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FESTIVAL/290: Filmfestivals als Chance für afrikanische Regisseurinnen (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 114, 4/10

Netzwerken und Präsentieren
Filmfestivals als Chance für afrikanische Regisseurinnen

Von Claudia Dal-Bianco


Afrika ist ein riesiger Kontinent mit vielen verschiedenen Sprachen, sozialen und politischen Geschichten, geographischen und demographischen Unterschieden. Diese Diversität von afrikanischen Leben und Erfahrungen spiegelt sich auch in der Pluralität von afrikanischem Kino wider. Filmfestivals sind ein Ort, an dem ein Austausch möglich ist.


Historisch gesehen ist die Verteilung von Filmemacherinnen in verschiedenen Regionen ungleich, denn es ist unverkennbar, dass die ehemaligen französischen Kolonien im Filmbusiness sehr stark vertreten sind, da es von Frankreich viele Förderungen gab und die "Frankophonie" damit gefeiert wurde. In der Filmindustrie fehlen generell finanzielle Unterstützungen von Regierungen. Nichtsdestotrotz ist die Filmindustrie in Afrika am Wachsen. Der Grund dafür wird in der Videofilmproduktion gesehen. Auch wenn durch neue Technologien neue Möglichkeiten geschaffen werden und mehr Leute Zugang zur Filmindustrie haben, ist es für Frauen nicht einfach, hinter der Kamera zu stehen. Die afrikanische Filmindustrie ist männlich dominiert, und es gibt wenig Raum für Frauen, sich auszudrücken. Filmfestivals sind eine Möglichkeit, sich den Raum zu nehmen, um sich auszutauschen, auszudrücken und zu Wort zu kommen.

In Afrika gibt es in verschiedenen Ländern Filmfestivals mit unterschiedlichstem Fokus. Das bekannteste und größte internationale Filmfestival in Afrika ist das Festival panafricain du cinéma et de la télévision de Ouagadougou (FESPACO) in Burkina Faso, das 1969 zum ersten Mal stattfand. Ein Beispiel für ein Festival, bei dem regionale Filme gezeigt werden, ist das Carthage Film Festival in Tunesien, das 1966 entstand und damit das älteste Filmfestival in Afrika ist. Die Liste an afrikanischen Filmfestivals könnte um viele Orte im Maghreb, in Süd-, Ost- und Westafrika erweitert werden.


Wozu ein Filmfestival?

Das Ziel von Filmfestivals ist es, Plattformen zu schaffen, bei denen sich RegisseurInnen, TheoretikerInnen, Publikum und KritikerInnen aus verschiedenen Teilen von Afrika treffen, um ein gegenseitiges Verständnis und um Kooperationen zwischen verschiedenen Ländern, die auf dem Festival repräsentiert werden, zu schaffen, damit die Industrie gestärkt wird, und um Artikel zu publizieren, damit auch die Fachliteratur zum afrikanischen Film wächst. Die Filme sollen auch dem allgemeinen Publikum zugänglich gemacht werden, die ohne Festival nicht die Möglichkeit hätten, diese Filme zu sehen und somit das afrikanische Kino zu genießen.

Hinterfragt werden muss aber immer, für wen das Festival organisiert wird. Zum Beispiel wird FESPACO vor allem von französischen Institutionen gefördert, und der Großteil des Publikums kommt aus Frankreich oder anderen Teilen der "westlichen" Welt. Das hat Einfluss auf die Filmauswahl. Bei dem diesjährigen Festival war das Motto "Afrikanisches Kino, Tourismus und kulturelles Erbe", was darauf schließen lässt, dass es eher für ein europäisches Publikum organisiert wurde. Es wurden auch fast keine Nollywood-Produktionen gezeigt, die in der Regel für ein regionales Publikum produziert werden. Weiters ist auch an den Eintrittspreisen zu erkennen, dass sie für TouristInnen gemacht wurden, denn eine Einzelkarte kostete so viel wie 5 bis 10 Mahlzeiten, und eine Dauerkarte kostete einen durchschnittlichen Monatslohn. Deshalb konnten viele Burkinabe das Filmfestival nur durch das FESPACO-Sonderprogramm im Fernsehen mitverfolgen.

Filmfestivals bieten aber auch hin und wieder Frauen ein Forum, um sich einem breiteren Publikum zu präsentieren, weil in Rezensionen, Buchbesprechungen und anderen Medien afrikanische Regisseurinnen in den letzten 20 Jahren kaum vorkamen. Fanta Régina Nacro, eine berühmte burkinische Filmemacherin, sieht den Grund dafür, dass die Rollenzuschreibung so ist, dass Regieführung immer als Männerberuf verstanden wurde und es deshalb Frauen so schwer fiel, sich in dem Genre zu etablieren.

Hanna Schofeld (2005) schreibt in ihrer Analyse, dass es für afrikanische Regisseurinnen nicht nur schwierig ist, sich hinter der Kamera zu behaupten, sondern einige sehen sich bereits durch angebotene Themen eingeschränkt. Denn meistens handelt es sich bei Angeboten um feministische Themen, Regisseurinnen wollen aber als Geschichtenerzählerinnen wahrgenommen werden und eine große Bandbreite an Themen bearbeiten. Also nicht nur der Zugang, sondern auch die Inhalte schränken Frauen ein. "Betrachtet man die Diskussion um die Besonderheiten afrikanischer FilmemacherInnen (beispielsweise was die Herkunft oder die Themenwahl betrifft), so erweitert sich diese bei Regisseurinnen um die Frage nach dem spezifisch Weiblichen ihrer Werke." (Zitat Schofeld)


Langer Weg zu einem Frauenfilmfestival

1998 integrierte das South African Filmfestival das African Women Filmmakers' Forum ins Programm, und im Rahmen dessen wurde Women of the Sun (WOS) mit der Vision, eine führende Agentur für die Förderung von Regisseurinnen in Afrika zu werden, konzipiert. 2000 wurden die Vorbereitungen abgeschlossen und ein Jahr später ein kleines Festival organisiert, das aber nicht viel Medienpräsenz hatte. 2002 ging die Website von WOS online. Im September 2010 fand zum ersten Mal das Frauenfilmfestival "Women of the Sun" in Johannesburg, Südafrika statt. Eve Rantseli, die Leiterin des Festivals, meinte: "Die Zeit ist reif, um den Glauben, dass Filmemachen eine männliche Domäne ist, zu ändern. Frauen haben viel in Filmen zu sagen, und sie machen es mit unverwechselbarer Sichtweise und Gespür. Der Start von diesem jährlichen Frauenfilmfestival wird der Beginn dafür sein, dass weibliche Filmemacherinnen und ihre Arbeiten ein Teil des Mainstreams werden."

Das WOS-Filmfestival wurde in Kooperation mit dem Goethe-Institut, der Gauteng Film Commission (GFC) und dem Department of Arts and Culture (DAC) in Johannesburg organisiert, um innerhalb von sieben Tagen afrikanische Filmemacherinnen zu feiern. Es wurden 25 Filme von 23 verschiedenen Regisseurinnen aus 15 unterschiedlichen afrikanischen Ländern gezeigt. Unmittelbar vor diesem Festival fand das African Women Filmmakers' Forum, das vom Goethe-Institut allein organisiert wurde, statt. Bei diesem Forum versammelte sich eine Delegation von 25 Filmemacherinnen aus Sub-Sahara Afrika, Indien, den USA und Deutschland, um voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu inspirieren und sich zu vernetzen. Es ging bei dieser Plattform darum, dass Filmemacherinnen ihre Situation einschätzen und Strategien entwickeln, damit ihre Anwesenheit in der Filmindustrie gestärkt wird. Es sollen mehr Filme gedreht werden, und nach Fertigstellung soll die Arbeit unter ein breites Publikum gestreut werden. Das Ziel war es, den innerafrikanischen Austausch und die berufliche Situation von Künstlerinnen zu verbessern. Es wurden Fragen wie die der verschiedenen Herausforderungen für Frauen in einem traditionell männerdominierten Feld erörtert und welche Auswirkungen es hat, wenn mehr Frauen hinter der Kamera stehen.

Der Sinn des Festivals war es auch zu zeigen, dass nicht nur bestimmte Leute oder Länder filmen können bzw. eine Filmindustrie haben. Es sollte neu entstehenden Industrien und Talenten einen Raum bieten, sich zu präsentieren.


Literatur- und Webtipps:

Hanna Schofeld: Regisseurin sein in Afrika. (Berlin: 2005)
(www.rencontres.de/Frankophonie_Ge.191.0.html#3198)
www.africanwomenincinema.org/AFWC/Index.html
www.womenofthesun.org.za


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 114, 4/2010, S. 10-11
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
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Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2011