eine Klassenfrage

Wenn ich mit dem Stahlkocher aus dem Ruhrpott anstoßen werde ...

Es ist wieder soweit. Die Fanfaren werden geblasen, um den Sieg über die DDR zu feiern. 25 Jahre ist es dann her, daß die nicht mehr mit der gleichnamigen DDR-Institution identische letzte Volkskammer über die Köpfe der Menschen im Osten hinweg den endgültigen Kotau vor dem übermächtigen Schatten aus Oggersheim vollzog. Der derzeitige Hausherr im Schloß Bellevue wird wieder einmal das Wort Freiheit bis zum Erbrechen strapazieren, das wohl noch niemand so wie er entstellt hat, während die BRD-"Qualitätsmedien" die am 3. Oktober 1990 als Staat untergegangene DDR in düstersten Farben schildern. So düster, daß demgegenüber selbst die Höllenbilder eines Hieronymus Bosch geradezu fröhlich wirken. Das Kontrastprogramm dazu - die Selbstbeweihräucherung ohne Ende - aber dürfte den auf Differenzierteres hoffenden Beobachter einmal mehr befremden. Das Eigenlob und die Leichenschändung gehören in diesem Milieu zusammen. Nicht wenige Menschen im Westen und die Mehrheit im Osten wenden sich schon seit Jahren angewidert oder zumindest desinteressiert von den jeweils als Neuheiten ausgegebenen Antiquitäten der staatlichen Erinnerungsindustrie ab. Tatsache ist, daß Ost- und Westdeutsche seit einem Vierteljahrhundert unter dem Dach derselben staatlichen Strukturen leben, ohne dabei zu echter Gemeinsamkeit gefunden zu haben. Ins Auge springt zugleich, daß von westlicher Seite kein seriöser Versuch unternommen worden ist, die Frage nach dem Warum des Geschehens zu stellen. Dann hätten Medien und bürgerliche Politiker nämlich dazu Stellung nehmen müssen, wer tatsächlich für die Spaltung Deutschlands verantwortlich zu machen ist. Auch wäre es interessant zu erfahren, warum nach deren Überwindung alles nur Erdenkliche getan wurde, um einen echten Neuanfang zu verhindern.

Der Sieger schreibt die Geschichte, heißt es. Die Tatsache, daß seit 1990 nur der Westen die offizielle Interpretation der historischen Ereignisse vorgibt, während die andere Seite zum bloßen Zuhörer degradiert worden ist, widerspiegelt den Wahrheitsgehalt dieser These. Wer von den Lebenserfahrungen und Einsichten des überwiegenden Teils der Ostdeutschen keine Kenntnis nehmen will oder sie gar als Ausdruck mangelnder Einsicht diffamiert, ist sich seiner Sache nicht sicher.

Die vielgepriesene "Einheit" wurde von den meisten Ostdeutschen im Laufe der Zeit immer stärker als feindliche Übernahme empfunden. Und das war sie ja auch! Die enormen Verwerfungen, welche die von der Treuhand vollzogene durchgängige Deindustrialisierung eines bis dahin zur Spitzengruppe der europäischen Industrienationen zählenden Landes hinterließ, dürften als ein zu Friedenszeiten einmaliger Vorgang gelten. Die Arroganz, mit der kulturelle Werte - von Denkmälern und kostbaren Bauwerken bis zu Millionen und aber Millionen Büchern - vernichtet wurden, ließ die Sieger als Eroberer erscheinen, die an einer Wertschätzung der ostdeutschen Identität in keiner Weise interessiert waren. Ganz im Gegenteil. Ihnen ging es allein um Rache dafür, daß die DDR dem westdeutschen Kapital 40 Jahre lang nicht als Tummelplatz zur Verfügung gestanden hat.

Die dem Osten aufdringlich übergestülpte bundesdeutsche Wirklichkeit hinterließ bei vielen Betroffenen das Gefühl des Raubs ihrer gedanklichen Heimat. Existenzangst und Demütigung wurden zum Alltagsgefühl. Diese Lähmung der Menschen war gewollt. Denn wer in ihr verharrt, vermag sich nicht zu wehren.

An diesem 3. Oktober wird man die Erinnerung an die berüchtigte Treuhand nicht in den Vordergrund rücken. Vermutlich dürfte auch ebensowenig von Kohls "blühenden Landschaften" in renaturierten Tagebau-Seen die Rede sein. Gewisse "Bürgerrechtler" werden als "alleinige Stimme der Ostdeutschen" präsentiert, obwohl sich diese Herolde der "Wende" weder einst noch nach dem Anschluß für die Rechte der Ostdeutschen in die Bresche geworfen haben.

Doch machen wir es uns nicht zu einfach. Natürlich gab es die Verbrechen der Treuhand, an denen auch der heutige Griechenerpresser im Finanzministerium der BRD damals nicht unbeteiligt gewesen sein dürfte. Es gab die Invasion sogenannter Alteigentümer und ein gerüttelt Maß westdeutscher Arroganz. Aber es fehlte auch nicht an jenen DDR-Bürgern, welche ihr Land allzu bereitwillig aufgaben und nicht weniger als "Wessis" in "Helmut, Helmut" den Messias erblickten. Etliche Ostdeutsche leiden offenbar an Gedächtnisschwund, wenn sie sich allein in der Rolle Irregeführter sehen und ihre eigenen Fehlwege dabei ausblenden.

Der Redlichkeit halber sei hinzugefügt: Ich selbst glaubte 1990 noch an "Gorbi" und erlag der Illusion, daß man das "Gute aus Ost und West" irgendwie vereinen könnte.

Wenn wir aber unser Versagen und daraus resultierende eigene Fehleinschätzungen vergessen, leben auch wir mit einer Lüge.

Und die Westdeutschen? Für mich gibt es sie nicht! Wenn wir "Ossis" den Stahlkocher aus dem Ruhrpott mit den Treuhandbossen in ein und denselben Topf werfen, vergessen wir, daß diese beiden absolut nichts miteinander zu tun haben. Die Wahrheit besteht darin, daß wir erst dann zu einer wirklichen Gemeinsamkeit finden, wenn wir begreifen, daß das Kapital Ost- wie Westdeutsche gleichermaßen ausbeutet und gegen ihre eigenen Interessen manipuliert. Es ist daran interessiert, daß die Menschen einen Unterschied darin auszumachen meinen, ob jemand am Rhein oder an der Neiße geboren wurde. Sie sollen nicht erkennen, daß es Klassenklüfte sind, welche die Menschen in ganz Deutschland voneinander trennen.

Irgendwann werden die Deutschen aus der DDR und der alten BRD einen schmerzhaften Blick auf ihre Geschichte werfen. Der Tag wird kommen, an dem alle die volle Wahrheit über diese "Einheit" erfahren. Die nationale Frage hat stets einen sozialen, einen Klasseninhalt. Erst wenn die Geschichtsbücher neu geschrieben werden, erhalten Ost- wie Westdeutsche die Chance, im echten und tieferen Sinne wirklich zueinander zu finden. Der Blick in diese Bücher wird für sie alle nicht einfach sein. Zu simpel war für die einen die Rolle des alles besser wissenden Siegers und für die anderen die des bloß mißverstandenen Unterlegenen.

Es wird nicht leicht sein, neue Verbitterung zu vermeiden. Sie wird sich nur dann abwenden lassen, wenn jene, welche an der Spaltung arbeitender Menschen interessiert sind, um sie leichter manipulieren und ausnehmen zu können, von diesen als gemeinsamer Feind erkannt werden. Auf eine solche deutsche Einheit freue ich mich. Dann werde ich mit dem Stahlkocher aus dem Ruhrpott auf sie anstoßen!

Ulrich Guhl

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Sprengkraft von 750 Hiroshima-Bomben traf Vietnam

Das Pentagon stand den Hitlerfaschisten in seiner Kriegführung nicht nach

Inzwischen weiß jeder, daß der angebliche "Zwischenfall im Golf von Tongking" eine amerikanische Variante des "Überfalls auf den Reichssender Gleiwitz" gewesen ist, mit dem sich Hitler einen Vorwand für den Angriff auf Polen schuf. Die Behauptung, die ersten massiven Luftschläge der U.S. Air Force gegen Nordvietnam seien die Antwort auf den Angriff von DRV-Torpedobooten auf zwei USA-Zerstörer gewesen, wurde später vom Kapitän der "Maddox" vor einem Untersuchungsausschuß des US-Kongresses als "frei erfunden" eingestanden. Dieser angebliche Zwischenfall löste den Krieg der USA gegen Nordvietnam aus und kostete anderthalb Millionen Menschen des südostasiatischen Landes - als Ganzheit betrachtet - das Leben.

Damals gab man in Washington die Parole aus: "Nur ein toter Vietnamese ist ein guter Vietnamese." Die Aggressoren schreckten vor keiner Grausamkeit zurück. So wurde schwangeren Frauen mit schweren Stiefeln in den Leib getreten, so daß sie ihre ungeborenen Kinder verloren.

Mit K. Barton Osborn schilderte seinerzeit ein besonders eingeweihter Kriegsbeteiligter auf Seiten der USA in der außenpolitischen DDR-Wochenzeitung "horizont" Einzelheiten der extremen Brutalität der Kriegführung gegen die vietnamesische Zivilbevölkerung. Osborn war 15 Monate Agentenführer für das PHOENIX-Programm in Da Nang und weitere 15 Monate als PHOENIX-Konsultant in der CIA-Zentrale Langley bei Washington. Auch im Kriegsgebiet befand er sich über einen langen Zeitraum "vor Ort". Auf Grund des dort Erlebten beendete er seine Geheimdienstkarriere. "Die unglaublichen Dinge, die ich in Vietnam sah, ließen mich zweifeln, daß das grausame Vorgehen Amerikas im PHOENIX-Programm so etwas wie ein bloßer Fehler war. Ich konnte feststellen, daß das Politik war, Politik von ganz oben", erklärte er vor der Presse.

"Jeder bekam die Auflage, eine bestimmte Anzahl Leichen zu bringen. Es gab Feuerfrei-Zonen, in denen besonders schlimme Massaker stattfanden, darunter das von My Lai", berichtete Osborn. "Eine B-Einheit der Army zog nach My Lai und brachte alles um: Frauen, Kinder, alte Menschen - alles Lebende, was da war. Die weit gezogenen Feindgrenzen dieser Kategorie machten es möglich, jeden, der nur wie ein Asiat aussah, als Gegner zu betrachten. Die Tötungsquoten waren allein durch die Einbeziehung solcher Leute zu schaffen. ... Um die im Rahmen des PHOENIX-Programms gesetzten 'Anforderungen' erfüllen zu können, wurden Schwerstkriminelle wie Mörder und dergleichen amnestiert. Daraus bildete man Sechs-Mann-Teams, die in Distrikte und Dörfer zogen. Sie griffen sich dort die zu Vietcong Erklärten heraus und brachten sie um. Danach hatten sie ein Ohr oder einen Finger jedes Ermordeten mitzubringen und ihren US-Beratern vorzulegen."

Osborn schilderte einige der in Vietnam angewandten Foltermethoden: Speziell in Da Nang habe ein Team der Abwehr der Marineinfanterie die Methode angewandt, kleine Pflöcke in Form eines Bleistifts direkt in den Gehörgang eines Betroffenen zu stecken und im Laufe der "Befragung" immer weiter ins Ohr zu treiben, bis das Foltergerät ins Gehirn eingedrungen und das Opfer gestorben sei. "Die Koordinaten der ermittelten Dörfer, in denen man Vietcong vermutete, wurden sehr oft von der Luftwaffe als Anhaltspunkt für ihre B-52-Bomber aufgegriffen. Die brauchten Ziele gleich welcher Art. Wenn sie nämlich keines gefunden hatten, mußten sie ihre Bomben auf dem Rückflug über dem Ozean abwerfen. So nahmen sie die Koordinaten ziviler Dörfer als Air-Force-Ziele. Die wurden dann sehr oft regelrecht umgepflügt", erklärte Osborn.

Wie aber reagierten die Hauptverbündeten der USA - besonders Großbritannien und die BRD - auf das Geschehen in Indochina?

"Die Operationen und insbesondere der Nachschub zur Unterstützung der Flächenbombardements sind ... im Europa-Hauptquartier der U.S. Army in Heidelberg koordiniert worden. Dort gab es sonst ungenutzte Computer, die errechneten, wie viele Bomben, Flugzeuge und Menschen man brauchte, um diesen Krieg fortzusetzen", berichtete Osborn.

"Ich bin ursprünglich mal für den Geheimdienst ausgewählt worden, weil ich etwas deutsch spreche. Ich sollte über die Elbe hinweg infiltrieren und war dafür vorgesehen, in der DDR für Unruhe zu sorgen. Bei jeder Operation sollten auf dem Zielgebiet 'schlafende Agenten' zurückgelassen werden, um die normale Entwicklung zu stören. Doch was wurde aus mir? Statt dessen überquerten wir die Flüsse Asiens."

Zu Jahresbeginn 1983 fand in Westberlin eine internationale Konferenz zur Verantwortung der Wissenschaftler für den Frieden statt. Dort berichtete der BRD-Mediziner Dr. Karl-R. Fabig über die Ergebnisse eines Symposiums in Ho-Chi-Minh-Stadt, das sich mit den Folgen der chemischen Kriegführung der USA in Indochina befaßte. "Der Vietnamkrieg muß wegen seines totalen Charakters als der verheerendste seit dem 2. Weltkrieg angesehen werden. Charakteristisch für die US-Kriegführung waren eine computerhafte Tötungstechnologie und die Erprobung neuester Waffen in riesigen Feldversuchen. Die USA überzogen Vietnam mit einer Bombenlast, die der Sprengkraft von 750 Hiroshima-Atombomben entspricht. Ein weiteres Charakteristikum war der massive Einsatz von chemischen Kampfstoffen gegen Land und Leute. Nach eigenen Angaben versprühten die USA zwischen 1961 und 1971 etwa 72 Mio. Liter oder 90.000 t chemische Kampfstoffe über dem Süden Vietnams. Mit dem Herbizid Agent Orange entlaubten sie etwa 44 % des tropischen Regenwaldes und zerstörten 60 % der Kautschukplantagen. Mit 8 Mio. Liter Agent Blue, einer Arsensäure, wurden 400.000 ha Agrarland, vor allem Reis, besprüht.

Nachdem sich die USA der Aussichtslosigkeit ihres barbarischen Krieges bewußt wurden, mußten sie sich im April 1975 als Verlierer aus Indochina zurückziehen. Der damalige US-Außenminister Henry Kissinger aber erhielt in "Anerkennung" seiner "Bemühungen" den Friedensnobelpreis. Was für ein Hohn!

Jürgen Förster, Dresden

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Gauck: Die Bundeswehr ist "Teil unseres Demokratiewunders"

Wenn Bundespräsident Gauck die Truppe der BRD als "Teil unseres Demokratiewunders" bezeichnet, so wundert sich darüber niemand. Dennoch ist diese 1956 von Nazigenerälen aufgestellte NATO-Truppe seit Anbeginn ein Motor zahlreicher Grundgesetzänderungen gewesen, die den Abbau der Demokratie und die Teilnahme an Angriffskriegen ebenso ermöglichen wie kriegsrechtliche Militärgewalt im Innern, falls sich ein "Notstandsfall" ergeben sollte. Das Verbot der KPD im August 1956 und die anschließende Verfolgung ihrer Mitglieder sowie aller Gegner einer Wiederbewaffnung der BRD fielen in die Frühzeit der gepriesenen Bundeswehr. Das als Feigenblatt bei der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht gedachte Recht auf Verweigerung des Waffendienstes wurde in inquisitorischen "Gewissensprüfungen" bei politischer Motivation oft nicht zugestanden.

Allein bis 2006 sind mit 53 Änderungspaketen zahlreiche Artikel des Grundgesetzes entweder verbogen oder ausgehebelt worden. Dies kann nach Art. 79 GG mit Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat für sämtliche Grundgesetz-Bestandteile mit Ausnahme der Artikel 1 und 20 völlig legal über die Bühne gehen. Stets fanden sich genügend Oppositionsfraktionen, mit besonderem Übereifer die SPD, dazu bereit, Änderungen zugunsten von Kriegs- und Militärzwecken durchzudrücken.

Am einschneidendsten waren die 1968 eingeführten Notstandsgesetze, die Bundeskanzler Kiesinger - einst Parteigänger Hitlers - dazu ermächtigten, im "Notstands- oder Kriegsfall" alle demokratischen Mechanismen mitsamt der Bürgerrechte außer Kraft zu setzen. Kanzler Kohl fügte mit den Artikeln 23/24, die zwischen 1990 und 1992 eingeführt wurden, die Übertragung von Hoheitsrechten der BRD auf die Europäische Union und ein "kollektives Sicherheitssystem" hinzu. Und zwar mit der Maßgabe für "vergleichbare Regelungen" dieser beiden "Organismen" das Grundgesetz entsprechend anzupassen.

Der "Lissabon-Vertrag" fordert Rüstung, Kriegseinsätze und neoliberalen Kapitalismus, während sich das Grundgesetz hier nicht festlegt und Angriffskriege untersagt. "Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung für Europa und zwischen den Völkern der Welt (!) herbeiführen und sichern", lautet Art. 24, 2 GG seit 1992. Das Verbot eines Bundeswehreinsatzes im Innern durchbrach bereits SPD-Kanzler Helmut Schmidt: Beim Rostock-Heiligendamm-Gipfel standen an jeder Autobahnausfahrt Panzer, während Kriegsschiffe der Bundesmarine die Seeseite sicherten.

Gestützt auf den Art. 87 a von 1956 brüstet man sich jetzt zur entschlossenen Übernahme exekutiver Gewalt durch Bundeswehrtruppen im "Notstandsfall". Dieser kann durch Unruhen, Wirtschaftskrisen und Katastrophen ebenso wie durch Kriege herbeigeführt werden. Deshalb ordnet man der Bundeswehr polizeiliche Maßnahmen wie Objektschutz sowie Aufgaben "bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer" zu. Diesem Zweck dienten bis 2007 die dann aufgelösten "Heimatschutzbataillone der Territorialverteidigung". 2013 wurden 27 "Regionale Sicherungs- und Unterstützungseinheiten" (RSU/Kr) aufgestellt. Der durch seine "Kanonenpredigt" (2013) berüchtigte Oberstleutnant in der Adjutantur des Generalinspekteurs Dr. Freuding faßte die Kernaufgabe dieser Truppe so zusammen: "Wir müssen vorbereitet sein, präventiv eingesetzt zu werden, Zwangsmaßnahmen mit militärischer Gewalt durchzusetzen sowie einheimische Sicherheitskräfte zu unterstützen und aufzubauen."

Regionale Unterstützungs- und Planungstrupps stehen den Verbindungskommandos zu den zivilen Verwaltungsbehörden zur Verfügung. Diese sollen der Entlastung im "Heimatschutz" bereits aktiver Einheiten dienen. Verkehr, Verwaltung, Polizeigewalt u. v. a. in den Händen des Militärs!

Wie das geht, weiß die Bundeswehr aus Afghanistan: So erschossen Angehörige einer dort stationierten Formation in Kundus gezielt Demonstranten, die angeblich bewaffnet waren, zersiebten bei Straßenkontrollen Zivilfahrzeuge und ließen einen unweit von Kundus im Fluß steckengebliebenen Tanklaster von der U.S. Air Force bombardieren, was zu einem Blutbad führte.

Wenn Polizei und Verfassungsschutz bei den "Occupy"-Protesten in Frankfurt am Main 2015 von "bewaffneten Extremisten" sprachen und die Schuld an den Vorfällen den Veranstaltern einer friedlichen Protestkundgebung in die Schuhe schoben - wie würde man wohl erst bei Kriegsrecht mit Oppositionellen umspringen? Todesstrafen wären dann wohl an der Tagesordnung.

Natürlich geschieht all das allein "zum Schutz der Bevölkerung", wie der bereits zitierte Dr. Freuding das Ziel der RSU/Kr zu kaschieren sucht. Seine Devise lautet: "Mit der Freiheit zur Verantwortung geht einher, daß ich als Soldat im Tun und im Unterlassen schuldig werden kann." Das sei aber "an der Verheißung der messianischen Friedensordnung ausgerichtet: Gott vergibt, auch wenn wir gefehlt haben." In diesem Geiste schließt sich der Kreis zur Logik des Herrn Gauck, der die Bundeswehr als "Demokratiewunder" selbst im Sinne seiner sehr speziellen Auffassung von Christentum begreift.

Wir aber sollten uns über unser Verhältnis zu dieser imperialistischen und innenpolitisch Gewehr bei Fuß stehenden Truppe im klaren sein: Da ist nichts, was der Demokratie guttut! Dies auch Herrn Ramelow ins Stammbuch, der über die Bundeswehr "neu nachzudenken" empfahl.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

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Kriegshetze in "leichter Sprache"

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Über Schätze, die viele nicht zu schätzen wußten

Etliche Fragen bewegen mich in der Diskussion um die Eigentümerproblematik der Arbeiter in den Betrieben der DDR und deren Nichtverteidigung in der "Wende"-Zeit. Wollten die meisten Werktätigen - wie wir damals sagten - denn tatsächlich Eigentümer der Produktionsmittel sein? Waren sie sich bewußt, die führende Klasse im Sozialismus zu sein? Schätzten sie die Subventionen für vielerlei Dinge des Alltags? Waren sie froh über Sauna, Arzt, Friseur und andere Dienstleistungen im Betrieb? Hatten sie verinnerlicht, daß sie jederzeit einen sicheren Arbeitsplatz besaßen, ihre Kinder eine solide Bildung und beim Studium ein Stipendium erhielten? Und das alles nur, weil sie Besitzer der Produktionsmittel waren?

Es sei mir gestattet, eine Antwort zu geben. Sie lautet: Nein. All das war für die meisten selbstverständlich. Das Reden über die Vorzüge des Sozialismus mit diesen Eigentumsverhältnissen ließ die Mehrheit völlig kalt.

Hinzu kam: Eine überalterte und von den Massen getrennte SED-Führung mit einer sich in Wiederholungen erschöpfenden und daher weithin wirkungslosen Agitation und Propaganda.

1989/90 erlebte ich Arbeiter, die Losungen an ihren Autos angebracht hatten wie "Wir sind ein Volk - wählt CDU!"

Als mein Mann, der 1991 Betriebsratsvorsitzender (in der DDR BGL-Vorsitzender) des größten Unternehmens unserer Stadt war, seine Kollegen zum Protest gegen die Schließung des ELMO-Teilwerkes vor die Kreisverwaltung führte, folgte dieser Initiative keine weitere Belegschaft. Die Arbeiter meinten, es werde schon nicht so schlimm kommen. (Heute gibt es in Demmin keinen einzigen großen Betrieb mehr.)

Alles strebte damals nach mehr Konsum, fing die Bananen - von den Marktschreiern ins Volk geworfen -, wühlte an den Tischen mit der Bekleidung. Das war die Gier nach dem "Endlich-richtig-einkaufen-Können". So etwas hatte die rohstoffarme, an der Scheidelinie beider Machtblöcke liegende DDR nicht zu bieten.

Und die Arbeiter in der BRD? Waren sie solidarisch, als die größte Arbeitslosigkeit in der "abgewickelten" DDR begann? Dachten sie an die historische Mission der Arbeiterklasse? Das auch von mir viele Jahre Gelehrte hat leider nicht gegriffen.

Die Gegenwart beweist es: Es zeigt sich keine mächtige Protestwelle in Europa und darüber hinaus, wenn es um Erpressung, Demütigung und schließlich Kolonialisierung des griechischen Volkes geht. Ich denke, wenn der Mensch einen Arbeitsplatz hat, der ihn und seine Familie gut ernährt und ihm überdies das Reisen ermöglicht, wenn er ein "Häuschen im Grünen" oder eine bezahlbare Wohnung und etwas mehr sein eigen nennt als der Nachbar, dann reicht es ihm. Eigentümer der Produktionsmittel zu werden - so glaube ich -, interessiert nur wenige. Das aber wissen die Apologeten des Kapitals ganz genau. Darum spalten sie das Volk, beginnend in der Schule, manipulieren es über die Medien, die ihnen hörig sind, und geben den Ärmsten so viel, daß sie davon leben können. Jedenfalls in der BRD.

Ingrid Glow, Demmin

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Das Ideal und die Wirklichkeit

Dr. Peter Elz legte unter dem Titel "Wo Selbstbezichtigungen fehl am Platze sind" seine Einschätzung der Stellung der DDR-Bevölkerung zum Volkseigentum dar.

Ich teile sie nicht, sondern sehe es so wie Christa Luft: Bei der übergroßen Mehrheit der DDR-Bürger war kein Eigentümerbewußtsein vorhanden. Das habe ich leider während meiner Tätigkeit als Abteilungsleiter, Hauptabteilungsleiter und ehrenamtlicher APO-Sekretär im Fernmeldewerk Nordhausen festgestellt. Dort und in anderen VEB wurde während der Arbeitszeit "gepfuscht". Handwerker fertigten mit betrieblichem Material Dinge für den persönlichen Gebrauch oder gar gegen Bezahlung für andere an. Man machte überlange Frühstücks- und Mittagspausen. Man duldete, daß Volkseigentum aus den Betrieben entwendet wurde. Erschwerniszuschläge, die gar nicht berechtigt waren, rechnete man ab. Um Erfolge "nach oben" melden zu können, verleiteten die Büros für Neuererwesen Werktätige dazu, normale Leistungen als Neuerungen auszugeben. Das Unwesen mit den Persönlichen Planangeboten wird wohl auch manchen Lesern noch bekannt sein. Das alles konnte nicht zu einem positiven Eigentümerbewußtsein führen.

Peter Elz weist zu Recht darauf hin, daß der Verlust ihrer Arbeitsplätze nach dem Umsturz bei den Werktätigen Wut und Verzweiflung hervorrief. Sie waren ohne Hoffnung, weil sie keine Erwerbsarbeit mehr hatten, nicht aber wegen des Verlusts ihres Betriebes. Diejenigen, die weiterarbeiten durften, waren nicht darüber empört, daß sie das nun in einem kapitalistischen Betrieb und nicht mehr in ihrem Betrieb taten.

Um den Werktätigen das Gefühl zu geben, Eigentümer ihrer Betriebe zu sein, hätte - abgesehen von den ersten Jahren nach Gründung der DDR - nicht die Partei die Betriebsdirektoren einsetzen dürfen, sondern sie hätten von den Werktätigen selbst gewählt werden müssen, wie es heute in Genossenschaften der Fall ist.

Richtig erscheint mir, daß erforderlich gewesen wäre, die ökonomischen Interessen der arbeitenden Menschen an das volkswirtschaftliche Ergebnis des Betriebes zu koppeln. Dann wären vermutlich auch die angeführten negativen Erscheinungen so nicht eingetreten.

Die Kritik von Peter Elz an der Haltung der PDL zum Staatseigentum teile ich, auch die Schlußfolgerung, daß künftige sozialistische Wirtschaftspolitik auf dem Volkseigentum beruhen muß. Das klappt aber auf keinen Fall im Wege der "Transformation", wie es dem Forum Demokratischer Sozialismus in der PDL vorschwebt, sondern nur im Ergebnis einer revolutionären Umgestaltung des Systems.

Wolfgang Reinhardt, Nordhausen

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Widerstandslos demontierten diese Arbeiter noch vor der Umwandlung ihres VEB in eine GmbH bereits am 6. Juni 1990 die Leuchtschrift vom Dach ihres Betriebes.

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Ein Pyrrhussieg des Westens

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Marxens Schwiegersohn Paul Lafargue

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Zwei Publikationen von und über Walter Womacka

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Auch sie nennen sich Arbeiterführer

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Berechtigte Zweifel
Wurde der Sonderparteitag im Dezember 1989 aus dem Boden gestampft?

Politisch in jeder Hinsicht Gleichgesinnten zu begegnen, passiert einem nicht alle Tage. In unserer Gegend sind sie leider Mangelware. Wir gehören zwar noch mit etlichen anderen einer Basisorganisation der Partei Die Linke an, doch die meisten, die früher dabei waren, haben sich entweder aus berechtigten politischen Gründen zurückgezogen oder - ganz überwiegend - mit den "neuen Verhältnissen" arrangiert. Es ist manchmal nicht zu begreifen, wie schnell früher aktive Genossen, mit denen man das Berufsleben teilte, in seichte Gewässer abdriften konnten. Zu DDR-Zeiten sprach man vom roten Sachsen, jetzt aber ist unsere Region leider überwiegend tiefschwarz.

Eigentlich hätte auch ich schon längst die Segel gestrichen, doch wenn alle Marxisten-Leninisten die PDL verlassen würden - wer soll dann noch darum kämpfen, andere Genossen auf dem richtigen Weg zu halten oder sie dorthin zu führen? Es ist sehr begrüßenswert, daß Genosse Külow, der Vorsitzende des Stadtverbandes Leipzig der Linkspartei, die neue Plattform "Liebknecht-Kreis" mit engagierten Gleichgesinnten gegründet hat. Dabei geht es um die Rückkehr zu einer wirklich kämpferischen linken Kraft. Leider bin ich derzeit im Erzgebirgskreis noch der einzige, der dazugehört.

Doch ich will im folgenden eine heikle Frage aufwerfen, die mich schon seit zweieinhalb Jahrzehnten beschäftigt: Wie vollzogen sich eigentlich das Ende der SED und der Übergang zur PDS, aus der später die PDL hervorging?

Die Vorgeschichte will ich dabei außer acht lassen und einfach im Spätherbst 1989 beginnen. Am 3. Dezember jenes Jahres trat das Zentralkomitee der SED plötzlich geschlossen zurück. Doch schon am 8. Dezember konnte ein Außerordentlicher Parteitag der SED, der dann die Umbenennung beschloß, eröffnet werden. Die Beratung habe - heißt es - einer zentralen Forderung der Parteibasis entsprochen. Das dürfte stimmen. Mir ist jedoch unklar: Wer hat in den fünf Tagen zwischen der Demission des ZK und dem Parteitagsbeginn all die Vorbereitungen für dieses große Ereignis getroffen? Reichte die Zeitspanne dazu aus oder arbeitete etwa schon lange zuvor irgendeine inoffizielle Arbeitsgruppe hinter dem Rücken des noch bestehenden Führungsgremiums der Partei? Plötzlich - nach fünfmal 24 Stunden - traten nicht weniger als 2714 Delegierte zusammen. Wo wurden sie von wie vielen Grundorganisationen der Partei gewählt? Trotz aller Nachforschungen konnte ich in meinem gesamten Umfeld keine Genossen ausfindig machen, die zu diesem Kongreß statutengerecht entsandt worden wären. Auffälligerweise finde ich in den Dokumenten der Beratung auch keine Aussage zur Arbeit einer Mandatsprüfungskommission, die erklären könnte, wer damals in wessen Namen im Saal gesessen hat. Ist denn auch mit Sicherheit festgestellt worden, daß sich am Beratungsort des Außerordentlichen Parteitags wirklich nur Genossen befanden, die in ihrem jeweiligen Territorium ein gültiges Mandat erhalten hatten und einen entsprechenden Delegiertenstatus besaßen? Natürlich soll hier von den "Gästen", zu denen die unter dramatischen Umständen abgewählten Mitglieder der alten Führung gehörten, nicht die Rede sein.

Man muß sich weiter vorstellen: Innerhalb der zur Verfügung stehenden fünf Tage mußten der Saal bestellt und hergerichtet, Quartiere für Tausende beschafft und Reden wie Beschlüsse vorbereitet werden. Für mich ist all das schleierhaft. Es kann sich wohl nur so verhalten haben, daß die Karten schon längst gemischt worden waren. Wer hat da kräftig in die Speichen gegriffen, um das Rad in die von einer neuen Mannschaft gewünschte Richtung zu drehen?

Man rufe sich jene Zeit ins Gedächtnis: Da wurden der Situation entsprechende Reden vorgetragen, passend und abgestimmt auf das, was manche vorhatten - also schon für die Zeit danach. Prompt wurden ein neues Programm und Statut vorgelegt. Alles war bis ins letzte Detail vorbereitet - auch die Überlegung, die Betriebsgruppen der Partei zu liquidieren und damit die Leinen zur Arbeiterklasse zu kappen. Alles funktionierte wie ein Uhrwerk. Und das nicht nur in kürzester Frist, sondern auch mit dem Wissen, daß in absehbarer Zeit in der DDR Volkskammerwahlen stattfinden würden. Diese standen dann bereits unter der gegnerischen Hauptlosung "Freiheit statt Sozialismus".

Wer steuerte in der Berliner Dynamohalle das Geschehen, und wer leistete dem nun eingeschlagenen Kurs der Abkehr vom Marxismus-Leninismus Vorschub? Jene, welche den Führer der Oktoberrevolution unter den Vorvätern der Partei handstreichartig durch Bernstein ersetzten? Waren da nicht bereits ganz andere Kräfte am Werk? Damals wurden doch so viele Akteure eingekauft. Wenn man im Sinn hatte, die DDR als sozialistischen Staat preiszugeben, warum sollte man dann ausgerechnet die führende Partei unangetastet lassen?

Mir sind noch viele andere Dinge unklar, wobei ich ja selbst hätte merken müssen, ob damals tatsächlich überall Versammlungen einberufen wurden, um Delegierte des Parteitags zu wählen. Oder vollzog sich all das unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit, ja Geheimniskrämerei?

Am 8. Dezember 1989 hatte Herbert Kroker, ein ehemaliger Generaldirektor, den Parteitag eröffnet. Ihm hätte ich - damals selbst Direktor für Materialwirtschaft im Volkseigenen Kombinat Haus- und Küchengeräte Schwarzenberg - gerne einmal "ein paar dumme Fragen" gestellt.

Klaus Glaser, Schwarzenberg

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Prophetisches

Ein Marxist-Leninist feierte in Havanna am Tag der dortigen Wiedereröffnung der USA-Botschaft seinen 89. Geburtstag im Kreis enger Freunde - der Präsidenten Nicolás Maduro (Venezuela) und Evo Morales (Bolivien). 1973 sah Fidel Castro voraus: "Die USA werden mit uns reden wollen, wenn sie einen schwarzen Präsidenten und die Welt einen Papst aus Lateinamerika haben werden."

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Zu Ingo Wagners Einschätzung der Partei Die Linke

Der Artikel Ingo Wagners über eine "sozialdemokratische Partei besonderer Art" hat bei mir Zustimmung und Widerspruch zugleich hervorgerufen. Wie er gehöre auch ich zu jenen, welche von Beginn an in der politischen Praxis und der wissenschaftlichen Arbeit am Aufbau und an der Gestaltung der DDR teilgenommen haben. Am 1. Januar 1946 trat ich der KPD bei. Über alle Irrungen und Wirrungen blieb ich bei unserer roten Fahne und gehöre heute der Kommunistischen Plattform an.

Aus dieser Position heraus erfolgt auch meine Zustimmung zu bestimmten Einschätzungen Ingo Wagners. Sie betrifft seine Feststellung, die PDL erstrebe "die Erhaltung des Kapitalismus, und zwar durch Beschneidung seiner extremen Auswüchse ..."

In Bielefeld hat Gregor Gysi dies offen bekannt: "Wenn wir sozialistisch bleiben wollen, müssen wir erklären, was uns und warum am Kapitalismus stört, auch was uns nicht stört, sondern im Gegenteil gut ist, und wie man das Störende überwinden und das andere erhalten kann."

Dieses Credo des Sozialreformismus von Bernstein über Fritz Tarnow ("Arzt am Krankenbett des Kapitalismus") bis Gysi kann man kaum exakter formulieren. Dazu gehört auch, daß einige Parteivorstandsmitglieder die Illusion verbreiten, man könne mit kleinen Solarparks, kommunalen Wasserwerken, örtlicher Stromversorgung, Genossenschaften und Kleingärtnereien "dem Finanzmarktkapitalismus das Genick brechen" (siehe RF, Juni 2015, S. 15). Dieses Transformationskonzept soll zum neuen strategischen Fundament der Partei werden. Hierin tritt erneut und verstärkt zutage, was Ingo Wagner feststellt: daß "kontinuierlich eine Abkehr vom Marxismus" betrieben wird.

Hier beginnt mein Widerspruch. Wagner spricht mehrfach von der PDS, von der PDL, von der Linken insgesamt usw. ohne Berücksichtigung der Tatsache, daß es trotz all des oben Gesagten einen Zusammenschluß marxistischer Kräfte gibt, der sich in Gestalt der Kommunistischen Plattform, des Marxistischen Forums, der Antikapitalistischen Linken und vieler Sympathisanten manifestiert. Soweit er davon Kenntnis nimmt, bezieht sich Ingo Wagner auf den Kompromißcharakter des Erfurter Programms, den er negativ bewertet. Er schreibt: "Mein Haupteinwand besteht darin, daß das Erfurter Programm ein Kompromißpapier ist, das Züge einer gabelartigen Verzweigung aufweist."

Der Kompromißcharakter ist dem Programm nicht abzusprechen. Aber dies als "Haupteinwand" gegen das Dokument zu wenden, übersieht zwei Dinge. Erstens sind die antikapitalistischen, sozialpolitischen und besonders friedenspolitischen Positionen im Programm, die auch Bestandteile des Kompromißcharakters sind, der Wirksamkeit und dem Gewicht der marxistischen Kräfte zu danken. Diese Kräfte wie ihre Positionen zu unterstützen und dieses Programm gegen die sozialreformistischen Bemühungen um seine Aufweichung und Aushöhlung zu verteidigen sollte die Orientierung sein.

Zweitens kann man offensichtlich auch heute noch über die Bewertung von Kompromissen sehr viel von Lenin lernen.

Wichtig ist dabei, daß über 70 % der Parteimitglieder plus vieler Sympathisanten für eine konsequente Einhaltung der friedenspolitischen Programmposition eintreten und jede Aufweichung und Unterwanderung ablehnen. Es gilt, diese Stimmen in den Führungsetagen hörbar zu machen.

Widerspruch ist auch anzumelden in bezug auf die Antwort Ingo Wagners an Rosemarie Griese: ... "müssen wir eine neue sozialistisch-kommunistische Partei auf marxistischer Grundlage anstreben". Liegt nicht die Hauptschwäche der antikapitalistischen Bewegung in ihrer Zersplitterung? Brauchen wir neben der PDL, der DKP, der KPD und anderen ähnlich orientierten linken Kräften noch eine weitere Partei, die diesen ihre marxistische Substanz absaugt, ohne selbst im parlamentarischen und außerparlamentarischen Raum ein entsprechendes Gewicht zu erlangen? Sollte die Orientierung nicht dahin gehen, daß alle konsequent linken Kräfte ungeachtet ihrer jeweiligen organisatorischen Verfaßtheit in Grundfragen unserer Zeit - vor allem bei der Friedenssicherung und im antikapitalistischen Kampf - ein Höchstmaß gemeinsamer Aktivitäten entwickeln?

So viele Fragen - und noch keine gemeinsame Antwort. In sachlicher, kulturvoller und von unserem Klassenstandpunkt getragener Diskussion sind die durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten zu stärken und politisch wirksam zu machen, um unserer historischen Verantwortung gerecht zu werden.

Prof. Dr. Herbert Meißner

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Erinnern an Jürgen Kuczynski (1904-1997)

Jürgen Kuczynski hatte - für außergewöhnliche Menschen seiner Art nicht verwunderlich - sehr bemerkenswerte Eigenarten. Eine von ihnen möchte ich hier hervorheben. Für ihn als einen aufrechten Kommunisten waren Weltanschauung und politische Haltung nicht nur eine Sache des Intellekts, sondern im wahrsten Sinne des Wortes auch eine Herzensangelegenheit. Das bezog sich auf seine Haltung zur eigenen Partei, aber noch viel mehr auf das Land der Oktoberrevolution und die von Lenin gegründete KPdSU.

Jürgen Kuczynski konnte es nicht fassen, daß die "Konterrevolution" in Gestalt des ewig besoffenen Jelzin dem US-Präsidenten en passant die Auflösung der Sowjetunion zu versprechen imstande war. Damals begab sich eine Gruppe "aufrechter Verteidiger des Sozialismus" mit Vertretern der Militärführung und dem KGB-Chef an der Spitze zu dem unter Hausarrest stehenden Gorbatschow in südliche Gefilde des Landes, um von ihm die Unterzeichnung eines Schreibens zu erbitten, das Jelzin die Liquidierung der UdSSR verbieten sollte. Als aber Gorbatschow sein Signum verweigerte, fuhren die völlig aus der Fassung geratenen "Sozialismusverteidiger" unverrichteter Dinge wieder nach Moskau, so daß Jelzin den vormals mächtigen Staat mit einem Federstrich auflösen konnte.

Es ist zu hoffen, daß sich so etwas in dem von Kuczynski viele Male erklärten historischen Auf und Ab nicht noch einmal ereignet: die Tatsache nämlich, daß gesellschaftliche Bewegungen, die mit Erfolg grandiose revolutionäre Umwälzungen vollbringen, wie das unter Lenin in Rußland der Fall war, im Ergebnis der Entartung von Führern unter Preisgabe jeglicher marxistischer Grundsätze sowie auf der Basis grotesker und substanzloser "Entwicklungskonzeptionen" in ähnliche Ohnmachtssituationen verfallen.

Reiner Hofmann, Panketal

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Erklärung der Geschichtskommission der DKP zum 25. Jahrestag der Annexion der DDR (Entwurf)

Die Gründung der DDR war die Antwort auf die Teilung Deutschlands durch die Installierung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Bereich der "westlichen Besatzungszonen", mit der die Potsdamer Vereinbarungen der Antihitlerkoalition, bestehend aus den Vertretern der USA, der UdSSR, Großbritanniens und Frankreichs, von den Westmächten einseitig gebrochen wurden.

Die Gründung der DDR als antifaschistischer Arbeiter-und-Bauern-Staat auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone war die Antwort auf die Konstituierung der BRD. Die DDR stand in der Tradition der deutschen Arbeiterbewegung und der demokratischen Kräfte der deutschen Geschichte.

In der DDR wurden die ökonomischen Grundlagen des deutschen Monopolkapitals zerschlagen, dessen reaktionärste Kreise die Macht des deutschen Faschismus ermöglichten und die versuchten, die Völker Europas blutig zu unterjochen. Die DDR vollendete während ihres Bestehens die Enteignung des Großgrundbesitzes der ehemaligen Fürstenhäuser, die sich in der Regel mit den deutschen Faschisten verbündet hatten, der Konzerne, welche die Waffen für den Krieg der Faschisten schmiedeten und der Großbanken als Finanzzentren der deutschen Faschisten. Die Enteignungen bleiben die größte Errungenschaft in der bisherigen Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung.

In der DDR wurde ein sozialistisches Rechtssystem aufgebaut, das auf den in den UN-Konventionen postulierten Rechtsnormen basierte.

Die völkerrechtlich anerkannte DDR war ökonomisch und politisch eng mit der UdSSR verbunden. Sie war in das Bündnis des Warschauer Vertrages ebenso integriert wie die BRD in die NATO.

Die in der DDR geschaffenen politischen Voraussetzungen garantierten der gesamten Bevölkerung soziale Sicherheit, Schutz vor Erwerbslosigkeit, ein gebührenfreies Gesundheitssystem und umfassende Bildungsmöglichkeiten, wie sie im Art. 19 ff. in der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 gefordert werden.

Dieser historische Anspruch an die Geschichte des deutschen Volkes rief den erbitterten Widerstand der in der BRD konzentrierten Kräfte der alten bürgerlichen Machteliten hervor. Sie nutzten in den folgenden Jahren des Kalten Krieges alle materiellen und politischen Möglichkeiten, die ihnen nach dem Auseinanderfallen der Antihitlerkoalition zur Verfügung standen, um die Entwicklungen in der DDR zu bekämpfen. In den Ereignissen des 17. Juni 1953 zeigte sich der erste erfolglose Versuch, die politischen Verhältnisse in der DDR zu beseitigen.

Die von Michail Gorbatschow in der UdSSR eingeleiteten Reformen schufen günstige Bedingungen für den antisozialistischen Kampf der imperialistischen Mächte, führten zur Auflösung der sozialistischen Machtverhältnisse in der UdSSR, in den Staaten des Warschauer Vertrages, des Vertrages selbst und des blockfreien Jugoslawiens. Seine Politik bewirkte die Restaurierung des Kapitalismus in diesen Staaten.

Der anschließend der DDR oktroyierte Zwei-plus-vier-Vertrag beseitigte den Schutz der Staaten des Warschauer Vertrages, einschließlich der DDR, durch die UdSSR, die im Gegensatz zu den "Westmächten" in der BRD ihre Truppen aus der DDR vertragsgemäß zurückzog.

Damit konnte die herrschende Klasse der BRD ihr politisches Staatsziel, die Liquidierung der DDR, durchsetzen, das durch den geschichtlich beispiellosen Bruch von Völkerrechtsverträgen seitens der Gorbatschow-Führung der UdSSR ermöglicht wurde.

Der die Liquidierung der DDR besiegelnde "Einigungsvertrag", der dem Zwei-plus-vier-Vertrag folgte, ermöglichte dann die Plünderung des Volkseigentums der DDR und förderte die Großmannssucht der neu installierten BRD durch Beteiligung an Eroberungskriegen zur Neugestaltung der Weltordnung.

Die Darstellung der DDR in der heutigen Bundesrepublik genügt in sehr vielen Fällen keinen Ansprüchen seriöser Geschichtswissenschaft. Vielmehr dominieren hier weiterhin Feindbilder des Kalten Krieges, d. h. Verzerrungen, Einseitigkeiten und Unwahrheiten. Ziel ist die nachhaltige Diffamierung des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden und damit auch die Tabuisierung des Nachdenkens über eine zukünftige antikapitalistische Systemalternative. Diesen Bestrebungen treten wir Kommunistinnen und Kommunisten mit der Feststellung entgegen:

Die DDR bleibt als sozialistischer Staat, der dem Monopolkapital 40 Jahre lang die Existenzgrundlage entzog, die bedeutendste Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung.

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Patrik Köbele: Ich sage einfach mal DANKE!

Mein Dank gebührt den vielen "RotFuchs"-Regionalgruppen, die mich in den letzten Jahren eingeladen haben!

Ich glaube, es waren so an die 15 Veranstaltungen - "quer durch die Republik". Etliche hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnte ich registrieren - das ist schon ein Unterschied zum Westteil dieses Landes! Solche Auditorien finde ich dort selten. Die Themenpalette war sehr breit. Natürlich ging es immer um die Verfaßtheit und Perspektive der DKP wie der revolutionären und linken Bewegung unseres Landes.

Die Vielfalt der behandelten Fragen reichte von kommunistischer Bündnispolitik über die Aktualität der Ideen von Marx, Engels und Lenin bis zur Verständigung darüber, ob Klassenkampf und Imperialismus noch zeitgemäße Kategorien der politischen Analyse sowie der Entwicklung von Strategie und Taktik seien.

Mir als dem Referenten haben alle Veranstaltungen Spaß gemacht und Freude bereitet. Und zwar keineswegs deshalb, weil ich den Eindruck gewann, daß meine Ausführungen zustimmend abgenickt worden wären, sondern vielmehr gerade, weil ich stets zu der Überzeugung gelangte, daß sich inhaltliche Debatten entwickelten, aus denen alle - ich schließe mich dabei ein - viel mitnehmen konnten.

Typisch war, daß es sich immer um ein kenntnisreiches und intelligentes Publikum handelte. Keineswegs in jenem Sinne, der das Wort "intellektuell" oft als Buchstabengelehrtheit in Kombination mit Karriereabsichten und Ellenbogenmentalität deutet. Nein, es war eine durchaus geistvolle Teilnehmerschaft. Marxistisch gebildet, politisch erfahren und durch Erfolge wie Brüche, Widersprüche und Niederlagen darin geschult, die Weltanschauung nicht als Dogma, sondern als Instrument und Waffe zu benutzen. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehörten zur Generation der über Sechzigjährigen. Und doch sah man unter den Anwesenden immer wieder auch jüngere Gesichter.

Damit war es ein Kreis von Menschen, deren Lebensleistung meist durch die Mitwirkung am Aufbau des Sozialismus in der DDR geprägt war. Ich spürte immer und überall, welches Potential die Zusammenführung dieses Erfahrungsstromes mit dem in der DKP vorwiegend gewonnenen Wissen aus jahrzehntelangem Kampf unter den Bedingungen eines der führenden imperialistischen Staaten in sich birgt. Spürbar war für mich aber auch, wie die DDR-Prägung der meisten Teilnehmer an RF-Veranstaltungen der Konterrevolution standgehalten und diese überdauert hat. Im Positiven darum wissend, daß die DDR die größte Errungenschaft der Arbeiterklasse Deutschlands war, aber auch in der wachsenden Erfahrung, daß Parlamente im Kapitalismus ein Kampfplatz - wenn auch nicht der einzige und oft noch nicht mal der zentrale - sind.

Für mich war zweierlei spannend, lehrreich und immer wieder nachdenklich stimmend: Erstens: der Grad von Parteiverbundenheit und Parteidisziplin, dem ich begegnete. Es handelt sich dabei um Eigenschaften, ohne die Revolutionäre keine Revolution zum Erfolg führen können. Was aber, wenn nicht der Genosse oder die Genossin, sondern die Partei ihre Genossen verläßt? Dann scheinen mir beide Eigenschaften in der Tendenz eher zu Fesseln zu werden.

Zweitens: der große Wille zur Einheit der Linken. Ich teile ihn unbedingt, wenn es um Zusammenarbeit, Bündnispolitik und Aktionseinheit geht. Ich halte ihn aber dann für falsch, wenn die organisatorische Einheit über deren inhaltliche Grundlage gestellt wird. Eine solche Einheit zwischen Kräften, die davon ausgehen, den Kapitalismus über Reformen menschlicher machen oder sogar zum Sozialismus transformieren zu können, und jenen, welche - wie ich - einen revolutionären Bruch mit dem kapitalistischen System für notwendig erachten, würde den revolutionären Teil der Bewegung letztlich in das reformistische Fahrwasser integrieren. - Auch darüber möchte ich mit Euch "RotFüchsen" die weitere Debatte führen. Sie nützt mir, und ich hoffe auch Euch, tragen wir doch gemeinsam viel Verantwortung für die Perspektive der revolutionären Bewegung in diesem Land.


Unser Autor ist Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

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Hiroshimas Friedenspark erinnert an das atomare Inferno

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Marxistisches aus Niedersachsen

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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RF-Extra

Horst Sindermann - Zeuge des Jahrhunderts

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Sichten des Satirikers und Kommentators Wolfgang Hupfer
Die Flüchtlingsströme sind nicht vom Himmel gefallen

Asylanten? Vertriebene? Wirtschaftsflüchtlinge? Aus Angst ums Leben Geflohene? Flüchtlinge - vor was?

Die Medien der BRD vergießen Krokodilstränen um das Schicksal der "Asylanten". Kirchenführer erklären mit zitternder Anteilnahme die Not dieser Menschen. "Experten" aus Politik und Wissenschaft sehen in diesen Flüchtlingsströmen "den Beginn einer neuen Völkerwanderung". Dabei ist keiner dieser Flüchtlinge zu beneiden. Die Menschlichkeit gebietet es, ihnen zu helfen.

Doch weder Medien noch Kirchen, Parteien oder Gewerkschaften fragen laut und unüberhörbar, daß es alle verstehen: Warum ergießen sich denn diese Flüchtlingsströme über Europa?

Jede Berichterstattung beginnt mit Flucht von Menschen aus Nahost und Afrika unter unsäglichen Strapazen und Gefahren. Keine Reportage, kein Interview mit "Experten" aber sagt etwas über die im Vorfeld erfolgten geheimen, verdeckten und offenen militärischen Aktionen der USA und ihrer Vasallen Großbritannien, Deutschland oder Frankreich in Staaten wie Afghanistan, Serbien, Kosovo, Irak, Syrien, Libyen, Jemen, Mali, Südsudan und vielen anderen Ländern aus.

Wo man sich auch nur ein wenig unbotmäßig gegenüber den USA und deren Partnern verhielt, führte das unweigerlich zum Einsatz der Zuchtpeitsche, die man auch NATO nennen kann. In den Medien heißt das Verteidigung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten. Es gehe um "westliche Werte", wird behauptet. dabei zerstört man funktionierende Staaten, die anschließend im Chaos versinken. Die erfundenen und organisierten Gründe zum Eingreifen dort interessieren längst niemanden mehr. Selbst vor der UNO kann man dazu ungestraft lügen, wie die Vorwände für den Überfall der USA auf Irak bewiesen haben. Millionen Tote und ein Strom von Flüchtlingen waren die Folgen. Griechenland konnte sich gerade noch als Protektorat der BRD vor dem militärischen Zugriff retten.

Übrigens hat das kleine Ländchen DDR bereits in den 50er und 60er Jahren Tausende Griechen vor einem solchen Schicksal bewahrt, ihnen Asyl gewährt und solide Ausbildung sowie Arbeitsplätze geboten. Auch Chilenen und Opfern der südafrikanischen Apartheid gegenüber verhielt es sich so.

Gebieten wir denen, die heutige Szenarien organisieren und der Macht, die wenige in Händen halten, sowie dem Faustrecht einer winzigen Minderheit keinen Einhalt, dann wird Mutter Erde ein letztes Mal über die politische Verdummung ihrer Bewohner stöhnen und in tausend Stücke zerfallen.

Asylsuchende aus dem Kosovo

"Der größte Teil der in Sachsen Asyl Suchenden kommt aus dem Kosovo", berichteten die "Edelfedern" der hiesigen Medienwelt in diesen Monaten. Dann folgten die Details: Turnhallenunterkünfte, Toilettenzahlen, Antragsüberprüfungen ... Doch nirgends hörte man etwas von den Ursachen.

Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß der Kosovo noch nicht nach Afrika oder in den Nahen Osten verlegt worden ist, sondern wie bisher zu Europa gehört, versetzte mich diese Meldung in ungläubiges Staunen. Im März 1999 haben "wir Deutschen" doch dem Kosovo Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Frieden sowie blühende Landschaften gebracht und das tyrannische "Rest"-Jugoslawien zusammengebombt.

Dabei ließen wir uns nicht lumpen. Agenda-Kanzler Gerhard Schröder formulierte das am 24. März 1999 in seiner Rede zur Nation so: "Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Sein Bruder im Geiste, der britische Premier Tony Blair, sprach von einem "Sieg der Zivilisation", denn "das Gute" habe "über das Böse triumphiert". Der damals Grüne Josef Fischer erfand sogar "die Verhinderung eines zweiten Auschwitz". Und nun haben wir Scharen von Asylsuchenden aus dem Kosovo in Sachsen.

Entweder weiß die Presse nicht so richtig, wo die Leute her sind, oder die Berichterstattung hat damals nicht gestimmt. Denn warum sollen Menschen aus einem blühenden, demokratischen Land weggehen? Wir haben ihnen doch Freiheit und Demokratie gebracht! Ist das etwa der Dank, uns nun Asylanten zuzuschieben?

Ende RF-Extra

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Portugals Kommunisten für Bruch mit Euro und EU

Als die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) ihr Programm zu den im Oktober stattfindenden Parlamentswahlen vorstellte, fehlte es an Altgebackenem. Ihr Generalsekretär Jerónimo de Sousa - er war zuvor Führer der Metallarbeitergewerkschaft - rief zu einem "Bruch mit den Rezepten und Wegen" auf, "die den Niedergang des Landes bewirkt haben". Er präsentierte die alternativen Überlegungen der derzeit stärksten marxistisch-leninistischen Partei Europas. Von "Horizonten des Fortschritts und der Entwicklung Portugals" war die Rede, aber auch von Würde und nationaler Souveränität.

Das Programm trägt den Titel "Patriotische Politik und die Linke - Lösungen für ein Portugal mit Zukunft". Die PCP spricht vom "Weg des Widerstandes und der Bekräftigung der nationalen Souveränität" wie vom "Nein zu einer Vasallenschaft gegenüber den Zentren des transnationalen Kapitals".

Sie identifiziert sich mit der Forderung nach einer Neuverhandlung der Schulden Portugals. Zugleich geht es ihr um die Rückgewinnung des staatlichen Kommandos über die Wirtschaft und eine gerechtere Fiskalpolitik. Die iberische Republik müsse "Möglichkeiten ihrer Befreiung vom Euro als vorrangige Bedingung einer eigenständigen Entwicklung" prüfen. Es gehe um die erneute Nationalisierung der strategisch entscheidenden Wirtschaftssektoren - angefangen mit den Banken.

Eine gerechte Steuerpolitik müsse dem Kurs der Aneignung der Ergebnisse der Arbeit durch das Kapital, welcher die Ungleichheiten verstärke, ein Ende bereiten. Wenn es derzeit ein Übermaß an Steuern für die arbeitenden Menschen bei gleichzeitiger "Milde" gegenüber den Dividenden des Großkapitals gebe, solle das fortan in umgekehrter Weise geschehen.

Auf die Entwicklung in Griechenland eingehend, würdigte der PCP-Generalsekretär die couragierte Abfuhr, die das hellenische Volk der Brüsseler EU-Zentrale beim Referendum erteilt habe. Mit Blick auf den von seiner Partei angestrebten "unerläßlichen Ausbruch" aus der Euro-Zone stellte der PCP-Generalsekretär fest: "Ohne den Weg eines solchen Bruches gibt es keine dauerhafte Lösung für die Probleme des Landes."

RF, gestützt auf "Avante!", Lissabon

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Auch französische Kommunisten drängen Paris zum Austritt aus der Euro-Zone, der EU und der NATO.

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Kurt Stand (USA): Achtet auf Bernie Sanders!

Über 14 Jahre befand sich Kurt Stand - Sohn deutsch-amerikanischer Marxisten - in USA-Gefängnissen. Ihm war Kundschaftertätigkeit für die DDR vorgeworfen worden. Im Januar 2013 wurde Kurt, für dessen Freilassung über Ländergrenzen hinweg gekämpft wurde und der auch in mehreren Strafanstalten der Vereinigten Staaten regelmäßig den "RotFuchs" bezog, endlich wieder auf freien Fuß gesetzt. Jetzt sandte er der Redaktion die folgenden Zeilen:

Zunächst ein Wort zum "RotFuchs": Die August-Ausgabe ist Euch besonders gut gelungen. Die Artikel über Griechenland, die Türkei, Spanien und Portugal lassen erkennen, daß der Kampf für demokratische Rechte und soziale Gerechtigkeit in zunehmendem Maße antikapitalistische Züge annimmt. Im Vorfeld der nächsten US-Präsidentschaftswahlen signalisiert der Aufstieg des rassistischen Multimilliardärs Donald Trump als Modell eines "großen Führers", der nach nominellen demokratischen Spielregeln völlig unberechenbar ist, das Maß einer zunehmenden faschistischen Gefahr. Der Schriftsteller Sinclair Lewis hat das bereits 1935 in seinem Werk "Hier kann es nicht passieren" vorausgesehen.

Andererseits vertritt der sozialistische Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders eine tatsächliche Alternative dazu, indem er die Kontrolle der Konzerne über die politische und ökonomische Maschinerie der USA scharf angreift. Das bringt ihm wachsende Unterstützung nicht nur bei Gewerkschaftern ein. Der Schlüssel zum Aufbau seiner Bewegung als einer langfristigen Alternative zum Zweiparteiensystem dürfte in der Verbindung von Kritik an der Innenpolitik der Vereinigten Staaten und an strukturellen Ungleichheiten im Lande mit Attacken auf den US-Militarismus bestehen.

Kurt Stand, Cleverly
(US-Bundesstaat Maryland)

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Ehrung eines polnischen Helden

Aus Wroclaw erreichte die RF-Redaktion eine Botschaft besonderer Art. Absender war unser langjähriger Mitstreiter Prof. Dr. Zbigniew Wiktor, Anlaß seiner Zeilen die 71. Wiederkehr des Jahrestages der Gründung Volkspolens am 22. Juli 1944.

Genosse Zbigniew Wiktor, der in vergangenen Jahrzehnten den später durch die Behörden nicht weiter zugelassenen Bund Polnischer Kommunisten geleitet hatte und heute zu den führenden Persönlichkeiten der dann ins Leben gerufenen Kommunistischen Partei Polens gehört, informierte die Redaktion über ein Ereignis besonderer Art: die feierliche Einweihung eines Gedenksteins für den kommunistischen Maurer und Märtyrer Jan Rybak im Osten des Landes. Der durch seine Familie und die demokratische Öffentlichkeit Geehrte war einer der Helden Volkspolens. 1944/1945 Sekretär der Polnischen Arbeiterpartei (PPR) in Radomýsl wurde er von einem Kommando der damals noch in Ostpolen wütenden weißen NSZ-Banden am 18. Juli 1945 bestialisch ermordet.

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Beim Wiener Iran-Abkommen zog Israel den kürzeren
Man schmust nicht gerne mit Verlierern

Am 14. Juli wurden in der österreichischen Hauptstadt zwei Abkommen unterzeichnet, bei denen sich der deutsche Imperialismus erstmals als Macht von Weltgeltung darzustellen vermochte: BRD-Außenminister Steinmeier saß seinem iranischen Amtskollegen und dessen Delegation Seite an Seite mit den Chefdiplomaten der fünf Veto-Mächte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Rußland, VR China, USA, Großbritannien und Frankreich) gegenüber.

Es ging um einen Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan. Danach muß Teheran seine Verhandlungspartner und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in puncto Ausschaltung jeglicher Möglichkeiten einer iranischen A-Waffen-Produktion mittelfristig "zufriedenstellen", bevor die gegen das Land verhängten Sanktionen endgültig aufgehoben und die blockierten iranischen Auslandsguthaben freigegeben werden. Dabei schwebt über Teheran noch immer - zumindest formell - das Damoklesschwert "automatischer Sanktionen" für den Fall, daß zumindest vier der sieben beteiligten Mächte "einen potentiellen Bruch der Abmachungen" behaupten sollten. In einem solchen Zusammenhang könnten alte Falschbezichtigungen, die unter Vorlage fabrizierter "Dokumente" erhoben worden waren, wieder aufgewärmt werden. Wie der frühere IAEA-Funktionär Robert Kelly wissen ließ, waren in den Jahren 1993/94 der Behörde "sehr komplexe Fälschungen über ein tatsächlich nicht existierendes Teheraner Atomwaffenprogramm" zugespielt worden.

Nach 36 Jahren massiver Boykottpolitik setzen die Vereinigten Staaten - und dort vor allem die über Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus verfügenden Republikaner - ihren antiiranischen Kurs trotz der erzielten Übereinkunft fort. Ihnen geht es nach wie vor um einen Regimewechsel in Teheran, d.h. um die Ersetzung der Vertreter des orthodoxen Islamismus durch prowestliche Marionetten.

USA-Präsident Obama, der inzwischen von weiter rechts stehenden Kreisen der beiden großbürgerlichen Parteien immer häufiger angegriffen wird, erklärte ohne ein Wort über die Atommacht Israel zu verlieren: "Wir haben die Verbreitung von Nuklearwaffen in dieser Region gestoppt." Die "internationale Gemeinschaft" werde sich davon überzeugen können, daß die Islamische Republik Iran keine Kernwaffen zu entwickeln vermag.

Ohne Zweifel mindert das Wiener Abkommen die Gefahr großer regionaler Kriege in keiner Weise. Solange Washington seinen Kurs fortsetzt, unabhängige Regierungen wie die syrische stürzen zu wollen, bleibt auch Iran bedroht. Diese potentielle Gefahr wird um so realer, je mehr die mit dem Militärisch-industriellen Komplex verbundenen aggressivsten Kräfte in den USA im Vorfeld der nächsten Präsidentschaftswahlen weiter an Einfluß gewinnen.

Dabei dürfte auch die Vorstellung illusorisch sein, daß ein Wahlsieg der demokratischen Spitzenbewerberin Hillary Clinton zu einer diesbezüglichen Entlastung führen könnte. Auch sie gilt als Scharfmacherin, die sich Obama gegenüber durch ein noch höheres Maß an Interventionsbereitschaft zu profilieren bemüht sein könnte.

Die beiden Spitzenleute der republikanischen Grand Old Party (GOP) John Boehner, Sprecher des Repräsentantenhauses, und Mitch McConnell, Mehrheitsführer im Senat, ließen schon kurz nach der Unterzeichnung wissen, die in Wien getroffene Vereinbarung sei "im Kongreß schwer zu verkaufen". Eine besonders rabiate Kampagne gegen das Iran-Abkommen aber starteten die faschistoiden Kräfte in den Israels Netanjahu-Regierung eng verbundenen zionistischen und antiiranischen Organisationen. Deren Wortführer ist das Amerikanisch-Israelische Komitee für Öffentliche Angelegenheiten (AITAC). Sein Jahresbudget 2013 betrug mehr als 145 Millionen Dollar. Übrigens verspricht man sich in westlichen Metropolen auch einen möglichen Schlag gegen Rußlands gen Asien gerichtete Energieexport-Pläne, die derzeit nicht zuletzt auf Vereinbarungen mit Iran fußen.

Das Wiener Abkommen - wie immer man es im Detail bewerten mag - öffnet den führenden Exportländern des Westens und vor allem der EU die Tore zu Maximalprofite versprechenden Geschäften von außergewöhnlicher Dimension. Das kann allein schon daran gemessen werden, daß sich durch die Unterhändler und Außenminister beider Länder angeführte Delegationen aus Berlin und Paris, umgeben von Vertretern der jeweiligen Spitzenkonzerne, schnurstracks nach Teheran begaben, sobald die Tinte unter dem Abkommen getrocknet war.

Hauptverlierer beim Wiener Abkommen ist Israels Netanjahu-Regierung, der es nicht gelang, Irans weitgehende Isolierung aufrechtzuerhalten und die Unterzeichner des 5+1-Abkommens für eine das gesamte Nuklearprogramm des Landes stoppende Vereinbarung über die Zerstörung aller Atomanlagen Irans zu gewinnen. Die friedliche Nutzung dieser Energiequelle bleibt Teheran erhalten. Dabei hatte sich Netanjahu in seiner Rede vor dem USA-Kongreß so überaus ins Zeug gelegt. "Iran beherrscht jetzt vier arabische Hauptstädte - Bagdad, Damaskus, Beirut und Sanaa", erklärte Tel Avivs erster Mann in Washington. "Wenn seine Aggression unbeantwortet bleibt, werden weitere folgen. Wir alle müssen zusammenstehen, um Irans Marsch der Eroberung, der Unterwerfung und des Terrors zu stoppen", rief der regierende Gaza-Mörder zum Boykott Teherans auf. Allerdings vergaß er dabei zu erwähnen, daß Iran keines der von ihm genannten vier Länder jemals angegriffen hat, während Israel 2003 zu den fanatischsten Befürwortern des US-Überfalls auf Irak gehörte.

Lassen wir den nüchtern-realistischen CDU-Politiker Willy Wimmer zu Wort kommen: "Das angekündigte Veto des Präsidenten Obama gegen jedwede Obstruktion des Kongresses im Zusammenhang mit dem vorgenannten Atomabkommen hat eines deutlich gemacht: Hier ist eine über lange Zeit eingefädelte Politik nicht aufgegangen. Ob unter diesen Umständen die Nähe zwischen den Republikanern und den Israel freundlich gesinnten Kräften die Zukunft bestimmt, dürfte fraglich sein. Man schmust nicht gerne mit Verlierern."

RF, gestützt u. a. auf "Global Research", Kanada, und "People's World", New York

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Der erste Völkermord im 20. Jahrhundert trug sich auf dem schwarzen Kontinent zu
Deutsche Kolonialgreuel in Afrika

Der erste Völkermord im 20. Jahrhundert wurde nicht von Türken an Armeniern, sondern von deutscher Kolonialsoldateska an Ova-Hereros und Nama in Südwestafrika verübt.

Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts erwarb der deutsche Kaufmann Adolf Lüderitz Gebiete im heutigen Namibia. Das Land, das Lüderitz den Einheimischen für einige Pfund Sterling und ein paar Gewehre "abkaufte", wurde zunächst "Lüderitzland" genannt. Es war ein ungleiches Geschäft, und die Angst des Herrn Lüderitz, daß man ihm irgendwann auf die Schliche kommen würde, war berechtigtermaßen groß. Seit 1884 übte das Deutsche Reich daher die "Schutzherrschaft" über die Region aus, die Lüderitz erworben hatte. Das Gebiet wurde bald darauf zur deutschen Kolonie Südwestafrika.

Am 12. Januar 1904 führten der rücksichtslose Land- und Viehraub der deutschen Kolonialherren zum Aufstand der Ova-Hereros unter Führung von Samuel Maharero. Die Erhebung hatte anfangs Erfolg. Die deutsche Reichsregierung - mit dem Agieren ihrer Söldner unzufrieden - ernannte Generalleutnant Lothar von Trotha, einen besonders grausamen Militaristen, zum Oberbefehlshaber ihrer Kolonialtruppe. Der verfolgte das Ziel, die Aufständischen vollständig zu vernichten.

Nach der Schlacht am Waterberg, die im August 1904 stattfand, drängte die deutsche Kolonialsoldateska einen Teil der Ova-Hereros in die wasserlose Omaheke-Wüste, wo Zehntausende von ihnen verdursteten. Insgesamt 15.000 deutsche Soldaten waren an der Niederschlagung des Aufstandes beteiligt. Anfang Oktober 1904 erhoben sich auch die Nama-Stämme im Süden des Landes. Der Aufstand konnte erst 1908 niedergeschlagen werden.

Ein auf deutscher Seite kämpfender Afrikaner sagte unter Eid aus: "Als das Gefecht vorüber war, entdeckten wir acht oder neun Frauen, die zurückgelassen worden waren. Einige von ihnen waren blind. Wasser und Nahrung hatten sie noch. Die Deutschen haben sie bei lebendigem Leibe in der Höhle, in der sie lagen, verbrannt."

In den Jahren 1904 bis 1908 ermordeten kaiserlich-deutsche Truppen etwa 90.000 Angehörige der Ova-Herero und der Nama. Nicht einmal ein Drittel der Herero und nur die Hälfte der Nama überlebten.

Immer noch wird die Legende verbreitet, der deutsche Kolonialismus sei humaner als der anderer Staaten gewesen. Die geschilderten Beispiele, die durch zahlreiche weitere aus anderen deutschen Kolonien ergänzt werden könnten, sagen das Gegenteil aus. Bei der einheimischen Bevölkerung waren die deutschen Kolonialherren genauso verhaßt wie die aus anderen imperialistischen Staaten. 1915 eroberten britische und südafrikanische Truppen Südwestafrika. Die deutsche Kolonialherrschaft fand hier am 9. Juli 1915 ihr Ende.

Das militärische Vorgehen der deutschen Kolonialsoldateska war Völkermord, der seine Fortsetzung in den landesweit auf jetzt namibischem Boden eingerichteten Konzentrationslagern fand, in denen nahezu jeder zweite afrikanische Kriegsgefangene zu Tode kam. Dieser in Afrika verübte Genozid ist im kollektiven Bewußtsein der Deutschen weitgehend vergessen. In Namibia aber stellt er bis heute ein nationales Trauma dar.

Es gibt in ganz Berlin keine einzige offizielle Gedenkstätte, in der an deutsche Kolonialverbrechen erinnert wird. Dagegen befindet sich auf dem Garnisonsfriedhof am Neuköllner Columbiadamm neben Ehrenmälern für NS-Verbrecher auch ein Findling, der "an die gefallenen Helden des Südwestafrika-Feldzuges (1904/1907)" erinnert. Dieser Stein stand ursprünglich auf einem Kasernengelände in Kreuzberg und wurde 1973 auf Initiative einer "Afrika-Kameradschaft Berlin" restauriert und an seinen neuen Standort versetzt. Die Gelegenheit wurde genutzt, um einen weiteren Gedenkstein aufzustellen, der "den in Afrika gefallenen deutschen Soldaten" gewidmet ist. Damit wurde das Gedenken auf alle im Zweiten Weltkrieg gefallenen Angehörigen des Rommelschen Afrikakorps ausgeweitet. Dieser Stein ist 2005 von einer antimilitaristischen Gruppe entfernt worden. Doch der sogenannte Herero-Stein blieb. Eine 2009 daneben vom Neukölner Bezirksamt aufgestellte Gedenktafel wurde kurze Zeit später von Unbekannten entwendet.

Obwohl die UNO bereits 1948 die von deutschen Kolonialtruppen in Südwestafrika verübten Greuel als Völkermord definiert hat, tun sich BRD-Regierungskreise nach wie vor schwer mit diesem Begriff. Als die 2004 nach Namibia gereiste bundesdeutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) in einer Rede von Genozid sprach, wurde ihre Äußerung anschließend "relativiert". Auch BRD-Außenminister Steinmeier (SPD) manövrierte, als er 2014 auf eine Anfrage der Grünen erklärte, man habe einen Dialog begonnen, der "erstmals auch die Suche ­... nach einer gemeinsamen Sprache in bezug auf den grausamen Kolonialkrieg" beinhalte.

Besonders schäbig aber war einmal mehr das Verhalten von Bundespräsident Gauck und seines Bundespräsidialamtes, die sich am 7. Juli weigerten, Nachfahren der Völkermordopfer aus Namibia zu empfangen, obwohl diese angemeldet waren.

Einen Tag später wurde dem Bundespräsidialamt der Appell "Völkermord verjährt nicht!" übergeben, den rund 2000 Vertreter von Wissenschaft, Politik, Kirche, Kultur und auch der Black Community sowie von fast 50 Nichtregierungsorganisationen unterschrieben haben.

Die Bundesregierung lehnt beharrlich Entschädigungszahlungen an Nachfahren der Opfer während der deutschen Kolonialzeit in Afrika begangener Verbrechen ab. Doch Völkermord bleibt Völkermord!

Dr. Kurt Laser

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Minsk - hautnah erlebt
Worin sich Belarus von anderen früheren Unionsrepubliken unterscheidet

Auf dem Herbsttreffen 2014 des Arbeitskreises Kultur- und Bildungsreisen der Gesellschaft für Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) sprach ihm die Botschaft der Republik Belarus eine Einladung nach Minsk aus. Der Zeitpunkt dieser Reise wurde so ausgewählt, daß die Teilnehmer die dortigen Festlichkeiten am 3. Juli - dem belarussischen Nationalfeiertag - miterleben konnten. Gespannt und erwartungsvoll begaben sich 47 Neugierige auf die Reise in die Hauptstadt von Belarus.

Was wußten wir von der einstigen Sowjetrepublik, die seit 1991 ein unabhängiger Staat ist, der geographisch an Rußland, die Ukraine sowie die NATO-Staaten Polen, Litauen und Lettland grenzt? Jedenfalls viel zu wenig! In den bundesdeutschen Medien wird über das 207.000 Quadratkilometer große Land mit 9,5 Millionen Einwohnern nur wenig und meist tendenziös berichtet. Weißrussen, aber auch Russen, Polen und eine kleine Minderheit Tataren leben dort. Uns war bekannt, daß die Belorussische SSR wohl am härtesten unter dem Terror der deutschen Faschisten gelitten hat. Fast alle Städte und größeren Ortschaften wurden durch die Okkupanten dem Erdboden gleichgemacht. Jeder vierte Einwohner fand den Tod, wobei die jüdische Bevölkerung fast gänzlich ausgerottet wurde. 1941 zählte man in Minsk etwa 240.000 Einwohner, von denen nur 50.000 den Krieg überlebten.

Als wir durch die modern gestaltete Stadt mit ihren breiten Alleen fuhren, kreisten unsere Gedanken immer wieder um diese furchtbare Vergangenheit. Erinnert wurden wir daran ganz besonders am Nationalfeiertag. Am 3. Juli 1944 war Minsk von den faschistischen Eindringlingen befreit worden. Alljährlich ehrt man in Belarus die Helden des Großen Vaterländischen Krieges. Auch unsere Gruppe brachte frische Blumen zum Siegesdenkmal, wo Präsident Lukaschenko Minuten zuvor einen Kranz niedergelegt hatte.

Später trafen wir uns mit Veteranen aus schwerer Zeit. Unter ihnen befand sich auch der 81jährige Wassili Knjasew, der als Junge mit der Roten Armee bis Berlin gekommen war. "Ich galt damals als 'Sohn des Regiments'", meinte er, den sowjetische Soldaten aus einem zerstörten weißrussischen Dorf gerettet hatten.

Im Rathaus der Stadt Minsk wurden wir durch den Sekretär des ZK der KP von Belarus, Igor Karpenko, der zugleich Stellvertretender Bürgermeister der Stadt ist, zu einem sehr informativen Gespräch über die aktuelle Entwicklung der Republik empfangen. Im Unterschied zu anderen einstigen Unionsrepubliken lehnt es Belarus ab, Großbetriebe zu privatisieren. Allein in der Hauptstadt sind etwa 300 wichtige staatliche Industrieunternehmen angesiedelt, die ständig auf das neueste technologische Niveau gebracht werden. Es wird weiter nach Fünfjahrplänen gearbeitet, und die Arbeitsplatzgarantie ist ein wichtiges Prinzip. 2014 sprach man von 0,5 % Arbeitslosigkeit, in diesem Jahr ist sie infolge westlicher Sanktionen auf etwa ein Prozent gestiegen.

Der Staat nimmt Einfluß auf den Immobilienmarkt, doch vor allem russische Oligarchen versuchen, sich dort Zugang zu verschaffen. Einer der riesigen Wohn- und Geschäftskomplexe im Zentrum von Minsk wurde von diesen errichtet und befindet sich in ihrem Besitz. Auf dem Lande werden die Kolchosen und Sowchosen durch eine andere Rechtsform ersetzt, die etwa jener der Agrargenossenschaften im Osten der BRD entspricht. Ein großer Teil der Produkte wird nach Rußland, das größter Handelspartner ist, exportiert. Vor der Ukrainekrise nahm die BRD diesen Platz ein.

Großes Augenmerk, erklärte Karpenko, wird auf gebührenfreie Bildung, ein entsprechendes Gesundheitswesen und die Förderung von Kultur und Sport gerichtet. Es gibt aber auch private Krankenversicherungen sowie Schulen und Hochschulen, bei denen die Bürger zahlen müssen.

Igor Karpenkos Grundaussage lautet: Belarus tendiert in seiner Entwicklung mehr zum Sozialismus als zum Kapitalismus.

Der Vizebürgermeister sprach von einer gemischten Wirtschaft und Gesellschaft. Keine noch zu Sowjetzeiten geschaffene Kultureinrichtung sei aus Geldmangel geschlossen worden.

Sorge bereitet den Weißrussen die Entwicklung in der Ukraine. Deshalb hat ihre Regierung Minsk als Verhandlungsort für die Konfliktparteien vorgeschlagen. Gegenwärtig leben in Belarus übrigens etwa 60.000 ukrainische Flüchtlinge.

Wir erfahren auch, daß die KPBR die einzige Partei ist, die im Parlament von Belarus Fraktionsstärke besitzt, während die übrigen Abgeordneten Einzelmandate wahrnehmen, da es keine der 15 weiteren Parteien auf mindestens fünf Sitze gebracht hat. Präsident Lukaschenko gehört keiner Partei an. Die KPBR unterstützt seine Politik und verzichtet für die Präsidentenwahl am 11. Oktober auf einen eigenen Kandidaten. Die Partei unterhält stabile Beziehungen zur DKP, nicht aber zur Partei Die Linke, die - wie uns gesagt wurde - keine Gesprächsbereitschaft mit den belarussischen Kommunisten bekunde. Von den recht großzügigen sozialen Bedingungen konnten wir uns in einem Minsker Kindergarten mit einer Kapazität von 253 Plätzen überzeugen. Während die Betreuung kostenlos ist, bezahlen die Eltern das Essen. Für kinderreiche Familien gibt es Sonderregelungen. Unterstützung erhalten auch jene fast zwei Millionen Weißrussen, die vom Reaktorunglück im ukrainischen Tschernobyl betroffen waren und z. T. immer noch unter den Folgen leiden. 135.000 Menschen mußten damals umgesiedelt werden. 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Belarus sind für immer verseucht.

In Minsk, wo es derzeit 33 Hochschulen und Universitäten gibt, wurden übrigens weder Straßen umbenannt noch wurde das Denkmal des belorussischen Revolutionärs Feliks Dzierzynski geschleift.

Auf der Fahrt über Land passierten wir eine Reihe von Dörfern mit "Präsidentenhäusern". In den 90er Jahren hatte Lukaschenko verfügt, ausreichend Wohnraum auf dem Lande zu schaffen und die bis dahin überwiegenden Holzhäuser durch massivere Bauten zu ersetzen.

Viel zu kurz war unser Aufenthalt in Minsk und Umgebung. Er vermittelte uns indes einen Einblick in das Leben der freundlichen Menschen von Belarus. Unsere Wahrnehmungen entsprechen absolut nicht dem negativen Bild, das durch die Medien der BRD permanent vermittelt wird.

Dr. Anne-Katrein Becker, Schönow

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Vier schöne Jahre einer weißen Internationalistin unter schwarzen Freunden
Als mich die DDR nach Guinea entsandte (Teil 6)

Eine Reise der Lehrergruppe bildete für uns den Höhepunkt des Jahres. Wir starteten in drei Wagen: dem sehr soliden Landrover, einem Trabant-Kombi und einem französischen Peugeot. Neben meinem Platz hinten im Wagen lag ein Tank mit abgekochtem Trinkwasser. Für fünf Tage mußte Verpflegung mitgenommen werden. Die Autos waren demnach gerappelt voll. Im Landesinnern Guineas umgibt die Dörfer mit ihren Rundhütten stacheliges Gebüsch, das ungeliebten Besuchern den Zutritt sicherer als jeder Stacheldraht verwehrt. Man erlebt die großartige Gebirgslandschaft, Bergrücken an Bergrücken, überzogen mit einem braungelben Fell aus vertrocknetem Gras, das irgendwie die Steppenbrände überdauert hat. Das alles ist Afrika, wie es meinen Vorstellungen entsprach. Die Savanne zieht sich weit und offen hin.

Magere Namar-Rinder finden jeden Abend getreulich in den Kral zurück, um gemolken zu werden. Ich fragte einen Bauern, der sich in der Nähe einer solchen Kuh zu schaffen machte, wieviel Milch sie ihm täglich liefere. Er verstand mein Französisch und kannte auch den Begriff Liter. Dies wäre seine beste Kuh. Sie hätte auch gerade gekalbt, so daß sie jetzt vier Liter Milch gäbe. Da haben wir's - das Ernährungsproblem, bei dem sich alles ums Eiweiß dreht. Jahrelanges Stillen hilft den Babys über die erste kritische Zeit hinweg, dann aber macht sich der Eiweißmangel durch die dicken Bäuchlein bemerkbar. Die Anfälligkeit für Krankheiten ist sehr groß.

Dalaba ist unser "Basislager", von dem wir zu unseren schönen Ausflügen starten. Es liegt in etwa 1000 Meter Höhe. Die Luft ist trocken, daher kann man die Hitze besser ertragen. Wir wohnen in einem Regierungsgästehaus. Daneben steht das Gästehaus des Präsidenten Sekou Touré in wunderschönem afrikanischem Stil.

Am letzten Tag sind wir bis nach Labé, der Hauptstadt des Fouta Djalon, vorgestoßen. Camara, der Hotelverwalter, führte uns, was sich als Glück erweisen sollte. Die Fahrt ging über ebenes Gelände durch ein Dorf der nahen Gebirgskette zu. Aus der Richtung, aus der wir gerade kamen, breitete sich ein wabernder Feuervorhang aus - phantastisch-gruselig. Wir hatten auf unseren Fahrten hin und wieder verbrannte Flächen entdeckt und uns darüber unterhalten, ob diese Brandrodungen wohl die richtige Methode der Urbarmachung seien. Oft mag keine Absicht dahinterstecken, ein Blitzschlag, ein unachtsam weggeworfenes Streichholz kann dann prasseldürres Gras in Sekundenschnelle entzünden.

Auf schmalem Pfad haben wir schließlich den Gipfel erklommen. Unter uns - auf der anderen Seite des Berges - tost der Wasserfall. Wir wären gerne das Felstreppchen zum Fuße der herrlich kühlenden Wasserwand hinabgestiegen, doch Camara drängte diskret zum Aufbruch. Er war merkwürdig einsilbig geworden.

Als unsere kleine Autokolonne wieder die Ebene erreicht hatte, begegneten uns zwei abenteuerliche Gestalten auf Fahrrädern, das Gewehr quer überm Bauch. Sie setzten sich vor den Landrover, so daß sich Ahmadou, unser bewährter Fahrer, ihrem Tempo anpassen mußte. Den Trabanten mit Camara neben dem Fahrer hatten sie passieren lassen. Ahmadou will rechts überholen, dann links vorbei, doch die beiden Radfahrer gucken böse über die Schulter zu ihm hin und schaukeln ihm weiter vor dem Kühler herum. Jeder Durchbruchsversuch wird geschickt von den Milizionären abgefangen. Camara legt sich ins Mittel, ein Wortschwall antwortet ihm. Da reißt Ahmadou der Geduldsfaden. Er springt aus dem Auto und geht einem der beiden an die Gurgel. Sie beschimpfen einander, was das Zeug hält und sind kurz davor, sich die Schädel einzuschlagen. Als der andere das Gewehr auf Ahmadou anlegt, ist Camara mit einem Satz aus dem Wagen und schlägt ihm das Schießeisen aus der Hand. Er bleibt dabei bewundernswert gelassen und redet ruhig auf die beiden Kampfhähne ein. Die lassen sich auch davon beeindrucken und geben den Weg frei. Ahmadou ist jetzt auffällig still geworden, hockt sich hinter seinen Lenker und fährt an.

Was ist denn nur passiert? Wir fragen Camara, kriegen aber nichts aus ihm heraus.

Nach einigen Kilometern kommen wir am noch glimmenden Brandgebiet vorbei. Aha! Genau an diesem Feld hatten wir eine kurze Pause eingelegt, in der Ahmadou rauchte ... Bei unserer Ankunft im Dorf war die gesamte Bevölkerung auf den Beinen. Aus ihrer Mitte erhob sich das Dorfoberhaupt im würdigen Boubou, eine Anklageschrift in der Hand. Wir wurden beschuldigt, das Feld angezündet und das Dorf in größte Gefahr gebracht zu haben. kurz nach unserer Weiterfahrt wäre der Brand aufgeflackert. Beklemmende Stille herrschte in unseren beiden Autos. Ahmadou, der sonst das große Wort führte, verkroch sich hinter den Schultern seines Beifahrers und verfolgte die Szene mit schrägem Blick. Kein Zweifel, der Brand war unsere Schuld. Zum großen Glück hatte der Wind das Feuer vom Dorf weggetrieben.

Monsieuer Camara und Werner, unser Sprecher, verhandelten mit dem Dorfältesten, redeten, hörten zu, widersprachen, bis es ihnen gelang, die feindliche Stimmung etwas abzubauen. Mehr noch. Als Camara ihm eindringlich etwas auseinandergesetzt hatte, brach der Dorfälteste auf einmal in befreiendes Lachen aus, zerriß seinen Rapport, schüttelte uns allen die Hände und wünschte gute Weiterfahrt.

Wir wußten nicht, wie uns geschah. Erleichtert verteilten wir die letzten Bonbons an die Kinder, die schon lange um unsere Autos herumstrichen. Die Dorfbewohner winkten, wir schieden aufs freundschaftlichste. Natürlich wollten wir wissen, was diesen Stimmungsumschwung ausgelöst hatte. Die Antwort Camaras verschlug uns die Sprache: "Ich habe ihnen gesagt, daß Sie aus der Deutschen Demokratischen Republik kommen." Sogar in diesem Dorf kennt man sie, unsere DDR!

Die Spannung löste sich, wir gackerten alle durcheinander und hoben unseren Retter in den Himmel.

Renate Teller, Worpswede

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Rückkehr auf den Weg der Selbstbestimmung
Das wieder von Sandinisten regierte Nikaragua fühlt sich Kuba eng verbunden

Nikaraguas Revolution und die sie zum Sieg führende Bewegung - sie leiteten ihre Namen von General Augusto Cesar Sandino ab - fegte eine der am längsten bestehenden und zugleich blutigsten Diktaturen Zentralamerikas hinweg. Die von Daniel Ortega angeführten Sandinisten verkündeten ihr an sozialistischen Zielen orientiertes Projekt und unternahmen erste wichtige Schritte auf diesem Wege. Zuvor hatten sie am 19. Juli 1979 der Diktatur Somozas und seiner Erben ein Ende bereitet.

Doch dieser Wendepunkt sicherte noch nicht den Bestand der Volksmacht. Von Beginn an hatten die vom Pentagon und der Lateinamerika-Abteilung der CIA ins Gefecht geschickten Contras Zehntausende bis an die Zähne bewaffnete Konterrevolutionäre von Honduras aus gegen Managuas linke Regierung in Marsch gesetzt.

Der Somoza-Clan gehörte bereits seit langer Zeit zu den Lieblingsdiktatoren der Yankees. Kein anderer als USA-Präsident Franklin Delano Roosevelt hatte Somoza folgendermaßen charakterisiert: "Mag sein, daß er ein Hurensohn ist - aber er ist unser Hurensohn." So besaß das Somoza-Regime in den vier Jahrzehnten seiner Gewaltherrschaft den Segen und Schutz der Vereinigten Staaten, die jeglicher Tendenz einer sozialen Umwälzung in dieser für das nordamerikanische Kapital besonders sensiblen Region vorbeugen wollten.

Daniel Ortegas Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) nutzte das potenzierte Unbehagen der verelendeten Mehrheit des nikaraguanischen Volkes und die krasse Ungleichheit seines Lebensniveaus im Vergleich mit dem einer winzigen prassenden Oberschicht zur Organisierung einer massengestützten Widerstandsbewegung.

In einem der ärmsten und zurückgebliebensten Länder des amerikanischen Kontinents erzielte die FSLN-Regierung in kurzer Zeit beachtliche Fortschritte im Gesundheits- und Bildungsbereich sowie bei der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte. Gerade auf diesen entscheidenden Feldern konnte die Führung Nikaraguas jederzeit mit Kubas nie erlöschender materieller und ideeller Solidarität rechnen. Der Staat Fidels und Raúls entsandte Zehntausende Lehrer, Ärzte und Spezialisten der verschiedensten Bereiche in das besonders hilfsbedürftige Freundesland. Schritt für Schritt konnten die schlimmsten Folgen des Krieges und der Unterentwicklung beherrscht werden.

Die spürbaren Anfänge einer erfolgreichen Umgestaltung der überkommenen Verhältnisse und die Schaffung einer auf das sandinistische Militär wie einen neuen Polizeiapparat - Nikaraguas Sicherheitschef hieß übrigens wie auch andere Söhne lateinamerikanischer Kommunisten mit Vornamen Lenin - brachten die Sache voran. Vor allem gelang es, wesentliche Fortschritte im Kampf gegen zwei Grundübel Zentralamerikas zu erzielen: die terroristische Gewalt und den professionellen Drogenschmuggel.

Doch auch die Vereinigten Staaten sahen der Entwicklung in Nikaragua nicht tatenlos zu. Washington war fest entschlossen, kein zweites Kuba in der Region hinzunehmen. Die gerechtere Verteilung der Reichtümer Nikaraguas entsprach ebensowenig dem Klassendenken der mit den USA liierten einheimischen Oligarchien. So wie die CIA heute in erster Linie gegen linke und bürgerlich-demokratische Regierungen von Staaten wie Venezuela, Bolivien und Ekuador, aber auch Brasiliens und Argentiniens vorgeht, setzte sie Nikaragua auf ihre Abschußliste. Überdies wurde ein Teil der reaktionären Medien des In- und Auslands in die psychologische Kriegführung eingebunden. Sie hatten maßgeblichen Anteil am Sieg der nikaraguanischen Rechtsparteien bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 1990, die Violeta Chamorro - eine dominante Figur der einheimischen Oligarchien - in Managua an die Staatsspitze brachte. Die beim Urnengang unterlegenen Sandinisten akzeptierten das Wahlergebnis und bereiteten sich zugleich auf intensive Schlachten an der politisch-ideologischen Front vor. Das auf die Niederlage der FSNL folgende neoliberale Desaster währte 16 Jahre. Die mittelamerikanische Republik erlitt dadurch in vielen Bereichen ernste Rückschläge, was auch bei weniger politisierten Teilen der Bevölkerung zu der Erkenntnis führte, daß die "blinde Hand des Marktes" das angestaute Maß an Rückständigkeit nicht zu überwinden vermag.

2006 begann ein neuer Siegeszug der FSLN: Ihre Führer Daniel Ortega und Rosário Murillo formierten eine "Regierung der Aussöhnung und nationalen Einheit", um das Land der Seen und Vulkane abermals tiefgreifend umzugestalten.

Inzwischen besitzt Nikaragua auch im Ensemble der auf regionale oder gesamt-lateinamerikanische Integration der antiimperialistischen Kräfte bedachten Staaten und Parteien ein spezifisches Gewicht. Seine Fortschritte auf wirtschaftspolitischem Gebiet sind frappierend: Von einem möglichen Wachstum um 5 % ist inzwischen die Rede. Als Höhepunkt dieser Bestrebungen gilt der Bau des den mittelamerikanischen Staat durchschneidenden Großen Interozeanischen Kanals, den ein chinesischer Konzessionär bis 2020 zu vollenden beabsichtigt. Wenn dieses gigantische Projekt seine Verwirklichung gefunden hat, rechnet man mit einer Verdopplung des nikaraguanischen Nationalprodukts binnen weniger Jahre. Als man am 19. Juli in Managua den 36. Jahrestag des Sieges der Sandinistischen Revolution beging, hatten sich begeistert empfangene Gäste eingestellt: Kubas Erster Vizepräsident Miguel Diaz-Canel bekräftigte schon bei seiner Ankunft, daß sich die sandinistische Revolution aus Sicht Havannas erfolgreich konsolidiert habe. Sie erfülle ihren historischen Auftrag.

Das unterstrichen auch Spitzenpolitiker der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC), der Bolivarischen Allianz der Völker unseres Amerika (ALBA) sowie des Wirtschaftsverbandes Petrocaribe.

Bei den Feierlichkeiten in Managua wurden die aus langjähriger US-Haft befreiten fünf Kundschafter der kubanischen Seguridad del Estado (Cuban Five) stürmisch gefeiert. Vizepräsident Diaz-Canel betonte, die Helden Kubas seien "ein Ausdruck der unter den so überaus schwierigen Bedingungen dieser Zeit erringbaren Siege".

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

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Zweite Rettung eines Wandbildes

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Optische Ergänzung eines Kozik-Artikels

Liebe Genossen, ich biete Euch eine kleine optische Ergänzung zum Artikel Christa Koziks in der August-Ausgabe des RF an.

Es sieht so aus, als wollte ich mich mit fremden Federn schmücken: Der Film "Für Angela", von dem Christa Kozik berichtet, befindet sich nämlich in der von mir präsentierten Büchse.

Auf einer Pressekonferenz während der X. Weltfestspiele, die 1973 in Berlin stattfanden, konnte ich Angela eine Kopie des Streifens übergeben. Eigentlich hätte das Christa Kozik und Werner Kohlert, dem Kameramann, zugestanden.

Muß ich erklären, daß und warum diese Übergabe für mich ein freudig-aufregendes Ereignis war?

Euer Werner Wüste

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"Der schwarze Jäger aus Sachsen" ist wieder da
Drei Bücher von Peter Löw sind jetzt als E-Books erhältlich

Dieser Schriftsteller ist ein Tiefstapler: Peter Löw aus Mittweida in Sachsen, Jahrgang 1941, ist zwar von Beruf Fernmeldebaumonteur und nennt sich selber Hobby-Schreiber, in Wahrheit jedoch macht das Schreiben den Hauptteil seiner Arbeit aus. Der Absolvent des Leipziger Literaturinstituts war verantwortlicher Redakteur der Monatszeitschrift "Podium" in Karl-Marx-Stadt, leitete zwei Zirkel Schreibender, war kulturpolitischer Mitarbeiter, Pressesprecher und Verleger. Peter Löw hat Hörspiele, Kurzgeschichten und drei Bücher geschrieben. Sein 1983 in der Reihe "Spannend erzählt" im Berliner Verlag Neues Leben veröffentlichtes historisches Jugendbuch "Der schwarze Jäger aus Sachsen" über die berühmten Lützower Jäger erlebte vier Buchausgaben. 2002 folgte mit "Im Sog der Macht", ein weiterer historischer Roman über den sächsischen Reformpolitiker Dr. Nikolaus Krell aus dem 16. Jahrhundert. Als sein bestes Werk bezeichnet der Autor seinen 2005 erschienenen Roman "Der Zug der Blinden". Alle drei Bücher können ab sofort unter www.ddrautoren.de, bei Weltbild, Apple und Amazon als E-Book erworben werden.

"Der Zug der Blinden" - so lautet nicht nur der Titel des Romans von Peter Löw, sondern auch der Titel eines Bildes des Malers Botho Janssen, der seinerzeit den Auftrag erhält, ein Fresko über die Rekonstruktion des Karl-Marx-Städter Altstadt-Wohngebiets Brühl zu malen. Janssen versucht, in diese Auftragsarbeit sowohl die Tatkraft als auch die Beschränktheit des alkoholkranken Baubrigadiers Schäfer einzubringen - in einer kurzen Zeit seines Lebens sein Stiefbruder. Autor Löw versteht es, mit psychologischer Tiefgründigkeit und sozialer Genauigkeit die beiden Hauptfiguren mit ihren jeweiligen beruflichen und privaten Problemen sowie dazu durchweg positive Frauengestalten zu gestalten.

Ein besonderer Reiz des Buches besteht darin, daß die beiden so völlig verschiedenen literarischen Helden einerseits immer voreinander zu fliehen versuchen und sich andererseits immer wieder geradezu magisch anziehen. Mit seinem Roman "Der Zug der Blinden" gelang Löw eine ebenso aufschlußreiche wie gut nachvollziehbare Charakteristik verschiedener Schichten der DDR-Bevölkerung im Jahr 1989.

"Krell - im Sog der Macht" ist ein gründlich recherchierter historischer Roman über Dr. Nikolaus Krell, der nach zehnjähriger Haft und ebenso langem Prozeß auf der Festung Königstein am 9. Oktober 1601 auf dem Jüdenhof/Neumarkt in Dresden mit dem Schwert hingerichtet wurde. Es war eine der aufsehenerregendsten Schauhinrichtungen des 17. Jahrhunderts. Was hatte sich der Wissenschaftler und Politiker zuschulden kommen lassen? Wem war er gefährlich geworden? Der Calvinist Krell, der eher ungewollt in das Amt als Kanzler des noch jungen und politisch schwachen sächsischen Kurfürsten Christian I. hineingedrängt worden war, nutzte dieses für seine Reformbemühungen um die Einschränkung der Lutherischen Orthodoxie und das Abwenden des Habsburger Einflusses. Statt dessen suchte er die Annäherung an Königin Elisabeth I. von England, an den französischen König Heinrich IV. und an protestantische Fürsten. Mit Elementen des Politkrimis schildert Löw politisch-konfessionell motivierte Mordanschläge unter anderem auf Christian I., die Krells mächtige Gegner zum Anlaß für seinen Sturz und das spätere Todesurteil nehmen.

Die vor knapp 20 Jahren von Gisela und Sören Pekrul gegründete EDITION digital (verlag@edition-digital.com / www.ddrautoren.de) hat sich seit 2011 verstärkt dem E-Book verschrieben. Bis Ende 2013 erschienen 390 Titel von 72 DDR-Autoren und anderen Schriftstellern. Im Internet kann man jeweils rund zehn Prozent des Inhalts lesen, bevor man sie kauft. Jährlich erscheinen rund 200 E-Books neu.

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Der kleine Fuchs und die braunen Mäuse

Als wir bei unseren Radelfahrten im Urlaub einmal von Rewal zurück nach Pogorceliza fuhren, liefen an einem Waldstück zwei Füchse über die Straße - in aller Ruhe. Wie es schien, Mutter und Kind: "So, ich zeig dir mal, wie man über die Straße geht. Kein Problem, das sind nur Fahrräder, da kann man sich Zeit lassen." So stand es im Brief meiner Freundin Martina.

Als der kleine Fuchs davon gehört hatte, erwachte seine Neugier. Er wäre nicht der erste, der aus dem heimatlichen Wald aus- und in eine der großen Städte einwanderte. Die Stadt Tresten an der Elpe solle besonders sehenswert und weltbekannt sein, hatte der alte weise Uhu erzählt. Unser Fuchs, rasch entschlossen, schnürte auf dem Weg davon und kam richtig nach Tresten.

Monate später schlich er heimwärts, traurig schwankend, mit hängendem Kopf und durchgelaufenen Sohlen.

Der Uhu war entsetzt, als er den elenden Kleinen sah. Was war geschehen?

Der erzählte verbittert, daß es nicht am Straßenverkehr gelegen habe. Autofahrer hätten ihn freundlich angeschaut, an besonderen Lichtern sogar angehalten, um ihn durchzulassen. Auch an Nahrung habe es nicht gemangelt, besonders auf den Schulhöfen hätte es allerlei Futter gegeben, nur mit den Krähen sei darum Streit ausgebrochen. Die Unterkunft auf den Elpwiesen wäre ebensowenig ein Problem gewesen, sogar Freunde habe er dort gefunden.

"Ja um Himmels willen, was war es denn?" Lange schweigt der Kleine, dann erzählt er leise:

"Es gab in der Stadt viele Bewohner, Menschen, Tiere, darunter auch Mäuse. Mit denen war es nicht auszuhalten. Sie trafen sich abends zu Tausenden, kreischend und in falschen Tönen pfeifend, eine richtige Plage."

"Mäuseplage? Da hättet Ihr doch Fettlebe gehabt und brauchtet die Stadt nicht zu verlassen."

"Stimmt, wenn es normale graue Mäuse gewesen wären, aber mitten unter ihnen, äußerlich nicht leicht zu erkennen, tauchten farblos bis schmuddelig braune Mäuse auf, Wortführer, die den anderen weiszumachen suchten, daß eingewanderte fremde Mäuse eine Gefahr für die Stadt seien. Die würden nicht den mitteleuropäischen Mäusekönig verehren, sondern einen arabischen. Sie seien nur gekommen, den hiesigen Mäusen ihre eingeschleppte Lebensweise aufzuzwingen, würden den Alteingesessenen fremde Sitten einreden, deren Kinder verderben und die Regeln der hiesigen Mäusegesellschaft beiseiteschieben wollen.

Überdies würden andere Fremde, aus unwirtlichen Landen oft unter großen Gefahren Eingewanderte, ihnen die Körner wegfressen und sie in ihrem beschaulichen Dasein stören.

Bestürzt schweigt der Uhu. Inzwischen haben sich viele Waldbewohner eingefunden. Sie verstehen nicht, was da geschehen ist.

"Könnten Heimische und Eingewanderte nicht ein bißchen voneinander lernen?", fragt der kleine Hase.

"Das wollen die Bräunlichen nicht. Sie glauben, etwas Besseres zu sein und die Weisheit für sich gepachtet zu haben", antwortet der Fuchs.

Und seine Mutter meint: "Zum Beispiel über Höflichkeit und Anstand erfahren heimische Kinder von ihren Eltern leider manchmal nicht das Einfachste, hin und wieder wäre gegenseitiges Abgucken nicht verkehrt."

Nachdenklich sagt der Uhu: "Das schaffen ja nicht einmal die Menschen. Als die Mauer zwischen den deutschen Ländern gefallen war, wurden gute Erfahrungen des kleinen Landes einfach abgetan und kein Versuch unternommen, sie zu verstehen oder zu nutzen."

"Warum habt ihr Füchse nicht einfach die häßlichen Mäuse gefressen?", fragt jetzt der Igel.

"Das geht nicht, denn viele sind giftig, manche ungenießbar. Sie würden einen üblen Nachgeschmack hinterlassen!

Und sie sind von mäusischen Mäusen leider nicht immer zu unterscheiden. Viele Verblendete plappern aufgeschnapptes Gauklergeschrei nach, folgen falschen Tönen, ohne das eigene Gehirn einzuschalten. Man kann nicht sicher sein, die Räudigbraunen an ihren dummen platten Reden zu erkennen. Und würden diese gereizt, könnte das leere Stroh, das sie dreschen, höchst gefährliche Brände entfachen."

Edda Winkel

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Ein deutsches Dichterleben
Johannes R. Becher sang das Hohelied auf wirkliche Liebe zur Heimat

"Glück und Frieden sei beschieden Deutschland unserm Vaterland. Alle Welt sehnt sich nach Frieden. Reicht den Völkern eure Hand." Wer von den humanistisch gesonnenen Patrioten möchte diesen Worten nicht gerade in diesen Tagen aus vollem Herzen zustimmen! Hunderte Male erklang die von Hanns Eisler komponierte Hymne auf internationalen diplomatischen Empfängen oder bei olympischen Siegerehrungen. Johannes R. Becher schrieb die Verse 1949 anläßlich der Gründung des deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates. Wer war dieser Dichter? Der Werdegang seines Lebens und Schaffens spiegelt die widerspruchsvolle und problemreiche, doch letztlich konsequent revolutionäre Entwicklung eines großen Poeten des 20. Jahrhunderts.

Als ersten Kulturminister der DDR, den Schöpfer ihrer Nationalhymne und Präsidenten des Kulturbundes kennen ihn nahezu alle, die ihre Schulzeit in der DDR verbrachten. Viele wissen wahrscheinlich auch, daß er in den Jahren der Weimarer Republik den Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS) mitbegründete, daß er nach Machtantritt der faschistischen Kulturbarbaren in die Sowjetunion emigrierte, im Nationalkomitee "Freies Deutschland" arbeitete und Wegweisendes zur Theorie und Praxis einer marxistisch-leninistischen Ästhetik beitrug. Auch Meilensteine seines Schaffens wie "Die Winterschlacht" über den historischen Sieg von Stalingrad, "Der große Plan" über den sozialistischen Aufbau oder "Neue deutsche Volkslieder" sind vielen musisch Interessierten ein Begriff.

Sie weisen den 1991 in München geborenen Johannes R. Becher als einen Wegbereiter der proletarisch-revolutionären deutschen Nationalkultur aus. Doch ihm, dem Sohn eines stramm nationalistisch-rechtskonservativen hohen Justizbeamten, waren die Lieder der Arbeiterbewegung nicht an der Wiege gesungen worden. Der jugendliche Becher, mit kritischem Geist und kraftvoller dichterischer Neigung begabt, schuf lyrische Frühwerke voll provokanter Rebellion. Sie äußerte sich in einem radikalen Bruch mit überkommenen Formen - bis hin zu den bislang gültigen Regeln der Schreibung und des Satzbaus. Becher sollte ab 1914 zu einem führenden Repräsentanten der expressionistischen Lyrik heranreifen, jener einflußreichen, bürgerlich-avantgardistisch inspirierten Suchbewegung nach kultureller Erneuerung.

Doch zunächst mußte der junge Dichter zermürbende Konflikte mit dem militaristisch-reaktionären Vater bestehen. Eine Tragödie belastete sein Leben ab 1910: Ähnlich wie Heinrich von Kleist hatte der empfindsame junge Poet gemeinsam mit der Geliebten den Ausweg aus qualvoll empfundener Verstrickung gesucht. Johannes Robert überlebte die Schußverletzungen, Fanny jedoch starb.

Das Trauma mag Ursachen für die anschließende, krisenhaft verlaufende Lebensphase Johannes R. Bechers gesetzt haben. Existenznot nach Loslösung vom Elternhaus, Sucht- und andere Leiden sowie schmerzhaftes weltanschauliches Ringen bestimmten sein Dasein. Doch der selbstgewählte Abschied aus etablierter Bürgerlichkeit führte den zum Dichter Berufenen nicht allein in die Reifeprüfungen des Lebens. Er begann, sich mit dem ausgebeuteten Proletariat zu solidarisieren, erkennt die treibende geschichtliche Kraft zur gesellschaftlichen Erneuerung.

Seinem Leben und Schaffen gibt Johannes R. Becher ab 1923 eine konsequente Richtung: Er wird Mitglied der KPD, bekennt sich zu Lenins Sowjetstaat. Von da an haben Sucht und Weltschmerz keinen Platz mehr im Leben des Lyrikers. Sein poetisches und sein politisches Wirken gewinnen ein positives Ziel: Der Befreiung der Arbeiterklasse zu dienen als Literat und Kulturpolitiker. Diesen Kurs hielt er standhaft inmitten schwierigster Krisen und Gefahren, zeitweiliger Irrtümer und wiederkehrender Anfechtungen. Zum Beispiel rückten die innerparteilichen ideologischen Auseinandersetzungen in seinen persönlichen Freundeskreis: Becher war mit der Familie Eisler, vor allem dem späteren Nationalhymnen-Komponisten Hanns verbunden und stand auch dessen Schwester Ruth Fischer nahe. Sie, die vor Ernst Thälmann den Parteivorsitz innehatte, forcierte den sich als verhängnisvoll erweisenden Konfrontationskurs gegen die SPD.

Und im sowjetischen Exil ab 1935 geriet Becher im Zuge ungerechtfertigter Verfolgungen mehrfach in Bedrängnis. Der außenpolitisch aufgezwungene deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom Sommer 1939 mutete nicht allein den im Widerstand kämpfenden deutschen Kommunisten härteste Proben ihrer Treue zur Sowjetunion zu, sondern auch den im Exil wirkenden wie Johannes R. Becher.

Rückblickend hat Becher später bilanziert: "Es war das schwerste Opfer, das ich jemals gebracht habe, als ich 1933 meine deutsche Heimat verlassen mußte." Eins seiner anrührendsten Gedichte, gleichfalls vertont von Hanns Eisler, erzählt von Sehnsucht:

"Heimat, meine Trauer, / Land im Dämmerschein, /
Himmel, du mein blauer, / Du mein Fröhlichsein.
Einmal wird es heißen: / Als ich war verbannt, /
Hab ich, dich zu preisen, / Dir ein Lied gesandt.
War, um dich zu einen, / Dir ein Lied geweiht, /
Und mit Dir zu weinen / In der Dunkelheit
(...)

Diese Lyrik steht in der Tradition gebundener Dichtung eines Friedrich Hölderlin oder eines Heinrich Heine ebenso wie in der des besten deutschen Volksliedgutes: strenge, schlichte Form und eindringliche Tiefe. Auch die Verse, beginnend mit "Auferstanden aus Ruinen" atmen diesen Geist.

Johannes R. Becher starb am 11. Oktober 1958 an den Spätfolgen der Schußverletzungen von 1910. Der 1968 uraufgeführte DEFA-Film "Abschied" würdigt das Ringen des jungen Becher um seinen weltanschaulichen Standort, das mit der Auflehnung gegen militaristischen Ungeist begann. In dem 1940 zuerst in Moskau erschienenen gleichnamigen Roman hat der Dichter seine frühe Entscheidung gegen den imperialistischen Krieg gestaltet.

Marianne Walz

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Verblöden wir? Oder ich? Nun doch? Na ja, ich nehm teil: kritisiere zwar reichlich, ziehe mich aber nicht in die Einsamkeit meiner großartigen Besonderheit zurück, sondern setze mich immer wieder neuen Beweisen der verbreiteten Oberflächlichkeit aus. Auch ich nehme hin, was ich derzeit nicht ändern kann. Genieße ohne Reue, was es früher oft nicht gab und was nun leicht erlangbar ist. Nicht für jeden, ich weiß es und denke nicht in jedem Augenblick daran. Ziehe ich mich gelegentlich zurück in meine innere Welt, dann auch, um anschließend weniger zu klagen und vorübergehend mehr zu ertragen. Was immer ich einzuwenden habe, ich bin nur Zuschauerin, und so konsumiere auch ich die Wiederkehr der grundlosen Heiterkeit, der erlogenen Wichtigkeiten in einer schlau ausgesuchten Kulisse, die mit dem wirklichen Leben nichts zu tun hat. Wir wissen ja, daß wir den Blick nur abwenden müßten, um das eigentlich nicht zu beschwichtigende Wissen über diese harte Welt vor Augen zu haben.

Ich habe nie geglaubt, daß nun alles gut oder wenigstens besser wird, nur weil in der Zeitung steht, daß "Fehler ihre Zeit brauchen". Darüber kann man lachen, aber auch nicht lange.

Neulich habe ich, etwas mißtrauisch, in einer im Osten viel gelesenen Zeitschrift geblättert, in der Erwartung, neu zu finden, was der Chefredakteur wohl lange Zeit für wichtig hielt: den Lesern immer wieder zu belegen, was sie alles versäumt haben, während sie, vielleicht sogar relativ unschuldig, transusig ihr Leben im falschen System vertrödelten. Da fanden traurige Lebensläufe ihre Weltöffentlichkeit, über die ich anderes weiß. Soviel unverstandenes Künstlerdasein, das schrie doch nach Gutmachung, die aber nicht stattfand. Die Leute wollen nicht lesen, warum einer nicht an- oder drankommt, sie wollen sich erbauen, ermutigt werden - und sie glauben nicht jeden Schmäh.

Aber auch im Kopf des Chefredakteurs scheint es eine Art Wende gegeben zu haben: Im Osten ist es schön, erfahre ich nun neu, was ich weiß. Meine liebste Landschaft ist die Uckermark. Ja, sagt die Zeitschrift, das sehen wir auch so, und zeigen euch wunderbare Fotos von den Seen, den Dörfern, auch der schwer beschreibbaren Stille, die sich der eigenen Seele mitteilt. Ich lese, wo man gut übernachten, wo gut essen kann, wie schön es bei der "Goldenen Henne" wird, also Wohlbehagen, ein Augenblick von Frieden, und dann blättere ich um. Das hätte ich unterlassen sollen.

Ich konnte nicht ahnen, daß sich in einer diesmal doch idyllischen Zeitschrift eine Seele entlädt, die mir ein Problem bereitet, das ich bis zu diesem Augenblick nicht besänftigen kann: Da will sich nämlich ein Mittäter erleichtern. Er bekam die Chance, einhundertsiebzigtausend DM im Jahr zu verdienen. Das gaben sie ihm, obwohl er "Ossi" war und ist, und ich denke mir, gerade deswegen. Um zu belegen, daß nicht nur "Wessis" die schmerzhaftesten Privatisierungen durchgesetzt haben.

Als Mitarbeiter der "Treuhand" gehörte er mit diesem Gehalt nicht zur Elite, die anderen, die aus dem Westen, verdienten dreihunderttausend DM im Jahr. Und er schreibt, er hat seine Aufgabe oft kaum ertragen können.

Wann? Wenn er ganze Belegschaften entlassen, sogar Hungerstreiks ignorieren mußte, um den engen Zeitrahmen für die Privatisierung oder Schließung einzuhalten.

Diese Zeit ist mir in mein Gehirn gebrannt, und in mein Herz.

Hatte ich was damit zu tun? Nein, eigentlich nicht. Na ja, eigentlich doch.

Kurz vor dem Ende der DDR hatten die Frauen mir den Literaturpreis des DFD gegeben. Deswegen war ich in den wirren Tagen im Sommer 1990 mal dort aufgetaucht, um zu sehen, wie es geht. Es ging nicht gut, und so hatte ich zugestimmt, als mir das Amt der Vorsitzenden angetragen wurde. Die sogenannte Treuhand wollte von diesem Verein fünf bis sieben Millionen erstattet haben. Wofür, das wußten wir nicht. Sie hätten auch ein Luftschloß verlangen können. Das hatten wir auch nicht. Wie schäbig sich das alles vollzog!

Der Verein war eine Haushaltseinrichtung, das bedeutete, immer am Ende des Jahres abzurechnen und auf Null gestellt zu werden. Als es die DDR nicht mehr gab, mußten sich die Frauen viel einfallen lassen, um in den Bezirken, nun Ländern, zu überleben. Das haben sie getan, aber zwei Millionen DM für die Treuhand, das war der schwerste Brocken. Was der Richter vor dem westlichen Gericht verfügt hatte, wurde abgezahlt. Was aber hätte statt dessen alles sein können ...

Die Erinnerung wiegt schwer. Obwohl ich mich ein Leben lang bemühe, zu verstehen, daß Menschen etwas tun, wovon sie glauben, daß es sie für den Moment rettet. Manchmal nehmen sie sogar wissentlich in Kauf, daß es ihnen auf der Seele liegen bleiben wird, ehe sie zugeben, daß es ein Fehler war.

Es wäre auch ohne diesen männlichen Handlanger alles genauso gekommen.

Nach fünfundzwanzig Jahren der neuen Gesellschaft erfahre ich aus einer anderen Zeitung, daß es für das Porzellan in Meißen ganz nach Insolvenz aussieht. Das hätte ich nie für möglich gehalten, aber ich erinnere mich, daß es einen "neuen" Chef gab, der das Sortiment umstellte, veränderte, Tradition gegen Kinkerlitzchen austauschte. Meißner Porzellan war immer eine sichere Bank, es gehörte zu unseren Juwelen, aber das ist vorbei, und es tut mir weh. Ich durfte einmal bei einer Reportage neben einer jungen Malerin sitzen, die nur Zwiebelmuster auf das Porzellan malte. Ich bewunderte ihre Fähigkeit, so scheinbar ganz gleich und dabei für jeden Teller eine eigene Individualität zu malen.

Noch ein Wort zu dem späten Teilbekenner: Die Ehrlichkeit lugt zwischen den Zeilen hervor, ohne daß er sie ausspricht: Ich habe an einem Verbrechen gegen eine Gesellschaft teilgenommen, in der ich vorher gelebt habe, mein Auskommen hatte, die ich nicht abschaffen wollte, aber dann stand ich da ...

Ja, sicher. So ist es vielen ergangen, als sie ihre Arbeit verloren und ihr ehrlich erworbenes fachliches Wissen nicht mehr anwenden konnten. Existenzangst ist ein großer Drängler wider den Anstand. Es ging eine gehörige Weile offen brutal zu, auf einzelne Menschen kam es nicht an.

Wäre er unter die Räder gekommen? Das wissen wir nicht. Hätte er, so wie die meisten jüngeren Menschen ganzer Landstriche bei uns, fernhin sein Auskommen suchen müssen? Oder hat er begierig zugegriffen, weil er vorher nie so viel Geld hatte, es ihm schier nachgetragen wurde - und für Bedenken, vielleicht Reue, war immer noch Zeit. Er spricht spät, denn vieles haben wir ja selber gesehen, und das meiste an Information liegt inzwischen schon als Buch vor.

Es ist zu viel, was sich das Gedächtnis merken will, und so hatte ich auch das fast vergessen: In einem Band Briefe, den ich Anfang der 90er Jahre veröffentlichte, lese ich, daß ich für die Adressatin keine Zeit mehr habe, ich muß zum Treffpunkt vor der Treuhand: "Wir wollen denen alte Hemden vor die Füße werfen, da, nehmt unser letztes Hemd ..."

Es gibt Länder, in denen wären wir für solches Tun ausgepeitscht worden.

Ein Freund von uns ist Arzt, häufig in Saudi-Arabien. Dort darf er eine Frau nur in Gegenwart ihres Mannes und voll bekleidet untersuchen. Es geht den Leuten nicht schlecht, sagt er. Sobald sich etwas Unmut im Volk regt, erhöht der König die Sozialleistungen. Wohl versorgt und als Frau aller Rechte beraubt, das geht, geht bis hierher - aber dann? Könnte es sein, daß sie eines Tages ihre Lage nicht mehr ertragen, und daß sie aufbrechen? Wohin? Zu uns.

Ich möchte das gern, sie sehen, helfen, aber sie kämen vorerst noch in ein herzkaltes Land, das uns gemeinsam überfordern würde. Wann wir das Zurückgeworfene nach vorn tragen können, das steht noch in den Sternen. Ich will, du willst, also! Gehen wir es wieder und wieder an. Gruß nach vorn!

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Leserbriefe an RotFuchs

Das Flüchtlingsproblem ist von Menschen gemacht. Jahrhunderte hindurch wurden Afrika, Amerika, Australien und Asien - zumindest teilweise - von Europäern entdeckt, beherrscht und ausgebeutet. Die Bodenschätze wurden geraubt, die Menschen versklavt und als billigste Arbeitskräfte mißbraucht. Das ist das Erbe, das die herrschenden Kreise Europas dort hinterlassen haben. Im Kolonialismus und in den Kriegen des Imperialismus liegen die Wurzeln des heutigen Flüchtlingselends.
In der DDR gestaltete sich das Verhältnis zu vom klassischen Kolonialismus befreiten Völkern auf völlig andere Art. Das Motto hieß "Hilfe zur Selbsthilfe". Werkstätten wurden in einer Reihe von Ländern eingerichtet. Dort arbeiteten anfangs DDR-Fachkräfte, die im Laufe der Zeit Einheimische in großer Zahl qualifizierten. Andererseits wurden Abertausende junge Leute aus Entwicklungsländern an unseren Schulen und Hochschulen qualifiziert.
Es ist unerläßlich, Bedingungen dafür zu schaffen, daß sich die Menschen in den Entwicklungsländern eine sichere Existenz daheim aufbauen können. Dabei handelt es sich natürlich um einen langen Prozeß, der unter kapitalistischen Bedingungen wohl kaum realisierbar sein dürfte.
Niemand verläßt sein Land ohne Zwang, solange es ihm einigermaßen gutgeht und Frieden herrscht. Es ist eine moralische Pflicht, daß die Flüchtlinge - woher sie auch kommen - von den Europäern gastfreundlich und solidarisch aufgenommen werden.

Gerda Huberty, Neundorf


Zum Artikel "Die Würde der Griechen" von Klaus Steiniger möchte ich kritisch anmerken: Der Einschätzung der Volksabstimmung in Hellas gegen das zerstörerische Spardiktat Brüssels "als historischer Schlacht von kontinentaler Tragweite" vermag ich mich nicht anzuschließen. Das Ergebnis einer derart großen Schlacht wäre doch wohl kaum nur kurz darauf durch das Brüsseler (oder eher Berliner?) EU-Regime einzustampfen gewesen. Vielmehr haben wir es mit einem Lehrstück zu tun, wie illusorisch Hoffnungen sind, Volksinteressen innerhalb der EU nach demokratischen Spielregeln Geltung verschaffen zu können. Tsipras sagt, Griechenland werde "mit Würde in Europa bleiben". Offenbar setzt er den Namen des Kontinents, der vom Atlantik bis zum Ural reicht, mit dem Völkergefängnis EU gleich. Der Gedanke, die Europäische Union zu einem sozial fortschrittlichen Gebilde transformieren zu können, ist irreführend.
Sicher darf bezweifelt werden, daß in Griechenland der unmittelbare Übergang zum Sozialismus auf der Tagesordnung steht. Aber es scheint mir doch, daß die KKE ein realistisches Bild der EU zeichnet, wenn sie feststellt, daß es sich bei ihr um ein Instrument imperialistischer Großmachtpolitik handelt, dessen Wesen nicht in sein Gegenteil "transformiert" werden kann. Schließlich denkt auch niemand daran, die NATO von innen heraus in ein Instrument der Friedensbewegung zu verwandeln. Ein anderes Europa ist möglich - allerdings nur durch Bruch mit der EU.

Erik Höhne, Neuss am Rhein


Dem Artikel Klaus Steinigers "Die Würde der Griechen" im August-RF stimme ich zu. Die Argumente überzeugen mich. 1992 waren wir das erste Mal in Griechenland. Damals lag dort die Arbeitslosigkeit unter 3 %, während die BRD rund 9 % vermeldete. Die Mehrwertsteuer auf importierte Waren war deutlich höher als auf einheimische Erzeugnisse. Beispiel: Die griechische Melone kostete umgerechnet ca. 10 Pf, ein Kilo importierter Bananen rund 5 DM. Ähnlich sah es bei Autos aus: Ein Kleinwagen hatte etwa den gleichen Preis wie in der BRD, ein Mittelklassewagen war doppelt, ein hochklassiges Auto dreimal so teuer wie hierzulande. Mit der "Schaffung des europäischen Binnenmarktes" kippte die EU all diese der Unterstützung einheimischen Wirtschaftens dienenden Regelungen. Darin liegt wohl die Hauptursache der Krise in Griechenland. Gewinner waren allein die westeuropäischen Großbanken und Konzerne - vor allem jene mit Sitz in der BRD.

Karl-Heinz Puchmüller, Waren (Müritz)


Wie immer ist die August-Ausgabe des RF reich an Informationen - so zur Rolle Swerdlows und Lunatscharskis in der russischen Revolution oder zur Entwicklung von Podemos in Spanien. Im Hinblick auf "Griechenlands Würde" gehen unsere Analysen allerdings auseinander. Sicherlich ist bekannt, daß Hellas unter Vorspiegelung eines nur geringen Defizits seinerzeit Mitglied der EU wurde. Einmal drin, gab es keine Grenzen für massive und laufende Anleihen unter den Regierungen der rechtskonservativen NiA Dimokratia und der rechtssozialdemokratischen PASOK. Allerdings wurden diese Gelder nicht in neue Industrien und produktive Arbeitsplätze investiert, was Rückzahlungen ermöglicht hätte, sondern für Stimmenkauf: frühzeitige Pensionierung; 25 % Zuwachs an administrativem Personal, Korruption bei der Steuereintreibung usw. - ganz zu schweigen von Spekulationen via Goldman Sachs, dem Hai der Wall Street, der über Griechenland den Euro billiger erstehen konnte als auf dem Finanzmarkt.
Übrigens: Die Weltbank gehört nicht zur "Troika", sondern die Europäische Zentralbank.

Dr. Vera Butler, Melbourne


Im Frühsommer hatten die österreichischen Staatsbürger über 16 mit Wohnsitz im Inland die Möglichkeit, durch ihre Unterschrift ein Volksbegehren zu unterstützen, das den Austritt der Republik Österreich aus der Europäischen Union zum Ziel hat. Die von den Initiatoren des - nach eigenem Bekunden - parteiunabhängigen Volksbegehrens aufgelisteten Beweggründe zu dieser Aktion sind durchaus unterstützenswert. Unter anderem wird darin die Ablehnung der Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada (TTIP, CETA und TISA) wie die Wiederaufnahme einer Friedens- und Neutralitätspolitik Österreichs gefordert. Die von der konservativen ÖVP betriebene Aushöhlung der Neutralität hat mit dazu beigetragen, daß das Volksbegehren trotz weitgehenden Boykotts der Massenmedien und eines umständlichen Prozederes von über 261.000 Menschen (4,1 % der Wahlberechtigten) unterstützt wurde. Da die gesetzliche Hürde von 100.000 Unterschriften übertroffen wurde, muß sich das Parlament mit dem Begehren befassen. Es ist allerdings zu erwarten, daß es von den die EU bejahenden Parlamentariern ad acta gelegt wird.
Wie die Solidarwerkstatt Linz in einem Dossier festhielt, befinden sich unter den Initiatoren des Volksbegehrens rechtslastige Personen und Gruppierungen.

Wilfried Bader, Angerberg (Tirol)


Der Redaktion und dem Autor Pastor Brühe danke ich sehr für den Beitrag anläßlich des Ablebens von Gerald Götting. Pastor Brühe lernte ich in meiner Zeit als hauptamtlicher Sekretär des Friedensrates der DDR in den Jahren 1967 bis 1971 kennen. Ich war damals Leiter des Arbeitskreises Christen für den Frieden. Da ich von 1954 bis 1989/90 dem Hauptvorstand der CDU angehörte, lernte ich Gerald Götting persönlich kennen. Oft waren es sorgenvolle Gedanken über in der DDR zu lösende Fragen und das Wirken der CDU im Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien, die wir uns machten. Es gab aber auch freudige Stunden, wenn Gerald z. B. über seinen Besuch bei Albert Schweitzer in Lambarene erzählte. Ich habe viele Mitglieder des Arbeitskreises, darunter Pfarrer beider Konfessionen, kennengelernt. Auch ihnen gilt mein Gruß.

Oberstudienrat Fritz Rick, Dresden


Das hätte ich mir nicht träumen lassen, noch einmal mit der berühmtesten aller Fragen, die bisher noch jedes Seminar philosophischer Studiengänge in zwei Lager teilte, konfrontiert zu werden: der Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte.
Alle im Leitartikel der August-Ausgabe angeführten Männer und Frauen hätten nichts bewirkt, wären da nicht fortschrittsbereite Anhänger an ihrer Seite gewesen. Das trifft für Lenin ebenso zu wie für Martin Luther King. Und so wird die Wahrheit wohl doch darin liegen: Es müssen die Volksmassen ihre Führer erst einmal mit der nötigen Anerkennung ausgestattet haben, damit die anfangs visionären Ziele zur "materiellen Gewalt" werden und von den "großkalibrigen" Persönlichkeiten wie den ihnen folgenden Volksmassen auch umgesetzt werden können. Treffend ist im "RotFuchs" von der "Dialektik der Rolle der Massen und des spezifischen Gewichts von Persönlichkeiten hohen Kalibers" die Rede.
Mit großer innerer Spannung habe ich auch den Beitrag von Wolfgang Kulas gelesen und stimme ihm voll zu. Es ist wohltuend, seine eigenen Gedanken von anderen sinngleich formuliert wiederzufinden.

Rudolf Krause, Berlin


Zum Extra-Beitrag von Wolfgang Kulas: Vieles davon teile ich, aber nicht alles. So schreibt er z. B. recht nebulös, daß es uns "nicht gegeben war", die Unzufriedenheit der Bevölkerung vom Grunde her zu erfassen. Die über zwei Millionen Mitglieder zählende Partei mit vielen Wissenschaftlern aller Disziplinen, Lehrstühlen an sämtlichen Unis, ganzen Heerscharen hauptamtlicher Mitarbeiter und dem MfS soll nicht in der Lage gewesen sein, die Ursachen für das wachsende Unbehagen herauszubekommen? Das kann doch wohl nicht der Fall sein. Ich glaube eher, daß der fehlende Wechsel - die Grünen sprachen von Rotation - dazu führte, daß sich die Mitglieder von Leitungen höherer und hoher Ebenen an ihre Privilegien gewöhnt hatten und keine Veränderung wollten. Ihre Machtfülle und faktische Nichtabwählbarkeit verhinderten auch, daß Kritik von der Basis zu ihnen durchdringen konnte, weil die Überbringer von Wahrheiten fürchteten, in Ungnade zu fallen. Mir war schon zu DDR-Zeiten klar, daß wir viele sich als Kommunisten ausgebende Karrieristen in unseren Reihen hatten.
Der Schlußsatz von Wolfgang Kulas gefällt mir sehr gut. Allerdings sehe ich, daß die PDL-Führung - allen voran Gysi und das FDS - wohl vergessen haben, daß der Staat das Machtinstrument der herrschenden Klasse ist. Sonst wäre ihnen klar, daß sie in Regierungskoalitionen nur die Interessen der Kapitalisten gegen die Bevölkerung durchsetzen müssen.
Die Beteiligung an einer Bundesregierung wäre nur in einem Falle sinnvoll: Wenn eine marxistische Partei so viele Mandate erringen und Minister stellen könnte, um einen Machtapparat zu etablieren, der im Interesse des Volkes wirkt und systemrelevante Banken wie Konzerne zu Volkseigentum erklärt. Doch eine solche Situation ist in der BRD vorerst leider nicht zu erwarten.

Wolfgang Reinhardt, Nordhausen

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Der bekannteste Satz von Treitschke ist leider nicht - wie Klaus Steiniger schrieb - "Männer machen Geschichte", sondern "Die Juden sind unser Unglück." Das war zwar nicht der faschistische, wohl aber der feudal-preußische Antisemitismus, welcher sich nach 1933 mit den Nazis verbündete und sogar noch bei einigen "Männern des 20. Juli" vertreten war.
Ansonsten vielen Dank für den Beitrag, speziell für die Würdigung des Durchhaltewillens und -vermögens der kubanischen Kommunisten unter Fidel und Raúl Castro sowie vieler weiterer Genossen! Daß die Führungen der osteuropäischen (und ostasiatischen) kommunistischen und Arbeiterparteien stets vor allem Disziplin, Gehorsam, Angepaßtheit und Duckmäusertum förderten, so daß solche nationalen Führer der Werktätigen tendenziell immer weniger auftreten und erfolgreich die vorhandenen Anfänge des Sozialismus verteidigen konnten, ist Teil des Problems.

Volker Wirth, Berlin


Die Würdigung herausragender Führungspersönlichkeiten im Leitartikel der August-Ausgabe des RF kommt besonders deutlich in dem Satz zum Ausdruck: "Gerade in Momenten und Phasen äußerster Belastung und höchster Gefahren bedarf es politisch gebildeter, ideologisch gefestigter, in Strategie und Taktik erfahrener, kaltblütiger und zugleich warmherziger, vor allem aber volksnaher Führer." Das entspricht auch meiner Auffassung. Nicht die Anzahl ihrer Mitglieder ist es, welche die Stärke einer marxistischen Partei bestimmt, sondern ihre Zielklarheit, das Niveau ihrer organisatorischen Schlagkraft und nicht zuletzt die Qualität ihrer Führung. 1917 folgten Millionen einer kleinen bolschewistischen Partei mit 40.000 Genossen, weil diese eine durchdachte Strategie und Taktik besaß. 1990 scheiterten die regierenden Parteien der sozialistischen Länder Europas, obwohl ihnen Millionen und aber Millionen Mitglieder angehörten.

Horst Neumann, Bad Kleinen


Die Idee, Institute für Lehrerbildung einzurichten, wurde schon 1952 in der DDR und Ostberlin umgesetzt. Man verfolgte das Ziel, den nach Entfernung der Nazi-Lehrer entstandenen Mangel an pädagogisch geschultem Personal allmählich zu überwinden. Zunächst ging es um die Ausbildung von Unterstufenlehrern in einem vierjährigen Fachschulstudium.
In Berlin etablierte sich das erste Institut dieser Art zunächst in Pankow, um schon ein Jahr später in die Köpenicker Hegelschule umzuziehen. Hier bestand es über 33 Jahre, bis die mittlerweile renommierte Einrichtung im Frühjahr 1986 von einem Neubau in Berlin-Hohenschönhausen Besitz ergriff. Das Bauwerk war ultramodern und hervorragend auf die Bedürfnisse der Studierenden zugeschnitten.
1992 wurden sämtliche Institute für Lehrerbildung in dem durch die BRD annektierten Teil Deutschlands "abgewickelt". Dem neuen Berliner Gebäude aber war Schlimmeres zugedacht. Während der Hörsaalkomplex sofort in ein Kino umfunktioniert wurde, riß man das Hauptgebäude einfach ab. Dieses in meiner Erinnerung unvergleichliche Haus, das Gäste aus vielen Ländern bewundert hatten, machten die Eroberer dem Erdboden gleich. Beim Anblick des nun wieder freien Geländes konnte ich die Tränen nicht zurückhalten, war ich doch ab 1953 erst als Lernender, später als Lehrerbildner mit diesem Institut verwachsen.
Welche Mißachtung handwerklicher und intellektueller Leistungen von DDR-Bürgern!

Horst Birkholz, Berlin


Der Fuchs, der ist ein schlaues Tier,
der "RotFuchs" ist noch schlauer:
Er streift nicht nur im Wald umher,
er recherchiert genauer.
Er schreibt es auf und trifft damit den Kern der Politik,
und weil sein Stil so ehrlich ist, reißt er die Massen mit!

Angelika Rothenhagen, Berlin


Ja, wenn das Spiel mit dem Feuer nur ein Spiel wäre, könnte man die Regeln verstehen. Doch der Friedensnobelpreisträger Obama spielt mit Menschenleben und hat schon Tausende durch ferngesteuerte und auf seinen Befehl in Marsch gesetzte Kampfdrohnen auf dem Gewissen. Vor allem Pakistan wurde dabei zur Zielscheibe. Und in Jemen werden die Menschen verhungern, weil ihnen nicht einmal die Kraft zur Flucht bleibt. Wann kommen endlich die im Völkerrecht vorgesehenen Strafmaßnahmen gegen solche brutalen Kriegsverbrechen zur Geltung!

Elisabeth Monsig, Gartz


Die Ukrainer fanden einst, daß sie - trotz eines gewissen Nationalismus - in der Mehrheit nie die Frage nach einem Austritt aus dem "sowjetischem Imperium" stellen würden. Russen, Ukrainer und Belorussen sahen sich als Teil einer gemeinsamen "russischen Welt". Bis vor kurzem waren diese Territorien ja noch selbständige, zugleich aber auch wirtschaftlich wie kulturell eng miteinander verwobene Staaten. Es bildete sich die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft mit Platz und Perspektive für sie alle.
Ab 2014 trat dann ein wirkliches Imperium auf den Plan, um die Ukraine aus geopolitischen und ökonomischen Gründen mit Hilfe dortiger Nazis und ultranationalistischer Kräfte per Putsch aus der "russischen Welt" herauszubrechen und Moskau gezielt zu schwächen. Damit wurde das westliche Imperium politisch und ökonomisch nach Südosten erweitert, ohne mit den Nachbarn, die bis zu 60 % der ukrainischen Erzeugnisse abnahmen, darüber auch nur zu sprechen. Der blutige Maidan, der neonazistische Putsch und die Pogrome in der Ukraine führten zur Selbstbestimmung der Bevölkerung der Krim über die Wiedervereinigung mit Rußland. Dieses Ereignis wird vor Ort nicht als Annexion gesehen.
Langsam dämmert es den Vertretern des westlichen Imperiums, daß sie überhastet handelten, weil es ohne Rußland wohl doch nicht geht. Putin hat mehrfach erklärt, daß der Donbass zur Ukraine gehöre. Und er hat den Fahrplan dazu im Minsk-2-Abkommen mit festgeschrieben. Das ist eindeutig eine antiimperiale Geste Rußlands.

Gerhard Giese, Strausberg


Als ich die Nachrichten über die Vernichtung illegal eingeführter Lebensmittel in Rußland hörte, befürchtete ich schon den Aufschrei: "Befehl gegen die Menschen, Mißachtung der Früchte der Erde, kaltes Herz, Diktatorenverhalten. Letztlich: Kreuzigt Putin!" Fürwahr, er und Rußland sind jetzt angeblich die größten Feinde der Menschheit, nicht etwa der Islamische Staat und die Verursacher einer angeblichen "Völkerwanderung des 20. Jahrhunderts" in unvorstellbarer Weise und Tragik. Rußland wird wie ein Land kurz vor dem Exitus des Verhungerns behandelt. Die Russen und ihre Regierung können machen, was sie wollen. Sie werden als "Sündenfall" dieser Zeit, als Störenfriede abgestempelt. Ihre unvorstellbar großen Verluste an Menschen, Kulturgütern, Volkswirtschaft und einst gesunder Natur waren wohl die größten Einbußen eines Landes in den letzten 100 Jahren. Ist all das bereits in Vergessenheit geraten?

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz


Die zentral gesteuerten Medien versuchen in letzter Zeit verstärkt, der Weltöffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, die BRD sei ein Hort der "Aufarbeitung" des Faschismus. Neben dem Dauerbrenner - der beschämenden Farce des Münchner Neonazi-Prozesses um Beate Zschäpe - führte man im Sommer einen weiteren "heftigen Schlag" gegen das Vergessen: Ein inzwischen 94jähriger ehemaliger SS-Angehöriger wurde wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 Häftlingen des KZ Auschwitz zu vier Jahren Haft verurteilt.
Wir sollten den nachwachsenden Generationen in Erinnerung rufen, daß nach 1945 Tausende und aber Tausende Nazikriegsverbrecher mit Hilfe des Vatikans auf der sogenannten Rattenlinie über die Schweiz und Spanien nach Südamerika entkommen konnten. Adolf Eichmann und Klaus Barbie hat man dort erst nach Jahrzehnten gefaßt. Die "Entnazifizierung" in der BRD war ein Flop, den man im Volksmund als "Persilschein-Aktion" bezeichnete. Hochrangige Nazis wie faschistische Generale oder der Kommentator der Nürnberger Rassegesetze zählten zu den Gründervätern der BRD und ihrer Streitkräfte.
Oskar Gröning hat zwar das den Opfern in Auschwitz geraubte Geld verwaltet, aber daran verdient haben Konzerne wie die inzwischen umbenannten IG Farben, die noch heute zu den tragenden Säulen des imperialistischen deutschen Staates gehören.

Peter Pöschmann, Döbeln


Bekanntlich mußten bereits etliche Prominente ihre Plätze räumen, weil sie beim Promovieren abgeschrieben hatten. Sie verloren ihre Doktortitel. Doch Ideenraub ist nicht aus der Mode. So hat die Partei Die Linke schon vor langer Zeit auf die Einführung eines Mindestlohnes in der BRD gedrungen. Dafür wurde sie von CDU und SPD verlacht. Inzwischen haben Arbeitsministerin Nahles (SPD) ebenso wie CDU-Politiker den Mindestlohn unter Druck von links eingeführt und geben ihn jetzt als ihr Patent aus. So etwas nennt man geistigen Diebstahl.
Für die Zusendung des RF - manche Artikel habe ich zwei- und dreimal gelesen - danke ich sehr. Schade, daß mir solche Lektüre nicht schon Jahre zuvor bekanntgeworden ist. Als 75jähriger Parteiloser freue ich mich auf die nächste Ausgabe.

Horst Blechschmidt, Altensalz


Mit großem Interesse lese ich seit Jahren alle Beiträge im RF, auch wenn ich nicht jeder Meinungsäußerung zustimme. So kann ich durchaus Enttäuschung und Zorn vieler Leser über die willkürliche Vernichtung hochwertiger DDR-Erzeugnisse sowie die unverantwortliche Preisgabe sozialer und ökonomischer Errungenschaften der DDR noch vor deren Anschluß an die BRD verstehen. Eine vorschnelle Antwort auf die Frage Reinhard Melzers (August-RF), wie es eigentlich dazu gekommen sei, die modernen und einsatzfähigen Waffensysteme der NVA dem Gegner intakt zu überlassen, erscheint mir problematisch. Hätten sie denn nach Auflösung des Warschauer Paktes noch zum Einsatz kommen sollen? Da wäre eine rechtzeitige Zerstörung des eigenen Waffenpotentials eher verständlich, was von einem "Verteidigungsminister" Eppelmann wohl nicht zu erwarten gewesen ist.
Hingegen - wie in einer anderen Wortmeldung zu lesen - von einem "unverantwortlichen Vollzug der Kapitulation" zu reden, läßt eher den Schluß zu, die völlig isolierte DDR hätte in ihrem schon von konterrevolutionären Kräften unterwanderten Territorium sich und ihre Errungenschaften allein verteidigen und damit unvorstellbares Leid in Kauf nehmen sollen. Daß es dazu nicht kam, ist - nicht zuletzt - dem besonnenen und verantwortungsbewußten Handeln von Egon Krenz, Erich Honecker und der militärischen Führung zu danken.

Jürgen Wetzel, Berlin


Für den Abdruck meines redaktionell gekürzten und bearbeiteten Leserbriefes zu Joseph Gutsche im September-RF bedanke ich mich. Da keine sinnentstellenden Veränderungen erfolgt sind und mir bekannt ist, daß sich Redaktionen in der Regel solche Rechte vorbehalten, akzeptiere ich Ergänzendes und Weggelassenes.
Doch leider wurde meiner Zuschrift ohne Rücksprache mit mir ein Aspekt hinzugefügt. Ich habe nicht geschrieben, daß eine Berliner Straße den Namen von Joseph Gutsche trägt. Im aktuellen Straßenverzeichnis ist sie jedenfalls nicht zu finden. Ob es sie zu DDR-Zeiten gab, vermag ich nicht zu sagen. Für den RF-Leser wird dies jedoch unter meinem Namen behauptet. Mit solidarischen Grüßen

Hans-Peter Wokittel, Berlin

Bemerkung der Redaktion:
Leider wurden von uns die Namen Gutsche und Rusche miteinander verwechselt. Wir entschuldigen uns bei Genossen Wokittel und bei den Lesern für diese Nachlässigkeit.


Die Briefe von Herrn Melzer aus Boxdorf und Frau MR Dr. Reiteritsch aus Innernzell haben mich emotional stark beschäftigt. Herr Melzer richtet seine Frage an die falsche Person. Zuständig war die von der im März 1990 gewählten Volkskammer berufene Regierung unter Lothar de Maizière. Was die "Kapitulation" und "Waffenabgabe", zu der sich Frau Dr. R. äußert, betrifft, so gibt sie eigentlich schon selbst die Antwort auf ihre Fragen: Die Mehrheit des Volkes der DDR hatte sich - beeinflußt vom Westen und mit der Aussicht auf Zugang zur Westmark und anderen "Wohltaten" - eine mehrheitlich nicht mehr auf den sozialistischen Staat orientierte Volkskammer gewählt und diese eine dementsprechende Regierung installiert. Sollte die NVA, die nie einen Krieg geführt hatte, nun auf einmal gegen Teile des eigenen Volkes vorgehen? Und welche Reaktionen seitens des Westens hätte das ausgelöst? Es ist ein großes Verdienst der für die bewaffneten Organe Verantwortlichen, daß damals kein Blut geflossen ist!

Oberst der NVA a. D. Eberhard Walter, Berlin


Man kann die Lobeshymnen auf Angela Merkel - das wahrscheinlich "gottähnlichste Wesen" auf diesem Planeten - nicht mehr ertragen! Glaubt man bestimmten Medien, dann hat sie in ihrer politischen Laufbahn alles richtig gemacht. Ich weiß zwar nicht, woher die Lobhudelei kommt, aber vielleicht ist es ja noch nicht bis zur Bundesregierung vorgedrungen, daß die Bürger der BRD trotz ständigen Beschusses durch die Medien noch nicht vollständig verblödet sind.
Als Regierungschefin hat Frau Merkel das Energiewende-Chaos, die Nichtbeherrschung des Zustroms von Einwanderern, das Chaos in der Europapolitik, die Zerstörung des guten Verhältnisses zu Rußland, irrsinnige Kriegseinsätze in weit entfernten Ländern, totales Versagen bei der Bekämpfung der US-Spionage und ein Übermaß von Unterwürfigkeit gegenüber Washington und Tel Aviv zu verantworten. Angela Merkels vorrangige Fähigkeit besteht darin, bei passender Gelegenheit freundlich zu lächeln und Dinge schönzureden, auch wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist.

Bernd Passoth, Gera


Am 14. September 1950 wurde der Jugendhochschule am Bogensee als höchster Bildungsstätte der FDJ der Name "Wilhelm Pieck" verliehen. Seitdem sind 65 Jahre vergangen, und die Einrichtung gibt es seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Sie gehörte 1990 zu den ersten Opfern der Annexion der DDR durch die BRD. In den über vier Jahrzehnten ihres Bestehens haben sich Tausende junge Menschen, FDJ-Mitglieder wie Mitstreiter aus befreundeten Jugendorganisationen Afrikas, Lateinamerikas, Asiens und anderen Ländern Europas dort Wissen angeeignet. Das Leben unter Gleichgesinnten, die internationale Solidarität und der Erfahrungsaustausch vermittelten vor allem den Teilnehmern der internationalen Lehrgänge Kraft und Zuversicht.

Der im Mai 2014 gegründete Arbeitskreis "Geschichte der JHS 'Wilhelm Pieck'" stellt sich die Aufgabe, bis zum Mai 2016 den Entwurf einer Chronik der Schule sowie eine Sammlung von Zeitzeugen-Berichten aufzuschreiben. Dazu brauchen wir das Wissen und die Erfahrungen aller Lehrer, Mitarbeiter und Absolventen, die sich mit der JHS auch heute noch verbunden fühlen. Besonders suchen wir Zeitdokumente wie Bilder und Fotos, Berichte, Unterrichts- und Lektionsaufzeichnungen. Weiteres erfährt man auf unserer Website
www.ak-geschichte-der-jugendhochschule-wilhelmpieck-de. oder unter der Rufnummer 030/28 202 04.

Dr. Dieter Luhn, Berlin


Der Leserbrief von Jürgen Leichsenring im August-RF hat bei mir Freude und zugleich Traurigkeit ausgelöst. Ich absolvierte 1960 die Jugendhochschule und denke sehr gerne an diese Zeit zurück. Zu meinen Studiengefährten zählten auch Italiener, Norweger und Finnen. Mit einigen von ihnen stehe ich noch immer in Kontakt. Traurig macht mich die Tatsache, daß dieses einst herrliche Objekt immer mehr dem Verfall preisgegeben wird.
Es ist gut, daß Dokumente erscheinen, um deren Zusammentragen sich einstige Lehrer und Absolventen der JHS bemühen. Das wird andere in die Lage versetzen, sich der wertvollen Zeit gemeinsamen Studiums einmal mehr zu erinnern.

Günter Bauch, Fraureuth


Für den Beitrag im August-RF "Wortmeldung eines Kommunisten" von Dennis Simon bin ich dankbar, da er mir aus der Seele spricht. Ich fühle mich schon sehr lange unwohl in der PDL. Sie ist mir zu "schwach" und geht in Duckstellung, wenn es brenzlig wird. Hinzu kommt die Debatte über den DDR-"Unrechtsstaat", an der sich so manche beteiligt haben. Jahrgang 1985, finde ich es jämmerlich, alles zu unterschreiben, nur um irgendeine "Machtposition" zu bekleiden. Was hat die Geschichte der DDR in einem Koalitionsvertrag zu suchen? Wird denn die Geschichte der BRD ebenfalls in Koalitionsverträgen festgeschrieben - mit ihren Altnazis auf hohen Regierungsposten?
Ich hoffe, daß die DKP in der revolutionären Tradition Ernst Thälmanns steht und werde in naher Zukunft einen Mitgliedsantrag bei ihr stellen.

Marvin Schöwe, Strasburg (Uckermark)


Dem Beitrag Prof. Ingo Wagners, der die PDS/PDL als eine sozialdemokratische Partei besonderer Art bezeichnete, stimme ich zu. Meine eigene Erfahrung hat mich vor Jahren dazu bewogen, diese Partei zu verlassen. Seit 1990 haben maßgebliche Funktionäre die ursprünglich auf die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gerichteten Zielsetzungen immer mehr unter den Tisch fallen lassen.
Angesichte der heutigen politischen Konstellation in der BRD und der Welt erscheint es mir notwendiger denn je, auf die Formierung einer die linken Kräfte bündelnden sozialistisch-kommunistischen Partei Kurs zu nehmen. Der "RotFuchs" sollte auch hier zu den Akteuren gehören.

Hans Georg Vogl, Zwickau


Im Juli/August fand eine von der FDJ organisierte Friedensfahrt statt. Ausgangspunkt war Lichtenberg bei Hof. Die Mehrheit der Teilnehmer wuchs weder in der DDR noch auf deren früherem Territorium auf. Mich beeindruckte deshalb ihre Verbundenheit mit diesem kleinen großen Land und das Interesse an seiner Geschichte. Etappenziel war Weimar. Am Abend stand ein Aufenthalt in der Gedenkstätte Buchenwald auf dem Programm, wo uns die Selbstbefreiung geschildert wurde.
Nach Rad- und Bahnfahrt mit den Stationen Jena und Naumburg setzten wir unsere Tour per Kanu auf der Saale nach Weißenfels fort. Unsere Fahrt im Blauhemd durch Halle war auch dem Leiter der dortigen RF-Regionalgruppe nicht entgangen. Er bekundete uns seine Solidarität. Bei Gardelegen errichteten wir ein Camp gegen das Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr (GÜZ).
Nach Aufenthalten in Caputh und am Schwielowsee erregte unser Fahrradkorso aus Anlaß des 70. Jahrestages des Potsdamer Abkommens in der Stadt seiner Unterzeichnung besondere Aufmerksamkeit. Auch dort stießen wir auf Genossen der RF-Regionalgruppe, die uns herzlich willkommen hießen. Den Abschluß bildete unsere Kundgebung vor der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Geltow bei Potsdam, die das Einsatzführungskommando der Bundeswehr beherbergt. Für mich war diese Woche ein tolles Erlebnis. Wäre in den letzten Jahren der DDR eine Mehrheit der FDJ-Mitglieder von diesem Kaliber gewesen, hätte sich die Jugend ihren Staat nicht so einfach wegnehmen lassen.

Torsten Trentzsch, Meißen


Liebe "RotFuchs"-Redaktion, gestattet mir den Hinweis auf einen Irrtum im Artikel über das "Deutschlandlied" ( August-RF). Joseph Haydn "vertonte" nicht den Text Hoffmann von Fallerslebens. Als dessen "Lied der Deutschen" 1841 entstand, war Haydn längst verstorben (1809). Andere bedienten sich der Melodie des 1797 von ihm komponierten Kaiserliedes ("Gott erhalte Franz den Kaiser ..."), um Hoffmanns Text danach zu singen.
In der Nazizeit beschränkte man sich dann auf die erste Strophe des "Deutschlandliedes" und schloß daran stets das "Horst-Wessel-Lied" der SA an.

Botschafter a. D. Otto Pfeiffer, Berlin


Der Artikel Prof. Schneiders (August-RF) "Dem nationalistischen Größenwahn Paroli bieten!" findet meine volle Zustimmung.
1931 geboren, habe ich bereits in der zweiten Klasse (1938) das "Deutschlandlied" lernen müssen. Schon in der Weimarer Republik wurden die Deutschen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit diesem Lied auf die nationalistische Politik der Bourgeoisie und des Adels eingeschworen. Das Nazireich trug so den Größenwahn in die Mehrheit des Volkes. Mit ihm im Gepäck betrieb man die Aufrüstung und entfesselte den Zweiten Weltkrieg. Mein älterer Bruder kehrte aus ihm nicht zurück, und ich mußte als Kind und Jugendlicher sieben Jahre um meinen Vater bangen.
Am 1. April 1946 wurde ich Mitglied der FDJ. Die Gründung der DDR habe ich sehr begrüßt. Unsere Hymne brachte den Friedenswillen zum Ausdruck. Seit dem 3. Oktober 1990 wurde die DDR dann "abgewickelt". Nach der Konterrevolution stülpte man auch uns die nationalistische Hymne der BRD über. Bis heute kann ich das "Deutschlandlied" nicht ertragen und stelle sofort Rundfunk wie Fernsehen ab, wenn diese Melodie ertönt. Immer höre ich "Deutschland, Deutschland, über alles, über alles in der Welt" heraus. Für dieses Deutschland schäme ich mich.
P. S.: Der "RotFuchs" macht mir immer neuen Mut, meine linke Meinung überall zu vertreten. Vielen Dank, daß es diese Zeitschrift gibt!

Oberst a. D. der NVA Werner Gericke, Berlin


Der Artikel Dr. Kurt Lasers, in dem eine Äußerung von Christoph Jünke zitiert wird, ist bemerkenswert. Jünke gelingt es, seinen eigenen Beitrag mit wenigen Worten treffend zu charakterisieren: "Wissenschaftlich ein Witz, intellektuell erschütternd schmalbrüstig, politisch ein Skandal und moralisch eine Zumutung." Diese anderen zugedachte Aussage trifft punktgenau auf Herrn Jünkes Artikel zu. Er unternimmt nicht einmal den Ansatz eines Versuchs, sich mit den durchaus diskussionswerten Thesen Domenico Losurdos sachlich auseinanderzusetzen. Wozu auch - das Totschlagsargument "Stalinismus" enthebt jeden, der es seinem Kontrahenten entgegenschleudert, der Mühe des Argumentierens. ...
Noch eine Bemerkung zu dem Artikel "Anatoli Wassiljewitsch Lunatscharski" von Steffen Kastner im RF 211. Zu Lunatscharskis Diskussionspartnern zählte auch Albert Einstein, von dem der Weggefährte Lenins folgende Äußerung wiedergab: "Ich glaube in erster Linie an das Experiment. In der Aufbautätigkeit der Kommunisten in Rußland erblicke ich ein Experiment von gewaltigem Ausmaß. Hierbei bin ich der Ansicht, daß es unter den ungünstigsten Verhältnissen in einem armseligen Laboratorium ausgeführt wird. Sollte es daher mit einem Mißerfolg enden, so würde das für mich als Naturforscher noch nicht die Unmöglichkeit eines Erfolges des gleichen Versuchs in einem reicher ausgestatteten Laboratorium beweisen."

Prof. Dr. Karl-Heinz Bernhardt, Berlin


Über Christoph Jünkes Beitrag im "nd" war ich empört! Dr. Kurt Laser hat Recht, wenn er zu dem Ergebnis gelangt, es sei nicht nachvollziehbar, wie das "nd" für einen solchen Artikel eine ganze Seite zur Verfügung stellen konnte.
Nicht nachvollziehbar ist noch geschmeichelt! Wenn man Christoph Jünkes Zeilen liest, fragt man sich, ob der Autor noch alle politischen Sinne beisammen hat, um solchen substanzlosen antikommunistischen Unrat zu produzieren. Jünke verfolgte mit seinem Beitrag nur ein Ziel: alle marxistisch-leninistischen Erkenntnisse, die - zugegebenermaßen - nicht immer berücksichtigt worden sind, in seinen "Müllsack Stalin" zu stopfen, um schließlich den Lesern zu prophezeien: Wenn Ihr eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse anstrebt, müßt Ihr nach wie vor mit "stalinistischen Methoden" rechnen.

Oberstleutnant a. D. Harry Popow, Schöneiche


Als sich der "RotFuchs" zum 211. Male in unsere Nähe traute, war zuvor etwas ganz Entscheidendes passiert: Die Rüstungsriesen Krauss-Maffei Wegmann (KWW) und Nexter hatten einen Kooperationsvertrag unterzeichnet und heißen fortan Newco. In ihrem Super-Kampfwagen werden also nicht nur französische, sondern auch deutsche Proletarier die Besatzungen stellen. Dieses "historische Ereignis" wurde vom RF zwar noch nicht bewertet, doch zog Wolfgang Kulas aus Hildburghausen das Fazit: "Beim nächsten Anlauf machen wir es besser."
Aber was heißt denn hier "Beim nächsten ..."? Der "RotFuchs" ist ja schon viel weiter. Blättert man in seinen Seiten, dann entdeckt man bereits manche Elemente von - wie hieß das nur früher? - Partei- und Staatsführung.
Summa summarum: Der nächste Anlauf ist aus den verborgenen Tiefen der DDR bereits sichtbar geworden. Da gäbe es dann sogar noch den "Sozialismus 2.0"!

Klaus Horn, Großdobritz


Seit langem bin ich Bezieher des RF und ganz stolz darauf, daß es Euch gibt!

Gerhard Kmoch, Aachen

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Bernd Gutte
Helmuth Hellge
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Marcel Kunzmann
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Quelle:
RotFuchs Nr. 213, 17. Jahrgang, Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2015

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