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INTERNATIONAL/136: Tansania - Bedrohte Pressefreiheit (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, Oktober/November 2013

Bedrohte Pressefreiheit
Journalisten verlangen Unabhängigkeit der Medien Tansanias

von Nizar Visram



Internationale Entwicklungsorganisationen und Kreditgeber loben die gute Regierungsführung und die transparente Politik Tansanias. Sie vernachlässigen aber die Bedrohung der Pressefreiheit und die Gewalt gegen Journalisten.


Als der US-amerikanische Präsident Barack Obama im Juli 2013 während seiner Afrikareise Tansania besuchte, pries er die Anstrengungen der tansanischen Regierung und würdigte sogar den Beitrag der Journalisten zu Transparenz und Demokratie. Allerdings vermittelte das Komitee zum Schutz von Journalisten ein ganz anderes Bild. Diese in New York ansässige Organisation stellte fest: Repressive Gesetze wurden verstärkt, die Angriffe auf die unabhängige Presse stiegen und die Wochenzeitung MwanaHalisi wurde Ende Juli verboten. Sie hatte über einen Ärztestreik und über die Beteiligung eines Geheimdienstmitarbeiters an der Gefangennahme und Folter des Streikorganisators Dr. Steven Ulimboka berichtet. MwanaHalisi legte Widerspruch ein, aber die verantwortlichen Behörden verschleppten die Anhörungen, obwohl sogar das drakonische Pressegesetz von 1976 diese erlaubt. Selbst die Forderung ausländischer Diplomaten, das Verbot zurückzunehmen, half nicht.

Ab September 2012 gab es zehn schwere Angriffe auf Journalisten. Der Kameramann Daud Mwangosi wurde am 2. September 2012 bei einer Demonstration der Oppositionspartei CHADEMA (Partei für Demokratie und Fortschritt) in Iringa, ca. 500 Kilometer westlich von Daressalam, von einem Polizisten erschossen. Mwangosi, der für einen privaten Fernsehsender arbeitete und den Presseclub in Iringa leitete, hatte die Misshandlungen eines Demonstranten durch Polizisten dokumentiert.

Bislang wurde niemand für den Mord zur Rechenschaft gezogen. Auch Absalom Kibanda, Chefredakteur der New Habari-Zeitungsgruppe, wurde bei einem Überfall im März 2013 schwer verletzt und verlor ein Auge. Er musste monatelang medizinisch behandelt werden. Zwar lässt die Polizei verlautbaren, sie würde ermitteln, doch das bezweifeln etliche Journalisten. Angesichts solcher Übergriffe und massiver Bedrohungen ist eine unabhängige Medienberichterstattung kaum möglich. Das Resultat lautet: Angst und Selbstzensur der Journalisten vor allem in ländlichen Gebieten.

Die Regierung hatte zwar angekündigt, die Mediengesetze zu reformieren, und unterschrieb die "Open Government Partnership Initiative", um die Transparenz zu fördern. Aber nach jahrelangen Verhandlungen wurden keine Schritte zur Reform der bestehenden repressiven Gesetze unternommen. Deshalb verlangt das internationale Komitee zum Schutz von Journalisten: Die Regierung sollte gemeinsam mit Journalisten einen Gesetzesentwurf erarbeiten, der auf Meinungsbildung abzielt, und die bestehenden repressiven Gesetze zurücknehmen. Es sollte auch offizielle Ermittlungen zur Aufklärung der Tötung des Kameramanns Daud Mwangosi geben.

Während der Regierungsbericht über dessen Todesursache die Polizeigewalt herunterspielte, warf der Medienrat Tansanias (MCT) der Polizei unprofessionelles Verhalten vor, zumal mindestens sechs Polizisten an der gewaltsamen Auseinandersetzung mit Mwangosi beteiligt waren. Gegen keinen der Beteiligten wurde ermittelt, hingegen wurde ihr Vorgesetzter sogar befördert.


Pressefreiheit bedroht

Wegen der eingeschränkten Pressefreiheit und der Selbstzensur von Journalisten in ländlichen Gebieten hört man kaum etwas von den öffentlichen Protesten gegen die staatliche Repression im Gebiet von Mtwara im Süden Tansanias. Hier begannen die Probleme, als bekannt wurde, dass eine - von Präsident Kikwete angekündigte - Gasraffinerie vor Ort nicht gebaut würde. Vielmehr soll das gefundene Gas mit einer Pipeline nach Daressalam gepumpt werden. Die Polizei ging gewaltsam gegen Demonstranten vor, worüber die lokalen Medien jedoch nicht berichteten. Das Media Institute of Southern Africa (MISA) brachte diese Probleme an die Öffentlichkeit. Weder der Innenminister noch der Informationsminister oder deren Vertreter waren zu Stellungnahmen bereit.

Auch der internationale Index zur Pressefreiheit (World Press Freedom Index) dokumentierte drastische Einschränkungen der Arbeit von Journalisten und Medienhäusern. So sank Tansania auf der Rangliste von Platz 34 im Jahr 2012 auf Platz 70 in diesem Jahr. Reporter ohne Grenzen, die für den jährlichen index 179 Länder verglichen, erklärten, ein Grund für die Rückstufung seien die Todesfälle von Journalisten gewesen. Diese Kritik bestätigt der aktuelle Länderbericht des Africa Peer Review Mechanism (APRM). Demnach ist auch das Verbot der Wochenzeitung MwanaHalisi ein Beleg für die mangelnde Meinungsfreiheit.

Präsident Kikwete hingegen verteidigte sein Land und sagte, in manchen Landesteilen hätte die Bevölkerung das Gefühl, die Pressefreiheit sei zu umfangreich und sie würde die Rechte von Individuen oder einzelner Gruppen beschränken. Er betonte, im Juli 2012 seien 763 Zeitungen in Tansania offiziell registriert, das sei die größte Zahl an Zeitungen in einem afrikanischen Land. Zudem gäbe es 85 Radiostationen und 26 Fernsehsender. 90 Prozent seien im Besitz von Privatpersonen und Nichtregierungsorganisationen.

Jenerali Ulimwengu, ein anerkannter Journalist, entgegnete, eine große Zahl an Fernsehstationen, Zeitungen und Radiosendern garantiere nicht die Pressefreiheit. Notwendig sei ein Recht, das Zugang auf Informationen und Informationsverbreitung ohne Beschränkungen durch Regierungsstellen gewährt. Dieses Argument klingt plausibel in einem Land, wo die Regierung die Polizei anweist, Menschen zu schlagen, die sich einer unrechtmäßigen Ordnung widersetzen.

In einer solchen politischen Atmosphäre arbeiten die Medien in Tansania. Oft wird das Problem so dargestellt, als ob der Staat die privaten Medien unterdrücken wollte, während diese die Pressefreiheit verteidigen würden. Entscheidender ist aber, wem die Medien nützen und welche Zwecke sie verfolgen. Auch die privaten Medien sind nicht frei, oft vertreten sie kommerzielle Interessen ihrer Besitzer.

Der prominente tansanische Rechtsexperte, Professor Issa Shivji, fordert den Mediensektor heraus. Er verlangt die Pressefreiheit und verurteilt die mangelnde Bereitschaft der Regierenden zu transparenter Politik. Er kritisiert Regierende, die Medienvertretern prestigeträchtige Posten anbieten und auf diese Weise die Medien schwächen. Zudem moniert er: Reiche Medienbesitzer würden Druck auf die Regierung ausüben, um ihre wirtschaftlichen oder politischen Ziele durchzusetzen. Das sei kleinen Medien wie MwanaHalisi kaum möglich. Shivji unterstreicht, ohne unabhängige Herausgeber seien die Medien nicht frei. Weiterhin verlangt er eine gewisse Jobsicherheit für Journalisten. Jedoch sollten sie nicht die Absichten des Kapitals erfüllen, sondern die Interessen der Bevölkerung.


Erklärung für unabhängige Medien

Bereits im März 2011 hatte der Medienrat Tansanias (MCT) die "Dar es Salaam Declaration on Editorial Freedom, Independence and Responsibility" (DEFIR) verabschiedet. Es ist eine Erklärung zu demokratischen Pflichten und Verantwortungsbereichen von Journalisten und privaten oder staatlichen Besitzern der Medien. Sie basiert auf dem Recht auf Information und Meinungsfreiheit und bezieht sich auf internationale Abkommen. Die Berichterstattung durch die Medien ist ein öffentliches Gut, deshalb sollte das öffentliche Interesse über dem privaten Profitstreben der Medienbesitzer stehen. Zudem ist die Meinungsfreiheit der Chefredakteure eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Bevölkerung ihr fundamentales Recht auf Information und Meinungsbildung verwirklichen kann. Wenn die privaten Medien die Berichterstattung monopolisieren, ist das eine ähnliche Bedrohung für die Pressefreiheit wie ein Staatsmonopol. Daher sollten sich Journalisten und die Öffentlichkeit gegen jegliche Monopolisierung und Konzentration aussprechen.

Die Beschränkung der Pressefreiheit kann vom Staat, von privaten Besitzern der Medienhäuser, von Firmen, die in den Zeitungen werben, von internationalen Kreditgebern und Diplomaten ausgehen. Auch Entwicklungsgeber sollten nicht ihre Agenden mit der Vergabe von Fördergeldern durchsetzen. Deshalb sind kooperative Besitzformen unterschiedlicher Akteure im Mediensektor notwendig.

In Zeiten der Globalisierung ist es wichtig, dass die Medien gut recherchieren, objektiv berichten und einen Platz bieten für die Sicht der Bevölkerung - für deren Sorgen und Nöte. In Tansania gibt es einige Medienmagnate mit viel Macht und Geld. Sie können die Meinungsbildung stark beeinflussen. In den 1970er Jahren beteiligten sich viele Länder des Südens auf Anregung der Unesco am Kampf gegen den Kulturimperialismus aus dem Norden. Sie entwickelten einen Plan für eine neue, weltweite Kommunikations- und Informationsordnung. Diese Kampagne war Teil eines größeren Kampfes der Länder des Südens gegen die internationale wirtschaftliche Ungleichheit. Eine ähnliche Bedeutung hat heute die Daressalam-Erklärung zur Pressefreiheit (DEFIR), denn sie ist eine eigene Antwort afrikanischer Medienleute auf die Konzentration, Kommerzialisierung und Globalisierung.


Der Autor ist unabhängiger Journalist in Tansania. Seit über 30 Jahren berichtet er über politische und sozio-ökonomische Themen.

Aus: Pambazuka 645, 12.9.2013

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
42. Jahrgang, Nr. 5, Oktober/November 2013, S. 13 - 14
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2014