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BERICHT/004: München - Studentenradio m94,5 (MünchnerUni Magazin)


MünchnerUni Magazin 03/2008
Zeitschrift der Ludwig-Maximilians-Universität München

Studentenradio m94,5
Senden für den Ernstfall

Von Britta Voss


Führten früher Prinzessin oder Feuerwehrmann die Beliebtheitsskala der Berufe an, übernimmt heute "irgendwas mit Medien" diesen Platz. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Studierendenzahl in den Kommunikations- und Medienwissenschaften auf 55.000 verdoppelt. Studieren allein reicht aber nicht, um als Journalist, Tontechniker oder Medienpädagoge Fuß zu fassen. Ausbildungsmedien wie der Radiosender m94,5, getragen unter anderem vom Institut für Kommunikationswissenschaften und Medienforschung der LMU, bieten die Arbeitspraxis, die von Berufsanfängern bereits erwartet wird.


Der Erfinder von LSD ist tot, die Liegestuhlsaison im Englischen Garten hat begonnen und in der Antarktis wächst das Eis: Themenkonferenz bei m94,5. Rund ein Dutzend Redakteure bereiten die Nachmittagssendung "Hörbar" vor, über die Hälfte hat heute ihren ersten Tag. "Neulinge haben keine Schonfrist", sagt Veit Schwab, Chef vom Dienst, und klingt sehr prinzipiell. Wer seine zwei Pflichtthemen nicht ordentlich recherchiert hat, keinen neuen "Dreh an der Geschichte" zu präsentieren weiß oder einfach zu spät kommt, wird prompt ermahnt: "Das könnt ihr später, wenn ihr irgendwo richtig arbeitet, auch nicht so machen".

Richtig arbeiten müssen die Redakteure also auch schon hier, immerhin sendet m94,5 pausenlos 24 Stunden. "Nach dem Lustprinzip geht da einfach nichts", sagt auch Wolfgang Sabisch, Programmleiter des Aus- und Fortbildungskanals. Jeder, der hier anfängt, verpflichtet sich zunächst für zwei Semester einmal die Woche ganztags für das Studierendenmagazin "Hörbar" zu arbeiten. Dazu kommt dann noch die Mitarbeit in einem speziellen Ressort wie Politik, Sport oder Kultur, die jeweils eigene Sendungen wie das "Plenum" oder den "Bewegungsmelder" produzieren. "Was die Redakteure bei uns lernen, ist, dass sie in eine Verantwortungsstruktur eingebunden sind, dass sie unter Zeitdruck diszipliniert und auf den Punkt genau arbeiten", sagt Sabisch. Unbeeindruckt von den Anforderungen bewerben sich dennoch meist doppelt so viele Anfänger, wie genommen werden können. Jeweils zu Semesterbeginn nimmt m94,5 neue Redaktionsmitglieder auf. "Urban, innovativ und trendbewusst", wie Sabisch Zielgruppe und Senderanspruch zusammenfasst, sind es die 20- bis 30-Jährigen, die bei m94,5 Programm machen. Veit Schwab etwa, der gerade noch die 10-Uhr-Nachrichten Korrektur liest, um dann mit Programmchef Sabisch die Themenliste für die Sendung "Hörbar" abzustimmen. Ob der 23-Jährige nebenbei Radio macht oder eher nebenbei Politikwissenschaft an der LMU studiert, lässt sich bei seinem Zeitplan kaum noch sagen. Zweieinhalb Tage Minimum verbringt er im Sender, obwohl er gar nicht so genau weiß, ob er auch später im Medienbereich arbeiten will.

Anders Marion Uschold. Gerade hat sie die Morgenausgabe von "Hörbar" abmoderiert, jetzt sitzt sie in einem der zwei Aufnahmestudios und schneidet einen Teaser für ein von m94,5 unterstütztes Theaterprojekt. Wenn die 22-jährige Studentin von ihrer Arbeit beim Radio erzählt, fallen Worte wie "Herzblut", "das wollte ich schon immer machen" und "hier habe ich meine Richtung erkannt". Angefangen hat sie als Schülerin mit dem "Störfunk", einer Abendsendung, die von Jugendlichen im Medienzentrum München für m94,5 produziert wird. Während sie spricht, blickt sie auf die im Sekundentakt blinkende Wanduhr. In drei Minuten muss sie bereits wieder Nachrichten ansagen. Sie mag die Vorstellung, mit dem Radio als Alltagsmedium die Menschen durch den Tag zu begleiten.

Zwischentöne

Seit fast zwölf Jahren wird m94,5 von bis zu 15.000 Hörern im Sendegebiet München eingeschaltet. Sowohl mit seiner alternativen Musikausrichtung als auch mit dem jugendlich zugeschnittenen Themenangebot positioniert sich m94,5 bewusst "neben der Spur" der marktführenden Sender, aber auch über den Radius eines bloßen Campus-Radios hinaus. Erst im Januar wurde das Programmschema reformiert, Sendeplätze an die Hörgewohnheiten des Publikums angepasst, neue Musikformate wie das mittägliche "Pop!Zack!!Bumm!!!" oder die Indierock-Sendung "Magic Mushroom" entwickelt oder auf Initiative der Redakteure ein eigenes Wissenschaftsressort gegründet. "Unsere Redaktion ist dann besonders stark, wenn sie nicht nur aus einer Fachrichtung kommt", meint Sabisch. In diesem Sinne wird bei m94,5 auch der Fortbildungsgedanke ernst genommen. Jedem Mitarbeitenden "wird dringend empfohlen, an mindestens ein bis zwei internen Seminaren pro Semester teilzunehmen", vom Comedy-Kurs bis zum Interpretativen Sprechen.


Radiocampus

Theoretisch steht der Ausbildungskanal allen Auszubildenden der im Trägerverein organisierten Institutionen offen, wie denen des Institutes für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU, der Deutschen Journalistenschule oder der Akademie der Bayerischen Presse etwa. Am stärksten jedoch folgen die Studierenden der LMU dem Aufruf zur Mitarbeit. Drei Viertel der Redaktion, sagt Sabisch, seien von der Uni, daneben nutzen Studierende des Medienausbilders SAE die Möglichkeit, als technische Assistenten die Redaktionen zu unterstützen. Außerdem bietet der Sender Praktikumsplätze, die vor allem seit dem Bologna-Prozess immer stärker nachgefragt werden. "Mit den neuen Studiengängen geht es für die meisten nicht mehr, einen ganzen Tag zu entbehren, wir brechen jetzt die Regel so auf, dass auch eine Mitarbeit zweimal halbtags möglich ist", benennt Sabisch die Maßnahmen, den "Zeit stärker vorstrukturierenden" Uni-Reformen zu begegnen, ohne den Gemeinschaftscharakter der über das ganze Semester zusammenarbeitenden Tagesteams zu gefährden. Denn wer, wie Marion Uschold, "alle anderen Freizeitaktivitäten, Schlaf, aber auch Freunde" für den Sender einschränkt, bekommt bei m94,5 ein Konzentrat an Gemeinschaft. Innerhalb der Tagesteams arbeiten meist zwei Leute zusammen an einem Thema, erfahrene Redaktionsmitglieder begleiten die Neulinge bei ihren ersten Recherchen, planen die Beiträge, geben Tipps beim Einsprechen oder Schneiden der Interviews. Mittags sammeln sich alle in der Gemeinschaftsküche, wo inzwischen zwei "Freiwillige" Pasta oder Chili con Carne im Mensa-Volumen zubereitet haben. Ab 16 Uhr heißt es dann: "On Air". Auf einem Beitragszettel lassen sich die Redakteure quittieren, wie und ob ihre Beiträge hörbar waren. Am Ende des Semesters wird abgerechnet. Eine Art Lohn für die beanspruchende Mitarbeit ist dieser "komische Moment", in dem zum ersten Mal die eigene Stimme im Radio zu hören ist, wie Marion Uschold sagt. Auch das aber ist für sie längst Routine.

"Wir sind 'old school'", sagt auch Sabisch, "was wir machen, zahlt sich vielleicht nicht gleich in Cent und Euro aus, sondern manchmal erst im Berufsleben. Dafür können unsere Ehemaligen sagen, nicht einfach nur im einsamen Studierkämmerlein für sich gehockt zu haben", ganz egal ob am Ende die Karriere als Rundfunkjournalist oder doch als Politikberater steht. Über die zwölf Jahre hat Senderchef Wolfgang Sabisch gut 1.500 Redakteure bei m94,5 begleitet. Viele von ihnen arbeiten inzwischen bei anderen Sendern. So geraten dann auch seine Fremdhörversuche anderer Sender zu akustischen m94,5-déjà-vu-Erlebnissen: Andere Frequenz, gleiche Stimme.


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Quelle:
MünchnerUni Magazin 03/2008, Seite 14-15
Herausgeber: Rektorat der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München
Redaktion: Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
Tel.: 089/21 80-34 23, Fax: 089/33 82 97
E-Mail: mum@lmu.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2008