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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1986: Wie Gewerkschaften auf die Terroranschläge reagieren


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 12, Dezember 2015
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

DGB und CGT
Wie Gewerkschaften auf die Terroranschläge reagieren

Von Manfred Dietenberger


Bei sechs menschenverachtenden Anschlägen wurden am 13. November in Paris willkürlich 130 Menschen ermordet, über 350 Menschen verletzt. Kein Mensch, den das nicht aufwühlt. Kein Gewerkschafter, der da mit den Opfern und ihren Angehörigen nicht mitleidet und gemeinsam mit der Pariser Bevölkerung die Attentäter und deren Drahtzieher (der sog. Islamische Staat) verabscheut.

Reiner Hoffmann, der Vorsitzende des DGB, reagierte auf die Anschlägen in Paris ungewohnt schnell schon am darauf folgenden Tag mit einer Pressemitteilung, die die Überschrift trägt: "Der DGB trauert mit Frankreich. Die Gewerkschaften sind entsetzt und erschüttert über die furchtbaren Attentate in Paris." Und dann, man mag's nicht glauben, geht's im Text weiter mit: "Wir trauern mit Frankreich, mit Europa um die Opfer und sprechen ihren Angehörigen unser tiefstes Mitgefühl aus."

Wieso, frage ich mich, trauert der DGB mit Frankreich und den anderen europäischen Staaten, obwohl der Kollege Hoffmann es schon im nächsten Satz eigentlich besser weiß: "Diese Anschläge richten sich nicht gegen Frankreich, sie richten sich gegen alle friedliebenden Menschen, gegen Menschenwürde, gegenseitigen Respekt und Toleranz"?

Der französische Gewerkschaftsdachverband CGT formulierte das so: "Unsere Solidarität gilt allen Opfern dieser Morde... Der Krieg regelt nichts, im Gegenteil. Immer mehr Weltregionen kennen Spannungen und Konflitkte mit Myriaden von Toten, Zerstörung, Verzweiflung und Hass. Die Vielzahl militärischer Interventionen (im Irak, in Libyen, in Syrien und anderswo) sind weit davon entfernt, die Demokratie zu errichten, und haben vielmehr eine Verarmung der Bevölkerungen herbeigeführt mit Hunderttausenden Opfern und einer ökonomischen und sozialen Sackgasse. Das ist der Nährboden, auf dem sich der Terrorismus entwickelt und ganze Bevölkerungsteile ins Exil treibt."

Hoffmann führt weiter aus: "Aber die Attentäter dürfen und werden keinen Erfolg haben." Wie dies zu erreichen ist, folgt dann ebenso knapp wie verschwurbelt: "Wir lassen uns nicht in den Hass und in die Menschenfeindlichkeit treiben, wir bestehen auf unseren freien, solidarischen und demokratischen Gesellschaften."

Ja, Kollege Hoffmann wo lebst du denn? Leben wir in der BRD, in Frankreich, wo auch immer in Europa, denn wirklich in solidarischen und demokratischen Gesellschaften? Hat bei uns das Volk wirklich etwas zu sagen oder herrscht lediglich marktkonforme Demokratie? Hast du denn nicht die Armuts- und Reichtumsberichte gelesen?

In der Erklärung der CGT lesen wir hingegen: "Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat die Gesamtheit der Länder unseres Planeten erklärt, dass soziale Gerechtigkeit allein Friedensfaktor ist."

Die Presseerklärung des DGB endet mit: "Jetzt erst recht: NousSommesUnis, wir stehen an der Seite Frankreichs."

Wer aber an der Seite Frankreichs steht, steht neben dessen kriegstreibenden Präsidenten François Hollande, der "Krieg" schreit und demonstrativ als Symbol der nationalen Einheit die FN-Chefin Le Pen im Élysée-Palast empfing.

Die CGT hingegen formulierte so: "Die CGT ... wendet sich dagegen, dass die abhängig Beschäftigten und die Bevölkerung Frankreichs de facto einem andauernden Ausnahmezustand unterworfen werden ... Die Bekämpfung und Beseitigung von Radikalisierung gelingt in erster Linie über die Respektierung der Grundrechte des Zugangs zu Bildung, Kultur, Gesundheit und Beschäftigung ... Die Quellen der Finanzierung und Bewaffnung der Terroristen werden nicht mit einer Verfassungsänderung ausgetrocknet werden können. Im übrigen muss betont werden, dass Frankreich weltweit der Waffenexporteur Nr. 2 ist, vor Russland und China. Die CGT fordert die Unterbindung jeglichen Waffenhandels mit Staaten, die Verbindungen zu den Terroristen unterhalten ... Sie wendet sich entschieden gegen die Einladung des Front National in den Elysée-Palast. Sie weist jegliche Stigmatisierung der Ausländer und jegliches Amalgam von Einwanderung und Terrorismus zurück."

Aber es blieb ja nicht bei der Presseerklärung. Gleichzeitig erging an alle DGB-Gliederungen der Aufruf: "Liebe Kollegin, lieber Kollege,... wir schlagen euch vor, in den nächsten Tagen angemessene Aktionen vor Ort zu unterstützen oder selbst zu organisieren." Danach vermeldete die DGB-Pressestelle: "Europaweit haben am 16. November um 12 Uhr Menschen mit einer Schweigeminute an die Opfer der Terroranschläge von Paris erinnert. Auch Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter haben sich in ganz Deutschland an der Gedenkminute beteiligt. Die Botschaft des DGB: 'Jetzt erst recht: frei, demokratisch, solidarisch'... Hier das Schild mit der Botschaft downloaden und selbst Position beziehen."

Die CGT hingegen schreibt: "Sowenig es einen Waffenstillstand bei den Angriffen auf die Welt der Arbeit gibt, sowenig wird es einen Waffenstillstand bei der gewerkschaftlichen Aktion für den sozialen Fortschritt geben. Das gilt wohlgemerkt auch für den 2. Dezember, für den die CGT zu einem landesweiten Aktionstag zum Thema 'Nein zur sozialen Gewalt, ja zur ökonomischen, sozialen und ökologischen Effizienz' aufruft."

Hilfreicher für mich als Gewerkschafter wäre gewesen, der DGB hätte die Erklärung der CGT übersetzt und als Download zur Verfügung gestellt! Siehe www.sozonline.de.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 12, 30. Jg., Dezember 2015, S. 7
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2015

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