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FESTIVAL/257: "Film ab" für den Norden - "Skandinavische Filmtage Bonn" (forsch - Uni Bonn)


forsch 2/2009 - April 2009
Bonner Universitäts-Nachrichten

"Film ab" für den Norden
Seit 10 Jahren holen Studenten nordische Filme ins Bonner Kino

Von Elisabeth Rüthlein


Nur zwei gibt es in ganz Deutschland und als studentische Initiative ist es sogar einzigartig: das Festival "Skandinavische Filmtage Bonn". Seit 10 Jahren engagieren sich Studenten nun zusammen mit der Bonner Kinemathek e.V., jedes Jahr Aktuelles und Liebgewonnenes aus den nordischen Filmwerkstätten auf die Leinwand zu bringen. Vom 23. bis 29. April ist es wieder soweit: Dann heißt es "Film ab" für alles vom Drama bis zur locker-leichten Komödie im skandinavischen Originalton.

Auch nach zehn Jahren sind die Veranstalter der "Skandinavischen Filmtage Bonn" noch unruhig, bevor es endlich losgeht. "Man weiß nie, wie das mit dem Publikum klappt", weiß Enver Sellinat, langjähriges Mitglied der Kulturgruppe. Faktoren wie das Wetter, aber auch parallel stattfindende Veranstaltungen machen manchmal schon den Unterschied, ob das Publikum den Weg in den Kinosaal in der Brotfabrik findet. 91 Zuschauer können hier in den gemütlichen Samtsesseln Platz nehmen und norwegische, schwedische, finnische, dänische oder auch isländische Produktionen im Originalton mit Untertiteln erleben.


Studenten "retteten" Filmtage für Bonn

"Das Festival existierte schon, bevor wir Studenten aktiv wurden, nämlich als Bonn noch Regierungssitz war", erzählt Enver Sellinat. Die Landesvertretung Schleswig-Holstein zeigte damals als Ableger des großen Lübecker Festivals "Nordische Filmtage" ein "Best of" der dortigen Filme. Dann zog die Regierung um und die Bonner Fans standen vor dem Problem der Beschaffung nordischen Filmmaterials im Originalton - gar nicht so einfach vor der Verbreitung von DVD und Internet. So sahen auch die Skandinavistinnen Andrea Suhr und Regina Wiege die Vielfalt der Bonner Filmlandschaft in Gefahr. "Kann man da nicht was machen?" fragten die beiden sich, suchten Mitstreiter innerhalb ihres Studienganges und setzten sich mit den vorherigen Festival-Veranstaltern und -Partnern zusammen. "Besonders Ulli Klinkertz und Sigrid Limprecht von der Bonner Kinemathek e.V. waren damals wie heute tolle Partner", erzählt Enver Sellinat. So stellten sie zum Beispiel von Anfang an den Kinosaal zur Verfügung. "Außerdem standen sie uns im Kampf mit den undurchsichtigen Strukturen der Filmbranche bei." Schon um eine Filmkopie zur Vorführung zu erhalten, gibt es nämlich unterschiedliche Wege. Verschiedenste Zwischenhändler können beteiligt sein, je nach dem wie erfolgreich ein Film bisher war. Bei kleineren Produktionen muss man sich mit dem nationalen Filminstitut auseinandersetzen. Wurde der Film weiterverkauft, muss mit der zuständigen deutschen Vertriebsfirma Kontakt aufgenommen werden. "Das übernehmen wir von der Bonner Kinemathek e.V. dann gerne", so Sigrid Limprecht. "Wir haben die langjährigen Kontakte und so ist es einfacher, die gewünschten Filme von den Verleihern zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bekommen." So trudelten die großen Kisten mit den Filmrollen schließlich auch beim ersten Mal rechtzeitig in den Räumen der Brotfabrik ein, und die studentischen "Skandinavischen Filmtage Bonn" konnten beginnen.

Inzwischen wissen die Cineasten sehr gut, was alles zu tun ist, und die Gruppe versucht ein immer breiteres Publikum zu erreichen. "Wir möchten nicht nur ein Kulturveranstalter innerhalb der Universität für die Universität sein, sondern den unterschiedlichsten Kinobesuchern die Vielfalt und Eigenheiten des skandinavischen Films präsentieren", erklärt Enver Sellinat. So werben sie in ganz Bonn mit Plakaten. "Außerdem geben uns Internetseiten wie Bonn.de oder verschiedenste Veranstaltungskalender ganz andere Möglichkeiten als früher", so Referentin Mareike Vieth. Mit ihrem Team sorgt sie auch dafür, dass an regionale Medien und überregionale Zeitungen Pressemitteilungen gehen." Sogar im Veranstaltungskalender der FAZ sind die Filmtage schon aufgetaucht", erzählt sie. So wird die Initiative immer bekannter und auch die Kontakte zu den nationalen Filminstituten der einzelnen Länder sind durch die langjährige Zusammenarbeit gefestigt.


Filme zu beschaffen ist auch heute nicht einfach - und kostet

Trotzdem ist die Filmbeschaffung auch heute noch spannend. "In den Gründungstagen im Jahre 2000 fand der skandinavische Film weniger internationale Beachtung. So hatten nordische Botschaften und Filminstitute ein Interesse daran, Festivals zu fördern. Seitdem erlebte die Filmproduktion dort einen Aufschwung und so wurde das Leihen der Filme teils unerschwinglich." Denn kalkulieren müssen die jungen Cineasten natürlich auch: Nicht nur der Transport der Filmrollen nach Bonn, Veranstaltungsraum und -ankündigung kosten Geld, sondern auch für das Abspielen muss eine Gebühr an den sogenannten Rechtehändler sowie ein Anteil der Einnahmen abgeführt werden.

Damit die Eintrittspreise trotzdem nicht zu hoch werden, sind Gelder von außen nötig. Ein Team kümmert sich daher um Werbepartner und Fördermittel. "Das erfordert das ganze Jahr über Engagement", berichtet Enver Sellinat. Denn die Termine für die Bewerbung um Fördergelder bei Botschaften oder anderen öffentlichen Einrichtungen sind alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten. "Außerdem wird die Suche nach Werbepartnern durch die wirtschaftliche Situation immer aufwändiger." Die Studenten investieren ihre Freizeit aus der Überzeugung, dass der skandinavische Film etwas Besonderes ist, Beachtung verdient und auch kleinere Produktionen ihr Publikum finden sollten. "Im Norden haben die Regisseure eine spezielle Art Geschichten zu erzählen", ist sich Enver Sellinat sicher. Zum Beispiel das norwegische Roadmovie "Aberdeen" aus dem Programm 2002 hat es ihm angetan: Eine erfolgreiche Londoner Anwältin reist mit ihrem alkoholkranken, jahrelang in ihrem Leben nicht existenten Vater von Norwegen nach Aberdeen zu ihrer sterbenden Mutter. "Solche düsteren Geschichten menschlich zu erzählen ist eine Stärke skandinavischer Filme", meint er. Daneben gibt es aber im Norden ein breites Spektrum von Genres - auch leichte Kost, wie die schwedische Komödie "Jalla! Jalla!" über das Beziehungschaos eines libanesischen Einwanderers. "So macht es uns allen Spaß, an den Filmtagen auch mal selber unser Programm zu genießen", erzählen die Studenten. Noch größer ist die Freude nach all den Vorbereitungen jedoch, wenn sich an der Kinokasse in der Brotfabrik eine lange Schlange bildet und die Aktiven sehen, dass ihr Engagement beim Publikum angekommen ist. Dafür haben sich der Stress und die Unruhe in den Wochen vorher dann gelohnt.

Programm des Festivals 2009: www.skandinavische-filmtage.de


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Quelle:
forsch - Bonner Universitäts-Nachrichten Nr. 2, April 2009, Seite 30-31
Herausgeber:
Rektorat und Senat der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Abt. 8.2 - Presse und Kommunikation
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forsch erscheint viermal pro Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2009