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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2087: Die dritte Mannheimer Konferenz


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 11. November 2016
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Die dritte Mannheimer Konferenz
Betriebsräte-Mobbing oder organisiertes Verbrechen?

Von Violetta Bock


Zum dritten Mal in Folge fand in Mannheim eine Konferenz von Betriebsräten statt, die sich mit dem Problem der Behinderung der betrieblichen und gewerkschaftichen Interessenvertretung befasst.

Am 13. Oktober fanden sich etwa hundert Menschen zum Thema "Betriebsräte im Visier" im Mannheimer Gewerkschaftshaus ein. Die Konferenz war ein Spiegelbild für die Stärke der dortigen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Ihnen ist es gelungen, die unernehmensseitige Bekämpfung der Betriebsräte und Gewerkschaften in den Gewerkschaften vor Ort zu verankern und die Aufmerksamkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu gewinnen. Die Konferenz wurde unterstützt von der IG Metall Mannheim sowie von AKUWILL (Oberhausen), der IG BCE Weinheim, dem IGM-Vertrauenskörper von General Electric (MA), dem überbetrieblichen Solidaritätskomitee Rhein-Neckar, Ver.di Rhein-Neckar und work-watch (Köln).

Das eintägige Programm war sehr vielfältig: Es kamen Gewerkschaftsvertreter von der Bundes- und der Bezirksebene, Juristen und Betroffene zu Wort und boten einen klaren Überblick über die Lage.


Appell nach Frankfurt

Zunächst legte die Rechtsanwältin Verena zu Dohna-Jaeger (IG-Metall-Vorstand, Ressort Betriebsverfassungs- und Unternehmensrecht) Rechenschaft darüber ab, was seit dem Beschluss gegen Union Busting auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall 2015 passiert ist. Nun würden Fälle erfasst, Gespräche mit politischen Parteien geführt und erste praktische Schritte eingeleitet. Demnächst erscheint ein Praxisleitfaden zur Gründung eines Betriebsrats, der auf die Angriffe eingeht. Durch die Skandalisierung solcher Fälle werde auf das gesellschaftliche Klima eingewirkt.

In der Debatte zeigte sich, dass dies vielen Anwesenden jedoch bei weitem nicht reichte. Betroffene berichteten, was es für sie bedeutet, wenn Gewerkschaftsgliederungen sich auf Anfragen nicht melden und sie alleine lassen. Angesichts der Tatsache, dass systematisches Mobbing um sich greife, müsse man viel schneller reagieren und sich ein Beispiel an den Gewerkschaftsbezirken nehmen, die zu dem Thema bereits arbeiten.

In ihrem Schlusswort wies Verena zu Dohna-Jaeger dann darauf hin, wie wichtig solche Konferenzen seien, damit sie dies nach Frankfurt zurückspiegeln könne.


BR-Mobbing - ein Straftatbestand?

Der Arbeitsrechtsanwalt Patrick Fütterer sprach zum Thema Arbeitsgerichtsbarkeit und BR-Mobbing. Er legte offen, dass das Thema in arbeitsrechtlichen Fachdiskursen keine Rolle spiele und wie die neoliberale Entwicklung sich auch an den Gerichten niederschlägt. Sparprogramme im öffentlichen Dienst, überlastete Richter, der Anreiz, Vergleichen zu schließen, um die Erledigungsquote zu erhöhen, und eine Rechtsprechungstendenz, die vom Arbeitsrecht als soziales Menschenrecht im Betrieb weg führt. Zu Arbeitsgerichtsverfahren komme es meist erst nach erfolgter Kündigung. Fälle mit Bezug auf das Betriebsverfassungsgesetz bildeten nur einen Bruchteil. In der Diskussion wurde Anwälten geraten, sie sollten schon bei Einreichung ihrer Schriften nicht nur auf Paragrafen verweisen, sondern den Richtern durch eine gründliche und ausführliche Darstellung der Tatsachen möglichst Arbeit abnehmen.

Die Stoßrichtung der Diskussion war, dass hier mit kriminellen Machenschaften gegen Aktive im Betrieb vorgegangen wird und die Unternehmer systematisch kontrollierten Rechtsbruch begehen um zu testen, wie weit sie gehen können. Um dem nicht nur durch öffentlichen Druck entgegenzutreten, bräuchte es eine Anpassung der Strafgesetzgebung. Deswegen, so ein weiterer Jurist in der Diskussion, solle man ruhig die obersten Konzernleitungen direkt damit konfrontieren, dass sie bei öffentlich gemachtem BR-Mobbing psychische Beihilfe leisten, wenn sie Gegenmaßnahmen unterlassen.


Wehrt euch!

In einem weiteren Block analysierten Stephan Weis-Will (Ver.di) und Albrecht Kieser (work-watch) den "Fall XXXL - Radikal gegen Betriebsräte, Belegschaften und Gewerkschaften" (die SoZ berichtete). Abschließend kamen Betroffene zu Wort, die mit Abmahnungen und Kündigungen überhäuft werden bis hin zu Bespitzelung und Isolierung und im Ergebnis mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen haben. Was ihnen bis heute hilft, die Situationen durchzustehen ist der Rückhalt in der Familie, unter Freunden und in gewerkschaftlichen Kreisen, und die juristische Begleitung, mit der es sogar gelungen ist, Anwälte wie Schreiner + Partner vom Hof zu jagen.

Daher lautet der Appell der Tagung an alle von BR-Mobbing Betroffenen: "Wehrt euch! Leistet Widerstand! Fordert die Öffentlichkeit, eure Gewerkschaften, politische Organisationen und die regionalen Solidaritätskomitees zur Solidarität auf!"

Mit einem kulturellem Abschluss trug die Konferenz vor allem dazu bei, den Teilnehmenden, die zum Großteil selber Betriebsräte waren, zu vermitteln, dass sie gegen solche Angriffe nicht allein stehen und dahinter ein systematisches Vorgehen steckt. Ebenso wichtig war der Appell an die Gewerkschaften, sich nicht nur online diesem Thema zu widmen, sondern eine Task Force einzurichten, um in solchen Fällen schnell agieren zu können.


Die Tagung verabschiedete die Entschließung "BR-Mobbing und kein Ende? Jetzt konsequent Widerstand leisten!", nachzulesen auf:
www.gegen-br-mobbing.de

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 11, 31. Jg., November 2016, S. 7
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
SoZ-Verlag, Regentenstr. 57-59, 51063 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2016

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